Titel:
Ablehnung der Zulassung zu einer dritten Wiederholungsprüfung
Normenkette:
BGB § 121 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Die Anzahl der Wiederholungsprüfungen aufgrund eines Härtefalls auf maximal zwei Versuche, verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, da verfassungsrechtlich lediglich die einmalige Wiederholungsmöglichkeit zu eröffnen ist. (NVwZ-RR 1999, 245; BeckRS 1991, 31267779) (Rn. 45) (Rn. 41 – 46) (Rn. 65) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Wiederholungsprüfung aufgrund eines Härtefall ist nur zulässig, wenn trotz der vorausgegangen Prüfungsleistungen Zweifel bestehen, dass die Ausgangsprüfung das tatsächliche Leistungsvermögen des Prüflings zutreffend abgebildet hat, und hinreichend zu erwarten ist, dass die erneute Prüfung bestanden wird. (BeckRS 1994, 20557, a.A. BeckRS 2008, 3262). (Rn. 47 – 53) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Antrag auf Einräumung einer Wiederholungsprüfung kann als nachträglicher Prüfungsrücktritt ausgelegt werden, wenn er ohne schuldhaftes Zögern gem. § 121 Abs. 1 BGB gestellt wird. Daran fehlt es regelmäßig, wenn der Prüfling, wie vorliegend, das (negative) Ergebnis der Prüfung abwartet und erst anschließend den Rücktritt erklärt. (Rn. 54 – 58) (redaktioneller Leitsatz)
4. Darüber hinaus bedarf es zur Beurteilung eines unverzüglichen Prüfungsrücktritts aufgrund einer ggf. vorliegenden unerkannten Prüfungsunfähigkeit eines substantiierten Vortrags unter Vorlage eines ärztlichen Attests, aus welchem nicht nur die Krankheit und deren Auswirkungen hervorgehen, sondern auch, aus welchem Grund eine frühere Rücktrittserklärung nicht möglich oder unzumutbar gewesen ist (Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 291). (Rn. 59 – 64) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
kein Anspruch auf in der Prüfungsordnung nicht vorgesehene dritte Wiederholungsprüfung, auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Härtefalls, kein wirksamer Prüfungsrücktritt, auch nicht unter Berücksichtigung etwaiger unerkannter Prüfungsunfähigkeit, Bachelor, Chancengleichheit, Erkrankung, Grundsatz der Chancengleichheit, Studiengang, Zulassung, Prüfungsrücktritt, Wiederholungsprüfung, Bachelorstudiengang, Universität, Fachsemester, depressive Episode, Masterprüfung, Teilstudiengang, Gesundheitszustand, Attest, Prüfungsunfähigkeit, unerkannte Prüfungsunfähigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2020, 26554
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen das endgültige Nichtbestehen seines Studiengangs und begehrt die Zulassung zu einer dritten Wiederholungsprüfung in einem Modul dieses Studiengangs.
2
Im Wintersemester 2016/2017 nahm der Kläger sein Studium im Zwei-Fach-Bachelorstudiengang … und … an der beklagten Universität auf. Am …2017 - im zweiten Fachsemester - nahm er erstmals an der Prüfung English … teil. Seine Leistungen wurden mit der Note 5,0 bewertet. In der Folge trat er von zwei Wiederholungsprüfungen wirksam wegen Krankheit zurück. Seinen zweiten Prüfungsversuch (erste Wiederholungsprüfung) unternahm er sodann am … 2018 (drittes Fachsemester). Seine Leistungen wurden erneut mit der Note 5,0 bewertet. Dasselbe gilt für die Leistungen des Klägers in seinem dritten Prüfungsversuch (zweiter Wiederholungsversuch) am … 2019 in seinem sechsten Fachsemester.
3
Unter dem 26. April 2019 beschied die Beklagte den Kläger, er habe „das Fach … (Bachelor of Arts (2 Fächer)) endgültig nicht bestanden und somit den Prüfungsanspruch in diesem Fach verloren“. Zur Begründung ist in dem Bescheid ausgeführt, der Kläger habe das „Modul …“ nicht bestanden. Eine weitere Wiederholungsmöglichkeit sehe die Prüfungsordnung nicht vor. Der Kläger habe somit das Modul und den Studiengang endgültig nicht bestanden.
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In zeitlicher Überschneidung mit dem Bescheid vom 26. April 2019 beantragte der Kläger mit Schreiben von Dienstag, 23. April 2019, eingegangen bei der Beklagten am 29. April 2019, die Zulassung zu einem vierten Prüfungsversuch bzw. einer dritten Wiederholungsprüfung betreffend die nicht bestandene Prüfung English … Zur Begründung führte er sinngemäß im Wesentlichen aus, er befinde sich fast am Ende seines Studiums und sei aktuell dabei, noch fehlende Leistungen zu erbringen. Am vergangenen Montag habe er leider auf der Internetplattform mein campus die traurige Ankündigung erfahren, die fragliche Prüfung endgültig nicht bestanden zu haben. Sein Studium gefalle ihm sehr und er habe sich bewusst für diesen Studiengang entschieden, da ihn die englischsprachige Kultur fasziniere und er in ferner Zukunft in der Sprachpraxis tätig sein wolle. Seine Faszination habe ihn sechs Semester lang bis zum Ende seines Studiums gebracht und bis dato keine gravierenden Probleme verursacht, bis dieses Jahr sein Privatleben familiär erschüttert worden sei, was psychischen Druck und Probleme zur Folge gehabt habe. … … Ein ganzes Jahr habe die Familie, unter anderem auch er, hierunter gelitten, da ein vollständiger Fokus auf sein Studium in einem temporär dysfunktionalen Familienklima, geprägt von persönlichen Zweifel und dem Versuch, aus diesem Dilemma herauszukommen, nicht immer reibungslos möglich gewesen sei. Das traumatisierende Ereignis habe dazu geführt, dass seine Selbstzweifel immer größer geworden seien und sich auf diverse Bereiche seines Lebens ausgewirkt hätten. Hinsichtlich seiner akademischen Laufbahn habe er zeitnah zu den Prüfungsterminen körperliche und psychische Unfähigkeit festgestellt und nicht seine beste Leistung erbringen können. Mit diesem Problem sei er zu seinem Hausarzt gegangen, der eine depressive Episode festgestellt habe. Er habe psychische Hilfe in der Hoffnung beantragt, das Problem zu eliminieren und das erfolgreiche Absolvieren seiner studentischen Verpflichtungen zu erleichtern. Aktuell sei er in mehreren Praxen als betreuungssuchend registriert und warte, bis seine Betreuung starten könne.
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Auch wenn sich das Familienklima inzwischen aufgrund … verbessert habe, seien die persönlichen und psychischen Folgen noch bei ihm. Er versuche, seine ganze Kraft in sein Studium zu investieren und seinen Bachelorabschluss im folgenden Semester zu bestehen. Er habe sich erneut zu dem fraglichen Seminar angemeldet, das er bis zu dem Termin eines potentiellen Wiederholungsversuchs weiter besuchen werde, um die Prüfung nunmehr garantiert zu bestehen und seine universitäre Laufbahn abzuschließen. Er sei zuversichtlich, dieses Problem zu lösen und die Prüfung in einem weiteren Versuch erfolgreich abzulegen.
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Aufgrund seiner aktuellen emotionalen Unfähigkeit würde ihn die Aufnahme eines vollständig neuen Studiums „noch tiefer ziehen“ und eine Addition zu seiner depressiven Episode darstellen. Er sei sich sicher, dass er den Anforderungen seines Studiums gewachsen sei, auch wenn sein aktueller privater Zustand das Gegenteil demonstriere. Daher bitte er um einen vierten Prüfungsversuch. Er stelle somit einen Härtefallantrag auf Prüfungswiederholung.
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Mit Schreiben vom 6. Juni 2019 teilte die Beklagte dem Kläger sinngemäß im Wesentlichen mit, der Prüfungsausschuss für die Bachelor- und Masterprüfung … habe seinen Antrag erhalten und behandelt. Nach Prüfung des Sachverhalts ergehe folgende Entscheidung: Der Antrag werde abgelehnt. Der Kläger habe an der betreffenden Prüfung teilgenommen, so dass deren Ergebnis grundsätzlich zu werten sei. Eine weitere Wiederholungsmöglichkeit sehe die Prüfungsordnung nicht vor. Dem Antrag habe somit nicht stattgegeben werden können. Des Weiteren wies die Beklagte darauf hin, bei dem vorliegenden Schreiben handele es sich um eine Vorabinformation über die Entscheidung des Prüfungsausschusses und nicht um einen Widerspruchsbescheid. Entsprechend wurde um Mitteilung bis zum 21. Juni 2019 gebeten, ob der Kläger einen schriftlichen Widerspruchsbescheid wünsche oder das Verfahren mit diesem Informationsschreiben erledigt sei.
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Mit Schreiben vom 17. Juni 2019, eingegangen bei der Beklagten am 18. Juni 2019, bat der Kläger um einen schriftlichen Widerspruchsbescheid.
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Mit gesonderten Schreiben vom 17. Juni 2019, eingegangen bei der Beklagten am 18. Juni 2019, erhob der Kläger Widerspruch „gegen den Bescheid des endgültigen Nichtbestehens“. Er widerspreche dem Bescheid über das endgültige Nichtbestehen, den er elektronisch am 16. Mai 2019 erhalten habe. Im Zeitpunkt seiner Antragstellung hinsichtlich eines erneuten Prüfungsversuchs habe er noch keinen Bescheid erhalten gehabt. Da er den Bescheid erst nach Antragstellung erhalten habe, wolle er somit seinen Widerspruch nachreichen.
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Mit Schreiben vom 20. August 2019, dem Klägervertreter zugestellt am 21. August 2019, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers kostenfrei zurück.
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Zur Begründung führte sie sinngemäß im Wesentlichen aus, der klägerische Widerspruch sei zulässig. Zwar habe der Kläger die Wiederholungsprüfung vor Erlass des Bescheids über das endgültige Nichtbestehen beantragt. Jedoch beziehe sich der Antrag auf genau die Prüfung, die Anlass für den Erlass des Bescheids über das endgültige Nichtbestehen gewesen sei. Letzterer sei bei ihr überdies erst nach Bescheiderlass am 26 April 2019 eingegangen.
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Der Widerspruch sei jedoch unbegründet. Der Kläger habe die Bachelorprüfung im Teilstudiengang … endgültig nicht bestanden, da er die Prüfung im Modul … endgültig nicht bestanden habe. Nach der Studien- und Prüfungsordnung könnten nicht bestandene Modulprüfungen zweimal wiederholt werden. Weder die Annullierung der vergangenen Prüfungsversuche noch die Gewährung eines weiteren Prüfungsversuchs kämen in Betracht. Die Studien- und Prüfungsordnung sehe auch keine Härtefallregelung vor. Das Begehren des Klägers sei mehr als nachträglicher Rücktritt von der Erst- bzw. den Wiederholungsprüfungen auszulegen, sodass er im kommenden Prüfungsdurchlauf erneut die Prüfung im Modul … ablegen könne. Ein solcher Rücktritt komme aber ohne Angabe von Gründen nach der Studien- und Prüfungsordnung bei Wiederholungsprüfungen nicht in Betracht. Es bestehe lediglich die Möglichkeit, Studierenden wegen besonderer, von ihnen nicht zu vertretenden Gründen eine Nachfrist für die Ablegung der Prüfung zu gewähren, wobei die Gründe unverzüglich schriftlich angezeigt und glaubhaft gemacht werden müssten. Unverzüglich sei die Geltendmachung, wenn sie ohne schuldhaftes Zögern erfolge. Ein Prüfungsrücktritt bzw. die Geltendmachung entsprechender Gründe sei hingegen nicht mehr unverzüglich, wenn die Rücktrittserklärung nicht zum frühestmöglichen, zumutbaren Zeitpunkt abgegeben werde. Diesen Zeitpunkt habe der Kläger verpasst, indem er im Rahmen seines Antrags vom 23. April 2019 Gründe nicht nur erst nach der Prüfung, sondern sogar erst nach Kenntnis des endgültigen Nichtbestehens des Moduls vorgebracht habe. Nachweise für die von ihm behaupteten gesundheitlichen Einschränkungen habe er bezogen auf die streitgegenständliche Prüfung erst mit seinem Antrag eingereicht, wobei die eingereichten Atteste noch nicht einmal das Datum des letztmaligen Wiederholungsversuchs abdeckten. Denn die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 5. Februar 2019 und das Attest vom 25. April 2019 bezögen sich auf eine vermeintliche Prüfungsunfähigkeit am 5. Februar 2019. An diesem Tag habe weder der Drittversuch noch sonst ein Versuch der streitgegenständlichen Prüfung stattgefunden.
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Selbst wenn sich die Atteste jedoch auf den Tag der Prüfung bezögen, käme keine Anerkennung für die Prüfung am … 2019 in Betracht. Denn es liege gerade kein Fall unerkannter Prüfungsunfähigkeit vor, bei der ausnahmsweise nachträglich die Berücksichtigung von Prüfungsunfähigkeit möglich sei, wenn sich Studierende in Unkenntnis oder aufgrund krankheitsbedingter Fehleinschätzung einer bestehenden Krankheit der Prüfungssituation ausgesetzt hätten und diesen Nachteil nicht - etwa nach ärztlicher Beratung - durch Rücktritt oder Prüfungsverschiebung hätten abwenden können. Dies gelte auch, wenn eine bekannte, die Prüfungsunfähigkeit jedoch nicht ausschließende Krankheit sich während der Prüfung wesentlich verschlimmere, ohne dass dies für Studierende vorhersehbar oder in seiner Tragweite überschaubar gewesen sei. Auch in diesen Fällen sei eine Prüfungsunfähigkeit unverzüglich anzuzeigen und der Rücktritt mit dem gebotenen Nachweis der Erkrankung zu erklären. Erforderlich sei hierbei, dass Studierende bereits bei subjektivem Krankheitsverdacht ihren Gesundheitszustand untersuchen ließen. Bei „verspäteter“ Erklärung des Rücktritts müsse ein beigefügtes Attest darüber hinaus substantiell darlegen, aus welchen Gründen eine frühere Rücktrittserklärung nicht möglich oder unzumutbar gewesen sei. Dabei sei auch zu prüfen, ob sich Studierende unter den gegebenen Umständen mit der Frage hätten beschäftigen müssen, ob das negative Prüfungsergebnis auf - bislang nicht erkannten - gesundheitlichen Gründen beruhen könne.
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Selbst wenn man davon ausginge, dass sich das vorgelegte Attest auf die Prüfung am … 2019 beziehe, hätte der Kläger dennoch ganz bewusst an der Prüfung teilgenommen. Denn während er für Prüfungen im Februar 2019 noch Atteste vorgelegt habe, habe er dies im … 2019 gerade nicht getan. Unabhängig davon genügten auch die vorgelegten Atteste nicht den Anforderungen zur Anerkennung eines nachträglichen Rücktritts. Denn aus den Attesten gehe in keiner Weise hervor, dass der Kläger aufgrund seines gesundheitlichen Zustands auch nur zeitweise nicht in der Lage gewesen wäre, diesen zu erkennen bzw. nach dieser Einsicht zu handeln. Dies wäre jedoch im jeden Fall erforderlich, um nicht nur die Prüfungsunfähigkeit am Tag der Prüfung zu belegen, sondern gerade auch die verspätete Vorlage des entsprechenden Nachweises. Es liege daher der Verdacht nahe, dass sich der Kläger schlicht eine zusätzliche Prüfungsmöglichkeit verschaffen und das Rücktrittsrecht missbrauchen wolle. Daher komme die Gewährung eines weiteren Wiederholungsversuchs vor dem Hintergrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Chancengleichheit aller Studierender nicht in Betracht.
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Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, nicht gewusst zu haben, dass alle Nachweise früher hätten vorgelegt werden müssen. Denn unabhängig davon, dass der Kläger durch vermehrte Prüfungsrücktritte in der Vergangenheit bereits unter Beweis gestellt habe, dass er sich seinen Pflichten bewusst gewesen sei, stelle die Kenntnis der das Studium und die Prüfungen bestimmenden Grundsätze und rechtlichen Grundlagen eine von Studierenden im eigenen Interesse zu erfüllende Obliegenheit im Prüfungsrechtsverhältnis dar. Es gehöre zu den grundsätzlichen studentischen Obliegenheiten, sich über die für die jeweiligen Leistungskontrollen maßgeblichen Verfahrensregeln und Modalitäten Kenntnis zu verschaffen. Sofern Studierende dies unterließen, stelle dies eine Obliegenheitsverletzung dar, die sie zu vertreten hätten. Dies gelte in besonderem Maße, wenn - wie im streitgegenständlichen Fall - aufgrund des Nichtbestehens eines Leistungsnachweises der erfolgreiche Abschluss des gesamten Studiums zumindest gefährdet sei.
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Unter Berücksichtigung all dessen sei auch keine besondere Härte gegeben, die eine andere Entscheidung rechtfertige. Von der Regel abweichende zusätzliche Prüfungschancen seien nur dann zu gewähren, wenn ausnahmsweise Gesamtumstände vorlägen, die aus prüfungsrechtlicher Sicht erkennen ließen, dass es dem Prüfling unmöglich gewesen sei, seine wahre Leistung zu zeigen, und sich diese Probleme bei fristgemäßer Erbringung der Prüfungsleistung nicht anders hätten abwenden lassen. Für die Annahme eines Härtefalls reiche es auch nicht aus, dass das Ergebnis des Prüfungsverfahrens für den Prüfling hart sei, weil er den mit dem Studium angestrebten Beruf nicht ergreifen könne. Denn dies seien regelmäßige Folgen des endgültigen Nichtbestehens einer Prüfung, die alle Studierenden treffen könnten.
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Vorliegend komme noch hinzu, dass derzeit weder Gewissheit darüber bestehe noch vertretbar davon ausgegangen werden könne, dass der Kläger aktuell uneingeschränkt leistungsfähig sei. Denn aus seinem Antrag vom 23. April 2019 ergebe sich eindeutig, dass eine psychische Betreuung jedenfalls im April 2019 noch nicht begonnen habe. Überdies schreibe der Kläger in Bezug auf seine gesundheitlichen Einschränkungen in der Gegenwart, sodass diese auch aus seiner Sicht nach wie vor gegeben seien. Bei all seinen Beteuerungen, die Prüfung im nächsten Versuch zu bestehen, handele es sich daher lediglich um unfundierte Behauptungen, die seinem Antrag ohne jedwede Tatsachenstützung zum Erfolg verhelfen sollten.
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Im Übrigen führe das endgültige Nichtbestehen lediglich dazu, dass der Kläger sein Studium im Teilstudiengang … nicht fortsetzen könne, nicht jedoch dazu, dass ihm ein weiteres Studium des Zwei-Fach-Bachelorstudiengangs insgesamt verwehrt sei.
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Der Kläger hat mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 12. September 2019, eingegangen bei Gericht am 13. September 2019, Klage erhoben, hingegen einen zwischenzeitlich ergangenen Exmatrikulationsbescheid von 2. September 2019 nicht angegriffen. Mit Klagezustellung hat die Kammer darauf hingewiesen, derzeit sei der Exmatrikulationsbescheid wohl nicht angefochten, sodass dieser drohe, bestandskräftig zu werden.
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Hierzu hat der Kläger im Rahmen der Klagebegründung vorgebracht, die Beklagte habe ihm für das Wintersemester 2019/2020 eine Immatrikulationsbescheinigung ausgestellt, sodass seine Exmatrikulation durch entgegenstehendes Handeln der Beklagten aufgehoben worden sei.
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Im Übrigen lässt er zur Begründung seiner Klage sinngemäß im Wesentlichen ausführen, im Zeitpunkt der Wiederholungsprüfung am … 2019 sei er unerkannt prüfungsunfähig gewesen. Bereits von dem ersten Prüfungstermin am 5. Februar 2019 sei er aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten. Schon in diesem Zeitpunkt sei bei ihm eine depressive Episode ärztlich attestiert worden. Er sei an einen Psychotherapeuten überwiesen worden. Seitdem stehe er bei mehreren Psychotherapeuten auf der Warteliste für eine Behandlung. Die Beklagte verkenne die Tragweite depressiver Symptomatik. Gerade bei Depressionen sei es typisch, dass Betroffene Dritten gegenüber „normal“ wirkten, sich innerlich jedoch zurückzögen und erst recht nicht über ihre gesundheitliche Situation sprechen würden. Oft dauere es - wie auch hier - Tage, Wochen oder sogar Monate, bis Betroffene in der Lage seien, sich einem Arzt anzuvertrauen. Dies geschehe typischerweise zunächst oberflächlich, da es für ein ausführliches Gespräch des Aufbaus von Vertrauen bedürfe. Facharzttermine, so auch bei psychischen Erkrankungen, seien oftmals mit sehr langer Wartezeit verbunden. Dies könne ihm jedoch nicht zum Nachteil gereichen, da er hierauf keinen Einfluss habe. Die Beklagte maße sich an, über seine gesundheitliche Situation zu urteilen und würdige diese herab, bezeichne sie zwischen den Zeilen gar als unglaubhaft.
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Für Betroffene von Depressionen sei es sogar typisch, dass sie versuchten, nach außen hin „normal“ und „stark“ zu erscheinen und so auch an Prüfungen teilzunehmen, obwohl sie hierzu körperlich nicht mehr in der Lage seien. So sei es auch ihm ergangen. Er habe an der Prüfung teilnehmen wollen, weil er - in Unkenntnis seiner damaligen tatsächlichen gesundheitlichen Verfassung - geglaubt habe, diese erfolgreich ablegen zu können. Auch der unterbewusste Druck aufgrund seiner familiären Situation habe zu einer Verschlechterung seines Gesundheitszustands und einer weiteren Reduzierung seiner Leistungsfähigkeit geführt.
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Im Fall der verdeckten - oder besser unerkannten - Prüfungsunfähigkeit erkenne der Prüfling seine Krankheitssymptome nicht oder vertraue auf eine Einschätzung seines Arztes, wonach keine krankheitsbedingte Prüfungsbeeinträchtigung vorliege, wobei sich dies später als falsch herausstelle. Hier seien auch gesundheitliche Probleme einzuordnen, die der Prüfling zwar als Krankheit einstufe, aber fälschlicherweise als prüfungsimmanente Beeinträchtigung empfinde, wenn sich diese später als leistungsmindernde Krankheit herausstelle. Zu denken sei hier an Konzentrationsschwäche oder Kopfschmerzen, Schwindel und dergleichen. Die bei weitem häufigsten Fälle verdeckter Prüfungsunfähigkeit bestünden in psychischen Leiden, da diese oft erst nach einiger Zeit auffielen und als solche wahrgenommen würden.
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Auch die zunächst unerkannt gebliebene Prüfungsunfähigkeit befreie nicht von der Pflicht, unverzüglich den Rücktritt von der Prüfung zu erklären. Hier sei lediglich der Zeitpunkt versetzt. Dieser liege in aller Regel nach der Prüfung. Diese Pflicht habe er entgegen der Ansicht der Beklagten erfüllt und letztere unverzüglich nach Bekanntwerden seiner Prüfungsunfähigkeit hierüber in Kenntnis gesetzt. In seiner Widerspruchsbegründung habe er dann ausführlich dargelegt, weshalb es ihm unmöglich gewesen sei, seine Prüfungsunfähigkeit am … 2019 zu erkennen und sie zu einem früheren Zeitpunkt geltend zu machen. Nachdem er sich intensiv mit sich selbst auseinandergesetzt und zusätzlichen Rat bei seinem Arzt gesucht habe, habe er umgehend und damit unverzüglich nach Bekanntwerden die Beklagte über seine Prüfungsunfähigkeit mittels Widerspruch - in Gestalt des „Härtefallantrags“ - informiert. Dieser sei bei der Beklagten am 29. April 2019 eingegangen. Die entsprechenden ärztlichen Belege habe er ebenfalls vorgelegt.
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Zudem habe die Beklagte seine Prüfungsunfähigkeit in vorangegangenen Prüfungen anerkannt. Daher stelle sich die Frage, warum sich die Beklagte nunmehr anders verhalte. Dies gelte umso mehr, nachdem der Beklagten bekannt sei, dass er aufgrund seiner … Situation unter psychischen Problemen leide, die bereits zuvor zur Prüfungsunfähigkeit geführt hätten. Ihm sei es zwischenzeitlich gesundheitlich besser gegangen. Aufgrund dessen sei er im Zeitpunkt der Prüfung der Ansicht gewesen, prüfungsfähig zu sein. Bei depressiven Erkrankungen erfordere das Erkennen des Krankheitswerts einzelner Beeinträchtigungen medizinisches Fachwissen. Denn für die Betroffenen handele es sich um einen Dauerzustand, der nicht ohne weiteres wahrgenommen und im Rahmen einer Parallelwertung der Laiensphäre erkannt werden könne. Die Symptome wiesen hier gerade keinen unverkennbaren Krankheitswert auf. Zudem gebe es immer wieder Phasen, in denen sich Betroffene gesund und damit leistungsfähig fühlten. Aufgrund vorübergehender Besserung sei er der irrigen Ansicht gewesen, gesund und damit prüfungsfähig zu sein.
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Für die Anforderungen an den Rücktrittsgrund könne es nicht darauf ankommen, ob es sich um eine - im Zeitpunkt der Prüfung - unerkannte Erkrankung handele, aufgrund derer der Prüfling die Prüfungsunfähigkeit herleiten wolle, oder aber, ob eine bereits bekannte Erkrankung vorliege, die unerkannt zur Prüfungsunfähigkeit geführt habe. Entscheidend sei, dass die Rücktrittsanzeige der Prüfungsbehörde eine Überprüfung ermögliche.
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Ihm stehe aufgrund unerkannter Prüfungsunfähigkeit ein weiterer Prüfungsversuch zu. Somit sei auch der Exmatrikulationsbescheid vom 2. September 2019 rechtswidrig, da keine Gründe für eine Zwangsexmatrikulation vorlägen.
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Der Kläger beantragt, wörtlich zu erkennen:
1. Der Bescheid der Beklagten vom 26.04.19 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.08.19 wird aufgehoben.
2. Der Bescheid der Beklagten vom 26.04.19 wird aufgehoben.
3. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Antrag des Klägers vom 23.04.19 auf Gewährung eines weiteren Wiederholungsversuchs für die Prüfung im Modul …, stattzugeben.
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Die Beklagte beantragt
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Sie trägt unter Bezugnahme auf die Begründung des Widerspruchsbescheids sinngemäß im Wesentlichen vor, der Kläger habe von der Prüfung nicht wirksam zurücktreten können, da er die von ihm vorgetragene, unerkannte Prüfungsunfähigkeit nicht nachgewiesen habe. Soweit er sich auf eine länger anhaltende depressive Symptomatik berufe, habe er diese weder unverzüglich schriftlich angezeigt noch liege ein Rücktrittsgrund vor.
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Nach allgemeinen Grundsätzen des Prüfungsrechts sei ein nachträglicher Rücktritt möglich, sofern Studierende ihre Prüfungsunfähigkeit erst nach Ablegen der Prüfung erkannt hätten. Der nachträgliche, auf Prüfungsunfähigkeit gestützte Rücktritt berühre jedoch in besonderem Maße den das gesamte Prüfungsrecht beherrschenden, verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundsatz der Chancengleichheit. Eine diesen Grundsatz verletzende, zusätzliche Prüfungschance verschaffe sich nicht nur derjenige, dem es gelinge, durch nachträglich vorgetäuschte Prüfungsunfähigkeit die Genehmigung des Rücktritts zu erreichen, sondern auch solche Studierenden, die tatsächlich prüfungsunfähig gewesen seien, sich aber in Kenntnis ihres Zustands der Prüfung unterzogen hätten, um sich im Fall des Misserfolgs durch nachträglichen Rücktritt den Rechtswirkungen der fehlgeschlagenen Prüfung zu entziehen. Diesen Gefahren hinsichtlich einer Beeinträchtigung der Chancengleichheit werde entgegengewirkt, wenn die nachträglich geltend gemachte Prüfungsunfähigkeit zwar als Rücktrittsgrund nicht von vornherein ausgeschlossen werde, an die Geltendmachung aber die Anforderung der Unverzüglichkeit gestellt werde. Hieran sei ein strenger Maßstab anzulegen. Studierende müssten, nachdem sie zur Prüfungsunfähigkeit führende gesundheitliche Belastung erkannt hätten, alsbald und ohne weitere Verzögerung zum frühestmöglich zumutbaren Zeitpunkt den Rücktritt erklären und dabei auch unverzüglich die Rücktrittsgründe mitteilen.
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Studierenden obliege es, Prüfungsunfähigkeit unverzüglich geltend zu machen. Diese Obliegenheit sei Teil der prüfungsrechtlichen Mitwirkungspflicht. Daher sei es Sache der Studierenden, sich vor Beginn der Prüfung zu vergewissern, ob ihre Leistungsfähigkeit durch Krankheit beeinträchtigt sei. Sofern sie aus wichtigem Grund von einer Prüfung zurücktreten würden, würden sie die materielle Beweislast für Rücktrittsgrund und Unverzüglichkeit des Rücktritts tragen. Studierende müssten sich bereits bei subjektivem Krankheitsverdacht, wenn ihnen erhebliche Beeinträchtigungen ihres Leistungsvermögens im Sinne einer Parallelwertung in der Laiensphäre nicht verborgen geblieben seien, unverzüglich selbst um Aufklärung ihres Gesundheitszustands bemühen.
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Würden Studierende an der Prüfung teilnehmen und erklärten sie erst nach deren Beendigung unter Berufung auf eine zunächst unerkannte Prüfungsunfähigkeit den Rücktritt, müssten sie die Gründe dafür, dass sie ihre Prüfungsunfähigkeit zunächst nicht hätten erkennen können, in gleicher Weise glaubhaft machen wie die Prüfungsunfähigkeit selbst. Es sei nicht Sache des Arztes, sondern Aufgabe des Prüfungsamts darüber zu befinden, ob eine krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit vorliege. Die hierzu von den Studierenden beizubringenden Atteste seien jedoch für die Prüfungsbehörde wesentliche Entscheidungsgrundlage. Es müssten daher in dem Attest die krankheitsbedingte Beeinträchtigung und ihre Auswirkungen auf das Leistungsvermögen in der betroffenen Prüfung so beschrieben sein, dass die Prüfungsbehörde in die Lage versetzt werde, auf Grundlage des Attests zu entscheiden, ob ein ausreichender Rücktrittsgrund nachgewiesen sei. Machten Studierende geltend, ihre Prüfungsunfähigkeit krankheitsbedingt nicht frühzeitig erkannt zu haben, müssten sie hierfür ausreichende Nachweise in Gestalt einer ärztlichen Bescheinigung erbringen, in der aufgrund konkreter Feststellungen nachvollziehbar dargelegt sei, dass sie bis zum Abschluss der Prüfung nicht in der Lage gewesen seien, die Beeinträchtigung ihres Leistungsvermögens zu erkennen.
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Hier habe der Kläger keine solche Bescheinigung vorgelegt. Soweit er geltend mache, im Zeitpunkt der Prüfung unerkannt prüfungsunfähig gewesen zu sein, müsse er mit ärztlichen Attesten anhand konkreter Feststellungen nachvollziehbar darlegen, dass er bis zum Abschluss der Prüfung nicht in der Lage gewesen sei, die Beeinträchtigung seines Leistungsvermögens zu erkennen. Ebenso müsse verständlich werden, weshalb er hierzu bis nach Bekanntgabe der Noten sowie des Bescheids über das endgültige Nichtbestehen nicht in der Lage gewesen sei. Insoweit komme dem Attest von Herrn … vom … wenig Aussagekraft zu. Der Arzt treffe hier kaum konkrete Feststellungen, sondern diagnostiziere lediglich eine depressive Episode. Die ärztliche Bescheinigung beziehe sich auch nicht auf etwaige Prüfungen bzw. eine Prüfungsunfähigkeit. Vielmehr gebe sie an, der Kläger habe sich wegen der genannten Diagnose seit 5. Februar 2019 in der Sprechstunde des Arztes befunden. In der ärztlichen Bescheinigung vom 5. Februar 2019 werde allerdings nicht dieselbe Diagnose gestellt. Hier sei die Rede von „sonstiger und nicht näher bezeichneter Gastroenteritis und Kolitis infektiösen Ursprungs, sonstigen und nicht näher bezeichneten Bauchschmerzen sowie Übelkeit und Erbrechen“. Darüber hinaus würden keine konkreten Feststellungen getroffen, weshalb der Kläger seine Prüfungsunfähigkeit nicht habe erkennen können. Das Attest enthalte keine Ausführungen zur gesundheitlichen Beeinträchtigung und deren Auswirkungen auf das Leistungsvermögen in der konkreten Situation. Es werde nicht dargelegt, ab welchem Zeitpunkt der Kläger einen subjektiven Krankheitsverdacht hinsichtlich einer depressiven Symptomatik gehegt habe. Die Beklagte macht geltend, der Kläger hätte für die konkrete Prüfungssituation die Auswirkungen auf sein Leistungsvermögen im Zeitpunkt der Prüfung darlegen müssen.
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Schließlich sei fraglich, ob ein Rücktritt wegen Prüfungsunfähigkeit überhaupt in Betracht komme, soweit sich der Kläger hinsichtlich der depressiven Symptomatik auf einen Dauerzustand berufe. Der Kläger beschreibe, es gebe immer wieder Phasen, in denen Betroffene das Gefühl hätten, gesund und leistungsfähig zu sein. Die Behauptung, er sei im Zeitpunkt der Prüfung prüfungsunfähig gewesen, könne mangels konkreter Feststellungen nicht überprüft werden. Im Gegenteil liege vielmehr die Vermutung nahe, dass ein Dauerleiden vorliegen könne. Ein solches begründe keine Prüfungsunfähigkeit, sondern bestimme als persönlichkeitsbedingtes Merkmal die normale Leistungsfähigkeit der Studierenden und müsse daher in das Prüfungsergebnis einfließen. Für die Annahme eines Dauerleidens könne hier die Beschreibung des Klägers dienen, die festgestellte depressive Symptomatik bestehe schon seit längerem und für den Betroffenen handele es sich um einen Dauerzustand. Sofern die Ausführungen des Klägers als Indiz eines Dauerleidens gewertet würden, wäre insoweit auch zu prüfen, ob überhaupt ein Rücktrittsgrund vorläge. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Koblenz (U.v. 13.6.2019 - 4 K 84/19 KO) liege ein triftiger Grund für den Rücktritt von einer Prüfung unter anderem dann vor, wenn die Leistungsfähigkeit der bzw. des Studierenden durch Krankheit vermindert und sie bzw. er deshalb nicht in der Lage sei, ihre bzw. seine üblichen Befähigungen in der Prüfung unter Beweis zu stellen. Eine Dauererkrankung liege vor, wenn die Prüfungs- und Leistungsfähigkeit nicht nur vorübergehend, sondern auf unbestimmte Zeit eingeschränkt und eine Heilung des Leidens nicht absehbar sei.
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Der Exmatrikulationsbescheid vom 2. September 2019 sei bereits am 3. September 2019 storniert worden, da er fälschlicherweise aufgrund eines technischen Fehlers ergangen sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, insbesondere auf die Sitzungsniederschrift vom 29. Juni 2020, und auf die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Die als Anfechtungsklage gegen den Bescheid über das endgültige Nichtbestehen sowie als Verpflichtungsklage in Gestalt der Versagungsgegenklage gegen die Ablehnung einer weiteren Wiederholungsprüfung erhobene Klage ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 und 2 VwGO).
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Zwar ist die einmonatige Widerspruchsfrist aus § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO betreffend den Bescheid der Beklagten über das endgültige Nichtbestehen des klägerischen Studiengangs vom 26. April 2019 nicht eingehalten. Denn nach eigenem Vortrag wurde dem Kläger der Bescheid über das endgültige Nichtbestehen am 16. Mai 2019 bekannt gegeben. Hiergegen hat er mit Eingang bei der Beklagten am Dienstag, 18. Juni 2019, also nicht binnen Monatsfrist, Widerspruch erhoben. Auch kann der Antrag des Klägers vom 23. April 2019 auf Einräumung einer weiteren Wiederholungsprüfung nicht als Widerspruch gegen den Bescheid über das endgültige Nichtbestehen ausgelegt oder dahin umgedeutet werden. Denn nach eigenem Vortrag des Klägers hatte dieser im Zeitpunkt der Antragstellung noch keine Kenntnis von dem Bescheid über das endgültige Nichtbestehen, was im Übrigen der klare Wortlaut auch der Antragsbegründung bestätigt. Dennoch steht hier die Verfristung des Widerspruchs der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Dann für den Fall, dass die Widerspruchsbehörde trotz Verfristung des Widerspruchs mit ihrem Widerspruchsbescheid in der Sache entscheidet, ist anerkannt, dass hierdurch die Klagemöglichkeit gegen den Bescheid wiedereröffnet wird (Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 70 Rn. 8 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Denn die Beklagte hat die Zurückweisung des Widerspruchs gerade nicht mit Erwägungen zur Zulässigkeit, sondern materiell begründet.
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2. Die Klage ist aber unbegründet. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten über das endgültige Nichtbestehen vom 26. April 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. August 2019 sowie die konkludente Versagung einer weiteren Wiederholungsprüfung mit demselben Bescheid sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dem Kläger steht kein Anspruch auf eine weitere Wiederholungsprüfung zu, insbesondere nicht unter den Gesichtspunkten eines Härtefalls oder des Prüfungsrücktritts, auch nicht mit Blick auf eine etwaige unerkannte Prüfungsunfähigkeit.
42
a) Nach der einschlägigen Prüfungsordnung steht dem Kläger kein dritter Wiederholungsversuch bzw. Viertversuch der nicht bestandenen Prüfung English … zu, insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt eines etwaigen Härtefalls. Diese Ausgestaltung der Prüfungsordnung ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar.
43
aa) § … (Allgemeine Studien- und Prüfungsordnung … … sieht vor, dass nicht bestandene Prüfungen der Grundlagen und Orientierungsprüfung und die Bachelorarbeit einmal, alle übrigen Prüfungen zweimal wiederholt werden können. Wiederholungsmöglichkeiten darüber hinaus sieht die bezeichnete Prüfungsordnung nicht vor, insbesondere keine Härtefallregelung.
44
Danach besitzt der Kläger mit Blick auf die Prüfungsordnung keinen Anspruch auf weitere Wiederholungsprüfungen. Denn der Kläger hat die Prüfung English … unstreitig bereits dreimal - im Erstversuch sowie in zwei Wiederholungsversuchen - erfolglos abgelegt und damit alle von der Prüfungsordnung vorgesehenen Prüfungsversuche vollständig ausgeschöpft.
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bb) Auch aus höherrangigem Recht lässt sich kein Anspruch auf weitere Wiederholungsprüfungen herleiten, auch nicht aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG. Die Beschränkung auf insgesamt drei Prüfungsversuche nach § … ist als Eingriff in die Berufsfreiheit des Klägers gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 101 BV gerechtfertigt, insbesondere verhältnismäßig. Dass Prüfungen innerhalb eines Studiums nicht endlos wiederholt werden können, dient zum einen dazu, die Eignung der Studierenden für einen bestimmten Beruf feststellen zu können, und zum anderen, dem Interesse der Allgemeinheit, dass begrenzte Ausbildungsressourcen für solche Studierende genutzt werden sollen, die ihre Qualifikation in den von der Prüfungsordnung vorgesehenen Prüfungen bzw. Prüfungswiederholungen nachweisen können (vgl. zu letzterem Gesichtspunkt Niehues/ Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 769). Zwar stellen Prüfungen zwangsläufig lediglich Stichproben der Fähigkeiten eines Prüflings zu einem bestimmten Zeitpunkt - dem der Prüfungsleistung - dar. Dabei ist die Aussagekraft einer einzelnen Stichprobe begrenzt (vgl. zum Ganzen OVG Münster a.a.O.; BVerfG, B.v. 14.3.1989 - 1 BvR 1033/82, 1 BvR 174/84 - NVwZ 1989, 850, 853). So mag die Stichprobe zufällig gerade einen Zeitpunkt erfassen, der nicht die durchschnittliche Leistungsfähigkeit des Prüflings widerspiegelt, sondern „Ausreißer“ des Leistungsvermögens nach oben oder unten abbildet. Aus diesem Grund ist die einmalige Wiederholungsmöglichkeit einer Prüfung verfassungsrechtlich geboten, aber auch ausreichend (vgl. BVerwG, B.v. 12.11.1998 - 6 PKH 11.98 - juris Rn. 6; BVerwG, B.v. 7.3.1991 - 7 B 178.90 - juris Rn. 14; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 766, 769). Der Grund für das verfassungsrechtliche Gebot lediglich einer Wiederholungsmöglichkeit liegt letztlich darin begründet, dass die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass sogar zwei - zeitlich zufällige - Stichproben in das Leistungsvermögen des Prüflings jeweils nicht nur „Ausreißer“, sondern zudem noch „Ausreißer nach unten“ abbilden. Schließlich gebieten weder das Grundgesetz noch die Bayerische Verfassung, dass eine Prüfung unbegrenzt wiederholt werden kann (vgl. BVerfG, B.v. 14.3.1989 - 1 BvR 1033/82 - juris Rn. 96; BayVerfGH, E.v. 27.1.1994 - 14-VII-92 - NVwZ 1994, 503).
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Hier geht die einschlägige Prüfungsordnung über die dargelegten verfassungsrechtlichen Vorgaben hinaus, indem sie den Studierenden für die hier betroffene Prüfung zwei Wiederholungsmöglichkeiten einräumt. Danach ist es nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte nach insgesamt drei nicht bestandenen Prüfungen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger nicht die notwendige Eignung für den gewählten Studiengang und darauf aufbauend später auszuübenden Berufe besitzt.
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cc) Darüber hinaus würde eine weitere Prüfungswiederholung wegen Härtefalls - wäre diese in der Prüfungsordnung vorgesehen - auch deswegen ausscheiden, weil die allgemeinen Voraussetzungen für eine Härtefallprüfung nicht vorliegen. Denn hier kann ein Prüfungserfolg in der angestrebten Härtefallprüfung ex ante nicht hinreichend sicher erwartet werden.
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(1) Allerdings wird die Frage unterschiedlich beurteilt, ob eine Wiederholungsprüfung wegen Härtefalls eine solche Erwartung voraussetzt.
49
Nach der Rechtsprechung des OVG Bautzen (B.v. 12.12.2007 - 4 B 412/07 - BeckRS 2008, 3262) soll für die Annahme eines prüfungsrechtlichen Härtefalls keine positive Erfolgsprognose für die Wiederholungsprüfung erforderlich sein.
50
Dagegen versteht das OVG Lüneburg (B.v. 1.6.2004 - 2 LA 153/03 - juris Rn. 6) die Entscheidung der Prüfungsbehörde über die Zulassung zu einer Härtefallprüfung als Verwaltungsakt mit prüfungsspezifischen Wertungen, so dass der Prüfungsbehörde ein Beurteilungsspielraum eingeräumt sei. Bei der Härtefallregelung handele es sich um eine eng auszulegen Ausnahmevorschrift. Eine Wiederholungsprüfung sei danach nicht schon dann zu gewähren, wenn lediglich die theoretische oder bloß rechnerische Möglichkeit bestehe, dass die Prüfung insgesamt noch bestanden werde.
51
Das OVG Münster (U.v. 26.11.1993 - 22 A 3246/92 - BeckRS 1994, 20557) wiederum sieht Raum für die Annahme eines Ausnahme- bzw. Härtefalls nur dann, wenn die bisherigen Prüfungsleistungen bei einem nur knapp verfehlten Prüfungserfolg die Vermutung aufdrängen, dass eine hinreichende Erfolgsaussicht für den Wiederholungsversuch besteht. Beachtlich für Ausnahme- bzw. Härtefälle könnten nur solche Gründe sein, die ihre Ursache zwar im Leistungsbereich hätten, deren Heranziehung zur Eröffnung einer weiteren Prüfungschance allerdings nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße.
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Die zuletzt genannte Ansicht überzeugt. Denn eine Härtefallregelung verfolgt keinen Selbstzweck. Sie lässt vielmehr - ausnahmsweise - eine weitere Prüfung zu, um den Grundsatz der prüfungsrechtlichen Chancengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG zu verwirklichen (OVG Lüneburg a.a.O.). Insoweit ist bereits dargelegt, dass verfassungsrechtlich eine einzige Wiederholungsprüfung geboten, aber auch ausreichend ist, und grundsätzlichen bereits die Aussagekraft zweier (negativer) Prüfungsergebnisse verlässlich ist. Auf dieser Grundlage kann eine außerordentliche Wiederholungsmöglichkeit wegen Härtefalls - im Fall einer entsprechenden Rechtsgrundlage in der Prüfungsordnung - nur dann in Betracht kommen, wenn erstens trotz der vorausgegangen Prüfungsleistungen ausnahmsweise Zweifel bestehen, dass diese das tatsächliche Leistungsvermögen des Prüflings zutreffend abgebildet haben, und zweitens hinreichend zu erwarten ist, dass der Prüfling die neue Prüfung tatsächlich bestehen werde. Diese Voraussetzungen liegen beispielsweise nahe, wenn Umstände weggefallen sind, die den Prüfling zuvor in seinem Leistungsvermögen beeinträchtigt haben, und der Prüfungserfolg etwa (zweifach) lediglich knapp verfehlt wurde oder eine Leistungssteigerung aus den vorangegangenen Prüfungsversuchen erkennbar ist (vgl. OVG Münster a.a.O.). Wollte man dagegen eine außerordentliche Wiederholungsmöglichkeit wegen Härtefalls unabhängig von Zweifeln an der Aussagekraft der vorangegangenen Prüfungen und unabhängig von den aktuellen Aussichten auf den Prüfungserfolg zulassen, würde die Härtefallprüfung das Gebot prüfungsrechtlicher Chancengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht verwirklichen, sondern verletzen. Denn in diesem Fall würden zum einen auch solche Prüflinge eine neue Prüfungschance erhalten, deren Leistungsvermögen durch die vorangegangenen Prüfungen bereits zutreffend abgebildet wurde. Für eine solche Privilegierung gegenüber bereits im Erst- oder Zweitversuch erfolgreichen Prüflingen ist aber kein sachlicher Grund ersichtlich. Vielmehr haben in diesem Fall die vorangegangenen Prüfungen gerade das verfolgte Ziel der Differenzierung nach Leistungsvermögen erreicht. Zum anderen würden auch Prüflinge ohne Aussicht auf Prüfungserfolg eine neue Prüfungschance erhalten. Eine Wiederholungsprüfung unter diesen Voraussetzungen wäre aber letztlich sinnlos und könnte schon deswegen nicht das Ziel prüfungsrechtlicher Chancengleichheit verwirklichen. Außerdem wäre das berechtigte Allgemeininteresse beeinträchtigt, wonach begrenzte Ausbildungsressourcen für solche Studierende genutzt werden sollen, die ihre Qualifikation spätestens in den von der Prüfungsordnung regulär vorgesehenen Wiederholungsversuchen nachweisen können (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 769).
53
(2) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze würde es hier auch an den allgemeinen Voraussetzungen für Wiederholungsmöglichkeiten wegen Härtefalls fehlen, sofern die … eine solche Härtefallregelung vorsähe. Denn jedenfalls wäre nicht hinreichend ersichtlich, dass der Kläger die fragliche Wiederholungsprüfung bestehen könnte. So hat der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt, er habe seit Erhalt des Bescheids über das endgültige Nichtbestehen nicht mehr weiter studiert. Bis heute habe er keinen Termin für eine psychologische Behandlung erhalten. Danach ist weder die Krankheit des Klägers als Ursache der Leistungsprobleme beseitigt noch hat sich der Kläger - mangels Studium - im letzten Jahr insbesondere mit dem Prüfungsstoff beschäftigt. Unter diesen Voraussetzungen ist zumindest nicht hinreichend ersichtlich, dass der Kläger in einem dritten Wiederholungsversuch bzw. in einem Viertversuch die Prüfung bestehen könnte.
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b) Ein Anspruch des Klägers auf eine weitere Wiederholungsprüfung ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass der Antrag des Klägers auf Einräumung einer solchen Wiederholungsmöglichkeit vom 23. April 2019 als wirksame Erklärung des (nachträglichen) Prüfungsrücktritts ausgelegt oder dahingehend umgedeutet werden könnte. Insoweit fehlt es jedenfalls an einem Beleg der Prüfungsunfähigkeit im Zeitpunkt der fraglichen Prüfung am … 2019. Zudem kann hier nicht von einer unverzüglichen Rücktrittserklärung ausgegangen werden, auch nicht unter dem Gesichtspunkt unerkannter Prüfungsunfähigkeit.
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aa) Eine etwaige Prüfungsunfähigkeit des Klägers im Zeitpunkt der fraglichen Prüfung am … 2019 ist nicht belegt. Denn der Kläger hat kein ärztliches Attest vorgelegt, aus dem sich eine Prüfungsunfähigkeit an diesem Tag ergeben würde. Vielmehr hat der Kläger lediglich ein ärztliches Attest von Herrn … vom 25. April 2019 vorgelegt, wonach er sich bei dem Arzt in hausärztliche Betreuung mit der Diagnose einer depressiven Episode befinde. Aus diesen Gründen bzw. wegen dieser Krankheit habe sich der Kläger am 5. Februar 2019 in der Sprechstunde des Arztes befunden. Er sei diesbezüglich an Psychotherapeuten weitergeleitet worden. Eine Prüfungsunfähigkeit am … 2019 ist dem nicht zu entnehmen. Zudem befindet sich bei der Behördenakte (Bl. 27 der Behördenakte) ein ärztliches Attest desselben Arztes vom 13. Februar 2019 - also zeitlich nach der Vorstellung des Klägers wegen der depressiven Episode -, welches allein Diagnosen körperlicher Krankheiten, nämlich „Schwindel und Taumel“, Kopfschmerzen und “[s]onstige und nicht näher bezeichnete Krankheiten des Kreislaufsystems“ ausweist. Im Fall einer depressiven Erkrankung des Klägers bereits im Zeitpunkt seiner ärztlichen Vorstellung am 5. Februar 2019 wäre indes zu erwarten gewesen, dass auch das Attest vom 13. Februar 2019 diese psychische Erkrankung ausgewiesen hätte.
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bb) Nach allgemeinen Grundsätzen - ohne Berücksichtigung etwaiger unerkannter Prüfungsunfähigkeit - liegt hier keine unverzügliche Rücktrittserklärung vor.
57
Anerkannt ist, dass es dem Prüfling obliegt, den Rücktritt von der Prüfung unverzüglich zu erklären, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB; vgl. Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 282). Das Gebot der Unverzüglichkeit dient dazu, missbräuchliches Prüfungsverhalten zu vermeiden (Niehues/Fischer/Jeremias a.a.O.). Die Voraussetzung der Unverzüglichkeit ist Ausdruck des im Prüfungsrechtsverhältnis geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit (Niehues/Fischer/Jeremias a.a.O. Rn. 283). Danach fehlt es grundsätzlich jedenfalls dann an der Unverzüglichkeit, wenn der Prüfling das (negative) Ergebnis der Prüfung abwartet und erst anschließend den Rücktritt erklärt. Denn es entspricht weder Treu und Glauben noch prüfungsrechtlicher Chancengleichheit, sich im Unterschied zu den übrigen Prüfungsteilnehmern erst in Kenntnis des Prüfungsergebnisses für oder gegen einen neuen Prüfungsversuch zu entscheiden (so zur Rügeobliegenheit Niehues/Fischer/Jeremias a.a.O. Rn. 218).
58
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt hier kein unverzüglich erklärter Prüfungsrücktritt vor. Denn der Kläger hat sich hinsichtlich einer Wiederholungsprüfung erst nach Kenntnisnahme des Nichtbestehens seines letzten Prüfungsversuchs an die Beklagte gewandt.
59
cc) Auch unter Berücksichtigung der Grundsätze unerkannter Prüfungsunfähigkeit ist hier nicht von einem unverzüglichen Prüfungsrücktritt auszugehen.
60
(1) Die nachträglich geltend gemachte Prüfungsunfähigkeit ist ausnahmsweise zu berücksichtigen, wenn sich Prüflinge aufgrund Unkenntnis ihrer Krankheit oder krankheitsbedingter Fehleinschätzung der Prüfungssituation aussetzen und sie diesen Nachteil nicht zuvor, ggf. nach ärztlicher Beratung, durch Prüfungsrücktritt bzw. Verschiebung der Prüfung abwenden konnten. Dasselbe gilt, sofern den Prüflingen ihre Krankheit im Prüfungszeitpunkt zwar bekannt ist, diese sich aber während der Prüfung verschlimmert, ohne dass dies für die Prüflinge vorhersehbar oder in seiner Tragweite überschaubar ist (vgl. so zum Ganzen Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018 Rn. 290). Auch in Fällen unerkannter Prüfungsunfähigkeit obliegt es den Prüflingen, den Rücktritt unverzüglich bezogen auf den Zeitpunkt zu erklären, in dem sie die bis dahin unerkannte Prüfungsunfähigkeit erkannt haben. Auch obliegt es Prüflingen regelmäßig, sich bereits im Fall subjektiven Krankheitsverdachts ärztlich untersuchen zu lassen. Wird der Rücktritt wegen unerkannter Prüfungsunfähigkeit erklärt, obliegt es den Prüflingen auch, mittels ärztlichen Attests nicht nur die Krankheit und deren Auswirkungen substantiiert darzulegen, sondern auch, aus welchem Grund eine frühere Rücktrittserklärung nicht möglich oder unzumutbar gewesen ist (vgl. zum Ganzen Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias a.a.O. Rn. 291).
61
(2) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe scheidet hier ein Prüfungsrücktritt nach den Grundsätzen unerkannter Prüfungsunfähigkeit aus.
62
Bereits ausgeführt ist, dass es bereits an einem Beleg dahingehend fehlt, dass der Kläger tatsächlich im Zeitpunkt der fraglichen Prüfung am … 2019 prüfungsunfähig war. Darüber hinaus fehlt es an Darlegungen, die die Kammer in die Lage versetzen würden, überhaupt erst zu beurteilen, ob der Kläger nach Erkennen seiner Prüfungsunfähigkeit unverzüglich den Rücktritt erklärt hat. Insoweit fehlen jedenfalls substantiierte Ausführungen hinsichtlich des Zeitpunkts, in dem der Kläger ggf. erstmals von seiner - bislang unerkannten - Prüfungsunfähigkeit Kenntnis erlangt hat. Entsprechend kann die Kammer bezogen auf diesen Zeitpunkt nicht prüfen, ob die erstmalige Kontaktaufnahme des Klägers bei der Beklagten hinsichtlich der streitgegenständlichen Prüfung mit Schreiben vom 23. April 2019 rechtzeitig - nämlich unverzüglich - erfolgt ist. Erst recht mangelt es an entsprechenden, substantiierten Ausführungen im Rahmen eines ärztlichen Attests.
63
Soweit der Kläger vorbringt, er habe in seiner Widerspruchsbegründung ausführlich geltend gemacht, weshalb er seine Prüfungsunfähigkeit nicht habe erkennen und nicht zu einem früheren Zeitpunkt habe geltend machen können, trifft dies zur Überzeugung der Kammer so nicht zu. So enthält der Widerspruch des Klägers keine Ausführungen in der Sache. Auch ist keine weitergehende Widerspruchsbegründung des Klägers eingegangen. In dem Antrag des Klägers auf eine weitere Prüfungswiederholung vom 23. April 2019 finden sich zwar substantiierte Ausführungen zu seiner derzeitigen persönlichen Situation. Dass der Kläger seine Prüfungsunfähigkeit bislang nicht erkannt habe bzw. den Antrag krankheitsbedingt nicht früher habe stellen können, kann dem Schreiben allerdings nicht entnommen werden, erst recht kein Zeitpunkt, in dem der Kläger ggf. seine Prüfungsunfähigkeit erkannt hat. Vielmehr spricht das bezeichnete Schreiben gegen die Annahme einer unverzüglichen Reaktion nach erkannter Prüfungsunfähigkeit. Denn der Kläger führt in dem Schreiben - nachdem er von dem Nichtbestehen auch seiner zweiten Wiederholungsprüfung erfahren hatte - aus, hinsichtlich seiner akademischen Laufbahn habe er zeitnah zu den Prüfungsterminen körperliche und psychische Unfähigkeit festgestellt und nicht seine beste Leistung erbringen können. Danach wäre im Fall eines unverzüglichen Handelns zumindest eine zeitnahe Reaktion gegenüber der Prüfungsbehörde nach Abschluss der zweiten Wiederholungsprüfung zu erwarten gewesen. Stattdessen hat der Kläger die Beklagte hinsichtlich der Prüfung aber erstmals nach Notenbekanntgabe kontaktiert.
64
Schließlich ist weder substantiiert dargelegt noch durch ärztliches Attest belegt, warum der Kläger ggf. krankheitsbedingt nicht in der Lage war, zeitnah, insbesondere vor Notenbekanntgabe mit Blick auf die streitgegenständliche Prüfung Kontakt zur Beklagten aufzunehmen.
65
3. Die Entscheidung, dem Kläger keine weitere Wiederholungsmöglichkeit einzuräumen, und der damit einhergehende Bescheid über das endgültige Nichtbestehen des Studiengangs sind auch verhältnismäßig im Einzelfall. Der Zweck der Begrenzung von Wiederholungsmöglichkeiten liegt in dem legitimen Interesse der Allgemeinheit, dass begrenzte Ausbildungsressourcen für solche Studierende genutzt werden, die ihre Qualifikation spätestens in den nach der Prüfungsordnung vorgesehenen Wiederholungsversuchen nachweisen (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 769). Hierfür ist das Mittel der Begrenzung von Prüfungsmöglichkeiten auch vorliegend nicht nur geeignet, sondern auch erforderlich. Denn jede weitere Wiederholungsmöglichkeit würde das Ziel der effektiven Nutzung begrenzter Ressourcen weniger wirksam verwirklichen. Die Versagung einer weiteren Wiederholungsprüfung ist hier auch angemessen. So ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Kläger - über das verfassungsrechtlich Gebotene hinaus - drei Prüfungsversuche erhalten hat. Des Weiteren war der Kläger den geltend gemachten Härten im Zusammenhang mit den fraglichen Prüfungen rechtlich betrachtet nicht schutzlos ausgeliefert. Vielmehr hätte er eine etwaige Prüfungsunfähigkeit im Prüfungstermin vom 8. April 2019 - ggf. auch unter dem Gesichtspunkt unerkannter Prüfungsunfähigkeit - substantiiert geltend machen und durch ärztliches Attest belegen können.
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Nach alledem war die Klage abzuweisen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.