Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 25.09.2020 – AN 18 E 20.01966
Titel:

Aufhebung der Verpflichtung zur häuslichen Quarantäne

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
IfSG § 16 Abs. 8, § 28 Abs. 1, Abs. 3
Leitsatz:
Es ist bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden, wenn bei „Kontaktpersonen der Kategorie I“ i.S.d. Allgemeinverfügung vom 18. August 2020 und der entsprechenden Definition des Robert-Koch-Instituts, Personen mit engem Kontakt, unabhängig von der individuellen Risikoermittlung generell einer häuslichen Isolation von 14 Tagen ab dem nachgewiesenen letzten engen Kontakt unterworfen werden, auch wenn diese negativ auf das Coronavirus getestet wurden. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Seuchenrechts, Viehseuchenrechts, Einstweiliger Rechtsschutz gegen eine 14-tägige Quarantäneverpflichtung als Kontaktperson der Kategorie I, -Auslegung des Antrags-, - Fortbestehen der Quarantäneverpflichtung trotz Vorlage eines negativen Testergebnisses - Allgemeinverfügung zur Isolation von Kontaktpersonen der Kategorie I, von Verdachtspersonen und von positiv auf das Coronavirus getesteten Personen vom 18. August 2020, Seuchenrecht, Hausarzt, häusliche Quarantäne, Kontaktperson, typische Krankheitszeichen, Isolation
Fundstelle:
BeckRS 2020, 26551

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Aufhebung der Verpflichtung zur häuslichen Quarantäne als Kontaktperson der Kategorie I.
2
Mit Allgemeinverfügung vom 18. August 2020 zur „Isolation von Kontaktpersonen der Kategorie I, von Verdachtspersonen und von positiv auf das Coronavirus getesteten Personen“ erließ das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege unter anderem folgende Regelungen:
„Nr. 1.1: Betroffene Personen im Sinne der Allgemeinverfügung sind unter anderem Personen, denen vom Gesundheitsamt mitgeteilt wurde, dass sie aufgrund eines engen Kontakts zu einem bestätigten Fall von COVID-19 nach den jeweils geltenden Kriterien des Robert-Koch-Instituts Kontaktpersonen der Kategorie I sind.“
Nr. 2.1.1: Kontaktpersonen der Kategorie I müssen sich unverzüglich nach der Mitteilung des Gesundheitsamtes gemäß Nr. 1.1 und bis zum Ablauf des 14. Tages nach dem vom Gesundheitsamt mitgeteilten letzten Kontakt mit einem bestätigten COVID-19-Fall, in Isolation begeben, sofern keine anderweitige Anordnung des Gesundheitsamts erfolgt.
Nr. 6.1: Bei Kontaktpersonen der Kategorie I, bei denen kein positives Testergebnis auf das Vorhandensein von Coronavirus SARS-CoV-2 vorliegt, endet die häusliche Isolation, wenn der enge Kontakt zu einem bestätigten COVID-19-Fall mindestens 14 Tage zurückliegt und während der Isolation keine für COVID-19 typischen Krankheitszeichen aufgetreten sind. Hierüber entscheidet das Gesundheitsamt. […].
3
Nach den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts gelten als „Kontaktpersonen der Kategorie I mit engem Kontakt („höheres“ Infektionsrisiko)“ insbesondere Personen in relativ beengter Raumsituation oder schwer zu überblickender Kontaktsituation mit dem bestätigten COVID-19-Fall (z.B. Kitagruppe, Schulklasse), unabhängig von der individuellen Risikoermittlung (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Kontaktperson/Management.html#doc13516162bodyText7; Stand: 24.9.2020).
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Die Antragstellerin ist nach eigenen Angaben Schülerin der Staatlichen Berufsschule … und nahm dort am 14. September 2020 am Unterricht teil. In der Folgezeit ist ein Mitschüler der Antragstellerin positiv auf das Coronavirus getestet worden.
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Mit Schriftsatz vom 24. September 2020 hat die Antragstellerin das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach um vorläufigen Rechtsschutz ersucht. Zur Begründung trägt sie vor, sie habe am Sonntag, den 20. September 2020, lediglich durch eine WhatsApp-Gruppe erfahren, dass ein Mitschüler von ihr positiv auf das Coronavirus getestet worden sei und die Mitschüler am Montag, den 21. September 2020, weder in die Schule noch in ihre Ausbildungsbetriebe gehen sollten. Die Antragstellerin sei am 21. September 2020 im Rahmen eines freiwilligen Tests negativ auf das Coronavirus getestet worden. Am 22. September 2020 sei sie durch das Gesundheitsamt Weißenburg „unter häusliche Quarantäne gestellt worden“. Einen rechtsgültigen Bescheid habe sie bislang nicht erhalten. Nachdem sie am 24. September 2020 von ihrem Hausarzt erfahren habe, dass ihr Testergebnis negativ sei, habe sie sich telefonisch an das Gesundheitsamt gewandt, welches jedoch grundlos die Quarantäne weiter aufrechterhalten habe. Das Vorgehen des Gesundheitsamtes sei willkürlich, ohne jegliche rechtliche Grundlage und setze sie in ihrer Menschenwürde herab. Sie fühle sich zudem in ihrer Freiheit beraubt. Es werde bestritten, dass sie als Kontaktperson der Kategorie I einzustufen sei. Ein Face-To-Face-Gespräch i.S.d. Kriterien des Robert-Koch-Instituts habe nicht stattgefunden. Insbesondere seien im Klassenzimmer alle Coronaauflagen eingehalten worden; es sei insbesondere der Mindestabstand von 1,5 Meter gewahrt und Masken getragen worden. Darüber hinaus seien die Fenster ununterbrochen offen gewesen.
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Die Antragstellerin beantragt,
die durch das Gesundheitsamt Weißenburg telefonisch auferlegte Quarantänemaßnahmen gegen das Corona Virus sofort außer Kraft zu setzen.
7
Der Antragsgegner beantragt mit Schriftsatz vom 25. September 2020,
den Antrag abzulehnen.
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Vorliegend sei unstreitig, dass die Antragstellerin als Kontaktperson der Kategorie I entsprechend der Nr. 1.1. der Allgemeinverfügung vom 18. August 2018 zu qualifizieren sei. Der Antragstellerin sei jedoch keine „Quarantäne auferlegt“ worden; eine Anordnung einer Quarantäne sei nicht erfolgt. Vielmehr sei die Antragstellerin am 22. September 2020 per Telefon lediglich auf die aufgrund der Allgemeinverfügung bestehende Isolationspflicht hingewiesen worden. Ein schriftlicher, gleichlautender Hinweis auf die bestehende Isolationspflicht sei noch am gleichen Tag verfasst und an die Antragstellerin auf dem Postweg versandt worden. Soweit die Antragstellerin unter Verweis auf ihr negatives Testergebnis vorträgt, dass die Isolationszeit zu verkürzen sei, so könne dem nicht gefolgt werden, da in der Allgemeinverfügung vom 18. August 2020 eine derartige Möglichkeit zur Verkürzung nicht vorgesehen sei.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
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1. Bei sachgerechter Auslegung des Vorbringens der Antragstellerin (§ 122 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 88 VwGO) ist ihr Begehren insbesondere auch mit Blick auf die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) derart auszulegen, dass sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer noch zu erhebenden Anfechtungsklage gegen die Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18. August 2020 begehrt. Die Antragstellerin begehrt mit ihrem Vortrag im Kern die einstweilige Aufhebung der Verpflichtung zur häuslichen Quarantäne. Da diese Verpflichtung unmittelbar aus der Allgemeinverfügung vom 18. August 2020 und nicht etwa aus dem Handeln des Gesundheitsamtes resultiert, wendet sie sich (ohne dies so zu benennen) gegen die Geltung der Allgemeinverfügung. Dass ihr Vortrag unter der Überschrift „Eilantrag nach Paragraph 123 VWGO“ erfolgt, ist dabei unerheblich, da es nicht auf die Bezeichnung, sondern auf das dahinterstehende Begehren der anwaltlich nicht vertretenen Antragstellerin ankommt.
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Ein solcher Antrag ist zwar zulässig. Insbesondere scheitert die Zulässigkeit nicht schon daran, dass ein Vorgehen in der Hauptsache verfristet und der Antragstellerin für den vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzantrag das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis abzusprechen wäre. Da die Allgemeinverfügung keine Rechtsbehelfsbelehrung:enthält, gilt für die Anfechtbarkeit die Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO, die erst im August nächsten Jahres abläuft.
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Letztlich ist der Antrag aber unbegründet.
13
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfes kraft Gesetzes entfällt, was vorliegend gemäß § 28 Abs. 3, § 16 Abs. 8 IfSG der Fall ist, die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anordnen. Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO hat das erkennende Gericht eine eigenständige und originäre Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Vollziehung und dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers zu treffen, die notwendigerweise nur vorläufigen summarischen Charakter hat. Das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kann nicht Ersatz für das Verfahren der Hauptsache sein, welches in erster Linie den Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG vermittelt; demgegenüber dient das Eilverfahren vornehmlich der Verhinderung von Rechtsnachteilen und Rechtsverlusten bis zum (rechtskräftigen) Abschluss des Hauptsacheverfahrens. Diese Zielsetzung bedeutet für die gerichtliche Überprüfung des Streitstoffes im Rahmen des Eilverfahrens, dass in diesem vordringlich nur die Einwände berücksichtigt werden können, die vom Rechtsschutzsuchenden selbst vorgebracht werden, es sei denn, dass sich andere Fehler bei summarischer Prüfung als offensichtlich aufdrängen (vgl. OVG NRW, B.v. 26.1.1999 - 3 B 2861/97 - juris Rn.4). Im Rahmen der gerichtlichen Interessenabwägung kommt vor allem den Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten bzw. noch einzulegenden Rechtsbehelfs eine maßgebliche Bedeutung zu (vgl. BVerwG, B.v. 6.7.1994 - 1 VR 10.93 - juris Rn. 4). Dem Interesse des jeweiligen Antragstellers an der Aussetzung kommt hierbei nur dann Vorrang zu, wenn sich das Hauptsacheverfahren entweder mit hoher Wahrscheinlichkeit als erfolgreich erweisen würde oder wenn die Erfolgsaussichten in der Hauptsache zwar als offen anzusehen wären, eine von der Vorausbeurteilung der Hauptsache unabhängige Folgenabwägung jedoch zu Gunsten des Aussetzungsinteresses des Antragstellers ausgehen würde (BayVGH, B.v. 27.2.2017 - 15 CS 16.2253 - juris Rn. 13).
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Bei Zugrundelegung dieser Maßgaben überwiegt im vorliegenden Fall das öffentliche Interesse an der Vollziehung das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Eine Klage in der Hauptsache wird hier voraussichtlich erfolglos bleiben, da bei der hier allein möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung des Gerichts insbesondere bei Würdigung der seitens der Antragstellerin vorgetragenen rechtlichen Bedenken die Verpflichtung zur häuslichen Isolation rechtlich nicht zu beanstanden ist. Anders als die Antragstellerin meint, besteht für die Verpflichtung zur Quarantäne durchaus eine Rechtsgrundlage, die in der Allgemeinverfügung vom 18. August 2020 zu sehen und als solche auch ohne individuelle Bekanntgabe gegenüber der der Antragstellerin wirksam ist (vgl. Art. 41 Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG). Insbesondere hegt das Gericht auch weder Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Allgemeinverfügung bzw. speziell der hier maßgeblichen Nummern 1.1, 2.1.1 und 6.1. (dazu unter 1.1), noch hat es Zweifel daran, dass die Antragstellerin der Allgemeinverfügung unterfällt (dazu unter 1.2).
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1.1 Bei summarischer Prüfung hat das Gericht weder Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung, insbesondere nicht gegen die Heranziehung des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG als Rechtsgrundlage, dessen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, noch gegen die Verhältnismäßigkeit der hier maßgeblichen Nummern 1.1, 2.1.1 und 6.1. Seitens der Antragstellerin wurde diesbezüglich auch nichts substantiiert vorgetragen.
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Zur Vereinbarkeit der hier streitgegenständlichen Allgemeinverfügung mit der Rechtsgrundlage des § 28 Abs. 1 IfSG wurde im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes bereits seitens der Bayerischen Verwaltungsgerichte Regensburg und Würzburg Stellung genommen und diese bejaht (vgl. VG Regensburg, B.v. 3.9.2020 - RN 14 S 20.1917 - juris Rn. 33 ff.; VG Würzburg, B.v. 18.9.2020 - W 8 S 20.1325 - juris Rn. 23 ff.). Den diesbezüglich überzeugenden Ausführungen schließt sich das Gericht vollumfänglich an. Insbesondere ist es vor dem Hintergrund der Inkubationszeit von 10-14 Tagen und der Möglichkeit unzutreffender Negativtestungen jedenfalls bei summarischer Prüfung auch nicht zu beanstanden, wenn bei „Kontaktpersonen der Kategorie I“ i.S.d. Allgemeinverfügung vom 18. August 2020 und der entsprechenden Definition des Robert-Koch-Instituts als der zuständigen nationalen Behörde gemäß § 4 IfSG, Personen mit engem Kontakt, unabhängig von der individuellen Risikoermittlung generell einer häuslichen Isolation von 14 Tagen ab dem nachgewiesenen letzten engen Kontakt (vgl. Nr. 6.1 der Allgemeinverfügung) unterworfen werden, auch wenn diese - wie es vorliegend bei der Antragstellerin der Fall ist - negativ auf das Coronavirus getestet wurden. Die Verhältnismäßigkeit wird dadurch gewahrt, dass eine häusliche Isolation nur dann zu erfolgen hat, sofern keine anderweitige Anordnung des Gesundheitsamtes erfolgt (Nr. 2.1.1 der Allgemeinverfügung).
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1.2 Dass bei der Antragstellerin die in der Allgemeinverfügung vom 18. August 2020 festgelegten Voraussetzungen nicht erfüllt sein könnten, ist für das Gericht auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Antragstellerin nicht ersichtlich.
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Die Antragstellerin hat selbst vorgetragen, dass sie am 14. September 2020 die Staatliche Berufsschule … besucht habe und im Nachgang ein Mitschüler von ihr positiv auf das Coronavirus getestet worden sei. Da in Schulklassen naturgemäß eine relativ beengte Raumsituation vorherrscht, in der sich die Schüler über eine längere Dauer hinweg aufhalten, ist die Antragstellerin als Mitschülerin des bestätigten COVID-19-Falls als Kontaktperson der Kategorie I i.S.d. Maßgaben des Robert-Koch-Instituts zu qualifizieren und zwar unabhängig von einer individuellen Risikoermittlung (vgl. zu den Kriterien: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Kontaktperson/Management.html#doc13516162bodyText7; Stand: 24.9.2020; hier konkret 4. Aufzählungszeichen). Insofern kommt es auf den Vortrag der Antragstellerin, es seien insbesondere die erforderlichen Mindestabstände eingehalten, Masken getragen und die Fenster geöffnet worden, nicht an. Damit hat sich die Antragstellerin bis zum Ablauf des 14. Tages nach dem vom Gesundheitsamt mitgeteilten letzten Kontakt mit einem bestätigten COVID-19 Fall in Isolation zu begeben. Nachdem der letzte Kontakt zwischen der Antragstellerin und dem positiv getesteten Mitschüler nach eigener Aussage der Antragstellerin am 14. September 2020 stattfand, ist der seitens des Antragsgegners vorgesehene Quarantänezeitraum bis einschließlich 28. September 2020 nicht zu beanstanden.
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Soweit sich die Antragstellerin durch den Hinweis, sie sei „angeblich“ durch das Gesundheitsamt … unter häusliche Quarantäne gestellt worden, darauf berufen sollte, dass sie nicht selbst über ihre Eigenschaft als Kontaktperson der Kategorie I im Sinne von Nr. 1.1 der Allgemeinverfügung vom 18. August 2020 seitens des Gesundheitsamtes informiert worden sei und sie deshalb auch nicht den Verpflichtungen nach Nr. 2.1.1 der Allgemeinverfügung unterliege, verfängt dies ebenso wenig, wie der Hinweis darauf, dass die Mitteilung nur telefonisch erfolgt sei. Zum einen ist für die in Nr. 2.1.1 Satz 1 der Allgemeinverfügung vorausgesetzte Mitteilung keine Form festgelegt, obwohl in anderem Zusammenhang durchaus Formvorschriften genannt werden (vgl. z.B. Nr. 2.1.1. Satz 2 der Allgemeinverfügung). Mithin ist davon auszugehen, dass die Mitteilung auch telefonisch erfolgen kann, was auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift entsprechen dürfte, durch eine schnelle Reaktion die Isolation herbeizuführen und damit die Gefahr der Infektionsausbreitung verhindern zu können. Zum anderen ist es vorliegend unerheblich, dass die Mitteilung des Gesundheitsamts entsprechend der telefonischen Einlassung der Antragstellerin bzw. ihres Vaters gegenüber dem Gericht nicht an die Antragstellerin, sondern ihren Vater ergangen ist. Denn spätestens mit ihrer Kenntniserlangung von der Mitteilung des Gesundheitsamtes, liegt eine Mitteilung im Sinne der Nr. 2.1.1 der Allgemeinverfügung an die Antragsstellerin vor. Da der Begriff der Mitteilung im Wesentlichen die Weitergabe einer Information beschreibt, ist dem - auch mit Blick auf den Sinn und Zweck der Mitteilung - schon dann genüge getan, wenn die betreffende Information bei dem Betroffenen ankommt und sei es nur vermittelt über Dritte. Im Übrigen wurde der Antragstellerin spätestens gestern seitens des Gerichtes auch ein zwischenzeitlich ergangenes schriftliches Bestätigungsschreiben des Landratsamtes … vom 22. September 2020, das der Antragsgegner dem Gericht zur Kenntnis übermittelt hat, zugestellt. Aus diesem geht auch eindeutig hervor, dass die Antragstellerin als Kontaktperson der Kategorie I mit engem Kontakt zu einem COVID-19-Fall eingeordnet wird.
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1.3 Selbst wenn man zu dem Schluss käme, dass die Erfolgsaussichten einer Hauptsacheklage im Hinblick darauf, dass auch negativ getestete Kontaktpersonen der Kategorie I trotz negativer Testung 14 Tage in häuslicher Isolation bleiben müssen, offen wären, so fiele eine dann vorzunehmende Interessenabwägung jedenfalls im Hinblick auf die Regelungen Nr. 2.1.1 und 6.1 der Allgemeinverfügung zu Lasten der Antragstellerin aus. In Rede stehen vorliegend hochrangige Gemeinschaftsgüter, wie etwa der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung sowie ein funktionsfähiges Gesundheitswesen. Diese überwiegen vorliegend die Interessen der Antragstellerin aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. zu letzterem Kießling in Kießling, IfSG, 1. Auflage 2020, § 30 Rn. 29).
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Nach alledem war der Antrag abzulehnen.
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2. Selbst wenn man das Begehren der Antragstellerin nicht wie vorliegend geschehen auslegen wollte - Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer noch zu erhebenden Anfechtungsklage gegen die Allgemeinverfügung - sondern dahingehend, dass die Antragstellerin eine einstweilige Anordnung i.S.d. § 123 VwGO dahingehend begehrt, dass ihr seitens des Gesundheitsamtes des Landratsamtes … das sofortige Ende der häuslichen Isolation angeordnet wird, hätte dieser Antrag keinen Erfolg, da es der Antragstellerin schon an einem Anordnungsanspruch fehlen würde. Insbesondere kann eine einzelne negative Testung (bereits) am 7. Tag nach letztmaligem Kontakt zum COVID-19-Fall allein keinen derartigen Anspruch begründen, da Nr. 6.1 der Allgemeinverfügung, wie bereits oben erwähnt, - in rechtlich zulässiger Weise - bei Kontaktpersonen der Kategorie I mit Blick auf die Inkubationszeit von 10-14 Tagen und der Möglichkeit unzutreffender Negativtestungen unabhängig von einem Testergebnis eine Fortdauer der Quarantäne vorsieht (s. hierzu auch Umkehrschuss aus Nr. 6.2 der Allgemeinverfügung, wonach die Quarantäne bei sog. Verdachtspersonen mit einem negativen Test endet). Soweit das Landratsamt … sich hier darauf berufen hat, dass ihm als nach § 65 Satz 1 ZustV für den Vollzug des Infektionsschutzgesetzes zuständiger Kreisverwaltungsbehörde keine Möglichkeit zur Verkürzung der Isolationsfrist im Einzelfall zukomme und damit ggf. ein ihm zustehendes Ermessen nicht bzw. jedenfalls nicht ermessensfehlerfrei ausgeübt hätte, wäre dieser Umstand für die hier zu treffende Entscheidung ohne Belang. Zwar wird teilweise vertreten, dass eine fehlerhafte Ermessensausübung dazu führen müsse, dass der Anspruch auf eine bestimmte Ermessensentscheidung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung bereits dann als hinreichend glaubhaft gemacht anzusehen sei, wenn die Ausübung des Ermessens mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zugunsten eines Antragstellers ausgehe (vgl. Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 123 Rn. 161b). Aus den vorstehend genannten Gründen würde sich jedoch selbst bei Vorliegen eines Ermessensausfalls bzw. -fehlers nicht prognostizieren lassen, dass eine ermessensfehlerfreie Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zur Verkürzung der Isolationspflicht geführt hätte bzw. führen würde.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Das Gericht orientiert sich dabei am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Nach dessen Nr. 1.5 beträgt in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der Streitwert in der Regel ½. Allerdings kann auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die die Entscheidung in der Sache ganz oder zum Teil vorwegnehmen, der Streitwert bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts angehoben werden. Hiervon wurde vorliegend Gebrauch gemacht.