Inhalt

VGH München, Beschluss v. 18.02.2020 – 15 CS 20.57
Titel:

Nachbarschutz und Baugebietsfestsetzung

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3, § 146 Abs. 4 S. 3
BauGB § 30, § 33
BauNVO § 4, § 15 Abs. 1 S. 2
BayBO Art. 6, Art. 11
GG Art. 19 Abs. 4
Leitsätze:
1. Dass die Gemeinde bei der Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials (§ 2 Abs. 3 BauGB) sowie bei der Abwägung selbst (§ 1 Abs. 7 BauGB) Belange zu berücksichtigen hat, die ein benachbartes Plangebiet betreffen, führt für sich gesehen nicht zur Annahme eines baugebietsübergreifenden Gebietserhaltungsanspruchs. (Rn. 19)
2. ….
Schlagworte:
Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (abgelehnt), gebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch (verneint), Rücksichtnahmegebot (erdrückende / abriegelnde Wirkung), Anforderungen an das Gebot der Begründung einer Beschwerde, pauschale Bezugnahme auf erstinstanzliche Schriftsätze, Gebietserhaltungsanspruch, Anfechtungsklage, Beschwerde, Abwägung, Baugenehmigung, Bebauungsplan, Festsetzung, Nachbarschutz, Plangebiet, Rücksichtnahme, Lärmbegutachtung, Auseinandersetzung, Ausweisung
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 12.12.2019 – RN 6 S 19.2337
Fundstellen:
DVBl 2020, 646
BayVBl 2020, 340
DÖV 2020, 533
BeckRS 2020, 2686
LSK 2020, 2686
NVwZ-RR 2020, 671

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller wenden sich als Eigentümer des benachbarten Grundstücks FlNr. … der Gemarkung N… (Antragstellergrundstück) gegen eine Baugenehmigung vom 26. September 2019 für das Bauvorhaben der Beigeladenen „Altengerechte Wohnanlage mit MVZ und Nahversorgung“ auf dem unmittelbar südlich angrenzenden Baugrundstück (FlNr. …).
2
Das Bauvorhaben, mit dessen Errichtung laut Baubeginnsanzeige am 28. Oktober 2019 begonnen wurde, umfasst laut den genehmigten Bauvorlagen zwei größere Gebäudekomplexe mit insgesamt 65 Wohnungen, einer Bäckerei und einem kleineren Bürokomplex für die … (im nördlichen Bereich des westlichen Gebäudekomplexes) sowie einem medizinischem Versorgungszentrum „MVZ“ (= Arztpraxis, im nördlichen Bereich des östlichen Gebäudekomplexes). Das Baugrundstück situiert im Geltungsbereich des im Jahr 1970 bekanntgemachten, zwischenzeitlich mehrfach geänderten Bebauungsplans „Am N…“, der für den Bereich des Baugrundstücks eine Fläche für „bauliche Anlagen und Einrichtungen für den Gemeinbedarf“ („Schule“; zudem Angabe in der Planzeichnung: „Realschule E + 2“) festsetzt. Mit Aufstellungsbeschluss ihres Gemeinderats vom 23. Juli 2019 setzte die Standortgemeinde ein Verfahren der Bauleitplanung in Gang, mit der der Bebauungsplan im beschleunigten Verfahren gem. § 13a BauGB durch Ausweisung eines allgemeinen Wohngebiets im Bereich des Baugrundstücks geändert werden soll („Deckblatt 21“). Im Anschluss an die Verfahren der Beteiligung der Öffentlichkeit sowie der Behörden und Träger öffentlicher Belange wurden die eingegangenen Stellungnahmen am 17. September 2019 im Gemeinderat abwägend behandelt. Der Satzungsbeschluss zum Änderungsbebauungsplan ist - soweit nach Aktenlage ersichtlich - bislang nicht erfolgt.
3
Die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 26. September 2019 wurde erteilt unter Befreiungen von diversen Festsetzungen des geltenden Bebauungsplans sowie unter einer zugelassenen Abweichung von Art. 6 BayBO „wegen der Überlappung der Abstandsflächen auf dem Baugrundstück“. In den Gründen des Bescheids heißt es u.a., dass ein Nachbareinwand hinsichtlich der Befreiungen vom Bebauungsplan nicht greife, da die betroffenen Festsetzungen nicht drittschützend seien. Darüber hinaus laufe dieser Einwand aufgrund der aktuell laufenden Bauleitplanung der Standortgemeinde ins Leere.
4
Das Antragstellergrundstück liegt nicht im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Am N…“, sondern - nach den von den Beteiligten nicht infrage gestellten (auch zeichnerischen) Darstellungen in dem von der Beigeladenen im Baugenehmigungsverfahren vorgelegten schalltechnischen Gutachten vom 13. Mai 2019 (vgl. dort Seite 7) - in einem benachbarten Gebiet, das im Bebauungsplan „Am N… II BA 1“ als Mischgebiet festgesetzt ist.
5
Das Verwaltungsgericht Regensburg hat den Antrag der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer auf Aufhebung der Baugenehmigung gerichteten Anfechtungsklage (Az. RO 6 K 19.1992) mit Beschluss vom 12. Dezember 2019, der den Bevollmächtigten der Antragsteller am 18. Dezember 2019 zugestellt wurde, abgelehnt. Zur Begründung wird im Beschluss ausgeführt, es könne dahinstehen, ob der streitgegenständlichen Baugenehmigung ein Sonderbau gem. Art. 2 Abs. 4 BayBO zugrunde liege, weil allein eine eventuell falsche Verfahrenswahl (Art. 60 BayBO statt Art. 59 BayBO) keinen nachbarlichen Genehmigungsabwehranspruch begründe. Es könne offenbleiben, ob die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 30 Abs. 1 BauGB oder nach § 33 BauGB zu beurteilen sei, da das Bauvorhaben jedenfalls nicht von nachbarschützenden Festsetzungen abweiche. Die im Rahmen der Genehmigungserteilung erteilten Befreiungen des Bebauungsplans wegen Überschreitung der Baugrenzen, der zulässigen Grundflächenzahl und der zulässigen Anzahl der Vollgeschosse sowie wegen abweichender Dachform und Dachdeckung könnten unabhängig von einer Verletzung objektiven Rechts keine subjektiven Abwehrrechte der Antragsteller begründen, weil nichts dafür ersichtlich sei, dass die diesbezüglich betroffenen Festsetzungen nach dem Willen der Gemeinde als Planungsträgerin nachbarschützende Funktion hätten. Hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung stehe den Antragstellern schon deshalb kein sog. Gebietserhaltungsanspruch zu, weil sich ihr Grundstück nicht in demselben Baugebiet befinde wie das Baugrundstück. Auf eine nicht gesicherte Erschließung könnten sich die Antragsteller nicht berufen, da die diesbezüglichen Vorschriften keinen Drittschutz vermittelten. Im Übrigen liege das das Baugrundstück an einer öffentlichen Straße, ein Befahren mit zusätzlichen Fahrzeugen erscheine unproblematisch möglich. Das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme sei weder aufgrund von Lärmimmissionen noch aufgrund unzumutbarer Auswirkungen des Gebäudes unter den Gesichtspunkten einer Verschattung, einer erdrückenden Wirkung und der Gefahr einer schädigenden Ableitung von Oberflächen- / Niederschlagswasser verletzt. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots ergebe sich ferner nicht aus Beeinträchtigungen durch den An- und Abfahrtsverkehr. Die Anforderungen des bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrechts seien gewahrt. Die bauordnungsrechtliche Pflicht zur Herstellung einer ausreichenden Zahl von Stellplätzen diene nicht dem Nachbarschutz.
6
Mit ihrer Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihr Rechtsschutzbegehren weiter. Das Vorhaben widerspreche nach ihrer Ansicht dem aktuell geltenden Bebauungsplan und sei auch nicht gem. § 33 BauGB genehmigungsfähig. Ein gebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch sei nur dann abzulehnen, wenn die benachbarten Planungsgebiete in keinerlei Wechselwirkung zueinander stünden. Das sei vorliegend nicht der Fall. Es sei mit dem Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren, den Gebietserhaltungsanspruch an die bloße Zugehörigkeit desselben Bebauungsplans zu knüpfen. Ergebe sich für die Bauleitplanung aufgrund der Art der Nutzung des Nachbargrundstücks ein zu berücksichtigender Belang auf dem Baugrundstück selbst, so müsse dem Nachbarn ein baugebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch zustehen. Dies sei hier u.a. deshalb der Fall, weil die für die Erschließung des Bauvorhabens über die N…straße vorhandenen Erschließungsanlagen auf die Festsetzungen des Bebauungsplans „Am N… II BA 1“ zurückgingen und diese Erschließungsanlagen - wie erstinstanzlich vorgetragen - überlastet seien. Das Bundesverwaltungsgericht habe entschieden, dass sich der Nachbarschutz des Eigentümers eines außerhalb der Grenzen des Plangebiets gelegenen Grundstücks bundesrechtlich nach dem in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO enthaltenen Gebot der Rücksichtnahme bestimme und das gebotene Maß der Rücksichtnahme von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhänge. Auch insofern sei die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass nur dann ein gebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch bejaht werden könne, wenn sich diese Zielrichtung mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Bebauungsplan oder sonstigen Unterlagen der planenden Gemeinde ergebe, zu kurz gegriffen. Es könne folglich entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch nicht dahinstehen, ob sich das Vorhaben der Beigeladen nach § 30 BauGB oder nach § 33 BauGB richte. Da das aktuelle Verfahren der Bauleitplanung noch nicht seinen Abschluss gefunden habe, könnten sie ihre Einwände hiergegen derzeit noch nicht im Normenkontrollverfahren gem. § 47 VwGO vorbringen. Wenn die Festsetzungen des künftigen Bebauungsplans im vorliegenden Verfahren der Prüfung am Maßstab des § 33 BauGB entzogen wären, wären ihnen ein effektiver Rechtsschutz gegen die Baugenehmigung genommen. Denn sollte in einem späteren Normenkontrollverfahren festgestellt werden, dass die Festsetzung der Art der baulichen Nutzung unzulässig sei, wäre ein Rechtsschutz gegen das auf Basis von § 33 BauGB genehmigte Bauvorhaben dann nicht mehr gegeben. Nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts erschließe sich nicht, dass das Rücksichtnahmegebot nicht verletzt sei. Insbesondere die unzureichende Erschließungssituation und die erdrückende Wirkung des Bauvorhabens ergäben sich deutlich aus den bisherigen Prozessunterlagen. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass ihr Grundstück eingezwängt zwischen einer Lärmschutzwand, der Zufahrt zur Tiefgarage und den Stellplätzen des Bauvorhabens und der dann völlig überlasteten N…straße gerade erdrückend „in die Ecke gedrängt“ erscheine. Sie seien aufgrund des Bauvorhabens regelrecht eingekesselt. Ergänzend würden die bisherigen Argumente wiederholt.
7
Die Antragsteller beantragen,
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den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 12. Dezember 2019 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihrer Klage anzuordnen.
9
Der Antragsgegner und die Beigeladene verteidigen die erstinstanzliche Eilentscheidung und beantragen jeweils,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
11
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakten verwiesen.
II.
12
Die zulässige - insbesondere rechtzeitig gem. § 147 Abs. 1 VwGO erhobene und rechtzeitig gem. § 146 Abs. 4 Abs. 1 VwGO i.V. mit § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 2 ZPO begründete - Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hat das Verwaltungsgericht den zulässigen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Anfechtungsklage zu Recht als unbegründet abgelehnt. Die von den Antragstellern dargelegten Gründe, auf die die Prüfung im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.
14
Dritte - wie hier die Antragsteller als Nachbarn - können sich nur dann mit Aussicht auf Erfolg gegen eine Baugenehmigung zur Wehr setzen, wenn diese rechtswidrig ist sowie die Rechtswidrigkeit auf der Verletzung einer Norm beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Dritten zu dienen bestimmt ist (vgl. BayVGH, B.v. 30.7.2019 - 15 CS 19.1227 - juris Rn. 15). Im Rahmen eines Verfahrens nach § 80a Abs. 3 i.V. mit § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Diese sind ein wesentliches, aber nicht das alleinige Indiz für und gegen den gestellten Antrag. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben (weil er unzulässig oder unbegründet ist), so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
15
a) Unter Berücksichtigung des Vortrags der Antragsteller in der Beschwerdebegründung sowie der Aktenlage ergibt sich kein sog. Gebietserhaltungsanspruch. Dieser Anspruch gibt den Eigentümern von Grundstücken in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet das Recht, sich unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung gegen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässige Vorhaben zur Wehr zu setzen. Der Anspruch ist eine Folge davon, dass Baugebietsfestsetzungen kraft Gesetzes dem Schutz aller Eigentümer der in dem Gebiet gelegenen Grundstücke dienen. Die weitreichende nachbarschützende Wirkung beruht auf der Erwägung, dass die Grundstückseigentümer durch die Lage ihrer Anwesen in demselben Baugebiet zu einer Gemeinschaft verbunden sind, bei der jeder in derselben Weise berechtigt und verpflichtet ist. Im Hinblick auf diese wechselseitig wirkende Bestimmung von Inhalt und Schranken des Grundeigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) hat jeder Eigentümer - unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung - das Recht, sich gegen eine schleichende Umwandlung des Gebiets durch Zulassung einer gebietsfremden Nutzung zur Wehr zu setzen (grundlegend - dort zu § 34 Abs. 2 BauGB - BVerwG, U.v. 16.9.1993 - 4 C 28.91 - BVerwGE 94, 151 = juris Rn. 11 ff.; vgl. auch BVerwG, B.v. 18.12.2007 - 4 B 55.07 - NVwZ 2008, 427 = juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 15.10.2019 - 15 ZB 19.1221 - juris Rn. 5 m.w.N.). Ein solcher Gebietserhaltungsanspruch wurde im angegriffenen Beschluss zu Recht abgelehnt, wobei das Verwaltungsgericht aufgrund der folgenden Erwägungen es auch zu Recht dahinstehen lassen konnte, ob das Vorhaben hinsichtlich der (für den Gebietserhaltungsanspruch ausschließlich relevanten) Nutzungsart am Bebauungsplan „Am N…“ ausschließlich in seiner derzeit geltenden Fassung oder - ggf. über § 33 BauGB (dessen Voraussetzungen unterstellt) - auch in seiner künftigen Fassung (geplante Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets) gemessen wird:
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aa) Stellt man auf den derzeit geltenden Bebauungsplan „Am N…“ ab, dürfte es nach den vorliegenden Unterlagen trotz diverser Bebauungsplanänderungen hinsichtlich des Baugrundstücks bei der ursprünglichen Ausweisung als „Einrichtungen für den Gemeinbedarf“ (Schule) geblieben sein. Da nach dem ursprünglichen Bebauungsplan das Baugrundstück nicht an der Ausweisung „WA“ im östlich angrenzenden Teil des Bebauungsplans partizipiert, dürfte der Standortbereich des Vorhabens der Beigeladenen schon nicht in einem festgesetzten Baugebiet i.S. von § 1 Abs. 2 BauNVO liegen. Damit dürfte es nach Maßgabe des geltenden Bebauungsplans bereits an einem Anknüpfungspunkt für einen Gebietserhaltungsanspruch fehlen (vgl. VGH BW, B.v. 21.1.2019 - 8 S 2441/18 - NVwZ 2019, 495 = juris Rn. 8, 9 m.w.N.).
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bb) Stellt man auf den geplanten, noch in der Aufstellung befindlichen (Änderungs-) Bebauungsplan ab, dürfte ein Gebietserhaltungsanspruch - sollte ein solcher bereits über § 33 BauGB grundsätzlich Anwendung finden können (allg. zum Nachbarschutz im Falle von Planreife gem. § 33 BauGB vgl. Spieß in Jäde/Dirnberger, BauGB/BauNVO, 9. Aufl. 2018, § 29 Rn. 62 ff.; Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, Vorb. §§ 29 - 38 Rn. 65) - schon deshalb scheitern, weil nicht ersichtlich ist, dass das Vorhaben hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung dem künftigen Bebauungsplan, der für den konkreten Standort des Bauvorhabens voraussichtlich ein allgemeines Wohngebiet festsetzen wird, widerspricht. Im vorliegenden Fall sind nach Maßgabe der genehmigten Bauvorlagen in dem Gebäudekomplex neben den 65 Wohnungen (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO) eine Bäckerei als der Gebietsversorgung dienender Laden (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO) sowie ein „Medizinisches Versorgungszentrum“ (= Arztpraxis) als Anlage für gesundheitliche Zwecke bzw. als Räume für freie Berufe (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO oder § 13 BauNVO, vgl. Stock in König/Roeser/Stock, BauNVO, 4. Aufl. 2019, § 4 Rn. 57) als Regelnutzungen in einem allgemeinen Wohngebiet von der Baugenehmigung gedeckt. Der ebenso genehmigte Bürokomplex für die … dürfte in einem allgemeinen Wohngebiet entweder als Anlage für soziale Zwecke grundsätzlich gem. § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO oder als „Anlage für Verwaltungen“ gem. § 4 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO ausnahmsweise zulässig sein (vgl. Stock a.a.O. § 4 Rn. 51, 79 ff.; zum Ausschluss des Gebietserhaltungsanspruchs, soweit sich der Nachbar gegen eine ausnahmsweise zulässige Nutzung wendet, vgl. BayVGH, B.v. 25.8.2009 - 1 CS 09.287 - juris Rn. 31; B.v. 6.2.2017 - 15 ZB 16.398 - juris Rn. 16; B.v. 22.1.2020 - BeckRS 2020, 1170 Rn. 8 m.w.N.; OVG Schleswig-Holstein, B.v. 1.2.2019 - 1 MB 1/19 - NVwZ-RR 2019, 587 = juris Rn. 8, 12 ff.).
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cc) Unabhängig von den voranstehenden Fragen bzgl. aa) und bb), scheidet ein Gebietserhaltungsanspruch der Antragsteller deshalb aus, weil deren Grundstück jedenfalls nicht in demselben Plangebiet wie das Baugrundstück liegt. Da der Gebietsbewahrungsanspruch auf der durch eine Baugebietsfestsetzung wechselseitigen Eigentumsbindung beruht, besteht ein von konkreten Beeinträchtigungen unabhängiger gebietsübergreifender Schutz der Nachbarn vor (behaupteten) gebietsfremden Nutzungen im lediglich angrenzenden Plangebiet grundsätzlich nicht (vgl. BVerwG, B.v. 18.12.2007 - 4 B 55.07 - NVwZ 2008, 427 = juris Rn. 6; BayVGH, U.v. 11.4.2011 - 9 N 10.1373 - juris Rn. 54, 55; U.v. 25.3.2013 - 14 B 12.169 - BayVBl 2014, 146 = juris Rn. 19; B.v. 19.11.2015 - 1 CS 15.2108 - BayVBl 2016, 710 = juris Rn. 4; B.v. 23.11.2015 - 1 CS 15.2207 - juris Rn. 4; B.v. 2.5.2016 - 9 ZB 13.2048 - UPR 2016, 317 = juris Rn. 14; B.v. 15.11.2019 - 9 ZB 19.506 - juris Rn. 6; Gatz, jurisPR-BVerwG 5/2013 Anm. 2). Entscheidend ist für den Gebietserhaltungsanspruch nicht, ob das Antragstellergrundstück und das Baugrundstück im Geltungsbereich desselben Bebauungsplans liegen, sondern vielmehr, ob die Grundstücke innerhalb desselben Bau- bzw. Plangebiets situieren. Denn auch insoweit fehlt es an dem spezifischen bauplanungsrechtlichen Grund für ein solches Abwehrrecht, nämlich dem Bestehen einer bau- und bodenrechtlichen Schicksalsgemeinschaft der betroffenen Grundstückseigentümer. Insofern würde selbst im Geltungsbereich desselben Bebauungsplans, der unterschiedliche Plangebiete festsetzt, ein gebietsübergreifender Nachbarschutz grundsätzlich ausscheiden (vgl. BayVGH, U.v. 25.3.2013 a.a.O.; B.v. 19.11.2015 a.a.O.; B.v. 23.11.2015 a.a.O.; B.v. 10.4.2018 - 1 ZB 17.3 - juris Rn. 7; B.v. 27.11.2019 - 9 ZB 15.442 - juris Rn. 13). Das Argument der Antragsteller, es könne unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes hinsichtlich der Einschlägigkeit des Gebietserhaltungsanspruchs keinen Unterschied machen, ob - wie hier - zwei benachbarte Bebauungspläne vorlägen, die nacheinander in Kraft getreten seien, oder ob von Anfang an ein Bebauungsplan erlassen worden sei, in dessen Geltungsbereich sowohl das Baugrundstück als auch ihr Grundstück gelegen hätten, geht daher ins Leere.
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Ein gebietsübergreifender Nachbarschutz aufgrund der gemeindlichen Zwecksetzung im Bauleitplanverfahren ist hier ebenfalls nicht gegeben. Die Gemeinde kann - was in der Praxis der A u s n a h m e f a l l bleiben wird - mit einer Baugebietsfestsetzung den Zweck verfolgen, auch „Gebietsnachbarn“ einen Anspruch auf Gebietserhaltung zu geben. Ob einer Baugebietsfestsetzung eine derartige über die Gebietsgrenze hinausreichende drittschützende Wirkung zukommt und damit ausnahmsweise ein „baugebietsübergreifender Gebietsbewahrungsanspruch“ besteht, hängt - wie der Nachbarschutz durch andere Bebauungsplanfestsetzungen - davon ab, ob sich der Begründung des Bebauungsplans oder anderen Unterlagen des Planaufstellungsverfahrens ein entsprechender Planungswille der Gemeinde entnehmen lässt (BVerwG, B.v. 10.1.2013 - 4 B 48.12 - BauR 2013, 934 = juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 29; B.v. 31.8.2012 - 14 CS 12.1373 u.a. - juris Rn. 29; U.v. 25.3.2013 a.a.O. juris Rn. 21; B.v. 23.11.2015 a.a.O.; B.v. 2.5.2016 a.a.O.; Gatz, jurisPR-BVerwG 5/2013 Anm. 2). Ein solcher Planungswille ist in Bezug auf das Plangebiet, in dem das Baugrundstück liegt - sei es in Bezug auf die Festsetzung der Gemeinbedarfsfläche (Schule) im aktuell geltenden Bebauungsplan, sei es hinsichtlich der Gebietsartfestsetzung „WA“ (allgemeines Wohngebiet) gem. § 1 Abs. 2 Nr. 3, § 4 BauNVO in dem künftigen, im Aufstellung befindlichen (Änderungs-) Bebauungsplan - weder in der Beschwerdebegründung dargelegt worden noch ergibt sich ein solcher aus den dem Senat vorliegenden Akten. Dass die Gemeinde bei der Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials (§ 2 Abs. 3 BauGB) sowie bei der Abwägung selbst (§ 1 Abs. 7 BauGB) Belange zu berücksichtigen hat, die ein benachbartes Plangebiet betreffen, führt für sich gesehen nicht zur Annahme eines baugebietsübergreifenden, von der konkreten Betroffenheit des Eigentümers eines Grundstücks im benachbarten Plangebiet unabhängigen Gebietserhaltungsanspruchs.
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dd) Für den Fall, dass ein von der konkreten Belastungswirkung unabhängiger baugebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch ausscheidet und dass auch ein Verstoß gegen sonstige drittschützende Festsetzungen des Bebauungsplans nicht in Betracht kommt, kommt ein bauplanungsrechtlicher Nachbarschutz über § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO nur noch unter dem Gesichtspunkt des Gebots der Rücksichtnahme in Betracht (vgl. BVerwG, B.v. 18.12.2007 - 4 B 55.07 - NVwZ 2008, 427 = juris Rn. 6; B.v. 10.1.2013 - 4 B 48.12 - BauR 2013, 934 = juris Rn. 6; Gatz, jurisPR-BVerwG 5/2013 Anm. 2). Soweit die Antragsteller diese Thematik hinsichtlich der Frage der „erdrückenden Wirkung“ in der Beschwerdebegründung diskutiert haben, ist nach der im Verfahren gem. § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3, § 146 VwGO gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots tatsächlich nicht ersichtlich [vgl. unten c) ]. Im Übrigen sind vom Verwaltungsgericht im angegriffenen Beschluss angeprüfte, aber i.E. abgelehnte Verstöße gegen das Rücksichtnahmegebot von den Antragstellern nicht nach den Vorgaben des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO zum Gegenstand der Beschwerdebegründung gemacht worden [s.u. d) ].
21
b) Dass der Bürger mit der Rüge, ein ihn benachteiligender Bebauungsplan sei wegen eines Abwägungsfehlers rechtswidrig, im Verfahren der Normenkontrolle (§ 47 VwGO) weitergehenden Rechtsschutz erlangen kann als im Verfahren der Anfechtung einer auf einen Bebauungsplan gestützten Baugenehmigung, rechtfertigt es nicht, für die Anfechtung einer (etwa nach § 33) erteilten Baugenehmigung die Grundsätze des Normenkontrollverfahrens zu übernehmen. Auch bei einer laufenden Bauleitplanung und auch für den Fall, dass die Erteilung einer Baugenehmigung an den Bauherrn auf § 33 BauGB gestützt wird, bleibt es bei dem Grundsatz, dass der Nachbar keinen Rechtsanspruch darauf hat, dass die Verwaltungsbehörde (objektiv) rechtmäßig handelt, solange die Baugenehmigung nicht gegen eine nachbarschützende Vorschrift verstößt (BVerwG, B.v. 28.7.1994 - 4 B 94.94 - NVwZ 1995, 598 = juris Rn. 4 ff.; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: September 2019, § 33 Rn. 99). Aufgrund der verbleibenden Möglichkeit der Geltendmachung der Verletzung drittschützender Normen gegen die Baugenehmigung nach allgemeinen Grundsätzen ist der Anspruch der Antragsteller auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht verkürzt bzw. verletzt.
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c) Soweit die Antragsteller in ihrer Beschwerdebegründung erneut eine subjektive Rechtsverletzung aufgrund eines behaupteten Verstoßes des streitgegenständlichen Vorhabens gegen das Rücksichtnahmegebot wegen sog „erdrückender“ oder „abriegelnder Wirkung“ zu begründen versuchen, sind die Voraussetzungen hierfür nicht ersichtlich.
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Dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme, das über § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO i.V. mit § 30, § 31 Abs. 2, § 33 BauGB Anwendung findet, kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (zum Ganzen jeweils m.w.N. vgl. BayVGH, B. B.v. 4.12.2019 - 15 CS 19.2048 - juris Rn. 23 m.w.N.).
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Eine Rücksichtslosigkeit aufgrund einer vom Baukörper ausgehenden „abriegelnden“ oder „erdrückenden“ Wirkung kann ungeachtet des grundsätzlich fehlenden Nachbarschutzes bezüglich des Maßes der baulichen Nutzung als unzumutbare Beeinträchtigung nur bei nach Höhe und Volumen übergroßen Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht kommen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 - 4 C 1.78 - DVBl. 1981, 928 = juris Rn. 32 ff.: elf- bzw. zwölfgeschossiges Gebäude in naher Entfernung zu zweieinhalb geschossigem Wohnhaus; BVerwG, U.v. 23.5.1986 - 4 C 34.85 - DVBl. 1986, 1271 = juris Rn. 15: grenznahe 11,5 m hohe und 13,31 m lange, wie eine „riesenhafte metallische Mauer“ wirkende Siloanlage bei einem sieben Meter breiten Nachbargrundstück). Insbesondere besteht für die Annahme einer erdrückenden Wirkung eines Nachbargebäudes grundsätzlich dann kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes oder wenn die Gebäude so weit voneinander entfernt liegen, dass eine solche Wirkung ausgeschlossen ist (vgl. BayVGH, B.v. 5.9.2016 - 15 CS 16.1536 - juris Rn. 30; B.v. 8.2.2017 - 15 NE 16.2226 - juris Rn. 22; B.v. 23.8.2018 - 1 NE 18.1123 - juris Rn. 24; VGH BW, U.v. 15.9.2015 - 3 S 975/14 - BauR 2015, 1984 = juris Rn. 29). Auch wenn aus einer Nichteinhaltung bauordnungsrechtlich geforderter Abstandsflächen nicht automatisch auf eine unzumutbare Beeinträchtigung und damit auf eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots geschlossen werden kann (BayVGH, B.v. 5.4.2019 - 15 ZB 18.1525 - BeckRS 2019, 7160 Rn. 10 m.w.N.), scheidet eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots regelmäßig aus tatsächlichen Gründen aus, wenn die Vorgaben des Art. 6 BayBO eingehalten sind (zu dieser Indizwirkung vgl. BayVGH, B.v. 22.6.2011 - 15 CS 11.1101 - juris Rn. 17; B.v. 3.6.2016 - 1 CS 16.747 - juris Rn. 7 m.w.N.; B.v. 15.2.2019 - 9 CS 18.2638 - juris Rn. 23 m.w.N.).
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Nach diesen Maßstäben erscheint eine erdrückende oder abriegelnde Wirkung ausgeschlossen. Auf Basis der mit Genehmigungsstempel versehenen Bauvorlagen befindet sich das streitgegenständliche Vorhaben in einer Entfernung von mindestens 10 m zum Grundstück und in einer Entfernung von mindestens 26 m zum Wohnhaus der Antragsteller. Die dem Antragstellergrundstück zugewandte Nordfassade des westlichen Baukörpers der geplanten Anlage weist - gemessen ab dem geplanten Geländeverlauf - eine Wandhöhe von 7,95 m auf. Erst ca. 19 - 20 m zurückversetzt wird das Gebäude höher, ohne dass die Maximalhöhe des Gebäudes 10 m übersteigt (vgl. die mit Genehmigungsstempel versehenen Bauvorlagen „Ansichten“ und „Schnitte/Ansichten“). Bei dieser Sachlage kann nicht davon gesprochen werden, dass das streitgegenständliche Vorhaben dem benachbarten Anwesen auf dem Antragstellergrundstück förmlich „die Luft nimmt“, weil es derartig übermächtig wäre, dass das Wohngebäude auf dem Nachbargrundstück nur noch oder überwiegend wie von einem „herrschenden“ Gebäude dominiert und ohne eigene Charakteristik wahrgenommen wird (vgl. BayVGH, B.v. 5.4.2019 - 15 ZB 18.1525 - BeckRS 2019, 7160 Rn. 17; B.v. 15.10.2019 - 15 ZB 19.1221 - juris Rn. 20 f.). Schon deshalb kommt eine unzumutbare erdrückende oder abriegelnde Wirkung nicht in Betracht. Hierfür spricht zudem, dass das Vorhaben der Beigeladenen nach der Darstellung in den Bauvorlagen (vgl. den - nicht mit Genehmigungsstempel versehenen - Abstandsflächenplan im Maßstab 1:200 mit Datumsangabe „24.06.2019“) und den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die im Beschwerdeverfahren von den Antragstellern insofern nicht substantiiert angegriffenen worden sind [vgl. hierzu auch im Folgenden d) ], die Anforderungen des bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrechts gem. Art. 6 BayBO einhält.
26
d) Soweit die Antragsteller am Ende ihrer Beschwerdebegründung vom 20. Januar 2020 ausführen, dass die „bisherigen Argumente wiederholt“ würden, genügt dies nicht den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO.
27
Hinsichtlich der nur erstinstanzlich erhobenen Einwände, die allein von dem o.g. Pauschalverweis abgedeckt sind, die aber im Übrigen in der Beschwerdebegründung nicht näher thematisiert werden, fehlt es an einer Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Beschluss. Dies betrifft insbesondere die erstinstanzlich behauptete Verletzung des Art. 6 BayBO mit der Argumentation, die diesbezügliche Abweichungserteilung beeinträchtige Interessen der Antragsteller in brandschutzrechtlicher Hinsicht, sowie das (erstinstanzliche) Vorbringen, es komme zu unzumutbaren Lärmimmissionen aufgrund der Gestaltung der Baukörper und der Tiefgaragenzufahrt (Bezugnahme in der Klagebegründung auf das anwaltliche Einwendungsschreiben vom 3.9.2019 sowie auf das Schreiben der Antragsteller persönlich vom 20.10.2018, Anlagen K4 und K12 - Bl. 24 ff. und 48 ff. der VG-Akte RN 6 K 19.1992). Das Verwaltungsgericht hat sich mit diesbezüglichen Fragen im vorliegend angegriffenen Eilbeschluss ausführlich auseinandergesetzt. Zu der am Gebot der Rücksichtnahme zu messenden Lärmbelastung hat es unter inhaltlicher Auseinandersetzung mit einem von der Beigeladenen im Genehmigungsverfahren vorgelegten Lärmschutzgutachten ausgeführt, die sachverständig prognostizierten Lärmimmissionen seien am Maßstab der TA Lärm (zur deren Bedeutung als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift vgl. BayVGH, B.v. 16.4.2019 - 15 CE 18.2652 - NVwZ-RR 2019, 983 = juris Rn. 26 m.w.N.) als zumutbar einzustufen. Bei dem Gebiet, in dem sich das Antragstellergrundstück befinde, handele es sich um ein festgesetztes Mischgebiet, dem vom Antragsgegner sowie dem als Lärmgutachter eingeschalteten Ingenieurbüro die Schutzbedürftigkeit eines allgemeinen Wohngebiets zugesprochen werde. Jedenfalls sei für eine höhere Schutzbedürftigkeit - auch angesichts der vorbeiführenden dreigleisigen Bahnlinie und den umliegend bereits vorhandenen Nutzungen - nichts ersichtlich. Die einschlägigen Grenzwerte für ein (faktisches) allgemeines Wohngebiet gem. Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. e TA Lärm [55 dB(A) tags, 40 dB(A) nachts] seien unter Berücksichtigung eines Zuschlags für Tagesrandzeiten (Nr. 6.5 TA Lärm) ebenso wie das Spitzenpegelkriterium (vgl. Nr. 6.1 Satz 2 TA Lärm) laut der vorgelegten Lärmbegutachtung, die inhaltlich nicht angegriffen worden sei, an den relevanten Immissionsorten auf dem Antragstellergrundstück sicher eingehalten. Alle schallschutztechnischen Auflagenvorschläge der Lärmbegutachtung seien in die Baugenehmigung aufgenommen worden. Die kumulativen Voraussetzungen für organisatorische Maßnahmen gem. Nr. 7.4 TA Lärm lägen nicht vor. Hinsichtlich des bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrechts führt das Verwaltungsgericht im angegriffenen Eilbeschluss aus, dass das Vorhaben nach den mit Genehmigungsvermerk versehenen Plänen in Richtung des Antragstellergrundstücks die nach Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO erforderliche und nach Art. 6 Abs. 4 BayBO zu bemessende Mindestabstandsfläche von 1 H einhalte (vgl. hierzu auch die zeichnerische Darstellung im Abweichungsantrag, Bl. 11 der Bauakte, sowie den mit Genehmigungsstempel versehenen Abstandsflächenplan). Von einer im Genehmigungsbescheid erteilten Abweichung von den gesetzlichen Abstandsflächen seien die Antragsteller nicht betroffen und könnten daher hieraus keine eigene Rechtsverletzung ableiten.
28
Die Beschwerdebegründung geht auf die Thematik des bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrechts und der Lärmbelastungssituation nicht im Ansatz inhaltlich ein. Diesen Einwänden aus erster Instanz ist daher im Beschwerdeverfahren nicht mehr nachzugehen. Das Darlegungsgebot (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) dient dem Zweck, die Oberverwaltungsgerichte durch ein strukturiertes, auf den Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts aufbauendes Beschwerdevorbringen zu entlasten und so eine beschleunigte Abwicklung einstweiliger Rechtsschutzverfahren zu ermöglichen. Damit diese Intention nicht leerläuft, muss die Beschwerde - neben einem bestimmten Antrag - die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Dazu ist form- und gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO auch fristgerecht aufzuzeigen, weshalb die entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts unrichtig sind und dessen Entscheidung deshalb im Ergebnis rechtswidrig und daher aufzuheben sein soll. Es genügt dagegen nicht, pauschal auf den erstinstanzlichen Vortrag und die dortige Glaubhaftmachung zu verweisen oder nur den Vortrag aus erster Instanz zu wiederholen (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2015 - 11 CS 15.1194 - juris Rn. 3; B.v. 15.9.2017 - 7 CS 17.1629 - juris Rn. 7; B.v. 22.10.2019 - 11 CS 19.1837 - juris Rn. 10; SächsOVG, B.v. 18.7.2019 - 5 B 451/18 - juris Rn. 4 m.w.N.; OVG LSA, B.v. 6.3.2015 - 1 M 2/15 - juris Rn. 57 m.w.N.; NdsOVG, B.v. 10.7.2006 - 2 NB 12/06 - juris Rn. 6; B.v. 18.4.2018 - 10 ME 73/18 - juris Rn. 30 m.w.N.; Kaufmann in Posser/Wolff, VwGO-BeckOK, Stand: Januar 2020, § 146 Rn. 14 m.w.N.; Kuhlmann in Wysk, VwGO, 2. Aufl. 2016, § 146 Rn. 24; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 22a - 23). Auch von der Sache her kann die in § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO geforderte „Auseinandersetzung“ mit der angefochtenen Entscheidung nicht in der Weise stattfinden, dass eine Argumentation unverändert übernommen wird, die noch vor dem Erlass des angegriffenen Beschlusses - und damit notwendig in Unkenntnis seiner Begründung - vorgetragen wurde (BayVGH, B.v. 16.7.2015 a.a.O.).
29
Auch soweit die Antragsteller „die unzureichende Erschließungssituation“ in der Beschwerdebegründung zwar immerhin als konkreten Aspekt ansprechen, hierzu aber außer der Bezugnahme auf die bisherigen Prozessunterlagen keine weiteren Ausführungen unterbreiten, handelt es sich um eine pauschale und formelhafte Rüge, die den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht genügt (Kaufmann in Posser/Wolff, VwGO-BeckOK, Stand: Januar 2020, § 146 Rn. 14 m.w.N.). Dies betrifft in der Sache vor allem die erstinstanzlich von den Antragstellern als problematisch angesehene Beseitigung des Schmutzeinschließlich des Oberflächenwassers. Die Antragsteller hatten gegenüber dem Verwaltungsgericht vorgetragen, es würden ihnen aufgrund einer bereits jetzt schon überlasteten Mischwasserkanalisation Schäden drohen. Die aktuelle Bauleitplanung verfehle das gem. § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. e BauGB zu berücksichtigende Ziel eines sachgerechten Umgangs mit Abwässern. Auch mit diesen Einwänden hat sich der erstinstanzliche Beschluss intensiv befasst: Zwar könne - so das Verwaltungsgericht - eine mangelnde Erschließung ausnahmsweise aufgrund belastender Folgewirkungen für das Nachbargrundstück unter dem Gesichtspunkt des Rücksichtnahmegebots drittschutzrelevant sein, z.B. wenn Niederschlagswasser auf das Grundstück des Nachbarn abgeleitet werde und es dadurch zu dort zu Überschwemmungen komme. Im vorliegenden Fall enthalte aber die Baugenehmigung als öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung keine Aussage dazu, dass die Abführung des Oberflächenwassers den Vorschriften des öffentlichen Rechts entspreche. Darin heiße es im Wesentlichen lediglich, dass Dach-, Oberflächen- und sonstige Abwässer nicht auf oder über Bahngrund abgeleitet werden dürfen, sondern ordnungsgemäß in die öffentliche Kanalisation abzuleiten sind. Aus dem pauschalen Vorbringen der Antragsteller gehe zudem nicht überzeugend hervor, dass ihr Grundstück durch die geplante Maßnahme negativ beeinflusst werden könnte. Auf eine Verletzung des § 37 Abs. 1 Satz 2 WHG könnten sich die Antragsteller nicht berufen, weil diese Norm keine öffentlich-rechtlichen Abwehrpositionen verleihe, sondern lediglich ein privates Nachbarrecht darstelle. Unabhängig von der Reichweite eines Drittschutzes komme auch eine Verletzung des Art. 11 BayBO nicht in Betracht, weil es für die konkrete Möglichkeit des Schadenseintritts nur durch die Gestattungswirkung der Baugenehmigung vorliegend keine Anhaltspunkte gebe. Dem haben die Antragsteller in der Beschwerdebegründung außer einem wiederholenden und argumentativ nicht weiter untermauerten Hinweis auf eine „unzureichende Erschließungssituation“ (Seite 4 des Schriftsatzes vom 20. Januar 2020) nichts entgegengesetzt. Auch aufgrund der insofern nicht erfüllten Darlegungsobliegenheiten muss der Senat diesbezüglichen Fragen im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens nicht nachgehen.
30
Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt, dass den gesetzlichen Anforderungen an eine gesicherte Erschließung keine drittschützende Wirkung zukommt. Allenfalls in Fällen, in denen das genehmigte Bauvorhaben eine unmittelbar gegenständliche Inanspruchnahme des Nachbargrundstückes zur Folge hat, kann ausnahmsweise über Art. 14 GG ein Genehmigungsabwehranspruch begründet sein (für den Fall, dass die Umsetzung der Baugenehmigung die Begründung oder Ausweitung eines Notwegerechts nach § 917 Abs. 1 BGB auf dem Nachbargrundstück bewirkt, vgl. BayVGH, B.v. 3.1.2018 - 15 ZB 16.2309 - juris Rn. 14 m.w.N.). Für einen solchen Ausnahmefall gibt weder die Aktenlage noch der Vortrag der Antragsteller (auch in erster Instanz) etwas her. Auch ist weder dargelegt worden noch ansonsten ersichtlich, dass es aufgrund der örtlichen Verhältnisse zu chaotischen Verkehrsverhältnissen im unmittelbaren Umgriff des Antragstellergrundstücks kommen könnte, weil mangels ausreichender Anhalte- oder Parkmöglichkeiten der durch das Vorhaben bewirkte Park- oder Parksuchverkehr die unmittelbaren Nachbarn unzumutbar beeinträchtigt oder weil die bestimmungsgemäße Nutzung des Nachbargrundstücks deshalb unzumutbar eingeschränkt wird (hierzu vgl. die Nachweise bei BayVGH, B.v. 27.11.2019 - 15 CS 19.1906 - juris Rn. 67). Auch mit diesbezüglichen Fragen hat sich bereits das Verwaltungsgericht befasst (vgl. Seite 16 des mit der Beschwerde angegriffenen Beschlusses vom 12. Dezember 2019) und ausgeführt, es sei nicht zu erwarten, dass es aufgrund der örtlichen Verhältnisse zu chaotischen Verkehrsverhältnissen im unmittelbaren Umgriff des Nachbargrundstücks kommen werde. Auch dem ist die Beschwerdebegründung nicht mit konkreten Gegenargumenten entgegengetreten.
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2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Antragsteller tragen billigerweise auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, weil jene einen Antrag gestellt und sich damit auch einem Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.7.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und folgt der Streitwertfestsetzung der erstinstanzlichen Entscheidung, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.
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3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).