Inhalt

VG München, Beschluss v. 02.10.2020 – M 26a S 20.4823
Titel:

Begrenzung der Teilnehmerzahl von privaten Veranstaltungen

Normenketten:
IfSG § 28
6. BayIfSMV § 5 Abs. 2 S. 1, § 23
7. BayIfSMV § 25 Abs. 2 Nr. 1
GG Art. 12 Abs. 1
Leitsätze:
1. Schutzmaßnahmen iSv § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG können auch in Form einer Allgemeinverfügung ergehen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Beschränkung der Teilnehmerzahl bei Veranstaltungen, die üblicherweise nicht für ein beliebiges Publikum angeboten oder aufgrund ihres persönlichen Zuschnitts nur von einem absehbaren Teilnehmerkreis besucht werden – wozu auch Geburtstagsfeiern zählen – auf max. 25 Teilnehmer in geschlossenen Räumen bzw. max. 50 Teilnehmer unter freiem Himmel erweist sich als notwendig und verhältnismäßig. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
3. "Geschlossene" Veranstaltungen begründen ein spezifisch hohes Infektionsrisiko, da sie sich dadurch auszeichnen, dass aus einem bestimmten Anlass bestimmte Einzelpersonen zusammenkommen und eine innere Verbundenheit der Teilnehmer besteht, die dadurch in besonderem Maße auf zwischenmenschliche Interaktion und Kommunikation aller Teilnehmer ausgelegt sind. Insbesondere Feiern wie Hochzeiten und Geburtstage sind durch eine Stimmung der Geselligkeit, Ausgelassenheit und Herzlichkeit mit entsprechendem physischen Kontakt gekennzeichnet, sodass es typischerweise zu engeren, aus Gründen des Infektionsschutzes riskanteren Kontakten zwischen zahlreichen Personen kommt bei gleichzeitig erhöhter Verweildauer der Teilnehmer. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Ungleichbehandlung der Betriebe, in denen "geschlossene" Veranstaltungen stattfinden, gegenüber Gastronomiebetrieben, die keinen absoluten zahlenmäßigen Beschränkungen unterliegen, ist bereits deshalb sachlich gerechtfertigt, weil das Infektionsrisiko bei privaten Feiern gegenüber gewöhnlichen Gastronomiebesuchen deutlich erhöht sein dürfte. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Corona, Allgemeinverfügung der LHM, Begrenzung der Teilnehmerzahl von Veranstaltungen, Corona-Pandemie, Allgemeinverfügung, Innenbereich einer Gaststätte, Teilnehmerzahl von Veranstaltungen, Hygienekonzept, private geschlossene Veranstaltungen, Infektionsrisiko, Geburtstag
Fundstelle:
BeckRS 2020, 26924

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 7.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin betreibt die Bar „… …“ in M.
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Mit Allgemeinverfügung vom 1. Oktober 2020, gültig vom 2. Oktober 2020 (0:00 Uhr) bis 8. Oktober 2020 (24:00 Uhr), ordnete die Antragsgegnerin auf infektionsschutzrechtlicher Grundlage für die Landeshauptstadt M. aufgrund erhöhter Infektionszahlen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 u.a. Folgendes an:
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„2. Abweichend von § 5 Abs. 2 Satz 1 der 6. BayIfSMV sind Veranstaltungen auf dem Stadtgebiet der Landeshauptstadt M., die üblicherweise nicht für ein beliebiges Publikum angeboten oder aufgrund ihres persönlichen Zuschnitts nur von einem absehbaren Teilnehmerkreis besucht werden (insbesondere Hochzeiten, Beerdigungen, Geburtstage, Schulabschlussfeiern und Vereins- und Parteisitzungen) und nicht öffentliche Versammlungen nur bis zu maximal 25 Teilnehmern in geschlossenen Räumen (anstatt wie bisher bis 100 Teilnehmer) oder bis zu maximal 50 Teilnehmern unter freiem Himmel (anstatt wie bisher bis 200 Teilnehmer) gestattet, wenn der Veranstalter ein Schutz- und Hygienekonzept ausgearbeitet hat und auf Verlangen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vorlegen kann. § 5 Abs. 1 der 6. BayIfSMV bleibt unberührt.“
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Bereits mit Allgemeinverfügung vom 23. September 2020 hatte die Antragsgegnerin in der dortigen Ziffer 4 eine im Wesentlichen inhaltsgleiche - vom 24. September 2020 (0:00 Uhr) bis 1. Oktober 2020 (24:00 Uhr) geltende - Regelung erlassen.
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Begründet wurde die genannte Anordnung vom 1. Oktober 2020 u.a. damit, dass sich seit dem Erlass der Allgemeinverfügung vom 23. September 2020 das Infektionsgeschehen in M. aus infektionsepidemiologischer Sicht zwar verbessert habe. Obwohl die 7-Tages-Inzidenz des Landesamtes für Gesundheit- und Lebensmittelsicherheit (LGL) nicht mehr den kritischen Wert von 50/100.000 Einwohnern überschreite, sei dennoch zu berücksichtigen, dass die 7-Tages-Inzidenz des LGL in der Landeshauptstadt M. seit mehreren Wochen durchgehend über 35/100.000 Einwohnern liege. Das Erreichen des Signalwertes von 35 sei bei einer Krankheit wie COVID-19, die sich, wenn keine Bekämpfungsmaßnahmen ergriffen würden, exponentiell verbreite, von grundlegender epidemiologischer Bedeutung. Das Referat für Umwelt und Gesundheit habe im Rahmen der täglichen Ermittlungen festgestellt, dass ein großer Teil der Neuinfektionen auf Fälle im Zusammenhang mit Feiern im Familien- und Freundeskreis zurückzuführen sei. Durch die Senkung der Teilnehmerzahl in Nr. 2 der Anordnung reduziere sich aus Sicht Gesunder das Risiko, mit einem Erkrankten in Kontakt zu kommen und sich ebenfalls zu infizieren, um ein Vielfaches. Ebenso werde die Gefahr durch sogenannte „Super-Spreader“, welche bei einzelnen Treffen oder Veranstaltungen eine Vielzahl von Menschen auf einmal infizieren, reduziert, da diese durch die Senkung der jeweiligen Höchstzahlen entsprechend weniger infektionsrelevante Kontakte haben könnten. Die Maßnahme sei somit geeignet, eine Ausbreitung von SARS-CoV-2 zeitlich und räumlich zu verlangsamen und in der gegenwärtigen Lage, insbesondere von der im Herbst wieder bevorstehenden Influenzawelle, zu entkoppeln. Die Maßnahme sei auch erforderlich, da sich eine hinreichende Verringerung infektionsrelevanter Kontakte nur über die angeordnete Senkung der jeweiligen Höchstzahlen der Veranstaltungsteilnehmer erreichen lasse. Die angeordnete Maßnahme sei auch angemessen, da die mit der Maßnahme verbundenen Nachteile nicht außer Verhältnis zum angestrebten Zweck stünden.
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Auf die ausführliche Begründung der Allgemeinverfügung - abrufbar unter: https://www...de/rathaus/Stadtverwaltung/Referat-fuer-Gesundheit-und-Umwelt/Infektionsschutz/Neuartiges_Coronavirus/Corona-Massnahmen-fuer-Muenchen.html - wird Bezug genommen.
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Die Antragstellerin erhob am 1. Oktober 2020 Anfechtungsklage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, Ziffer 4 der infektionsrechtlichen Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin zur Kontaktbeschränkung und der Maskenpflicht vom 23. September 2020 aufzuheben (M 26a K 10.4822). Gleichzeitig beantragt sie im Wege des Eilverfahrens,
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die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anzuordnen.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Antragstellerin seit drei Jahren mit Erfolg die Bar „… …“ in M. betreibe. Sie biete eine Schankwirtschaft i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Gaststättengesetz (GastG), die sie aufgrund der durchgehend geltenden Beschränkungen für Betriebe der Schankwirtschaft seit dem 16. März 2020 bis zum 18. September 2020 geschlossen zu halten hatte. Erst seit dem 19. September 2020 sei der Betrieb unter den Auflagen des § 13 Abs. 4 der 6. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (6. BayIfSMV) wieder zulässig. Die Bar verfüge über eine Gastraumfläche von 250 qm und 199 Sitzplätzen. Die Öffnungszeiten seien donnerstags bis samstags von 17.00 Uhr bis 24.00 Uhr. Die Antragstellerin habe sämtliche Maßnahmen gemäß § 13 Abs. 4 Satz 1 und 2 der 6. BayIfSMV getroffen, um die erforderlichen Schutz- und Hygienemaßnahmen umsetzen zu können. Das Hygienekonzept wurde in der Antragsschrift näher dargelegt. Die maximal verfügbaren Sitzplätze seien auf 99 reduziert worden, so dass die Antragstellerin die Grenzen des § 5 Abs. 2 Satz 1 der 6. BayIfSMV jederzeit strikt einhalte.
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Die Antragstellerin habe für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten keinerlei Einnahmen gehabt. Derzeit stelle sie ihre Räumlichkeiten insbesondere an den Wochenenden für private Geburtstagsfeiern zur Verfügung. Am Freitag, 2. Oktober 2020, und am Samstag, 3. Oktober 2020 seien private Geburtstagsfeiern mit je 50 Gästen gebucht. Wenn die Antragstellerin gehalten sei, diese abzusagen, werde sie einen Verlust von 6.000 bis 7.000 Euro erleiden.
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Laut Presserklärung der Antragsgegnerin seien die in der Allgemeinverfügung vom 23. September 2020 angeordneten Maßnahmen größtenteils aufgehoben worden, Ziffer 4 der Allgemeinverfügung vom 23. September 2020 hingegen soll über den 1. Oktober 2020 hinaus in Kraft bleiben. Die Antragsgegnerin habe diese Regelung ursprünglich soweit ersichtlich ausschließlich mit dem Argument gerechtfertigt, dass in der Landeshauptstadt M. der sog. „Inzidenzwert“ die Marke von 50 Infizierten pro 100.000 Einwohnern überschritten gewesen sei, weshalb die Öffnungsklausel in § 23 Abs. 2 der 6. BayIfSMV anzuwenden gewesen sei. Nach den aktuellen Infektionszahlen für die Landeshauptstadt M., Stand 01.10.2020, 00:00 Uhr betrage der Inzidenzwert 36,97. Das Robert-Koch-Institut gehe von einem Inzidenzwert von 36,0 aus. Die Landeshauptstadt M. sei daher weder akutes Krisengebiet („Corona-HotSpot“) noch biete sie Anlass zu verschärften Maßnahmen. Für die Regelung (in Ziffer 4 der Allgemeinverfügung vom 23. September 2020) bestehe kein Bedürfnis. Bei § 23 Abs. 2 der 6. BayIfSMV handele es sich um eine Ermessensentscheidung („soll“), zum anderen seien deren Voraussetzungen nicht mehr erfüllt, da der Inzidenzwert bei 36 und nicht bei 50 liege. Ziffer 4 der angegriffenen Allgemeinverfügung sei rechtswidrig; sie halte sich nicht im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage, sei unverhältnismäßig und verstoße gegen Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Der Schutzbereich der Eigentumsfreiheit sei in Bezug auf die Antragstellerin eröffnet und betroffen. Geschützt seien alle konkreten vermögenswerten Rechtspositionen, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in einer Weise zugeordnet seien, dass dieser die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben dürfe. Geschützt sei mithin ein möglicher Gewinn aus den beiden genannten Feiern in Höhe von 6.000 bis 7.000 Euro. Auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sei vom Schutzbereich des Art. 14 GG erfasst. Die betreffende Regelung stelle eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG mit enteignendem Charakter dar.
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Die Antragsgegnerin beantragt mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2020,
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den Antrag abzulehnen
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Die Antragstellerin wende sich im Eilverfahren gegen Maßnahmen aus Ziffer 4 der Allgemeinverfügung vom 23. September 2020. Die gleiche Regelung befinde sich nun unter Ziffer 2 der Allgemeinverfügung vom 1. Oktober 2020. Zeitgleich habe der Freistaat Bayern die 7. BayIfSMV erlassen, die in § 25 Abs. 2 Nr. 1 die Regelung enthalte, dass die zuständige Kreisverwaltungsbehörde unbeschadet des § 25 Abs. 1, des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. g und des § 18 Abs. 3 insbesondere die Anordnung treffen soll, die zulässige Zahl der Teilnehmer von privaten Feierlichkeiten in öffentlichen und angemieteten Räumen auf bis zu 50 Personen zu beschränken, wenn in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt laut Veröffentlichung des Robert-Koch-Instituts oder des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit eine Zahl von Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 von 35 pro 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen überschritten werde.
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Die Allgemeinverfügung, auf deren Begründung verwiesen werde, sei zu Recht ergangen. Die Rechtsgrundlage für den Erlass der Allgemeinverfügungen vom 23. September 2020 und 1. Oktober 2020 finde sich in § 23 Abs. 1 der 6. BayIfSMV und nicht, wie von der Antragstellerin behauptet, in § 23 Abs. 2 der 6. BayIfSMV. Somit komme es nicht darauf an, ob der Inzidenzwert über 50/100.000 liege. Maßgeblich sei das Infektionsgeschehen vor Ort. Die Zahlen würden zeigen, dass die Landeshauptstadt M. mit einem Inzidenzwert von über 35/100.000 Einwohnern noch immer ein hohes Infektionsgeschehen aufweise. Zwischenzeitlich sei die 7. BayIfSMV in Kraft getreten, wonach die Kreisverwaltungsbehörden die Begrenzung der Teilnehmer an privaten Feiern in öffentlichen oder privaten Räumen anordnen sollen, wenn der Inzidenzwert von 35 überschritten ist. Auch wenn die 7. BayIfSMV zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Allgemeinverfügung durch Twitter, Internet und Presse der Antragsgegnerin noch nicht veröffentlicht gewesen sei, ändere das Inkrafttreten der 7. BayIfSMV nichts an der Rechtswirksamkeit der erlassenen Allgemeinverfügung vom 1. Oktober 2020. Auch unter der Geltung der Regelung des § 25 Abs. 2 Nr. 1 der 7. BayIfSMV bleibe der Regelungsgehalt der von der Antragsgegnerin getroffenen Entscheidung gleich. Der Tenor würde sich nicht ändern. Ein Auswechseln der Rechtsvorschrift wäre somit unschädlich, da die dem § 23 Abs. 1 der 6. BayIfSMV (jetzt § 25 Abs. 1 der 7. BayIfSMV) zugrundeliegende Ermessensentscheidung, ob oder in welchem Umfang die Antragsgegnerin Schutzmaßnahmen veranlasse, lediglich durch eine gebundene Entscheidung ersetzt würde. Auch im Rahmen des § 25 Abs. 2 Nr. 1 der 7. BayIfSMV wäre die Antragsgegnerin berechtigt, die Teilnehmerzahl auf 25 Personen zu begrenzen; ein atypischer Fall liege nicht vor.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
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Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gleichzeitig erhobenen Klage gegen die Teilnehmerbegrenzung in geschlossenen Räumen auf maximal 25 Teilnehmer durch Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg. Dabei ist nach 88 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) im Wege der Auslegung davon auszugehen, dass der Kläger seine Klage gegen die Nummer 2 der aktuellen Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 1. Oktober 2020 richtet, die eine im Vergleich zur Vorgängerregelung in Nummer 4 der Allgemeinverfügung vom 23. September 2020 im Wesentlichen identische Regelung trifft.
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1. Der Antrag ist zulässig, da Anfechtungsklagen gegen Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung entfalten (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 28 Abs. 1, Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG).
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2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
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Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn die Klage keine aufschiebende Wirkung hat. Dabei trifft das Gericht im Rahmen einer summarischen Prüfung der sich im Zeitpunkt der Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene, originäre Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, oder diejenigen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, überwiegen. Wesentliches Element dieser Entscheidung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid als voraussichtlich rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, bleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
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Im vorliegenden Fall hat die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage aller Voraussicht nach keinen Erfolg, so dass mangels gegenteiliger Anhaltspunkte das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin überwiegt. Die streitgegenständliche Allgemeinverfügung erweist sich voraussichtlich als rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, § 114 VwGO).
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Die angefochtene Regelung in Nummer 2 der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung bestimmt, dass abweichend von § 5 Abs. 2 Satz 1 der 6. BayIfSMV Veranstaltungen auf dem Stadtgebiet der Landeshauptstadt M., die üblicherweise nicht für ein beliebiges Publikum angeboten oder aufgrund ihres persönlichen Zuschnitts nur von einem absehbaren Teilnehmerkreis besucht werden (insbesondere Hochzeiten, Beerdigungen, Geburtstage, Schulabschlussfeiern und Vereins- und Parteisitzungen) und nicht öffentliche Versammlungen nur bis zu maximal 25 Teilnehmern in geschlossenen Räumen (anstatt wie bisher bis 100 Teilnehmer) oder bis zu maximal 50 Teilnehmern unter freiem Himmel (anstatt wie bisher bis 200 Teilnehmer) gestattet sind, wenn der Veranstalter ein Schutz- und Hygienekonzept ausgearbeitet hat und auf Verlangen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vorlegen kann. § 5 Abs. 1 der 6. BayIfSMV bleibt unberührt.
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Einschlägige Rechtsgrundlage für die Allgemeinverfügung ist § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Danach trifft die zuständige Behörde unter anderem dann, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden, die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.
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2.1 Formelle Mängel der Allgemeinverfügung sind nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.
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2.2 Die Regelung unter Nummer 2 der Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 1. Oktober 2020 ist voraussichtlich auch materiell rechtmäßig.
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2.2.1 Schutzmaßnahmen i.S.v. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG können auch in Form der Allgemeinverfügung ergehen (BayVGH, B.v. 30.3.2020 - 20 CS 20.611 - juris Rn. 9; Schmidt, COVID-19, § 16 Rn. 1; Häberle/Lutz, IfSG, 1. Aufl. 2020, § 28 Rn. 8). Die allgemeinen Voraussetzungen des Art. 35 Satz 2 Alt. 1 BayVwVfG für den Erlass einer Allgemeinverfügung sind gegeben, insbesondere handelt es sich bei der Verfügung der Antragsgegnerin aufgrund des räumlich und zeitlich begrenzten Geltungsumfangs um die Regelung eines Einzelfalls für einen bestimmbaren Personenkreis und damit um eine konkret-generelle Regelung.
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§ 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG setzt tatbestandlich lediglich voraus, dass Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder es sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war.
28
Diese Voraussetzungen liegen dem Grunde nach angesichts der anhaltenden SARS-CoV-2-Pandemielage unzweifelhaft vor. Das Virus SARS-CoV-2 ist ein Krankheitserreger im Sinne von § 2 Nr. 1 IfSG, der zur Lungenkrankheit COVID-19, einer übertragbaren Krankheit im Sinne von § 2 Nr. 3 IfSG führen kann. Nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts, dem der Gesetzgeber im Bereich des Infektionsschutzes mit § 4 IfSG besonderes Gewicht eingeräumt hat (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 - 1 BvQ 28/20 - juris Rn. 13; BayVerfGH, E.v. 26.3.2020 - Vf. 6-VII-20 - juris Rn. 16), handelt es sich bei der COVID-19-Pandemie weltweit und in Deutschland um eine dynamische und ernst zu nehmende Situation, wobei die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland weiterhin als hoch, für Risikogruppen als sehr hoch einzuschätzen ist. Intensive gesamtgesellschaftliche Gegenmaßnahmen bleiben nötig, um die Folgen der COVID-19-Pandemie für Deutschland zu minimieren. Die massiven Anstrengungen auf allen Ebenen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes verfolgen weiterhin das Ziel, die Infektionen in Deutschland so früh wie möglich zu erkennen und die weitere Ausbreitung des Virus einzudämmen. Es ist laut Robert Koch-Institut (RKI) von entscheidender Bedeutung, die Zahl der Erkrankten so gering wie möglich zu halten und Ausbrüche zu verhindern. Hierdurch soll die Zeit für die Entwicklung von antiviralen Medikamenten und von Impfstoffen gewonnen werden. Auch sollen Belastungsspitzen im Gesundheitswesen vermieden werden (https://www...de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html, Stand 2.10.2020).
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Weitere tatbestandliche Anforderungen an ein Tätigwerden stellt § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG nicht. Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen vor, ist die Behörde zum Handeln verpflichtet (sog. gebundene Entscheidung).
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Insbesondere ist angesichts des Vorbringens der Antragstellerin herauszustellen, dass die streitgegenständliche Allgemeinverfügung ursprünglich nicht auf Grundlage des § 23 Abs. 2 der 6. BayIfSMV, der tatbestandlich eine Überschreitung des 7-Tage-Inzidenzwerts von 50 Neuinfektionen verlangt, erlassen worden ist, sondern § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG i.V.m. § 23 Abs. 1 der 6. BayIfSMV als Rechtsgrundlage benennt, der im Unterschied zu § 23 Abs. 2 6. BayIfSMV eine Überschreitung der 7-Tage-Inzidenz von 50 tatbestandlich gerade nicht erfordert.
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Insoweit die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung nunmehr unter Berücksichtigung der inzwischen in Kraft getretenen Siebten Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (7. BayIfSMV) vom 1. Oktober 2020, BayMBl. 2020 Nr. 562, § 25 Abs. 2 Nr. 1 7. BayIfSMV als Rechtsgrundlage benennt, wonach bei Überschreitung des 7-Tage-Inzidenzwert von 35 die zuständige Kreisverwaltungsbehörde Anordnungen über die Beschränkung der zulässigen Anzahl der Teilnehmer von privaten Feierlichkeiten in öffentlichen oder angemieteten Räumen auf bis zu 50 Personen anordnen soll, ist festzustellen, dass die Allgemeinverfügung jedenfalls auch dieser neu herangezogenen Rechtsgrundlage genügt.
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2.2.2 Hinsichtlich Art und Umfang der zu treffenden Schutzmaßnahmen ist der Behörde ein Auswahlermessen eingeräumt. Das behördliche Ermessen wird dadurch beschränkt, dass es sich um „notwendige Schutzmaßnahmen“ handeln muss. Zudem sind dem Ermessen durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2012 - 3 C 16.11 - BVerwGE 142, 205 - juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 13.8.2020 - 20 CS 20.1821 - juris Rn. 27). Die Ermessensentscheidung ist nach Maßgabe von § 114 Satz 1 VwGO gerichtlich überprüfbar.
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Im vorliegenden Fall sind Ermessensfehler im Sinne von § 114 Satz 1 VwGO nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat ausweislich der ausführlichen Begründung der Allgemeinverfügung den der Entscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalt hinreichend ermittelt, verschiedene Handlungsalternativen auf ihre Durchführbarkeit und Wirksamkeit hin überprüft und die betroffenen Belange hinreichend abgewogen und in ein angemessenes Verhältnis gesetzt.
34
2.2.3 Die von der Antragsgegnerin in Nummer 2 der Verfügung angeordnete Beschränkung der Teilnehmerzahl bei Veranstaltungen, die üblicherweise nicht für ein beliebiges Publikum angeboten oder aufgrund ihres persönlichen Zuschnitts nur von einem absehbaren Teilnehmerkreis besucht werden, wozu auch explizit die von der Antragstellerin geplanten Geburtstagsfeiern zählen, auf maximal 25 Teilnehmer in geschlossenen Räumen bzw. maximal 50 Teilnehmer unter freiem Himmel erweist sich insbesondere als notwendig und verhältnismäßig.
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Die Antragsgegnerin hat plausibel und nachvollziehbar dargelegt, dass eine infektionsschutzrechtlich begründete Notwendigkeit für die getroffenen Maßnahmen besteht. Dabei hat sie auf Grundlage verschiedener Erkenntnisse, die in der Begründung der Allgemeinverfügung im Einzelnen dargestellt sind und auf die insoweit Bezug genommen wird, darauf abgestellt, dass die Infektionszahlen in M. zwar seit 23. September nicht mehr den kritischen 7-Tages-Inzidenz-Wert von 50/100.000 Einwohnern überschreiten, dass aber die 7-Tages-Inzidenz in der Landeshauptstadt M. seit mehreren Wochen durchgehend über 35/100.000 Einwohnern liegt. Aus diesem Grunde hätten zwar verschiedene Maßnahmen der Allgemeinverfügung vom 23.09.2020 aufgehoben werden können, gerade im Hinblick auf die festgestellten Ausbruchsgeschehen auf privaten Feiern im Familien- und Freundeskreis seien aber weiterhin Beschränkungen der jeweiligen Höchstzahlen von Veranstaltungen in Nummer 2 sowie eine Beschränkung der Personenzahl für Treffen in privaten Räumen und auf privaten Grundstücken in Nummer 1 notwendig. Im Konkreten wird die unter Ziffer 2 der streitgegenständlichen Verfügung getroffene Maßnahme mit Feststellungen des Robert-Koch-Instituts sowie des Referats für Gesundheit und Umwelt der Antragsgegnerin begründet, wonach Krankheitsausbrüche insbesondere im Zusammenhang mit Feiern im Familien- und Freundeskreis zu beobachten sind (vgl. Robert-Koch-Institut, Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19), 2.10.2020, Seiten 1,2, und 7). An der Notwendigkeit der getroffenen Maßnahme hat das Gericht daher keinen Zweifel. Sie entfällt insbesondere nicht durch ein Absinken des 7-Tages-Inzidenz-Wertes unter 50, da auch bei gleichbleibend hohen Werten darunter die Gefahr eines jederzeitigen exponentiellen Anstiegs der Zahlen und einer damit verbundenen Unmöglichkeit der Kontaktnachverfolgung oder Absonderung von krankheits -oder ansteckungsverdächtigen Kontaktpersonen besteht.
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Die Maßnahme erweist sich auch als voraussichtlich verhältnismäßig.
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a) Die Beschränkung der Teilnehmerzahlen verfolgt den legitimen Zweck, die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus durch die Reduzierung infektionsbegünstigender physischer Kontakte zeitlich und räumlich zu verlangsamen, um so eine Überlastung des Gesundheitssystems und das Risiko einer erhöhten Sterblichkeit Betroffener an einer SARS-CoV-2-Infektion zu verhindern.
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b) Auch handelt es sich um eine geeignete Schutzmaßnahme im Rahmen der Pandemiebekämpfung. Dabei reicht es nach allgemeinen ordnungsrechtlichen Grundsätzen aus, dass die Maßnahme zur Zweckerreichung beiträgt (vgl. BVerwG, U.v. 2.8.2012 - 7 CN 1.11 - juris Rn. 29, BayVGH, B.v. 13.8.2020 - 20 S 20.1821 - juris Rn. 27). Durch die Beschränkung der Teilnehmerzahlen an Veranstaltungen wird die Höchstzahl an teilnehmenden Personen reduziert, so dass auch das Risiko, mit einem Erkrankten in Kontakt zu kommen, entsprechend sinkt.
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Im Übrigen hat die Antragsgegnerin die Reduzierung der Teilnehmerzahlen von Veranstaltungen in konsistenter Weise durch die Begrenzung des Teilnehmerkreises einer Zusammenkunft in privat genutzten Räumen und auf privat genutzten Grundstücken auf maximal 10 Personen durch Nummer 1 der Allgemeinverfügung flankiert.
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c) Die Beschränkung der Teilnehmerzahl ist zudem zum Zwecke des Infektionsschutzes erforderlich. Gleich geeignete, den Adressatenkreis weniger belastende Maßnahmen sind nicht ersichtlich.
41
Die von der Verfügung erfassten „geschlossenen“ Veranstaltungen begründen ein spezifisch hohes Infektionsrisiko, da sie sich dadurch auszeichnen, dass aus einem bestimmten Anlass bestimmte Einzelpersonen zusammenkommen und eine innere Verbundenheit der Teilnehmer besteht, die dadurch in besonderem Maße auf zwischenmenschliche Interaktion und Kommunikation aller Teilnehmer ausgelegt sind. Insbesondere die von der Verfügung erfassten Feiern wie Hochzeiten und Geburtstage sind durch eine Stimmung der Geselligkeit, Ausgelassenheit und Herzlichkeit mit entsprechendem physischen Kontakt gekennzeichnet, so dass es typischerweise zu engeren, aus Gründen des Infektionsschutzes riskanteren Kontakten zwischen zahlreichen Personen kommt bei gleichzeitig erhöhter Verweildauer der Teilnehmer (so zu Hochzeitsfeiern im Rahmen der 6. BayIfSMV BayVGH, B. v. 16.7.2020 - 20 NE 20.1500 - juris Rn. 21; vgl. für die Vorgängerverfügung VG München, B.v. 24.9.2020 - M 26b S 20.4586).
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Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine Beschränkung der Teilnehmerzahl in geringerem Umfang gleichermaßen wirksam wäre, um auf das Infektionsgeschehen hinreichend einzuwirken. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Antragsgegnerin insofern ein Ermessensspielraum zuzugestehen ist. Dass die Begrenzung auf 25 im Innenbereich bzw. 50 Teilnehmer im Freien die Grenzen dieses Spielraums überschreiten würde, ist weder aufgezeigt noch sonst ersichtlich.
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Auch den Einsatz von sogenannten Schnelltests hat die Antragsgegnerin geprüft jedoch zu Recht als nicht gleichermaßen geeignet verworfen. Der Einsatz von Schnelltest ist schon deswegen zweifelhaft, da die Wirksamkeit derartiger Test noch nicht abschließend geprüft ist. Zu Recht hat die Antragsgegnerin auch die verpflichtende Nutzung der Corona-Warn-App als weniger wirksames Mittel eingestuft, deren Einsatz auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruht, sodass gerade keine Vorteile oder Nachteile an ihre Nutzung bzw. Nichtnutzung geknüpft werden sollen.
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Soweit die Antragstellerin vorträgt, die getroffenen und im Einzelnen in der Antragsbegründung aufgeführten Schutz- und Hygienemaßnahmen seien ausreichend, um das Infektionsgeschehen wenigstens in den Räumlichkeiten der Antragstellerin zu beherrschen, ist dem entgegenzughalten, dass nach der Lebenserfahrung keineswegs in allen Gaststättenbetrieben die Schutzund Hygienekonzepte so gewissenhaft eingehalten werden wie bei der Antragstellerin. Die Erfahrung hat auch gezeigt, dass jedes Hygienekonzept in der praktischen Umsetzung Schwächen aufweist, die zwar möglicherweise nicht dem Gaststättenbetreiber anzulasten sind, denen aber durch generelle Regelungen mit der Möglichkeit von Ausnahmegenehmigungen begegnet werden muss. Dies gilt insbesondere für die von der Verfügung erfassten Feiern, bei denen die Einhaltung der Schutz- und Hygienekonzepte aufgrund der oben dargelegten Besonderheiten privater Veranstaltungen nicht in derselben Weise gewährleistet werden kann wie bei einem regulären Gaststättenbetrieb.
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d) Schließlich steht die Beschränkung der Teilnehmerzahlen auch nicht außer Verhältnis zum angestrebten Zweck der Maßnahme, sondern erweist sich als voraussichtlich angemessen.
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Das ausgesprochene Verbot beschränkt die Antragstellerin als Vermieterin ihrer Räumlichkeiten von privaten Geburtstagsfeiern, für die sie bei lebensnaher Betrachtung auch für die Bewirtung sorgt, in ihrer Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Da der Eingriff jedoch lediglich auf der Ebene der Berufsausübung erfolgt, müssen zu seiner Rechtfertigung lediglich vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls vorliegen (BVerfG, B.v. 20.12.2017 - 1 BvR 2233/17 - juris Rn. 11 m.w.N.). Dies ist hier im Hinblick auf den angestrebten Schutz der Gesundheit der Bevölkerung zu bejahen. Das Verbot ist aufgrund der Befristung der Allgemeinverfügung bis zum 8. Oktober 2020 zeitlich beschränkt und die Allgemeinverfügung wird im Hinblick auf die örtliche Entwicklung und vor dem Hintergrund des § 23 der 6. BayIfSMV bzw. § 25 der 7. BayIfSMV fortlaufend auf ihre Wirkung und Erforderlichkeit überprüft. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Begrenzung der Zahl der Teilnehmer von Veranstaltungen die Antragstellerin in eine existenzielle Notlage bringt.
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Zudem besteht die grundsätzliche Möglichkeit der Erlangung von Ausnahmegenehmigungen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 6. BayIfSMV (nunmehr § 5 Abs. 1 Satz 2 7. BayIfSMV,) auch wenn eine solche im konkreten Fall angesichts des mit der streitgegenständlichen Veranstaltungsform erhöhten Infektionsrisikos und der geplanten Teilnehmerzahl, die die in der Verfügung vorgegebene Teilnehmerzahl um das Doppelte übersteigt, wohl nicht in Betracht kommen dürfte.
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Diesem Eingriff steht der Schutz von Gesundheit und Leben der Allgemeinheit, insbesondere demjenigen von Risikopatienten, sowie der Schutz des öffentlichen Gesundheitssystems vor einer Überlastung bei ungehinderter Ausbreitung des Infektionsgeschehens gegenüber. Angesichts der hochwertigen Rechtsgüter Leib und Leben, der möglichen gravierenden, teils irreversiblen Folgen eines möglichen erneuten Anstiegs von Infektionen und Erkrankungen einer Vielzahl von Personen ist der Eingriff trotz seiner Intensität als voraussichtlich angemessen zu bewerten (so auch zu Hochzeitsfeiern im Rahmen der 6. BayIfSMV BayVGH, B. v. 16.7.2020 - 20 NE 20.1500).
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Dagegen dürfte die von der Antragstellerin herangezogene Eigentumsgarantie, Art. 14 GG, nicht einschlägig sein. Art. 14 Grundgesetz schützt, schlagwortartig ausgedrückt, das Erworbene, Art. 12 Grundgesetz den Erwerb. Nachdem es hier nach dem Vortrag der Antragstellerin um entgehende Einnahmen geht, ist demnach der Erwerb betroffen. Anders wäre es nur, wenn die angefochtene Maßnahme den Betrieb der Antragstellerin in ihrer Existenz gefährden würde, wofür aber nichts vorgetragen ist.
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Auch ein Eingriff in den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG) liegt nicht vor. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. Ein Eingriff in den Gleichbehandlungsgrundsatz ist daher nur dann anzunehmen, wenn sich die Ungleichbehandlung nicht durch einen sachlichen Differenzierungsgrund rechtfertigen lässt. Eine Ungleichbehandlung gegenüber Gastronomiebetrieben, die keinen absoluten zahlenmäßigen Beschränkungen unterliegen, ist bereits deshalb sachlich gerechtfertigt, da das Infektionsrisiko bei privaten Feiern gegenüber gewöhnlichen Gastronomiebesuchen deutlich erhöht sein dürfte. Insbesondere ist davon auszugehen, dass der Kreis der Personen, die zueinander in enger Beziehung stehen, bei Veranstaltungen wie der von der Antragstellerin geplanten deutlich größer ist als bei Besuchern von Gastronomiebetrieben, die typischerweise kleinere, zueinander in keiner Beziehung stehende Gruppen bilden, so dass auch die Zahl der Personen, zu denen ein Teilnehmer einer privaten Geburtstagsfeier physischen Kontakt hat, regelmäßig deutlich höher ausfallen dürfte als dies bei Gastronomiebesuchen üblicherweise der Fall ist.
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3. Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG), wobei hinsichtlich der Bestimmung des Streitwerts auf den erwarteten entgangenen Gewinn aus den beiden nicht gestatteten Veranstaltungen abgestellt wird. Aufgrund der faktischen Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens unterbleibt dabei eine Reduzierung des Streitwerts gegenüber dem Hauptsacheverfahren um die Hälfte.