Titel:
Verpflichtung eines Wach- und Sicherheitsdienstleistungsunternehmens zur Vorlage einer Belastungsanalyse - Untersagung der Verlängerung der Tageszeitarbeit über zehn Stunden
Normenketten:
ArbZG § 3, § 6 Abs. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, Abs. 2a, § 17 Abs. 2, Abs. 4 S. 1
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
MRTV § 6 Nr. 1.1
BayVwVfG Art. 28
KG Art. 1 Abs. 1 S. 1, Art. 2 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Im Rahmen einer Anfechtungsklage, die sich nach Erledigung des Grundverwaltungsakts nur (noch) gegen die mit ihm verbundenen Nebenbestimmungen - wie Zwangsmittelandrohung, Kostenlastentscheidung, Kostenfestsetzung - richtet, ist die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsakts nur in beschränktem Umfang zu überprüfen. Entsprechend den zu § 161 Abs. 2 VwGO entwickelten Grundsätzen ist weder eine Beweiserhebung zur weiteren Klärung des Sachverhalts zulässig noch eine Klärung schwieriger, bisher höchstrichterlich noch nicht geklärter Rechtsfragen geboten. (Rn. 42 – 43) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Rahmen einer Anfechtungsklage, die sich nach Erledigung des Grundverwaltungsakts nur (noch) gegen die mit ihm verbundenen Nebenbestimmungen - wie Zwangsmittelandrohung, Kostenlastentscheidung, Kostenfestsetzung - richtet, ist die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsakts nur in beschränktem Umfang zu überprüfen. Entsprechend den zu § 161 Abs. 2 VwGO entwickelten Grundsätzen ist weder eine Beweiserhebung zur weiteren Klärung des Sachverhalts zulässig noch eine Klärung schwieriger, bisher höchstrichterlich noch nicht geklärter Rechtsfragen geboten. (Rn. 73) (redaktioneller Leitsatz)
3. Arbeitsbereitschaft ist gegenüber Vollarbeit eine mindere Leistung, nach dem Grad der Beanspruchung abzugrenzen und liegt vor, wenn der Grad der körperlichen und/oder geistigen Beanspruchung des Arbeitnehmers bei der Ausübung der Tätigkeit deutlich geringer ist als bei der typischen Vollarbeit, sodass sich der Arbeitnehmer entspannen kann. (Rn. 77) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erledigung des Grundverwaltungsakts, Wiederholungsgefahr (verneint), Auskunftsverlangen, Belastungsanalyse, Untersagung der Verlängerung der täglichen Arbeitszeit, Abgrenzung Vollarbeit und Arbeitsbereitschaft, Arbeitsbereitschaft in erheblichem Umfang, Monitorüberwachung, Ermessensentscheidung, Untersagung, Erledigung, Anfechtungsklage, Arbeitszeit, Fortsetzungsfeststellungsklage, Lebenserfahrung, zehn Stunden
Fundstelle:
BeckRS 2020, 26558
Tenor
1. Der Bescheid der Regierung … vom 8. November 2017 wird in Ziffer 4 aufgehoben. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich im Verfahren AN 4 K 16.01704 gegen die Verpflichtung zur Vorlage einer Belastungsanalyse für den Zeitraum 1. Juli bis 30. September 2015 (I.) und im Verfahren AN 4 K 17.02568 gegen die Untersagung der Verlängerung der täglichen Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer in einer Wachleitzentrale über zehn Stunden hinaus, solange keine Dokumentation einer Tätigkeits- und Belastungsanalyse vorgelegt wurde (II.).
2
Die Klägerin ist ein bundesweit tätiges Wach- und Sicherheitsdienstleistungsunternehmen. Sie erbrachte vom 1. Juni 2013 bis 30. Juni 2019 auf Grundlage einer Leistungsbeschreibung des Beschaffungsamtes des Bundesministeriums des Innern vom 26. November 2012 Sicherheitsdienstleistungen, konkret die Bewachung der Liegenschaft des … in der … in … (im Folgenden: Objekt).
3
Mit Schreiben vom 18. Dezember 2013 teilte das Gewerbeaufsichtsamt der Regierung … (im Folgenden: Regierung) der Klägerin mit, dass bei einer Besichtigung des Objektes am 7. November 2013 Unterlagen nicht bzw. nicht vollständig vorgelegt worden seien und forderte die Klägerin zur Vorlage bestimmter Unterlagen auf, darunter einer Belastungsanalyse mit der Darstellung, in welchem Umfang sich die tägliche Arbeitszeit aus Arbeitsbereitschaft und Vollarbeit zusammensetzt.
4
Mit Schreiben vom 31. Januar 2014 legte die Klägerin verschiedene Unterlagen vor, jedoch nicht die geforderte Belastungsanalyse. Sie führte aus, dass Hauptdienstleistungen die Betreuung und Überwachung der im Objekt eingerichteten Wachleitzentrale und zweier Pforten (Nord und Ost) sowie die - überwiegend nachts anfallende - Durchführung von Kontroll- und Streifengängen über die Liegenschaft und durch die Gebäude nebst Verschluss- und Aufschlussdiensten seien. Die Wachleitzentrale, in der keine Kontrolle von Publikumsverkehr stattfinde, sei eine voll computergestützte Zentrale, wodurch die aktive Tätigkeit wesentlich entlastet sei. Eventuell eintretende Alarmsituationen von Meldesystemen würden durch akustische Signale angezeigt und von der überwiegend mit zwei Mitarbeitern besetzten Zentrale dann geprüft. Die Bereitschaftszeiten, also die Phasen der nicht aktiven Absicherung und reinen Anwesenheit, hielten sich regelmäßig mit den Zeiten des aktiven Tuns die Waage. Nachts, an Sams-, Sonn- und Feiertagen, wenn die Liegenschaft insgesamt geschlossen, „scharf“ geschaltet und jedenfalls mit zwei Personen besetzt sei, erschöpfe sich die aktive Tätigkeit in den Streifengängen, der Überwachung der Meldesysteme/Videoaufzeichnungsgeräte, dem ggf. erforderlichen Einschreiten bei einer Alarmmeldung und Telefondienst. Arbeitsbereitschaft falle für den einzelnen Mitarbeiter somit regelmäßig in erheblichem Umfang an.
5
Mit Schreiben vom 8. August 2014 erklärte die Regierung der Klägerin, dass die Klägerin im Objekt die Ausnahme des § 6 Nr. 1.1. des Mantelrahmentarifvertrages vom 30. August 2011 für Sicherheitsdienstleistungen in der Bundesrepublik Deutschland (MRTV Bund) zur Verlängerung der täglichen Arbeitszeit über zehn Stunden hinaus in Anspruch nehme, was nur zulässig sei, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft falle. Es bestehe der begründete Verdacht, dass die Arbeitszeit der Mitarbeiter der Klägerin im Objekt oftmals nicht in erheblichem Umfang aus Arbeitsbereitschaft bestehe und daher die Verlängerung der Arbeitszeit über zehn Stunden hinaus unzulässig sei. Die Regierung forderte die Klägerin zur Übersendung einer Belastungsanalyse für ihre Beschäftigten an der Pforte im Objekt für „einen repräsentativen Zeitraum, mindestens jedoch einen Monat“ auf. Aus dieser solle hervorgehen, in welchem Umfang sich die tägliche Arbeitszeit aus Arbeitsbereitschaft, Vollarbeit und Pausen zusammensetzt.
6
Mit Schreiben vom 20. Februar 2015 legte die Klägerin handschriftlich ausgefüllte Formblätter „Belastungsanalyse privater Wachdienst“ für Dezember 2014 vor (Anlage 2 der Behördenakte AN 4 K 16.01704). Auf den Formblättern finden sich die Spalten „Datum“, „Dienstzeit von/bis“, „Aktive Tätigkeit von/bis“ und „Passive Tätigkeit/Bereitschaft von/bis“. Als Beispiele für aktive Tätigkeiten werden „Besucherabfertigung, Schrankendienst, Telefonate, Auskünfte“ und für passive Tätigkeiten „Kein Besucherverkehr, kein Telefon, Warten auf Besucher“ genannt. Verschiedene Arbeitnehmer hatten an ihren Einsatztagen im Dezember 2014 unter Angabe der genauen Uhrzeit vermerkt, welche aktiven und passiven Tätigkeiten sie von wann bis wann ausgeübt hatten. In fast allen Formblättern für die Position des Wachgehilfen in der Wachleitzentrale wurde in der Spalte Passive Tätigkeit/Bereitschaft Monitorüberwachung, teils mit Verweis auf die Anzahl der Monitore (20), angegeben. Für die Position des Wachleiters in der Wachleitzentrale wurden keine Erhebungsbögen vorgelegt.
7
Mit Schreiben vom 15. Juni 2015 verwies die Regierung auf den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 24. Januar 2006 (1 ABR 6/05), nach dem von einem erheblichen Anteil nur dann gesprochen werden könne, wenn z.B. bei einer Gesamtarbeitszeit von elf Stunden die Arbeitsbereitschaft mindestens 27%, sprich drei Stunden betrage. Eine Schicht von zwölf Stunden dürfe demnach aus maximal acht Stunden Vollarbeit, mindestens drei Stunden Arbeitsbereitschaft und einer Stunde Pause bestehen. Die Vollarbeit dürfe zudem nicht besonders schwer sein. Damit die tägliche Gesamtarbeitszeit auf über zehn Stunden verlängert werden könne, müsse die Klägerin als Arbeitgeberin im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung eine Belastungsanalyse durchführen, in der die Inanspruchnahme über einen längeren Zeitraum dokumentiert werde. Der für den Monat Dezember 2014 durchgeführten Belastungsanalyse für das Objekt fehle die notwendige Aussagekraft, zudem liege keine Ergebnisauswertung bei. Die Klägerin wurde aufgefordert, für den Zeitraum vom 1. Juli bis 30. September 2015 eine Belastungsanalyse für ihre Mitarbeiter im Objekt zu erstellen, wobei die Regierung Vorgaben zur täglichen Aufzeichnung, Auswertung und Ermittlung der Durchschnittswerte und Darstellung machte.
8
Mit Schreiben vom 30. November 2015 legte die Klägerin fünf Diagramme überschrieben mit „Wachleiter (Nacht)“, „Wachleiter (Tag)“, „Wachgehilfe“, „Besucherpforte Nord“ und „Lieferantenpforte Ost“ vor, auf denen jeweils zwei Balken mit den Beschriftungen „Bereitschaft/Pause“ und „Arbeit“ zu sehen waren (Bl. 126-130 der Behördenakte AN 4 K 16.01704). Die Balkendiagramme seien auf Grundlage der im Zeitraum 1. Juli bis 30. September 2015 erhobenen Zeitanteile erstellt worden. Die Klägerin erklärte, dass sich schon aus den für Dezember 2014 vorgelegten Unterlagen für die jeweiligen Positionen ergeben habe, dass die Zeitanteile der passiven Anwesenheit ohne aktive Sicherungstätigkeit mindestens im Rahmen der Erheblichkeit der Arbeitsbereitschaft lägen. Die Zeitanteile der nichtaktiven Anwesenheit in Form der Arbeitsbereitschaft und Pause stünden in einem erheblichen Verhältnis zu den Zeiten der jeweiligen Vollarbeit. Den Zeiten der aktiven Tätigkeiten (z.B. Besucherabfertigung, Öffnen und Schließen der Schranken) stünden immer wieder Zeitanteile des „Wartens“ gegenüber. Zudem sei die Vollarbeit mangels körperlicher und geistiger Beanspruchung im Vergleich zu anderen Arbeitsaufgaben und Tätigkeiten nicht besonders schwer.
9
Mit E-Mail vom 24. Februar 2016 forderte die Regierung die Klägerin auf, die Datenbasis der Bewertungsanalyse vorzulegen. Mit Schreiben vom 7. März 2016 teilte die Regierung der Klägerin mit, dass die erstellte Belastungsanalyse nicht vollständig sei, da die Datenbasis, auf deren Grundlage die Belastungsanalyse erstellt worden sei, fehle und bat die Klägerin um Vorlage der notwendigen Unterlagen bis spätestens 15. März 2016. Mit weiterem Schreiben vom 22. März 2016 wurde die Frist bis zum 9. April 2016 verlängert und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass dieses Schreiben eine Anhörung nach Art. 28 BayVwVfG sei und ein Anordnungsbescheid erlassen würde, falls die geforderten Unterlagen nicht fristgerecht eintreffen sollten.
10
Mit Bescheid vom 26. Juli 2016 ordnete die Regierung gegenüber der Klägerin folgendes an:
„1. Sie haben unverzüglich, spätestens jedoch bis 25. August 2016, im Fall einer Klage spätestens bis 4 Wochen nach Bestandskraft des Bescheides, für den Zeitraum 01.07. bis 30.09.2015 für alle Mitarbeiter ihres o.g. Objektes, für die sie die Ausnahme des § 7 Abs. 2a ArbZG i.V.m. § 6 Nr. 1.1. Mantelrahmentarifvertrag (MRTV) vom 30. August 2011 für Sicherheitsdienstleistungen in der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch genommen haben, folgende Belastungsanalyse vorzulegen:
Die Erfassung der täglichen Vollarbeit, Arbeitsbereitschaft und Pausenzeiten soll durch eine anerkannte Methode zur Zeiterfassung, wie z.B. REFA Zeitaufnahme, Multimomentaufnahme erfolgen. Diese Datenbasis muss von der Behörde einsehbar sein.
b. Auswertung und Ermittlung der Durchschnittswerte Über alle gleichartigen Tage (in der Regel alle Montage, Dienstag, Mittwoch etc.) sind die Durchschnittswerte der Zeitanteile der Vollarbeit, Arbeitsbereitschaft und Pausenzeiten zu bilden.
Die Darstellung der ermittelten durchschnittlichen Zeitanteile für die jeweiligen gleichartigen Tage soll in Diagrammform erfolgen (z.B. Balkendiagramm).
2. Sie haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gebühr wird auf 125 € festgesetzt. An Auslagen sind 2,63 € entstanden.“
11
Zur Bescheidsbegründung führte die Regierung aus, dass die Klägerin die tägliche Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter im Objekt über zehn Stunden hinaus verlängert habe, was gemäß § 7 Abs. 2a ArbZG i.V.m. § 6 Nr. 1.1. MRTV Bund nur zulässig sei, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst falle und durch besondere Regelungen sichergestellt werde, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird. Die Klägerin sei für die Einhaltung dieser Voraussetzungen gegenüber dem Amt beweispflichtig. Trotz mehrfacher Aufforderung habe die Klägerin die Belastungsanalyse für den Zeitraum 1. Juli bis 30. September 2015 nicht vorgelegt.
12
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 29. August 2016 zunächst Anfechtungsklage erhoben und beantragt zuletzt sinngemäß,
es wird festgestellt, dass der Bescheid vom 26. Juli 2016 in Ziffer 1 rechtswidrig war.
13
Der Bescheid vom 26. Juli 2016 wird in Ziffer 2 aufgehoben.
14
Zur Klagebegründung führte die Klägerin aus, dass sich aus der vorgelegten Belastungsanalyse für Dezember 2014 ergebe, dass während der 12-Stunden-Schichten in erheblichem überwiegendem Umfang passive Arbeitsbereitschaft anfalle und die aktive Vollarbeit nicht überwiege. Die Klägerin habe die Belastung der Mitarbeiter im Objekt getrennt nach passiver Arbeitsbereitschaft und aktiver Vollarbeit in einem repräsentativen Zeitraum von mindestens einem Monat ermittelt und somit die von der Regierung mit Schreiben vom 8. August 2014 geforderte Belastungsanalyse bereits vorgelegt. Die Forderung einer weiteren Belastungsanalyse für den Zeitraum 1. Juli bis 30. September 2015 sei wegen der bereits erfolgten Vorlage der Belastungsanalyse für Dezember 2014 unverhältnismäßig. Die immer weiter ausufernde und im Bescheid vom 26. Juli 2016 gipfelnde Vorgehensweise der Regierung sei nicht gerechtfertigt.
15
Der Beklagte beantragt Klageabweisung und führte mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2016 aus, dass gemäß § 3 bzw. § 6 Abs. 2 ArbZG die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer bzw. Nachtarbeitnehmer grundsätzlich acht Stunden nicht überschreiten dürfe, eine Verlängerung auf bis zu zehn Stunden ausnahmsweise möglich sei. Gemäß § 7 Abs. 2a ArbZG dürfe in einem Tarifvertrag abweichend von § 3, § 6 Abs. 2 ArbZG zugelassen werden, die werktägliche Arbeitszeit auch ohne Ausgleich über acht Stunden zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst falle und durch besondere Regelungen sichergestellt werde, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird. Dementsprechend bestimme § 6 Nr. 1.1. Satz 3 MRTV Bund, dass die Arbeitszeit auch ohne Ausgleich über zehn Stunden täglich verlängert werden dürfe, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft falle. Arbeitsbereitschaft sei die Zeit der wachen Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung. Sie liege nur vor, wenn die Arbeitnehmer im Verhältnis zur Vollarbeit geringer beansprucht würden, d.h. der Grad der körperlichen und/oder geistigen Belastung viel geringer sei, sodass sich die Arbeitnehmer entspannen könnten. Vollarbeit liege vor, wenn der Arbeitnehmer in vollem Umfang für die Zwecke des Arbeitgebers eingesetzt, d.h. voll beansprucht werde. Auch eine überwachende oder beobachtende Tätigkeit, die eine dauernde Aufmerksamkeit erfordere und dem Arbeitnehmer keine Entspannung gestatte, sei Vollarbeit. Ob die Arbeitszeit der Arbeitnehmer regelmäßig und in erheblichem Umfang aus Arbeitsbereitschaft bestehe, habe der Arbeitgeber durch eine Belastungsanalyse zu beurteilen.
16
Der Beklagte trug vor, dass die Klägerin ihre Arbeitnehmer im Objekt unstreitig in 12-Stunden-Schichten einsetze, durch die bisher vorgelegten Unterlagen aber nicht dargelegt und bewiesen habe, dass in die Arbeitszeit der Beschäftigten im Objekt regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft falle. Den mit Schreiben vom 31. Januar 2014 vorgelegten Unterlagen sei nicht zu entnehmen, in welchem Umfang innerhalb einer Schicht Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst an den einzelnen Arbeitsplätzen anfalle. In den mit Schreiben vom 20. Februar 2015 vorgelegten Erhebungsbögen, auf denen die Beschäftigten im Objekt ihre Anwesenheitszeiten mit aktiven und passiven Tätigkeiten dokumentiert hätten, seien als passive Tätigkeiten „Bereitschaft mit Geländebeobachtung,“ „Geländebeobachtung mittels Bildschirm (Kamera)“, „Monitorüberwachung (20 Stück)“ eingetragen worden. Die Gelände- bzw. Monitorbeobachtung stelle jedoch Vollarbeit und nicht Arbeitsbereitschaft dar. Die dauernde Beobachtung des Geländes auf einer Vielzahl von Monitoren erfordere ständige Aufmerksamkeit und gestatte keine Entspannung. Zudem sei keine Auswertung der Zeitanteile von Vollarbeit und Arbeitsbereitschaft bzw. Bereitschaftsdienst vorgelegt worden. Deshalb sei die Klägerin zur Vorlage der Belastungsanalyse für den Zeitraum 1. Juli bis 30. September 2015 aufgefordert worden.
17
Weiter führte der Beklagte aus, dass zu den am 30. November 2015 übersandten Balkendiagrammen bis jetzt keine Aufzeichnungen der Datenbasis, d.h. der Erfassung der täglichen Vollarbeit, Arbeitsbereitschaft und Pausenzeiten vorgelegt wurden. Da laut der Erhebungsbögen für Dezember 2014 nicht Arbeitsbereitschaft in erheblichem Umfang vorlag, bestehe zumindest der begründete Verdacht, dass die Balkendiagramme nicht die tatsächlichen durchschnittlichen Anteile von Vollarbeit und Arbeitsbereitschaft darstellten. Ohne Vorlage der Datenbasis sei eine Überprüfung der Diagramme nicht möglich und habe die Klägerin das Vorliegen der Voraussetzungen des § 6 Nr. 1.1. Satz 3 MRTV Bund nicht dargelegt. Dies insbesondere im Hinblick darauf, dass die Klägerin die Überwachungstätigkeit unzutreffend als Arbeitsbereitschaft und nicht als Vollarbeit werte. Mildere Mittel zur Überprüfung des Vorliegens eines Verstoßes gegen § 3, § 6 Abs. 2 ArbZG seien nicht ersichtlich. Da die Klägerin eine Auswertung der Zeitanteile für den Zeitraum 1. Juli bis 30. September 2015 vorgelegt habe, sollten auch die entsprechend täglich erfassten Zeitanteile Vollarbeit, Arbeitsbereitschaft und Pausenzeiten für diesen Zeitraum vorliegen, da sonst die Bildung von Durchschnittswerten nicht möglich gewesen wäre. Die Vorlage der entsprechenden Datenbasis sei daher mit geringem Aufwand möglich. Die für die Klägerin mit der Anordnung in Ziffer 1 des Bescheides vom 26. Juli 2016 verbundene Belastung stehe nicht außer Verhältnis zum erstrebten Zweck, die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der betroffenen Arbeitnehmer zu schützen. Insbesondere sei die Länge von drei Monaten nicht unverhältnismäßig, da eine Analyse über diesen Zeitraum aussagekräftiger hinsichtlich einer realistischen Verteilung von Vollarbeit und Arbeitsbereitschaft sei und nicht lediglich eine Momentaufnahme darstelle, die durch Extreme hinsichtlich des Arbeitsanfalls geprägt sein könne.
18
Die Klägerin replizierte mit Schriftsatz vom 27. Februar 2017, dass die Regierung ursprünglich einen Zeitraum von einem Monat für die Belastungsanalyse als ausreichend erachtet habe. Bereits ein Monat sei keine Momentaufnahme. Zudem sei eine Ergebnisauswertung zur Belastungsanalyse für Dezember 2014 nicht erkennbar gefordert worden. Die Liegenschaften des Objektes seien mit Sicherheitszäunen gesichert und die Monitore seien insbesondere dazu da, um im Alarmfall einen schnellen Überblick zu erhalten. Die Mitarbeiter der Klägerin müssten zur Bewachung des Geländes nicht beständig die Monitore überwachen. Diese dienten vielmehr der Unterstützung insbesondere im Alarmfall, wenn z.B. einer der Sicherheitsdrähte an den Umzäunungen Alarm melde, um schnell nachsehen zu können, was an der Stelle „los“ sei. Zudem befänden sich in der Sicherheitszentrale, in der die meisten Monitore installiert seien, regelmäßig zwei Mitarbeiter (Wachleiter und Wachgehilfe). Mit Schriftsatz vom 15. September 2017 ergänzte die Klägerin, dass kein Mitarbeiter die Monitore durchgängig beobachte. Im Alarmfall werde durch Signale angezeigt, dass es zu einer Unregelmäßigkeit in der Umfriedung komme (z.B. Personenübertritt, Tiere), woraufhin die Wachperson in der Sicherheitszentrale vor Auslösung der Notfallroutine die Monitore für die gemeldeten Bereiche ansehen werde, um in einer ersten Sichtprüfung festzustellen, was Ursache für den Alarm sei.
19
Der Beklagte teilte mit Schriftsatz vom 26. Juni 2017 mit, dass die Regierung am 23. März 2017 eine Besichtigung der Wachleitzentrale sowie der Pforten im Objekt vorgenommen habe. Nach den dabei getroffenen Feststellungen bestehe der Aufgabenbereich der Arbeitnehmer in der Wachleitzentrale aus ständiger Monitorüberwachung (Zäune, Eingänge usw.) von ca. 20 Monitoren. Die Einschätzung der Arbeit als Vollarbeit sei durch die Besichtigung bestätigt worden. Wegen der Einzelheiten wurde auf den beigefügten Aktenvermerk über die Ortseinsicht Bezug genommen.
20
Am 23. März 2017 führte die Regierung eine Besichtigung der Wachleitzentrale, der Pforte Ost und der Pforte Nord im Objekt durch, die nach Angabe der Beteiligten zwischen einer und zwei Stunden dauerte. Der Aktenvermerk über die Ortseinsicht (Bl. 1 f. der Behördenakte AN 4 K 17.02568) enthält bezogen auf die Wachleitzentrale unter anderem folgende Angaben: „Besetzung der WLZ mit 2 AN gleichzeitig wg. Gefährdungseinschätzung BKA; Aufgabenbereich: ständige Monitorüberwachung (Zäune, Eingänge, etc.) von ca. 20 Monitoren, Überwachung Einbruchanlage (Signal), Überwachung Haustechnik (Signal), Überwachung Alarmanlagen (Signal); Selbsteinschätzung mittels Pfortenmitarbeiter: 73% aktive Tätigkeiten 27% passive Tätigkeiten; Einschätzung her [sic]: Vollarbeit, keine Bereitschaftszeiten !“
21
Mit Schreiben vom 2. Juni 2017 teilte die Regierung der Klägerin mit, dass bei der Besichtigung am 23. März 2017 in der Wachleitzentrale festgestellt worden sei, dass die Arbeitnehmer täglich 12 Stunden hauptsächlich mit Monitorbeobachtung beschäftigt seien. Die Klägerin habe bisher keine Gefährdungsbeurteilung der Arbeitszeit mit dem Nachweis, dass die Ausnahme des § 7 Abs. 2a ArbZG i.V.m. § 6 Nr. 1.1. MRTV Bund in Anspruch genommen werden dürfe, vorgelegt. Die Regierung forderte die Klägerin auf, bei der Beschäftigung der Arbeitnehmer § 3 ArbZG einzuhalten und wies darauf hin, dass erst durch eine über einen längeren Zeitraum (mindestens drei Monate) geführte Tätigkeitsanalyse die Ausnahme des § 6 Nr. 1.1. MRTV Bund in Anspruch genommen werden dürfe. Die Klägerin wurde gebeten, mit der Durchführung der Maßnahmen unverzüglich zu beginnen und deren Erledigung mitzuteilen.
22
Mit Schreiben vom 18. August 2017 erklärte die Klägerin gegenüber der Regierung, dass die Mitarbeiter in der Wachleitzentrale nicht unentwegt die Monitore beobachten müssten. Sie täten dies nur vereinzelt über den Tag verteilt und unregelmäßig. Der Zaun um das Objekt melde im Fall eines Kontakts einen Alarm und erst im Alarmfall müsse der Mitarbeiter mittels Inaugenscheinnahme des entsprechenden Monitors herausfinden, was passiert sei. Die Monitore seien folglich nur Hilfsmittel zur Ursachenerkennung im Alarmfall.
23
Mit Bescheid vom 8. November 2017 untersagte die Regierung der Klägerin spätestens ab dem 1. Dezember 2017, im Fall der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung spätestens vier Wochen nach Bestandskraft des Bescheides, die tägliche Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer in der Wachleitzentrale des Objektes über zehn Stunden hinaus zu verlängern, solange sie dem Gewerbeaufsichtsamt keine Dokumentation einer Tätigkeits- und Belastungsanalyse vorgelegt habe, mit der der Anteil der Arbeitsbereitschaft an der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer der Wachleitzentrale bestimmt wurde (Ziffer 1). Diese Anordnung wurde für sofort vollziehbar erklärt (Ziffer 2). Für den Fall der nicht oder nicht vollständigen Erfüllung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 75 EUR pro Arbeitnehmer und Tag angedroht (Ziffer 3). Der Klägerin wurden die Kosten des Verfahrens in Höhe von 252,76 EUR auferlegt (Ziffer 4). Zur Begründung führte die Regierung aus, dass bei der Überprüfung des Objektes am 23. März 2017 festgestellt worden sei, dass die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer in der Wachleitzentrale dauerhaft auf 12 Stunden verlängert worden sei. Dies sei nur zulässig, wenn gemäß § 7 Abs. 2a ArbZG i.V.m. § 6 Nr. 1.1. MRTV Bund in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst falle. Dies habe der Arbeitgeber nachzuweisen, regelmäßig durch eine Arbeitszeitanalyse mittels einer anerkannten Methode der Zeiterfassung und über einen repräsentativen Zeitraum von mindestens drei Monaten, in der die Anteile der Arbeitsbereitschaft an einer angemessenen Anzahl von Arbeitstagen ermittelt werden. Eine solche Analyse habe die Klägerin bisher nicht vorgelegt. Während der Besichtigung am 23. März 2017 seien die ca. 20 Monitore in der Wachleitzentrale permanent eingeschaltet und so angeordnet gewesen, dass diese ständig von den Arbeitnehmern beobachtet würden. Es sei daher wahrscheinlich, dass in der Wachleitzentrale keine Arbeitsbereitschaft in erheblichem Umfang vorliege. Bis zur Vorlage der Belastungs- und Tätigkeitsanalyse seien § 3, § 6 Abs. 2 ArbZG einzuhalten. Dadurch werde der Schädigung der Gesundheit und der Minderung der Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer entgegengewirkt sowie die Unfallgefahr vermindert. Die Maßnahme sei verhältnismäßig. Ein milderes gleich geeignetes Mittel sei nicht ersichtlich, denn trotz schriftlicher Aufforderung seien weder § 3, § 6 Abs. 2 ArbZG eingehalten noch eine Belastungsanalyse vorgelegt worden. Die Maßnahme sei angemessen, da die Einhaltung der § 3, § 6 Abs. 2 ArbZG keinen unzumutbaren Aufwand für die Klägerin darstelle. Die mit der Durchführung der Anordnung verbundenen Kosten und sonstigen Belastungen seien angesichts der ansonsten bestehenden Gefährdung von Leben und Gesundheit der Beschäftigten zumutbar.
24
Die Klägerin hat am 11. Dezember 2017 zunächst Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 8. November 2017 erhoben und beantragt zuletzt sinngemäß,
es wird festgestellt, dass der Bescheid vom 8. November 2017 in Ziffern 1 bis 3 rechtswidrig war.
25
Ziffer 4 des Bescheides vom 8. November 2017 wird aufgehoben.
26
Zur Zulässigkeit der Klage führte die Klägerin aus, dass sich das Fortsetzungsfeststellungsinteresse aus der Wiederholungsgefahr ergebe, da die Klägerin im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Regierung die … Einrichtung in … betreue und auch dort 12-Stunden-Schichten eine Rolle spielten. Mit Schreiben vom 24. April 2018 und 3. Mai 2018 habe die Regierung bezüglich dieses Objektes verschiedene „Mängel“ beanstandet“ und Ausführungen zur Schichtdauer und der tariflichen Ausweitung der Arbeitszeit gemacht. Es bestehe die konkrete Gefahr, dass hier ein vergleichbarer Verwaltungsakt ergehen könne.
27
Zur Begründetheit der Klage trug die Klägerin vor, dass im Sicherheitsgewerbe 12-Stunden-Schichten branchenüblich seien. Die 12-Stunden-Schichten seien in der Leistungsbeschreibung des Bundesministeriums des Innern mit der Schichtbenennung 6:00 Uhr bis 18:00 Uhr und 18:00 Uhr bis 6:00 Uhr ausdrücklich vorgegeben. In den Abend- und Nachtstunden sowie an Wochenenden und Feiertagen seien keine Mitarbeiter oder Kunden vor Ort und der aktive Arbeitsaufwand wesentlich geringer. Nach § 4 des Manteltarifvertrages Nr. 10 für die gewerblichen Arbeitnehmer des Wach- und Sicherheitsgewerbes in Bayern vom 1. August 2006 (MTV Bayern) könne die monatliche Regelarbeitszeit abweichend von § 6 MRTV Bund in der Lohngruppe 2 (Wachgehilfe) und 3 (Wachleiter) bis zu 248 Stunden betragen. Damit gingen auch die Tarifvertragspartner in Bayern von einer Zulässigkeit von 12-Stunden-Schichten im Sicherheitsgewerbe aus, denn um auf eine monatliche Regelarbeitszeit von 248 Stunden zu kommen, müssten bei 8-Stunden-Schichten 31 Tage im Monat gearbeitet werden, was in Anbetracht der Ruhezeiten zwischen den Schichten und der Freizeit in Form von freien Tagen nicht möglich wäre. Die Mitarbeiter der Klägerin im Objekt würden ca. 200 Stunden verteilt auf durchschnittlich 15-18 Schichten pro Monat arbeiten. Dadurch ergäben sich erhebliche Freizeitblöcke zur körperlichen und geistigen Regeneration. Bei der arbeitszeitlichen Belastung müsse auch die Monatsarbeitszeit berücksichtigt werden. Außerdem könne innerhalb der gesetzten dreiwöchigen Frist keine auf drei Monate angelegte Dokumentation erfolgen. Der Bescheid sei aus folgenden Gründen rechtswidrig:
28
1. Die Regierung sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass eine Belastungsanalyse/Arbeitszeitdokumentation bisher nicht vorgelegt worden sei. Die Regierung habe mit Schreiben vom 8. August 2014 eine Belastungsanalyse für einen Zeitraum von mindestens einem Monat gefordert. Diese Aufforderung sei die Klägerin durch Vorlage der Erhebungsbögen für Dezember 2014 für sämtliche Sicherungspositionen im Objekt nachgekommen.
29
2. Die Regierung sei aufgrund eines punktuellen ca. zweistündigen Besuches vormittags zu der falschen Erkenntnis gelangt, dass die Monitore in der Wachleitzentrale dauerhaft überwacht würden. Der in der Leistungsbeschreibung des Bundesministeriums des Innern enthaltene Begriff „Zaunmeldeanlage/Alarmmonitore“ zeige klar, dass es sich um eine rein anlassbezogene Überwachungstechnik handele, die nur im Alarmfall näher zu prüfen sei. Keinesfalls seien beide in der Wachleitzentrale tätigen Mitarbeiter über den absolut ausnahmsweisen Alarmfall hinaus verpflichtet, dauerhaft die Alarmmonitore zu beobachten.
30
3. Die Anwesenheit in der Wachleitzentrale sei fehlerhaft bewertet worden. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass überwiegend zwei Mitarbeiter in der Wachleitzentrale anwesend seien und somit eine Arbeitsteilung auch hinsichtlich der nur im Alarmfall erforderlichen Einbeziehungen der Monitore gewährleistet sei. Die Wachgehilfen hätten tagsüber unter der Woche andere Arbeitszeiten als die Wachleiter. Der Bescheid differenziere nicht zwischen Wachleiter und Wachgehilfen und nicht zwischen Tag- und Nachtschichten. Vielmehr werde für sämtliche Schichten eine Verlängerung der Arbeitszeit über zehn Stunden hinaus untersagt. Für die Sonntags- und Feiertagsschichten hätte die Regierung wegen § 11 Abs. 2 ArbZG separat auf die Tageshöchstarbeitszeiten eingehen müsse. Die Begründung des Bescheides spare die Sonn- und Feiertagsschichten von der Regelung aus und sei daher unvollständig bzw. in sich widersprüchlich.
31
4. Es sei die falsche Ermächtigungsgrundlage herangezogen worden. Die Untersagung der Verlängerung der Tagesarbeitszeit über zehn Stunden hinaus als Folge des § 7 Abs. 2a ArbZG sei nicht kongruent mit der zur Begründung herangezogenen Regelung des § 7 Abs. 2 ArbZG, der eine eigenständige Regelung für die Überschreitung von acht Stunden werktäglich treffen. Des Weiteren sei nicht beachtet worden, dass die Klägerin gemäß § 7 Abs. 2 ArbZG sichergestellt habe, dass die Gesundheit ihrer Arbeitnehmer nicht gefährdet werde, indem sie abweichend von der tarifvertraglich zulässigen monatlichen Regelarbeitszeit von 248 Stunden ihre Mitarbeiter nur ca. 200 Stunden pro Monat beschäftige.
32
Der Beklagte beantragt
33
Zur Begründung verwies der Beklagte mit Schriftsatz vom 13. Juli 2018 auf seine Ausführungen im Schriftsatz vom 12. Dezember 2017 zum Eilverfahren AN 4 S 17.02428. Danach sei Rechtsgrundlage für die Anordnung § 17 Abs. 2 i.V.m. §§ 3, 6 ArbZG. Aufgrund der Ortseinsicht vom 23. März 2017 habe ein konkreter Anlass zum Einschreiten bestanden. Der Klägerin sei bisher kein Nachweis gelungen, dass in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft falle (§ 7 Abs. 2a ArbZG i.V.m. § 6 Nr. 1.1. Satz 3 MRTV Bund). Bei der in den Erhebungsbögen für Dezember 2014 als passive Tätigkeiten eingetragenen „Monitorüberwachung“ handele es sich um Vollarbeit. Hinsichtlich der vorgelegten Balkendiagramme seien bis heute keine Aufzeichnungen der Datenbasis vorgelegt worden. Es bestehe damit zumindest der begründete Verdacht, dass die Balkendiagramme nicht die tatsächlichen durchschnittlichen Anteile von Vollarbeit und Arbeitsbereitschaft darstellen. Aus der Leistungsbeschreibung des Bundesministeriums des Innern könne nicht darauf geschlossen werden, dass nach den konkreten Umständen bei Ausübung der Tätigkeit tatsächlich in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst falle. Die Leistungsbeschreibung, die 12-Stunden-Schichten fordere, könne nicht die Zulässigkeit solcher 12-Stunden-Schichten begründen. Da die Klägerin zu ihren Gunsten eine Ausnahme von § 3, § 6 Abs. 2 ArbZG in Anspruch nehmen wolle, gingen Zweifel zu ihren Lasten.
34
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten in den Verfahren AN 4 K 16.01704, AN 4 K 17.02568 sowie AN 4 S 17.02428 und die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 23. September 2020 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
35
Die Fortsetzungsfeststellungsklage gegen Ziffer 1 des Bescheides vom 26. Juli 2016 (AN 4 K 16.01704) ist bereits unzulässig (1.). Die Anfechtungsklage gegen Ziffer 2 des Bescheides ist zwar zulässig, aber unbegründet (2.).
36
1. Die zunächst statthafte Anfechtungsklage gegen die in Ziffer 1 des Bescheides vom 26. Juli 2016 getroffene Anordnung zur Vorlage einer Belastungsanalyse für den Zeitraum vom 1. Juli bis 30. September 2015 hat die Klägerin nach zwischenzeitlicher Beendigung ihres Sicherungsauftrages im Objekt und dadurch eingetretener Erledigung dieses Verwaltungsakts gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO zulässigerweise auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO umgestellt.
37
Es fehlt jedoch an dem gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderlichen berechtigten Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung. Ein solches Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist unter anderem bei Bestehen einer Wiederholungsgefahr gegeben. Erforderlich hierfür ist nicht nur die konkrete Gefahr, dass künftig ein vergleichbarer Verwaltungsakt erlassen wird, darüber hinaus müssen die für die Beurteilung maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände im Wesentlichen unverändert geblieben sein (BVerwG, B.v. 16.1.2017 - 7 B 1/16 - juris Rn. 29; U.v. 16.5.2013 - 8 C 14/12 - NVwZ 2013, 1481 Rn. 21). Ist es ungewiss, ob in Zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen Verhältnisse eintreten wie im Zeitpunkt des Erlasses des erledigten Verwaltungsaktes, kann das Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht aus einer Wiederholungsgefahr hergleitet werden (BVerwG, U.v. 12.10.2006 - 4 C 12/04 - juris Rn. 8; U.v. 25.11.1986 - 1 C 10/86 - juris Rn. 11). Die zukünftig möglicherweise eintretende Situation muss nicht identisch, aber vergleichbar sein (BayVGH, B.v. 14.7.2008 - 4 ZB 07.2735 - BayVBl. 2009, 215 - juris Rn. 10).
38
Dieser Klage liegt kurz gesagt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Regierung forderte die Klägerin zur Vorlage einer mindestens einmonatigen Belastungsanalyse für ihre Mitarbeiter im Objekt auf, die Klägerin legte eine Belastungsanalyse für einen Monat vor, die Regierung hielt die vorgelegte Belastungsanalyse für nicht aussagekräftig und forderte daher im streitgegenständlichen Bescheid die Vorlage einer weiteren, diesmal dreimonatigen Belastungsanalyse und machte bestimmte Vorgaben zur Aufzeichnung, Auswertung und Darstellung.
39
Es besteht bereits keine konkrete Gefahr, dass künftig ein vergleichbarer Verwaltungsakt erlassen wird. Die Klägerin hat zwar vorgetragen, dass sie bezüglich eines anderen im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Regierung gelegenen Sicherungsobjektes von der Regierung zur Vorlage einer Arbeitszeit- bzw. Tätigkeitsanalyse aufgefordert worden sei. Die dazu vorgelegten Schreiben der Regierung stammen jedoch aus dem Frühling 2018. Obwohl seitdem zweieinhalb Jahre vergangen sind, wurde keine vergleichbare Anordnung zur Vorlage einer Belastungsanalyse erlassen.
40
Selbst wenn der Erlass einer solchen Anordnung hinreichend wahrscheinlich wäre, wären die tatsächlichen Umstände, die zum Erlass einer solchen Anordnung führen würden und von denen die Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit abhinge, wesentlich andere. Die mit der hiesigen Fortsetzungsfeststellungsklage begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung in Ziffer 1 des Bescheides vom 26. Juli 2016 hängt maßgeblich davon ab, ob die Forderung einer weiteren Belastungsanalyse angesichts der bereits vorgelegten Unterlagen verhältnismäßig war. Dies kann aber nur unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände des vorliegenden Falls beurteilt werden, nämlich was die Regierung zunächst von der Klägerin verlangt hat, warum die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen diesem ersten Verlangen nicht entsprachen und was die Regierung daraufhin von der Klägerin nachgefordert hat. Diese tatsächlichen Umstände, die Einfluss auf die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Anordnung haben, werden nicht in wesentlich unveränderter Weise erneut auftreten.
41
2. Die Anfechtungsklage gegen die in Ziffer 2 des Bescheides vom 26. Juli 2016 getroffenen Kostenentscheidung ist zulässig, da diese auch nach Erledigung der Anordnung in Ziffer 1 noch Rechtsgrundlage für die Erhebung der behördlichen Kosten ist und damit die Klägerin nach wie vor belastet. Die Klage ist insoweit jedoch unbegründet, da sich die Kostenentscheidung bei dem gebotenen Prüfungsumfang (a) als rechtmäßig erweist (b) und die Klägerin dadurch nicht in ihren Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
42
a) Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist im Rahmen einer Anfechtungsklage, die sich nach Erledigung des Grundverwaltungsakts nur (noch) gegen die mit ihm verbundenen Nebenbestimmungen (z.B. Zwangsmittelandrohung, Kostenlastentscheidung, Kostenfestsetzung) richtet, die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsakts nur in beschränktem Umfang zu überprüfen. Einerseits würde eine vollständige Prüfung der Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsakts dazu führen, dass eine die Sachprüfung ausschließende Erledigung bei kostenpflichtigen Verwaltungsakten praktisch überhaupt nicht möglich wäre, weil auf dem Umweg über die Anfechtung der Kostenentscheidung eine solche Prüfung immer uneingeschränkt zu erreichen wäre. Es hieße Rechtsschutz im Übermaß gewähren, wenn oft aufwendige Ermittlungen nur wegen einer Nebenfrage durchgeführt werden müssten. Andererseits wäre ein einschränkungsloser Verzicht auf eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsakts nicht mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG zu vereinbaren, denn die Rechtmäßigkeit der Kostenentscheidung hängt von der Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsakts ab (vgl. Art. 16 Abs. 5 KG) und dann bliebe ungeprüft, ob eine oft nicht unbeträchtliche Kostenbelastung überhaupt veranlasst war. Der Ausgleich der widerstreitenden Gesichtspunkte erfolgt nach dem Rechtsgedanken des § 161 Abs. 2 VwGO, nach dem die Erfolgsaussichten eines in der Hauptsache erledigten Rechtsstreits nur mehr summarisch zu überprüfen sind (BayVGH, B.v. 18.10.1993 - 24 B 93.92 - NVwZ-RR 1994, 548/549; B.v. 27.11.1995 - 20 B 93.866 - NVwZ-RR 1997, 23/24; B.v. 9.6.2008 - 11 ZB 08.1047 - juris Rn. 17; offengelassen: BayVGH, B.v. 19.10.2016 - 22 ZB 16.1914 - juris Rn. 11; sich anschließend: VGH BW, U.v. 11.9.2015 - 3 S 411/15 - juris Rn. 36; Széchenyi: Das Verhältnis zwischen Grundverwaltungsakt, Zwangsmittelandrohung und Kostenentscheidung am Beispiel der Erledigung und des vorläufigen Rechtsschutzes, BayVBl. 2013, 9-12).
43
Folglich ist im Rahmen der Anfechtungsklage gegen die Kostenentscheidung (Ziffer 2) nur noch zu prüfen, ob die maßgeblichen kostenrechtlichen Bestimmungen zutreffend angewandt wurden und ob die Anordnung zur Vorlage der Belastungsanalyse (Ziffer 1) als Vorfrage der Rechtmäßigkeit der Kostenentscheidung bei summarischer Überprüfung rechtmäßig war. Entsprechend den zu § 161 Abs. 2 VwGO entwickelten Grundsätzen ist weder eine Beweiserhebung zur weiteren Klärung des Sachverhalts zulässig noch eine Klärung schwieriger, bisher höchstrichterlich noch nicht geklärter Rechtsfragen geboten (BVerwG, B.v. 7.1.1974 - I WB 30/72 - BVerwGE 46, 215 - BeckRS 1974, 31327414; BayVGH, B.v. 24.6.2016 - 20 B 16.1178 - juris Rn. 2; Zimmermann-Kreher in BeckOK, VwGO, 54. Ed., Stand: 01.07.2020, § 161 Rn. 13; Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 161 Rn. 84 f.)
44
b) Ausgehend von diesem Prüfungsmaßstab erweist sich die Kostenentscheidung als rechtmäßig.
45
Die Kosten für die Anordnung zur Vorlage der Belastungsanalyse durften gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Art. 2 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Kostengesetzes (KG) i.d.F. d. Bek. vom 20. Februar 1998 (GVBl. S. 43) zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. März 2020 (GVBl. S. 153) der Klägerin auferlegt werden.
46
Gegen die Gebührenhöhe von 125,00 EUR bestehen keine Bedenken. Die Anordnung gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 ArbZG ist zwar im Kostenverzeichnis nicht genannt, zur Bestimmung der Gebührenhöhe kann jedoch gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 2 KG auf Tarif-Nr. 7.II.0/1 der Anlage 2 zur Verordnung über den Erlass des Kostenverzeichnisses zum Kostengesetz (Kostenverzeichnis - KVz) vom 12. Oktober 2001 (GVBl. S. 766) zurückgegriffen werden. Nach dieser Tarif-Nr. beträgt die Gebühr für ein Verlangen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG, soweit eine schriftliche Anordnung erforderlich ist, 50 bis 125 EUR. Bei den Auskunftsbegehren nach § 17 Abs. 4 Satz 1 ArbZG und nach § 22 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG handelt es sich um vergleichbare Amtshandlungen zur Überwachung von Arbeitsschutzvorschriften. Die Gebühr in Höhe von 125,00 EUR hält sich im Gebührenrahmen der Tarif-Nr. 7.II.0/1.
47
Die Anordnung zur Vorlage der Belastungsanalyse als kostenauslösender Grundverwaltungsakt war rechtmäßig.
48
aa) Rechtsgrundlage für diese Anordnung war § 17 Abs. 4 Satz 1 ArbZG, nach dem die Aufsichtsbehörde vom Arbeitgeber die für die Durchführung dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen erforderlichen Auskünfte verlangen kann.
49
bb) Die Anordnung erfolgte formell rechtmäßig. Aufsichtsbehörden im Sinne des § 17 ArbZG sind im Freistaat Bayern die Gewerbeaufsichtsämter bei den Regierungen in ihrem jeweiligen örtlichen Zuständigkeitsbereich (§ 1 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über gewerbeaufsichtliche Zuständigkeiten (ZustV-GA) vom 9. Dezember 2014 (GVBl. S. 555) i.V.m. § 10 Nr. 1 Buchst. c der Verordnung über die Geschäftsverteilung der Bayerischen Staatsregierung (StRGVV) vom 28. Januar 2014 (GVBl. S. 31)). Das von der Klägerin betreute Objekt lag in …, sodass das Gewerbeaufsichtsamt der Regierung … sachlich und örtlich zuständig war. Die Anhörung gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG erfolgte mit Schreiben der Regierung vom 22. März 2016.
50
cc) Die Anordnung war auch materiell rechtmäßig.
51
(1) Die Voraussetzungen für ein Auskunftsverlangen gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 ArbZG lagen vor. Die Anordnung zur Vorlage der Belastungsanalyse für einen dreimonatigen Zeitraum nach bestimmten Vorgaben (tägliche Aufzeichnung, Auswertung und Ermittlung der Durchschnittswerte, Darstellung) war für die Durchführung des Arbeitszeitgesetzes erforderlich.
52
Die Regierung ist als Aufsichtsbehörde gemäß § 17 Abs. 1 ArbZG zur Überwachung der Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen zuständig. Damit sie diese Aufgabe wahrnehmen kann, hat sie gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 ArbZG ein Auskunftsrecht gegenüber den Arbeitgebern. Ein Auskunftsverlangen setzt zwar keinen konkreten Verdacht eines Gesetzesverstoßes voraus, unzulässig ist jedoch die allgemeine, ungezielte Ausforschung des Arbeitgebers, die nur die behördliche Aufsicht erleichtern soll (Anzinger/Koberski, ArbZG, 4. Aufl. 2014, § 17 Rn. 19; Kock in BeckOK, Arbeitsrecht, 57. Ed., Stand: 01.09.2020, § 17 ArbZG Rn. 7; Wank in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl. 2020, § 17 Rn. 4; VG Ansbach, U.v. 25.1.2017 - AN 4 K 15.00907 - juris Rn. 67 ff.; OVG Berlin-Bbg, U.v. 18.3.1982 - 2 B 24.79 - GewA 1982, 279 zum Auskunftsverlangen nach § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG). Vorliegend bestand ein konkreter Anlass für die Anordnung zur Vorlage der Belastungsanalyse.
53
Nach § 3 Satz 1 bzw. § 6 Abs. 2 Satz 1 ArbZG darf die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer bzw. Nachtarbeitnehmer acht Stunden nicht überschreiten. Eine Verlängerung der werktäglichen Arbeitszeit auf bis zu zehn Stunden ist möglich, wenn innerhalb eines bestimmten Ausgleichszeitraums im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden (§ 3 Satz 2 bzw. § 6 Abs. 2 Satz 2 ArbZG), eine Verlängerung auf über zehn Stunden, wenn - zusätzlich zum Ausgleich - dies in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung zugelassen ist und in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a bzw. Nr. 4 Buchst. a ArbZG). Schließlich kann die werktägliche Arbeitszeit auch ohne Ausgleich über acht Stunden verlängert werden, wenn dies in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung zugelassen ist, in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt und durch besondere Regelungen sichergestellt wird, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird (§ 7 Abs. 2a ArbZG). Für die Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen gelten diese Regelungen über § 11 Abs. 2 ArbZG entsprechend. In Übereinstimmung mit den Anforderungen des § 7 Abs. 2a ArbZG sieht der für die Arbeitnehmer der Klägerin geltende Mantelrahmentarifvertrag vom 30. August 2011 für Sicherheitsdienstleistungen in der Bundesrepublik Deutschland (MRTV Bund) in § 6 Nr. 1.1. Satz 3 vor, dass die Arbeitszeit auch ohne Ausgleich über zehn Stunden täglich verlängert werden kann, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt und in § 6 Nr. 4, dass zum Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer, die Arbeitszeiten über acht Stunden täglich ohne Ausgleich leisten, der Arbeitgeber die Möglichkeit einer regelmäßigen arbeitsmedizinischen Betreuung gewährleistet. Der daneben für die Arbeitnehmer der Klägerin geltende Mantelrahmentarifvertrag Nr. 10 für die gewerblichen Arbeitnehmer des Wach- und Sicherheitsgewerbes in Bayern vom 1. August 2006 (MTV Bayern) enthält keine abweichenden Regelungen zur Verlängerung der Arbeitszeit.
54
Die Klägerin teilte der Regierung mit Schreiben vom 31. Januar 2014 unter anderem mit, dass sie ihre Arbeitnehmer im Objekt teilweise in 12-Stunden-Schichten beschäftigte. Damit stand fest, dass die Klägerin die gemäß § 3 bzw. § 6 Abs. 2 i.V.m. § 11 Abs. 2 ArbZG grundsätzlich vorgesehene tägliche Höchstarbeitszeit von acht bzw. zehn Stunden überschritt und bestand für die Regierung Anlass dazu, von der Klägerin weitere Informationen zu verlangen, um überprüfen zu können, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit vorlagen.
55
Die Anordnung war auch erforderlich, um die benötigten Informationen zu erlangen.
56
Die Erforderlichkeit der Anordnung ist nicht deshalb zu verneinen, weil die Klägerin bereits eine Belastungsanalyse für Dezember 2014 vorgelegt hatte. Mit Schreiben vom 8. August 2014 forderte die Regierung die Klägerin auf, eine Belastungsanalyse für ihre Mitarbeiter im Objekt zu übersenden, aus der hervorgehen sollte, in welchem Umfang sich die tägliche Arbeitszeit aus Arbeitsbereitschaft, Vollarbeit und Pausen zusammensetzt. Die Belastungsanalyse sollte einen repräsentativen Zeitraum, mindestens jedoch einen Monat, umfassen. Weitere Vorgaben wurden nicht gemacht. Weder wurde darauf hingewiesen, nach welcher Methode die Erfassung zu erfolgen habe, noch wurde eine Auswertung oder Darstellung der Ergebnisse in Diagrammform verlangt. Die Klägerin legte mit Schreiben vom 20. Februar 2015 handschriftlich ausgefüllte Formblätter „Belastungsanalyse privater Wachdienst“ für Dezember 2014 vor, auf denen verschiedene Arbeitnehmer an ihren Einsatztagen unter Angabe der genauen Uhrzeit ihre Tätigkeiten in die Spalten „Aktive Tätigkeit“ und „Passive Tätigkeit/Bereitschaft“ eingetragen hatten.
57
Die Regierung hielt diese Belastungsanalyse für Dezember 2014 für nicht ausreichend. Mit Schreiben vom 15. Juni 2015 erklärte sie, dass der Belastungsanalyse für Dezember 2014 die notwendige Aussagekraft fehle und keine Ergebnisauswertung vorliege und forderte die Klägerin zur Vorlage einer Belastungsanalyse für einen Zeitraum von drei Monaten nach den bereits erwähnten Vorgaben auf. Warum der vorgelegten Analyse die notwendige Aussagekraft fehlte, wurde nicht erläutert. In der Klageerwiderung vom 9. Dezember 2016 begründete der Beklagte die Forderung einer weiteren Belastungsanalyse damit, dass eine Auswertung der Zeitanteile gefehlt habe, die Gelände- bzw. Monitorbeobachtung, die von den Arbeitnehmern der Klägerin vielfach als „Passive Tätigkeit/Bereitschaft“ erfasst worden war, nach Ansicht der Regierung Vollarbeit darstelle und dass die Analyse über einen Zeitraum von drei Monaten aussagekräftiger hinsichtlich einer realistischen Verteilung von Vollarbeit und Arbeitsbereitschaft sei, da sie nicht nur eine Momentaufnahme darstelle, die durch Extreme im Arbeitsanfall geprägt seien könne. Hierzu ist folgendes anzumerken: Der Klägerin konnte nicht vorgeworfen werden, keine Ergebnisauswertung der Zeitanteile vorgelegt zu haben, denn eine solche war bis zu diesem Zeitpunkt von ihr nicht verlangt worden. Dass eine Belastungsanalyse über einen Zeitraum von drei Monaten weniger anfällig für Verfälschungen durch Schwankungen im Arbeitsanfall ist als eine Belastungsanalyse für einen Zeitraum von einem Monat, mag zutreffen, hätte sich der Regierung aber bereits am 8. August 2014 aufdrängen können. Dennoch wurde ursprünglich nur ein Mindesterfassungszeitraum von einem Monat genannt. Der Streit zwischen den Beteiligten, ob die Beobachtung der Überwachungsmonitore in der Wachleitzentrale Vollarbeit oder Arbeitsbereitschaft darstellte, wäre durch eine weitere Belastungsanalyse über einen längeren Zeitraum nicht geklärt worden. Zu diesem Punkt sei weiter angemerkt, dass in der Belastungsanalyse für Dezember 2014 die Tätigkeiten mit genauen Minutenangaben versehen waren, sodass die Regierung die Zeiten der Monitorüberwachung ausrechnen und der „Aktiven Tätigkeit“ hätte zurechnen können, wenn sie diese Einordnung für zutreffender hielt.
58
Jedoch genügte die Belastungsanalyse für Dezember 2014 aus andere Gründen nicht den Vorgaben der Regierung: Zum einen wurden für die Position des Wachleiters in der Wachleitzentrale überhaupt keine Erhebungsbögen vorgelegt, für die Position der Wachkraft in der Pforte Ost waren lediglich drei Schichten dokumentiert (5., 8., 22. Dezember 2014), für die Position der Wachkraft in der Pforte Nord lediglich zwei Schichten (29., 30. Dezember 2014). Die Dokumentation der Schichten der Wachgehilfen in der Wachleitzentrale begann erst am 5. Dezember 2014 und gegen Ende des Monats fehlen einige Schichten. Damit fehlte es bereits an einer vollständigen Erfassung aller Positionen im Objekt. Zum anderen wurde lediglich zwischen „Aktiver Tätigkeit“ (gemeint ist wohl Vollarbeit) und „Passiver Tätigkeit/Bereitschaft“ (gemeint ist wohl Arbeitsbereitschaft/Bereitschaftsdienst) differenziert, während die Pausenzeiten nicht gesondert erfasst wurden.
59
Auch wenn die von der Regierung gerügten Mängel der Belastungsanalyse für Dezember 2014 teilweise auf das eigene Schreiben der Regierung vom 8. August 2014 zurückzuführen sind (es wurde nur ein Monat als Mindestzeitraum genannt, es wurde keine Ergebnisauswertung gefordert, es wurden keine Vorgaben zur Erstellung oder Darstellung gemacht), war deshalb das Verlangen der Vorlage einer weiteren Belastungsanalyse für einen längeren Zeitraum und nach bestimmten Vorgaben nicht unverhältnismäßig. Die Regierung hat durch ihr erstes Auskunftsverlangen nicht das Recht verwirkt, eine weitere Auskunft zu fordern. Die mit Schreiben vom 15. Juni 2015 und Bescheid vom 26. Juli 2016 geforderte Belastungsanalyse hätte für die Regierung gegenüber der bereits vorgelegten Belastungsanalyse für Dezember 2014 einen Mehrwert gehabt: Zum einen wäre ein längerer Zeitraum abgebildet worden, der eine zuverlässigere Aussage über die Verteilung der Arbeitszeit ermöglicht hätte. Zum anderen wäre durch die Vorgabe einer bestimmten Vorgehensweise bei der täglichen Aufzeichnung (z.B. REFA Zeitaufnahme, Multimomentaufnahme) die inhaltliche Qualität und Richtigkeit der Erfassung der Arbeitszeit abgesichert und durch das Verlangen einer Auswertung und Darstellung der Ergebnisse die Auswertung erleichtert worden. Auch wenn diese weitere Belastungsanalyse für die Klägerin mit erneutem und höherem Aufwand verbunden war, war ihr die Erstellung und Vorlage nicht unzumutbar.
60
Der Erlass eines förmlichen Bescheides war deshalb erforderlich, weil die Klägerin den vorherigen Aufforderungen der Regierung vom 15. Juni 2015, 24. Februar 2016, 7. März 2016 und 22. März 2016 zur Vorlage einer entsprechenden Belastungsanalyse nicht vollständig nachgekommen war. Mit Schreiben vom 15. Juni 2016 forderte die Regierung die Klägerin erstmals auf, für den Zeitraum vom 1. Juli bis 30. September 2015 eine Belastungsanalyse zu erstellen, wobei die Vorgaben (tägliche Aufzeichnung, Auswertung und Ermittlung der Durchschnittswerte, Darstellung) im Wortlaut denen des später erlassenen streitgegenständlichen Bescheides entsprachen. Die Klägerin legte mit Schreiben vom 30. November 2015 fünf Diagramme überschrieben mit „Wachleiter (Nacht)“, „Wachleiter (Tag)“, „Wachgehilfe“, „Besucherpforte Nord“ und „Lieferantenpforte Ost“ vor, auf denen jeweils zwei Balken mit den Beschriftungen „Bereitschaft/Pause“ und „Arbeit“ zu sehen waren. Mit Vorlage dieser Diagramme kam die Klägerin der Aufforderung der Regierung nicht nach: Zum einen entsprachen diese Diagramme nicht den gestellten Anforderungen an die Belastungsanalyse. Arbeitsbereitschaft und Pausenzeiten wurden nicht getrennt dargestellt, sondern zusammen in einem Balken erfasst. Für gleichartige Tage (in der Regel alle Montage, Dienstage usw.) wurden keine Durchschnittswerte gebildet, vielmehr wurden ohne nähere Begründung alle Tage zusammengefasst. Zum anderen wurden die den Diagrammen zugrundeliegenden Datenreihen, d.h. die Erfassung der täglichen Vollarbeit, Arbeitsbereitschaft und Pausenzeiten nach einer anerkannten Methode zur Zeiterfassung, nicht vorgelegt. Ohne diese Datenbasis, auf deren Einsehbarkeit die Klägerin im Schreiben vom 15. Juni 2015 ausdrücklich hingewiesen wurde, konnte nicht überprüft werden, ob überhaupt eine Zeiterfassung stattgefunden hat und ob diese den Anforderungen einer anerkannten Methode zur Zeiterfassung entsprach. Obwohl die Klägerin im Schreiben vom 30. November 2015 selbst behauptete, die Diagramme auf Grundlage der im Zeitraum vom 1. Juli bis 30. September 2015 erhobenen Zeitanteile erstellt zu haben, wurde die entsprechende Datenbasis trotz mehrmaliger Aufforderung seitens der Regierung nicht vorgelegt. Vor diesem Hintergrund verfängt auch das Argument der Klägerin nicht, die im Bescheid gesetzte Frist von drei Wochen sei zu kurz zur Erstellung einer dreimonatigen Belastungsanalyse, denn nach eigener Angabe der Klägerin war die Belastungsanalyse für den fraglichen Zeitraum längst erstellt worden und hätte nur noch vorgelegt werden müssen.
61
(2) Die Anordnung zur Vorlage der geforderten Belastungsanalyse war auch verhältnismäßig im engeren Sinn. Das Gericht verkennt nicht, dass die Erstellung einer solchen Analyse mit erheblichem Aufwand für die Klägerin verbunden ist, deren Arbeitnehmer über drei Monate mehrmals pro Stunde ihre aktuell ausgeübte Tätigkeit dokumentieren müssen. Angesichts des mit dem Auskunftsverlangen verfolgten Zwecks, die Einhaltung der gesetzlichen Höchstarbeitszeiten zu überwachen und damit die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer sicherzustellen (vgl. § 1 Nr. 1 ArbZG), war der Klägerin dieser Aufwand jedoch zumutbar.
62
(3) Die nach § 17 Abs. 4 Satz 1 ArbZG zu treffende Ermessensentscheidung lässt bei der insoweit - auf den Rahmen des § 114 Satz 1 VwGO - beschränkten gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeit keine Fehler erkennen.
63
Die Fortsetzungsfeststellungsklage gegen Ziffer 1 bis Ziffer 3 des Bescheides vom 8. November 2016 (AN 4 K 17.02568) ist bereits unzulässig (1.). Die Anfechtungsklage gegen Ziffer 4 des Bescheides ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg (2.).
64
1. Die Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die Sofortvollzugsanordnung in Ziffer 2 des Bescheides vom 8. November 2016 ist unzulässig, da diese kein selbstständiger Verwaltungsakt und damit kein tauglicher Gegenstand der Fortsetzungsfeststellungsklage ist. Die Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die in Ziffer 1 des Bescheides vom 8. November 2016 ausgesprochene Untersagung der Verlängerung der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer in der Wachleitzentrale des Objektes über zehn Stunden hinaus bis zur Vorlage einer Tätigkeits- und Belastungsanalyse sowie die in Ziffer 3 enthaltene Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 75 EUR pro Arbeitnehmer und Tag für den Fall der Nichterfüllung von Ziffer 1 ist mangels Fortsetzungsfeststellungsinteresses unzulässig.
65
Die zunächst statthafte Anfechtungsklage hat die Klägerin nach zwischenzeitlicher Beendigung ihres Sicherungsauftrages im Objekt und dadurch eingetretener Erledigung dieser Verwaltungsakte gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO zulässigerweise in eine Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO umgestellt.
66
Das gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung und der Zwangsgeldandrohung in Form einer Wiederholungsgefahr liegt nicht vor. Für eine Wiederholungsgefahr ist die konkrete Gefahr erforderlich, dass künftig ein vergleichbarer Verwaltungsakt erlassen wird, darüber hinaus müssen die für die Beurteilung maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände im Wesentlichen unverändert geblieben sein (BVerwG, B.v. 16.1.2017 - 7 B 1/16 - juris Rn. 29; U.v. 16.5.2013 - 8 C 14/12 - NVwZ 2013, 1481 Rn. 21). Die zukünftig möglicherweise eintretende Situation muss nicht identisch, aber vergleichbar sein (BayVGH, B.v. 14.7.2008 - 4 ZB 07.2735 - BayVBl. 2009, 215 - juris Rn. 10). Der Kläger muss von der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit profitieren können (Riese in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 38. EL Januar 2020, § 113 Rn. 126). Eine solche konkrete Wiederholungsgefahr besteht vorliegend nicht, da sich die tatsächlichen Umstände wesentlich verändert haben. Dem Erlass der Untersagungsverfügung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin beschäftigte ihre Arbeitnehmer in der Wachleitzentrale im Objekt in 12-Stunden-Schichten. Die Regierung ging aufgrund einer Ortseinsicht davon aus, dass die in den Aufgabenbereich der Arbeitnehmer in der Wachleitzentrale fallende Monitorüberwachung keine Arbeitsbereitschaft, sondern Vollarbeit darstellte, daher in die Arbeitszeit nicht in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fiel und daher die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2a ArbZG i.V.m. § 6 Nr. 1.1. Satz 3 MRTV Bund für eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit ohne Ausgleich über zehn Stunden hinaus nicht vorlagen. Daher untersagte die Regierung der Klägerin im streitgegenständlichen Bescheid die Verlängerung der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer in der Wachleitzentrale des Objektes über zehn Stunden hinaus.
67
Die Rechtmäßigkeit dieser Untersagungsverfügung gemäß § 17 Abs. 2 ArbZG hängt in der Sache maßgeblich davon ab, ob die Regierung die Monitorüberwachung als Vollarbeit einordnen und daher davon ausgehen durfte, dass die Voraussetzungen für eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit über zehn Stunden hinaus nicht vorlagen und somit die Klägerin gegen die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes zur täglichen Höchstarbeitszeit verstieß. Die Beantwortung der Frage, ob Monitorüberwachung als Vollarbeit oder Arbeitsbereitschaft zu qualifizieren ist, erfolgt durch Beurteilung der konkret-individuellen Umstände des Arbeitsverhältnisses und des Arbeitsplatzes (z.B. Grad der geforderten Aufmerksamkeit, Regelmäßigkeit bzw. Unregelmäßigkeit der Unterbrechungen, Belastungen durch Störfaktoren wie Lärm, Geräusche und Erschütterungen). Die Klägerin hat zwar vorgetragen, dass sie in einem Sicherungsobjekt in … erneut ihre Arbeitnehmer in 12-Stunden-Schichten beschäftige und von der Regierung erneut zur Vorlage einer Arbeitszeit- bzw. Tätigkeitsanalyse aufgefordert worden sei. Selbst wenn es im Zusammenhang mit der Überprüfung des Sicherungsobjektes in … durch die Regierung erneut um die Qualifizierung von Monitorüberwachung als Vollarbeit oder Arbeitsbereitschaft gehen sollte, hinge diese Qualifizierung maßgeblich von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Insofern könnte die Klägerin eine im Rahmen der hiesigen Klage eventuell erfolgende Feststellung der Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung vom 8. November 2017 nicht auf eine eventuelle künftige Untersagungsverfügung bezüglich des Sicherungsobjektes in … übertragen. Damit hat sie aber auch kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der hiesigen Untersagungsverfügung nebst Zwangsgeldandrohung.
68
2. Die Anfechtungsklage gegen die in Ziffer 4 des Bescheides vom 8. November 2017 getroffene Kostenentscheidung ist zulässig, da diese auch nach Erledigung der Untersagungsverfügung in Ziffer 1 noch Rechtsgrundlage für die Erhebung der behördlichen Kosten ist und damit die Klägerin nach wie vor belastet. Die Klage ist auch begründet, da sich die Kostenentscheidung bei der gebotenen summarischen Prüfung als rechtswidrig erweist und die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
69
Bezüglich des reduzierten Prüfungsmaßstabs einer Anfechtungsklage, die sich nach Erledigung des Grundverwaltungsakts nur (noch) gegen die mit ihm verbundene Kostenentscheidung richtet, wird auf die obigen Ausführungen unter I. 2. a) verwiesen. Dem Rechtsgedanken des § 161 Abs. 2 VwGO folgend ist nur noch zu prüfen, ob die maßgeblichen kostenrechtlichen Bestimmungen zutreffend angewandt wurden und ob die Untersagungsverfügung bei summarischer Prüfung - keine Beweiserhebung zur weiteren Klärung des Sachverhalts, keine Klärung höchstrichterlich noch nicht geklärter Rechtsfragen - rechtmäßig war. Vorliegend erweist sich die Untersagungsverfügung bei summarischer Prüfung als rechtswidrig. a)
70
Rechtsgrundlage für die Untersagung war § 17 Abs. 2 ArbZG. Nach dieser Vorschrift kann die Aufsichtsbehörde die erforderlichen Maßnahmen anordnen, die der Arbeitgeber zur Erfüllung der sich aus diesem Gesetz oder den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten zu treffen hat.
71
b) Die Untersagung erfolgte formell rechtmäßig. Das Gewerbeaufsichtsamt der Regierung … war sachlich und örtlich zuständig (§ 1 Abs. 1 Satz 2 ZustV-GA i.V.m. § 10 Nr. 1 Buchst. c StRGVV). Die Anhörung gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG erfolgte mit Schreiben der Regierung vom 2. Juni 2017.
72
c) Die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 ArbZG lagen nicht vor.
73
§ 17 Abs. 2 ArbZG gewährt der Aufsichtsbehörde in Form einer Generalklausel die notwendigen Befugnisse, um die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes sicherzustellen und durchzusetzen (OVG NW, U.v. 10.5.2011 - 4 A 1403/08 - juris Rn. 26) und eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren (BVerwG, U.v. 4.7.1989 - 1 C 3/87 - NJW 1990, 529/529 zu § 27 AZO, der weitgehend in § 17 ArbZG übernommen wurde, vgl. BT-Drs. 12/5888, S. 32; Kock in BeckOK, Arbeitsrecht, 57. Ed., Stand: 01.09.2020, § 17 ArbZG Rn. 4; Wank in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl. 2020, § 17 Rn. 3). Eine solche im Einzelfall bestehende, sprich konkrete Gefahr liegt vor, wenn eine Sachlage besteht, die nach allgemeiner Lebenserfahrung bei ungehindertem Verlauf des objektiv zu erwartenden Geschehens im Einzelfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung führt (BVerfG, U.v. 27.2.2008 - 1 BvR 370/07 - BVerfGE120, 274 - juris Rn. 251).
74
Zum Zeitpunkt des Erlasses der Untersagungsverfügung am 8. November 2017 lag keine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit vor, da ausgehend von dem bis dahin ermittelten Sachverhalt keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür bestand, dass die Klägerin gegen die Regelungen zur täglichen Höchstarbeitszeit in § 3, § 6 Abs. 2, § 11 Abs. 2 ArbZG verstößt.
75
Die Untersagungsverfügung wurde im Bescheid damit begründet, dass die tägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer der Klägerin im Objekt aller Wahrscheinlichkeit nach regelmäßig nicht aus einem erheblichen Anteil an Arbeitsbereitschaft bestehe und damit die Voraussetzungen für die Verlängerung der täglichen Arbeitszeit über zehn Stunden hinaus gemäß § 7 Abs. 2a ArbZG i.V.m. § 6 Nr. 1.1. Satz 3 MRTV Bund nicht vorlagen. Zum Sachverhalt wurde im Bescheid ausgeführt, dass während der Besichtigung der Arbeitsplätze in der Wachleitzentrale im Objekt am 23. März 2017 aufgefallen sei, dass die ca. 20 Monitore permanent eingeschaltet und so angeordnet waren, dass sie ständig von den Arbeitnehmern beobachtet würden. Im Gerichtsverfahren AN 4 K 16.01704 wurde ergänzend ausgeführt, dass die dauernde Beobachtung des Geländes auf einer Vielzahl von Monitoren ständige Aufmerksamkeit erfordere und keine Entspannung gestatte und auf den Aktenvermerk zur Ortseinsicht vom 23. März 2017 Bezug genommen. Diesem Aktenvermerk (Bl. 1 ff. der Behördenakte AN 4 K 17.02568) lässt sich bezogen auf die Wachleitzentrale entnehmen, dass diese mit zwei Arbeitnehmern besetzt ist, zu den Aufgaben die ständige Monitorüberwachung von ca. 20 Monitoren gehört, die Selbsteinschätzung der Mitarbeiter von 27% passiver Tätigkeit ausgeht und die Regierung die Arbeit als Vollarbeit und nicht Bereitschaftszeit bewertet.
76
Die Untersagungsverfügung wurde maßgeblich auf die Erkenntnisse gestützt, die bei der Ortseinsicht am 23. März 2017 gewonnen wurden. Ausgehend von dieser Ortseinsicht - zumindest in dem im Aktenvermerk dokumentierten Umfang - konnte noch nicht davon ausgegangen werden, dass die Monitorüberwachung Vollarbeit und keine Arbeitsbereitschaft darstellte, daher in die Arbeitszeit der Arbeitnehmer in der Wachleitzentrale nicht in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fiel und somit zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Gestalt eines Verstoßes der Klägerin gegen § 3, § 6 Abs. 2, § 11 Abs. 2 ArbZG die streitgegenständliche Untersagungsverfügung erlassen werden durfte.
77
Arbeitsbereitschaft ist gegenüber Vollarbeit eine mindere Leistung und nach dem Grad der Beanspruchung abzugrenzen (BAG, U.v. 28.1.1981 - 4 AZR 892/78 - juris Rn. 23). Arbeitsbereitschaft liegt vor, wenn der Grad der körperlichen und/oder geistigen Beanspruchung des Arbeitnehmers bei der Ausübung der Tätigkeit deutlich geringer ist als bei der typischen Vollarbeit, sodass sich der Arbeitnehmer entspannen kann (Anzinger/Koberski, ArbZG, 4. Aufl. 2014, § 2 Rn. 45; Baeck/Deutsch/Winzer in dies., ArbZG, 4. Aufl. 2020, § 2 Rn. 34; Hahn in ders., Flexible Arbeitszeit, 2. Aufl. 2014, A. Rn. 64; Zerbe in Tschöpe, Arbeitsrecht Handbuch, 11. Aufl. 2019, Arbeitszeitrecht Rn. 24a). Der Grad der Beanspruchung ist im Rahmen einer umfassenden Gesamtwürdigung zu ermitteln, in die unter anderem folgende Gesichtspunkte einzustellen sind: Häufigkeit und Dauer der Arbeitsbereitschaft, Häufigkeit von Nacht- und Wochenendbereitschaft, Grad der geforderten Aufmerksamkeit, Häufigkeit der Inanspruchnahme während der Arbeitsbereitschaft und Dauer dieser Vollarbeiten, Regelmäßigkeit bzw. Unregelmäßigkeit der Unterbrechungen, Verantwortlichkeit im Hinblick auf die Schwere der Folgen bei Säumnis rechtzeitigen Eingreifens, Grad der Bequemlichkeit bzw. Unbequemlichkeit während der Bereitschaftszeit, Belastungen durch Störfaktoren wie Lärm, Geräusche und Erschütterungen (Anzinger/Koberski, ArbZG, 4. Aufl. 2014, § 2 Rn. 45; Baeck/Deutsch/Winzer in dies., ArbZG, 4. Aufl. 2020, § 2 Rn. 36; Zerbe in Tschöpe, Arbeitsrecht Handbuch, 11. Aufl. 2019, Arbeitszeitrecht Rn. 24a).
78
Eine solche umfassende Gesamtwürdigung war ausgehend von dem maßgeblich durch die Ortseinsicht am 23. März 2017 ermittelten Sachverhalt nicht möglich und ist auch weder im Bescheid noch später im Gerichtsverfahren erfolgt. Die meisten der oben genannten Kriterien sind weder ermittelt - oder zumindest nicht dokumentiert - noch in eine wertende Gesamtbetrachtung eingestellt worden. Der Umstand, dass die 20 Monitore während der Ortseinsicht permanent eingeschaltet, auf die Arbeitnehmer ausgerichtet waren und von diesen beobachtet wurden, mag zunächst für Vollarbeit sprechen. Jedoch wird der Wert dieser bei der Ortseinsicht gewonnen Erkenntnisse durch zwei Umstände gemindert: Die einmalig stattfindende ein- bis zweistünde Besichtigung konnte lediglich Erkenntnisse für die Schichten unter der Woche tagsüber liefern (der 23. März 2017 war ein Donnerstag), nicht jedoch für die Nacht- oder Wochenendschichten (beim … handelt es sich um ein Verwaltungsgebäude, in dem nachts und am Wochenende deutliche weniger Betrieb ist). Zum anderen ist bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass sich die Arbeitnehmer während einer Besichtigung des Gewerbeaufsichtsamts nicht wie üblich verhalten werden, sondern als „gute Arbeitnehmer“ gelten wollen und daher geflissentlich die Bildschirme beobachten werden. Das weitere Argument des Beklagten, dass eine dauernde Geländebeobachtung ständige Aufmerksamkeit erfordert und keine Entspannung gestattet, ist nicht von der Hand zu weisen. Jedoch hat die Klägerin dem mit Schreiben vom 18. August 2018 Maßgebliches entgegengesetzt, indem sie ausführte, dass ihre Mitarbeiter in der Wachleitzentrale nicht unentwegt die Monitore beobachten, sondern diese erst im Alarmfall zur zügigen Ursachenerkennung heranziehen müssten. Mit diesem Vortrag hat sich die Regierung nicht weiter auseinandergesetzt, obwohl ein Tätigwerdenmüssen nur auf ein Signal hin ein starkes Indiz für Arbeitsbereitschaft ist (BAG, U.v. 24.1.1962 - 4 AZR 416/60 - juris Rn. 33; Baeck/Deutsch/Winzer in dies., ArbZG, 4. Aufl. 2020, § 2 Rn. 38; Neumann in Landmann/Rohmer, GewO, 84. EL Februar 2020, § 7 ArbZG Rn. 13; Linck in Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 18. Aufl. 2019, § 45 Rn. 48).
79
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Der Klägerin konnten die gesamten Kosten des Verfahrens auferlegt werden, da der Beklagte nur zu einem geringen Teil unterliegt. Der Beklagte unterliegt in Höhe von 252,76 EUR (Ziffer 4 des Bescheides vom 8. November 2017), die Klägerin in Höhe von 10.127,63 EUR (die Anordnungen in den Ziffern 1 der Bescheide vom 26. Juli 2016 und 8. November 2017 sind jeweils mit 5.000,00 EUR zu bewerten, Ziffer 2 des Bescheides vom 26. Juli 2016 mit 127,63 EUR). Damit unterliegt der Beklagte lediglich in Höhe von 2,4%.