Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 06.08.2020 – AN 17 K 19.01352
Titel:

Nachbarklage gegen die Genehmigung eines Fachmarktzentrums

Normenketten:
BImSchG § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 29b
BayBO Art. 60, Art. 66 Abs. 1 S. 2, Art. 68 Abs. 1, Abs. 4
BauGB § 34 Abs. 1
BauNVO § 6, § 15 Abs. 1 S. 2
Leitsätze:
1. Im Rahmen einer Gesamtschau der von dem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen sind die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten in billiger Weise zumutbar oder unzumutbar ist, gegeneinander abzuwägen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Was an Lärmimmissionen hinzunehmen ist, lässt sich für Gewerbelärm anhand der Immissionsrichtwerte der TA Lärm ermitteln; diese konkretisiert das baurechtliche Rücksichtnahmegebot. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Da Betriebsleiterwohnungen dem Gewerbe dienen, stellt eine Betriebsleiterwohnung eine gewerbliche Nutzung dar und kann den Gewerbecharakter des Gebiets nicht in Frage stellen. Nur vereinzelte Wohnnutzungen vermögen die Prägung des Gebiets als Gewerbegebiet nicht hin zu einem Mischgebiet zu verändern. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachbarklage gegen Fachmarktzentrum mit Parkplatz, Zulässigkeit der Nachbaranfechtungsklage, wenn der Kläger gleichzeitig Verkäufer des Vorhabensgrundstück ist Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme durch Lärm, Anfechtungsklage, Baugenehmigung, Bauvorhaben, Gewerbegebiet, gewerbliche Nutzung, Mischgebiet, Nachbarklage, Wohnbebauung, Wohngebiet, schalltechnische Untersuchung, Lärm, Nachbaranfechtungsklage, Rücksichtnahmegebot
Fundstelle:
BeckRS 2020, 26545

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

1
Die Kläger wenden sich gegen die für das Nachbargrundstück erteilte Baugenehmigung für ein Fachmarktzentrum.
2
Der Kläger zu 1) ist Miteigentümer zu ½ des Grundstücks FlNr. 405/72 der Gemarkung … (* …*). Die zweite Hälfte gehört den Klägern in Erbengemeinschaft. Auf dem Grundstück befindet sich ein Wohnhaus mit Anbau aus dem Jahr 1958.
3
Mit notariellem Vertrag vom 11. November 2015 verkauften die Kläger eine Teilfläche von 2.756 qm des damals 3.987 qm großen Grundstücks (südlicher und westlicher Teil des Grundstücks) an die Beigeladene zu 1). In der Präambel des Kaufvertrags ist ausgeführt, dass der verkaufte Grundstücksteil zu einem Areal gehört, auf dem die Beigeladene zu 1) entsprechend der Anlage 1 zum Kaufvertrag Einzelhandelsflächen sowie weitere Nutzungen und Parkplätze realisieren möchte. Die Kläger seien von der Beigeladenen zu 1) informiert worden, dass ein Bebauungsplanverfahren durchgeführt werde und der Erwerb weiterer Grundstücke erforderlich sei. Unter § 21 des Vertrags „Mitwirkung des Verkäufers“ ist u.a. festgelegt:
„Der Käufer beabsichtigt, in Zusammenarbeit mit den zuständigen Ämtern und Behörden für den in § 1 genannten Kaufgegenstand ein Bebauungsplanverfahren einzuleiten bzw. eine Baugenehmigung für das von ihm geplante Vorhaben zu erlangen.
Der Käufer wird den Verkäufer hierbei im Rahmen der Gesetze und Verordnungen unterstützen. Erforderlichenfalls benennt der Verkäufer einen Bevollmächtigten, der in seinem Namen verbindliche Erklärungen gegenüber dem Käufer und den Behörden sowie den Ämtern abgeben kann. Seine Rechte, die sich aus der Nachbareigenschaft ergeben, bleiben hiervon unberührt. Die Vertragsparteien sind sich aber darüber einig, dass der Verkäufer diejenigen etwaigen Beeinträchtigungen, die sich aus der von dem Käufer beabsichtigten Erstellung und dem Betrieb eines Fachmarktzentrums ergeben, entschädigungslos zu dulden sind, sofern und soweit die Erstellung und der Betrieb des Fachmarktzentrums entsprechend den einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfolgt.“
4
Mit Stadtratsbeschluss vom 17. März 2016 erließ die Beigeladene zu 2) einen Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan … „Sondergebiet Fachmarktzentrum …“. In der Sitzung vom 26. Juli 2018 erfolgte nach zweifacher öffentlicher Auslegung der Satzungsbeschluss. Der Bebauungsplan sieht zur Art der baulichen Nutzung „ein sonstiges Sondergebiet: Großflächiger Einzelhandel, Zweckbestimmung: Fachmarktzentrum“ vor und legt für die vier vom Bebauungsplan umfassten Grundstücke FlNr. 405/125, 405/75, 405/73 und 405/163 - beim Grundstück 405/163 handelt es sich um den herausgemessenen verkauften Teil aus der FlNr. 405/72 - im nordwestlichen Teil eine private Grünfläche, im westlichen Teil mittels Baugrenzen die überbaubare Grundstücksfläche und im östlichen Bereich die Stellplätze für das Fachmarktzentrum fest. Das Fachmarktzentrum mit einer Gesamtverkaufsfläche von maximal 3.450 qm soll nach den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans aus einem Lebensmittelvollsortimenter mit einer Verkaufsfläche bis zu 1.700 qm zuzüglich eines Back-Shops mit maximal 198 qm sowie einem Schuhfachmarkt bis zu 450qm, Bekleidungsfachmärkten mit bis zu 1.200 qm und sonstige Verkaufsstätten mit bis zu 450 qm bestehen. Aus den Bebauungsplanunterlagen ergibt sich, dass sich auf den überplanten Flächen leerstehende, dem Verfall preisgegebene Bauten, darunter ein ehemaliges Wohnhaus, eine ehemalige Maschinenhalle, ehemalige Büroräume, ein Prüfstand für Verbrennungsmotoren und ein ehemaliges Webereigebäude sowie Garagen und Gartenschuppen befinden.
5
Aus den Behördenakten ergibt sich, dass gegenüber dem Bebauungsplangebiet und dem Bauvorhaben, auf der anderen Seite der Industrie straße ebenfalls Gewerbeflächen bestehen. Ebenso befinden sich Gewerbeflächen östlich des klägerischen Restgrundstücks mit der FlNr. 405/71 und westlich des geplanten Fachmarktzentrums.
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Am 1. August 2018, beim Beklagten eingegangen am 25. September 2018, beantragte die Beigeladene zu 1) die Baugenehmigung für den Neubau eines Fachmarktzentrums mit einer Verkaufsstätte mit 3.010 qm und Gaststättenflächen von 32,5 qm und ergänzte den Bauantrag am 25. Oktober 2018. Auf einer Fläche von 9.271 qm sind nördlich und westlich des klägerischen Anwesens 137 Stellplätze geplant sowie im Westen des Anwesens der Kläger die Zufahrt von der Industrie straße aus zum Fachmarktzentrum und den Stellplätzen.
7
Den Bauunterlagen beigefügt war eine schalltechnische Untersuchung der … Ingenieurgesellschaft für das Bauwesen mbH (***) vom 17. September 2018, die zu dem Ergebnis kommt, dass an allen Immissionsorten die Richtwerte der TA Lärm um 6 dB(A) oder mehr unterschritten werden und das Bauvorhaben deshalb mit der Nachbarschaft verträglich sei. Mit interner Stellungnahme vom 18. Dezember 2018 führte das Sachgebiet … des Landratsamtes … aus, dass die mit dem Bauantrag vorgelegte Lärmschutzbetrachtung mangels detaillierter Daten nicht konkret nachvollziehbar sei. Erwähnt seien Öffnungszeiten bis 22:00 Uhr, wodurch es zu einem Hineinwirken in die Nachtzeit käme. Die im westlichen Gebäude liegenden Kühlräume seien bei der Lärmschutzbetrachtung nicht erkennbar berücksichtigt worden. Die Beigeladene zu 1) wurde daraufhin mit Schreiben vom gleichen Tag aufgefordert, einen qualifizierten Schallschutznachweis vorzulegen, mit dem nachgewiesen werde, dass die Beurteilungspegel der vom Gesamtvorhaben ausgehenden Geräusche einschließlich des Betriebs- und Fahrverkehrs unter Berücksichtigung der Vorbelastung die einschlägigen Immissionsrichtwerte nicht überschreite. Hierauf erging die schallschutztechnische Untersuchung der M+O vom 15. Januar 2019. Für das Wohnhaus der Kläger wurden dafür die Immissionsorte 5 und 6 definiert und dazu ausgeführt, dass diese sich in einem Gewerbegebiet befänden. Für diese Immissionsorte wurden als Richtwert Tag 65 dB(A) und als Richtwert Nacht 50 dB(A) für Gewerbeflächen zugrunde gelegt und folgende Immissionen des Vorhabens ermittelt:
IO 5 EG 58 dB(A) tags 20 dB(A) nachts
1. OG 58 dB(A) tags 28 dB(A) nachts
2. OG 58 dB(A) tags 29 dB(A) nachts
IO 6 EG 57 dB(A) tags 33 dB(A) nachts
1. OG 57 dB(A) tags 36 dB(A) nachts
2. OG 57 dB(A) tags 39 dB(A) nachts
8
Die TA-Lärm-Richtwerte seien damit an allen Immissionsorten unterschritten. Um für den IO 4 (nördlich des Bauvorhabens, jenseits des … und des entsprechenden Grüngürtels um diesen) die Überschreitung des Relevanzkriteriums nach Nr. 3.2.1 der TA Lärm zu vermeiden, müsste der Parkplatz in Asphalt ausgeführt oder spezielle lärmarme Einkaufswagen verwendet werden. Der IO 4 sei jedoch nur auf Wunsch der Baugenehmigungsbehörde aufgenommen worden, aber rechtlich nicht relevant.
9
Mit Bescheid vom 18. Juni 2019 erteilte das Landratsamt … die bauaufsichtliche Genehmigung für das Bauvorhaben und setzte folgende Nebenbestimmung zum Immissionsschutzrecht fest:
„14. Die Bestimmungen der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) vom 26.08.1998 sind einzuhalten.
15. Die Beurteilungspegel der vom Gesamtbetrieb ausgehenden Geräusche dürfen an den nachfolgend aufgeführten Immissionsorten nach Nr. A.1.3 des Anhangs zur TA Lärm die zugehörigen aufgrund der Summenwirkung mit anderen Betrieben reduzierten Immissionsrichtwerte nicht überschreiten:

Immissionsort

Immissionsrichtwert

tags (6-22 Uhr)

nachts (22-6 Uhr)

Wohnbebauung im nördlich gelegenen Wohngebiet (* …- Hellip-Straße)

49 dB(A)

34 dB(A)

Wohnungen im Gewerbegebiet auf FlNr. 405/72

59 dB(A)

44 dB(A)

16. Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1 der TA Lärm am Tage um nicht mehr als 30 dB(A) und in der Nacht um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten.
17. Lärmerzeugende Anlagen, Aggregate und Einrichtungen müssen dem Stand der Lärmschutztechnik entsprechend errichtet, gewartet und betrieben werden.
18. Zur Vermeidung von Körperschallübertragungen sind die Anlagenteile körperschall- und schwingungsisoliert aufzustellen. Starre Verbindungen zwischen Anlagen, Stahlkonstruktionen, Fundamenten und Außenhautelementen bzw. Einhausungen und Verkleidungen sind zu vermeiden.
19. Der Betreiber hat sicherzustellen, dass die lärmtechnischen Anforderungen jederzeit eingehalten werden.
20. Vom Betreiber ist nach Aufforderung durch das Landratsamt … ein qualifizierter Nachweis über die Einhaltung der lärmtechnischen Anforderungen beizubringen. Der Nachweis ist durch eine nach § 29 b Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) bekannt gegebene Messstelle erstellen zu lassen.
21. Geruchsbeladene Abluft ist an den Entstehungsstellen zu erfassen und über Kamine, die das Dach um mindestens 2 m überragen, senkrecht nach oben in die freie Luftströmung abzuführen. Die Kaminmündungen dürfen nicht überdacht sein. Deflektorhauben dürfen angebracht werden.
22. Das Gutachten über die „Schalltechnische Untersuchung“ der … Immissionsschutz Ingenieurgesellschaft für das Bauwesen mbH vom 15.01.2019 ist Bestandteil dieser Genehmigung.“
10
Der Bescheid wurde den Klägern mittels Einschreiben zugestellt (Aufgabe zur Post am 19.6.2019).
11
Mit beim Verwaltungsgericht Ansbach am 12. Juli 2019 eingegangenem Schriftsatz erhob der Kläger zu 1) durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage und beantragte,
den Bescheid des Landratsamtes … vom 18. Juni 2019 aufzuheben.
12
Mit Schriftsatz vom 19. Juli 2019, eingegangen am gleichen Tag, wurde die Klage um die Klägerin zu 2) erweitert.
13
Mit Schriftsatz vom 29. Juli 2019 nahm die Beigeladene zu 1) durch ihren Prozessbevollmächtigten Stellung und berief sich auf die Unzulässigkeit der Klage wegen Rechtsmissbrauchs, da im notariellen Kaufvertrag die Zufahrt mit der Rampe für das Fachmarktzentrum sowie die Stellplätze für Kunden bereits vorgesehen gewesen seien und dort ausdrücklich vereinbart sei, dass die Kläger den Betrieb des Fachmarktzentrums entschädigungslos zu dulden haben, soweit dieser die öffentlich-rechtlichen Vorschriften einhalte. Die schallschutztechnische Untersuchung vom 15. Januar 2019 belege die Einhaltung der TA Lärm. Es wurde beantragt,
die Klage abzuweisen.
14
Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 5. September 2019 ebenfalls,
die Klage abzuweisen.
15
Die Baugenehmigung habe nach Art. 68 Abs. 1, Art. 60 BayBO erteilt werden müssen, weil dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstünden. Das klägerische Anwesen werde keinen unzumutbaren Immissionen ausgesetzt, wie sich aus der schalltechnischen Untersuchung vom 15. Januar 2019 ergebe.
16
Die Klägerseite begründete die Klage mit Schriftsatz vom 10. Februar 2020 und berief sich darauf, dass im Rahmen der Baugenehmigung für das östlich des klägerischen Grundstück gelegene Grundstück FlNr. 405/71 (Einkaufsmarkt mit drei Handelseinheiten) von einer Gemengelage ausgegangen worden sei und bei der Genehmigung vom 9. Dezember 2013 zugunsten des klägerischen Wohnhauses ein Tagwert von 57 dB(A) und ein Nachtwert von 47 dB(A) angesetzt worden seien. Offensichtlich werde in der Baugenehmigung nun von einer Einstufung des klägerischen Grundstücks als Gewerbegrundstück ausgegangen. Dieses werde aber ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt und sei mit einem Mehrfamilienhaus bebaut und seit der Genehmigung von 1958 unverändert geblieben. Auf Grund der Summenwirkung mit der älteren Baugenehmigung für den Drogeriemarkt auf dem Grundstück FlNr. 405/71 hätte es zu einer Reduzierung des Tagwertes kommen müssen und nicht zu einer Erhöhung. Der Parkplatz für das Fachmarktzentrum übernehme die ursprüngliche Geländehöhe nicht, sondern werde um 2 m aufgefüllt. Dadurch seien die Immissionsorte am klägerischen Grundstück im Vergleich zur Berechnung vom 15. Januar 2019 stärker beeinträchtigt. Beim Verkauf des Grundstückes sei darüber gesprochen worden, den Parkplatzbereich in geringem Umfang von 50 cm zu erhöhen, tatsächlich sei das Vorhabengrundstück jetzt aber 1 m höher aufgefüllt als das Parkplatzniveau des Drogeriemarktes. Ein geräuscharmes Rangieren der Zulieferer an der Zulieferrampe sei wegen des Fahrradabstellplatzes unmöglich. Durch die enge Zufahrtssituation würden unnötig viele und laute Rangiervorgänge verursacht. Es seien keinerlei Lärmschutzmaßnahmen zugunsten des klägerischen Grundstücks ergriffen worden. Das Lärmgutachten gehe unrealistisch von 2.110 Pkw-Fahrverkehren aus. Realistisch sei eine Größenordnung von ca. 4.000. Bei vergleichbaren Projekten kämen Gutachter zu anderen Werten. Auch dem Anteil des motorisierten Individualverkehrs mit 65% (Kunden) und 40% (Beschäftigte) sei zu widersprechen. Es sei mindestens die doppelte Anzahl an Fahrverkehren zu erwarten. Im Bauleitplanverfahren sei der Kläger von der Beigeladenen zu 1) zur Zurückziehung seiner Einwendungen genötigt worden. Die seinerzeitige 35-seitige Stellungnahme des Klägers vom 24. Januar 2018 im Bauleitplanverfahren wurde vorgelegt. Auch Abgase, Ruß und Staub wirkten rechtswidrig auf das klägerische Grundstück ein.
17
Die Klage sei auch nicht unzulässig, weil die Klausel im Kaufvertrag wegen Verstoßes gegen die AGBrechtlichen Bestimmungen unwirksam sei. Ein Verzicht auf den Gesundheitsschutz sei als unangemessene Benachteiligung nichtig.
18
Hierzu nahm die Beigeladene zu 1) mit Schriftsatz vom 19. März 2020 Stellung. Die einzuhaltenden Beurteilungspegel seien, wie die schalltechnische Untersuchung ausweise, unterschritten. Das klägerische Grundstück befinde sich in einem faktischen Gewerbegebiet und sei von Gewerbeflächen umgeben. Es stelle selbst das einzige Wohngebäude in der Umgebung dar. Von einem Mischgebiet bzw. einer Gemengelage sei nicht auszugehen. Auf die Annahme einer Gemengelage in der Baugenehmigung für die Errichtung des Drogeriemarktes könnten sich die Kläger nicht berufen. Es liege auch kein Abwägungsfehler hinsichtlich des Bebauungsplans vor. Die Beigeladene zu 2) habe dem Bebauungsplan … ein schalltechnisches Gutachten zugrunde gelegt.
19
Der Beklagte führte mit Schriftsatz vom 20. April 2020 aus, dass das klägerische Grundstück in einem faktischen Gewerbegebiet liege, das durch Einzelhandel und einem großen Wellpappen-Betrieb (Gebäudefläche ca. 23.000 qm, gegenüberliegende Seite der …, südlich des klägerischen Anwesens) geprägt sei. Östlich dieses Betriebs liege ein Einzelhandelsmarkt mit Stellplätzen, eine Fahrschule, ein Sonnenstudio und ein Hörgeräteakustiker, östlich der Kläger ein Drogeriemarkt, ein Bekleidungsgeschäft mit Stellplätzen, ein Sanitätshaus, eine Motorradschmiede, ein Optiker und eine Praxis für Krankengymnastik. An das klagegegenständliche Fachmarktzentrum schließen sich westlich weitere gewerbliche Nutzungen an (Druckerei, Rechtsanwaltskanzlei, Unternehmensberatung, Versicherung, Nachhilfezentrum), bevor wieder eine Mischnutzung entstehe. Ein Gewerbeareal weise auch der Flächennutzungsplan der Beigeladenen zu 2) aus. Eine Wohnnutzung finde neben dem klägerischen Anwesen lediglich in der Industriestr. 10 (zwei Wohnungen, mutmaßlich betriebszugehörige Wohnungen, älter als 1989) und in der … (eine Wohnung) statt; letztere stelle einen Fremdkörper dar. Es sei auch unklar, ob die Wohnung genehmigt sei, jedenfalls seien Baugenehmigungsanträge auf Wohnnutzung hier in der Vergangenheit wegen des faktischen Gewerbegebiets wiederholt abgelehnt worden. Bei dem klägerischen Wohnhaus habe es sich ursprünglich um betriebszugehöriges Wohnen der ab 1954 erbauten Weberei … gehandelt. 1965 sei das Wohngebäude erweitert worden (Anbau und Aufstockung). Das Haus wirke zwar wie ein Mehrfamilienhaus, die genehmigten Grundrisse enthielten aber nur zwei Wohnungen. Es handle sich um einen ersichtlichen Fremdkörper in einem faktischen Gewerbegebiet, dem zwar Bestandsschutz, aber kein höherer (Immissions-)Schutzanspruch zukomme. Bei der Genehmigung für das östlich der Kläger gelegene Einkaufszentrum sei ebenfalls von einem faktischen Gewerbegebiet ausgegangen worden, aber die Immissionsrichtwerte von 57 dB(A) tags und 47 dB(A) nachts angesetzt worden. Für das Gewerbegebiet gelten die Werte der TA Lärm von 65 dB(A) tags und 50 dB(A) nachts. Das Vorhaben sei immissionsschutzrechtlich nicht relevant, weil das Gutachten nachgewiesen habe, dass die Zusatzbelastung die Immissionsrichtwerte 65/50 dB(A) um mindestens 6 dB(A) unterschreite. Der zulässige Nachtrichtwert von 44 dB(A) werde mit einem Maximalwert von 39 dB(A) deutlich unterschritten, der zulässige Tagrichtwert von 59 dB(A) werde mit maximal 58 dB(A) durchgehend eingehalten.
20
Die Beigeladene zu 2) äußerte sich mit Schriftsatz vom 12. Mai 2020 und bezog sich zur Begründung auf den Vortrag des Beklagten und des Beigeladenen zu 1). In der mündlichen Verhandlung vom 6. August 2020 beantragte sie,
die Klage abzuweisen.
21
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Behördenakten einschließlich von Unterlagen der Bebauungsplanakte der Beigeladenen zu 2) (insbesondere des in diesem Zusammenhang erstellten Lärmgutachtens und des Verkehrsgutachtens) und der Bauunterlagen zu den Grundstücken FlNr. 405/71 und 405/72 sowie auf die Gerichtsakten Bezug genommen. Für den Verlauf der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe

22
Die Anfechtungsklage der Kläger (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.), und deshalb abzuweisen.
23
1. Die Klagefrist von einem Monat nach § 74 Abs. 1 VwGO wurde auch von der Klägerin zu 2), der die Baugenehmigung mittels Einschreiben (Aufgabe zur Post am 19.6.2019) zugestellt wurde, mit der Klageerweiterung vom 19. Juli 2020 eingehalten.
24
Der Zulässigkeit der Klage steht nach Ansicht des Gerichts auch nicht die Tatsache entgegen, dass die Kläger eine große Teilfläche für das beklagte Vorhaben der Beigeladenen zu 1) zum Zweck der Errichtung eines Fachmarktzentrums mit Kaufvertrag vom 11. November 2019 verkauft haben und sich in § 21 des notariellen Kaufvertrags zivilrechtlich zusätzlich zur Duldung des Fachmarktzentrums und zur Unterstützung des Verfahrens verpflichtet haben. Ein Rechtsmissbrauch durch die Kläger oder eine sonstige Variante des Fehlens eines Rechtschutzbedürfnisses für die öffentlich-rechtliche Anfechtungsklage gegen das Bauvorhaben ist darin noch nicht zu sehen. Zwar ist es richtig, dass die Kläger damit ihr grundsätzliches Einverständnis mit dem Bauvorhaben ausgedrückt haben, auch weicht die nunmehr genehmigte Planung des Fachmarktzentrum hinsichtlich der Situierung und der Nutzung der Gebäude einschließlich der Zufahrt und der Parkflächen im Vergleich zum Planungsstand im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags nicht nennenswert ab, was sich aus dem Vergleich der Anlage des Kaufvertrags und den Genehmigungsunterlagen ergibt und ist das jetzige Vorgehen und der Sinneswandel der Kläger damit kaum erklärlich. Jedoch sind zivilrechtliche Umstände und Regelungen zwischen den Parteien vom Grundsatz her für das Baugenehmigungsverfahren nicht relevant. Nach Art. 68 Abs. 4 BayBO ergeht die Baugenehmigung vielmehr unbeschadet privater Rechte Dritter. Für die Beteiligung und die Rechte des baurechtlichen Nachbarn trifft Art. 66 BayBO die maßgeblichen Regelungen. Nach der Rechtsprechung steht der Zulässigkeit einer öffentlich-rechtlichen Nachbarklage daraus folgend die Zustimmung des Nachbarn durch Unterschriftsleistung auf den Bauplänen nach Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BayBO entgegen (Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand Dez. 2019, Art. 66 Rn. 158 ff.). Hierzu ist es vorliegend aber gerade nicht gekommen. Nachdem der Rahmen des Einflusses privater Belange auf das öffentlich-rechtliche Bauverfahren in der BayBO selbst gesteckt ist, muss eine Berücksichtigung darüber hinaus gehender privater Umstände sehr kritisch gesehen und in der Regel abgelehnt werden. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Regelung in § 21 des notariellen Kaufvertrags auch ausdrücklich die Rechte „aus der Nachbarschaft“ unberührt lässt und die Duldungspflicht der Kläger eingeschränkt auf „sofern und soweit die Erstellung und der Betrieb des Fachmarktzentrums entsprechend den einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfolgt“. Von der Zulässigkeit der Klage ist somit auszugehen.
25
2. Die Klage ist jedoch unbegründet, da die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 18. Juni 2019 die Kläger im Ergebnis nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
26
Eine Anfechtungsklage hat nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur dann Erfolg, wenn der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist und den Kläger zugleich in eigenen Rechten verletzt. Die objektive Verletzung einer Rechtsnorm allein genügt für den Erfolg der Nachbarklage somit nicht. Vielmehr muss sich die Rechtswidrigkeit zum einen gerade aus einer solchen Norm ergeben, die dem Schutz des Nachbarn dient (Schutznormtheorie, vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009, 14 CS 08.3017 - juris). Zum anderen ist nur eine Rechtsverletzung maßgeblich, die zum Prüfungsumfang im bauaufsichtsrechtlichen Verfahren gehört, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO. Dementsprechend findet im gerichtlichen Verfahren keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt, die Prüfung hat sich vielmehr darauf zu beschränken, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, verletzt sind (vgl. BayVGH a.a.O.). Maßgeblicher Zeitpunkt hierfür ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage, die im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Verwaltungsaktes, d.h. der Erteilung der Baugenehmigung, gegeben war.
27
Vorliegend allein geltend gemacht ist eine Verletzung der Kläger durch die vom Vorhaben ausgehende Immissionen. Der maßgebliche Bebauungsplan Nr. 27 „Sondergebiet Fachmarktzentrum …“ trifft im Hinblick auf Lärm oder andere Immissionen keine Regelungen. Eine Rechtsverletzung zugunsten der Kläger kommt damit nur über das Gebot der Rücksichtnahme in Betracht, das ungeachtet der Frage gilt, ob das Vorhabengrundstück dem beplanten oder unbeplanten Bereich zuzuordnen ist (BayVGH, B.v. 19.3.2015, 9 CS 14.3441 - juris Rn. 23 ff), so dass es insofern auch nicht auf die Wirksamkeit des Bebauungsplanes Nr. 27 der Beigeladenen zu 2) ankommt.
28
Das Gebot der Rücksichtnahme, gesetzlich verankert in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO bzw. § 34 Abs. 1 BauGB, verpflichtet die Baugenehmigungsbehörde, auf schutzwürdige Belange eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter zu achten und vermittelt Nachbarn so Drittschutz (grundlegend BVerwG, U.v. 25.2.1977 - IV C 22/75 - NJW 1978, 62). Das Maß der gebotenen Rücksichtnahme hängt dabei von den besonderen Umständen des Einzelfalles ab. Bei der in diesem Zusammenhang anzustellenden Interessensbewertung ist ausschlaggebend, was den Rücksichtnahmebegünstigten und den zur Rücksichtnahme Verpflichteten nach der jeweiligen Situation, in der sich die betroffenen Grundstücke befinden, im Einzelfall zuzumuten ist. Im Rahmen einer Gesamtschau der von dem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen sind die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten in billiger Weise zumutbar oder unzumutbar ist, gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerwG, U.v. 5.8.1983, a.a.O., und B.v. 10.1.2013, 4 B 48/12 - juris). Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, die er mit seinem Vorhaben verfolgt, desto weniger muss er Rücksicht nehmen (vgl. BVerwG, B.v. 10.1.2013, a.a.O.; BayVGH, B.v. 24.3.2009, a.a.O., juris Rn. 40). Die Bewertung der Zumutbarkeit richtet sich damit insbesondere nach der durch die Gebietsart und die tatsächlichen Verhältnisse bestimmten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit.
29
Diesem Maßstab zugrunde gelegt liegt eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme gegenüber der Kläger aufgrund zu erwartender und mit dem Vorhaben verbundener Lärmimmissionen nicht vor.
30
Zur Bestimmung der Grenze dessen, was im Rahmen des Rücksichtnahmegebots einem Nachbarn an Einwirkungen in Form von Lärmimmissionen zugemutet werden kann, kann im Regelfall auf die Begriffsbestimmungen und Maßstäbe des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) zurückgegriffen werden (BayVGH, B.v. 15.11.2011, 14 AS 11.2305 - juris Rn. 29), in dem die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereichs grundsätzlich allgemein festgesetzt sind (BVerwG, U.v. 23.9.1999, 4 C 6/98 - juris; VG München, U.v. 26.7.2011 - M 1 K 11.2366 - juris Rn. 26). Lärmimmissionen können unzumutbar sein, sofern sie nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG). Dabei wird der Schutz nicht nur im bauplanungsrechtlich selben Gebiet vermittelt, sondern auch für die außerhalb des Baugebiets liegende Umgebungsbebauung. Die Baugenehmigungsbehörde hat bei der Prüfung, ob und inwieweit von einer Anlage Immissionen ausgehen können, der Reichweite der Immissionen nachzugehen. Was an Lärmimmissionen hinzunehmen ist, lässt sich dabei für Gewerbelärm anhand der Immissionsrichtwerte der Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum BImSchG, der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) ermitteln; diese konkretisiert das baurechtliche Rücksichtnahmegebot. Die TA Lärm ist auch geeignet für die Beurteilung von Anlagen, bei denen die Geräusche vornehmlich in den Ruhezeiten und den Nachtstunden durch menschliches Verhalten einschließlich des An- und Abfahrtverkehrs hervorgerufen werden (BayVGH, U.v. 29.7.2002, 1 B 98.3159 - juris Rn. 55).
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Für Gewerbegebiete legt die TA Lärm in 6.1 Abs. 1 b) Immissionsrichtwerte für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden von 65 dB(A) tags und 50 dB(A) nachts fest. Diese Werte dürfen grundsätzlich nicht überschritten werden. Für das Grundstück der Kläger FlNr. 504/72 sind diese Werte maßgeblich. Ihr Grundstück ist, ungeachtet der Wohnnutzung dort, als Teil eines Gewerbegebiets einzustufen. Das ganze Areal rechts und links der … außerhalb des Altstadtrings der Stadt … bis zur Gabelung von … und … Haup straße war und ist deutlich gewerblich geprägt. Das verbleibende Restgrundstück der Kläger stellt das einzige Grundstück mit ausschließlicher Wohnnutzung inmitten dieses Areals dar. Südlich der … befindet sich auf Höhe des klägerischen Anwesens ein Discounter (* …*) sowie Kleingewerbebetriebe (Fahrschule, Sonnenstudio, Hörgeräteakustiker) mit einem größeren Parkplatz, im weiteren Verlauf der … stadtauswärts das sehr große Areal eines Industriebetriebs (Wellpappenbetrieb …*). Wohnnutzung existiert entlang der … auf dieser Straßenseite nicht. Auf der Straßenseite der Kläger findet sich östlich des klägerischen Anwesens (Bereich bis zum Altstadtring) ganz überwiegend und prägend ebenfalls Gewerbe, nämlich insbesondere ein Gebäude mit Drogeriemarkt (Drogerie …*) und Sanitätshaus (Sanitätshaus …*), außerdem weitere kleinere Gewerbe wie ein Optiker, ein Bekleidungsgeschäft und ein Motorradgeschäft. Westlich des jetzigen klägerischen Grundstücks, auf dem nunmehr das Fachmarktzentrum entstehen soll, fand bzw. findet - sowohl auf dem Grundstücksteil, das ehemals den Klägern gehörte, als auch westlich daran anschließend - seit Jahrzehnten Gewerbenutzung statt, unter anderem durch die Weberei der Familie der Kläger und durch die Firma … mit Motorenprüfstand und Verwaltungs- und Betriebswohngebäude. Die wenigen Wohnnutzungen in diesem Bereich, nämlich in der … … (zwei Wohnungen), 12 (klägerisches Anwesen mit zwei Wohneinheiten) und 18 (eine Wohnung) und früher in dem inzwischen abgerissenen L-förmigen Gebäude der Fa. … stellen den Gewerbegebietscharakter des Areals nördlich der … nicht in Frage. Sämtliche Wohnungen standen bzw. stehen in Zusammenhang mit gewerblichen Nutzungen und sind als Betriebs(leiter) wohnungen zu klassifizieren, die nur aufgrund der Zugehörigkeit zu einem Gewerbebetrieb dort genehmigt worden sind bzw. entstehen konnten. Eine solche, einem Betrieb zugeordnete Wohnnutzung ist nicht in der Lage, ein Gebiet zu einem Mischgebiet, das nach § 6 BauNVO gleichermaßen der Gewerbeausübung als auch der Wohnnutzung dient und das nach 6.1 Abs. 1 c) der TA Lärm strengere Immissionsrichtwerte beanspruchen kann, zu machen. Da Betriebsleiterwohnungen dem Gewerbe dienen, stellt die Betriebsleiterwohnung eine gewerbliche Nutzung im Sinne der BauNVO und der TA Lärm dar und stellt den Gewerbecharakter des Gebietes nicht in Frage. Im Übrigen vermögen es die nur ganz vereinzelten Wohnnutzungen im Verhältnis zur gewerblichen Nutzung im maßgeblichen Bereich nicht, die Prägung des Gebiets als Gewerbegebiet hin zu einem Mischgebiet zu verändern. Einzelne Fremdkörper in einem Gebiet prägen den Gebietstyp grundsätzlich nicht.
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Für die zulässigen Lärmwerte auf dem klägerischen Grundstück kommt es nicht auf die unstreitige tatsächliche alleinige Wohnnutzung auf dem Anwesen der Kläger an. Dies ergibt sich schon aus der Formulierung der TA Lärm in Nr. 6.1 Abs. 1, die die Unterscheidung nach Gewerbegebieten, urbanen Gebieten, Kerngebieten, etc. trifft, nicht aber nach entsprechender Nutzung der Anwesen oder Grundstücke. Ebenso ergibt sich dies aus Nr. 6.6 der TA Lärm, wonach sich die Festlegung des Gebietstyps nach dem Bebauungsplan bzw. der entsprechenden Schutzwürdigkeit richtet (vgl. auch VG Würzburg, U.v. 25.8.2015 - W 4 14.451 - juris Rn. 36, VG Aachen, B.v. 8.11.2012 - 3 L 308/12 - juris Rn. 41). Im Übrigen haben die Kläger durch die Teilung ihres Grundstücks ein reines Wohngrundstück überhaupt erst begründet. Eine höhere Schutzwürdigkeit kann durch ein derartiges Vorgehen nicht erwirkt werden.
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Die Kläger dringen auch mit ihrer Argumentation nicht durch, dass bei Entstehung des gewerblichen Anwesens östlich ihres Hauses (Drogeriemarkt u.a.) im Jahr 2013 bauplanerisch von einer Gemengelage, nicht aber von einem Gewerbegebiet ausgegangen worden ist und deshalb auch weiterhin hiervon ausgegangen werden müsse. Für die Beurteilung des Bauvorhabens ist auf die Situation heute und bezogen auf die Umgebung des jetzigen Bauvorhabens abzustellen. Die damalige Einschätzung (2013) der Umgebung eines anderen, lediglich in der Nähe liegenden Grundstücks stellt die Einschätzung nicht zwangsläufig in Frage. Zum einen kann die damalige Einschätzung fehlerhaft bzw. vorsorglich zugunsten der für die Nachbarschaft günstigeren Variante erfolgt sein, um nachzuweisen, dass die Voraussetzungen sogar bei Annahme ungünstigerer Umstände eingehalten sind. Zum anderen beeinflusst gerade das damals beantragte und inzwischen errichtete Vorhaben den Gebietscharakter des Areals heute mit, sodass im Vergleich zu 2013 heute eine andere Beurteilung ohne Vorliegen eines Widerspruchs ohne Weiteres denkbar ist. Durch den übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten zur Bebauung des Areals unter zusätzlicher Heranziehung von früheren und heutigen Plänen und Luftbildern ist die Einstufung des Gesamtareals als Gewerbegebiet im maßgeblichen Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung jedenfalls nicht ernsthaft fraglich und erforderte auch keine weitere Aufklärung.
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Dass die demzufolge an den die Kläger betreffenden IO 5 und 6 einzuhaltenden Immissionsrichtwerte von 65 dB(A) tags und 50 dB(A) nachts nach Nr. 6.1 Abs. 1 b) TA Lärm durch das Vorhaben nicht überschritten werden, belegen die schallschutztechnischen Untersuchungen der M+O, die im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens (Gutachten vom 14.7.2016) und des Baugenehmigungsverfahrens (Gutachten vom 17.9.2018 mit Ergänzung vom 15.1.2019) erstellt wurden. Die Einhaltung sichern darüber hinaus die im streitgegenständlichen Bescheid vom 18. Juni 2019 aufgenommenen Nebenbestimmungen unter Nr. 14 und 15 ab. Zwar wurde eine Ermittlung der Gesamtgeräuschsituation einschließlich derjenigen Emmissionen, die von anderen Geräuschquellen ausgehen, nicht vorgenommen, jedoch konnte die Genehmigung wegen der Erfüllung des sog. Irrelevanzkriteriums nach 3.2.1 Abs. 2 TA Lärm nicht versagt werden. Danach sind die vom Vorhaben ausgehenden zusätzlichen Emissionen in der Regel nicht als relevant anzusehen, wenn die Zusatzbelastung durch das Vorhaben für sich genommen die Immissionswerte am IO nach Nr. 6 der TA Lärm - also hier die Werte von 65 dB(A) tags und 50 dB(A) nachts - um mindestens 6 dB(A) unterschreiten. Dies ist bei den ermittelten maximal 58 dB(A) tags und maximal 39 dB(A) nachts der Fall. Durch die Festschreibung der Maximalwerte nach der Irrelevanzregel im Bescheid (Nebenbestimmung Nr. 15) mit 59 dB(A) tags und 44 dB(A) nachts sind diese Werte auch für die Zukunft gesichert.
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Zweifel an der Richtigkeit der schalltechnischen Untersuchung hat das Gericht nicht. Durchgreifende Einwände haben die Kläger dagegen nicht vorgebracht. Die im Gutachten zugrunde gelegten Parameter wie Größe und Anzahl der Verkaufs- und Stellplatzflächen entsprechen den Bauunterlagen, insbesondere den Bauplänen und der Betriebsbeschreibung. Im ergänzten Gutachten vom 15. Januar 2019 sind dabei klar auch der Verkehrslärm und der Lieferantenverkehr auf den Parkflächen und im Bereich der Anlieferungszone sowie lärmverursachende Geräte wie Klimaanlagen der Geschäftsflächen berücksichtigt. Plausibel, sachlich begründet und von Klägerseite auch nicht konkret in Zweifel gezogen ist die Untersuchung dabei auch in Bezug auf die zugrunde gelegten technischen Basiswerte z.B. für LKW-Kühlaggregate, Ladearbeiten, Klimaanlagen und die Benutzung der Einkaufswagen.
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Die für die Berechnung angesetzte Verkehrsbelastung von 2110 Kraftfahrzeugbewegungen pro Tag entspricht dem von der Beigeladenen zu 2) für das Bebauungsplanverfahren in Auftrag gegebenen verkehrstechnischen Untersuchung der … vom 14. Juli 2016 (dort S. 7), dem die Klägerseite lediglich pauschal entgegen hält, dass aus ihrer Sicht realistischerweise 4.000 Fahrzeugbewegungen anzunehmen seien. Die im beigezogenen Verkehrsgutachten im Einzelnen dargelegten Berechnungen und Annahmen können durch das bloße In-den-Raum-Stellen von anderen Zahlen, die aber nicht weiter hergeleitet werden, nicht erschüttert werden, zumal die angesetzten Werte von fachlicher Seite durch den Immissionsschutzingenieur des Landratsamtes für plausibel erachtet werden, wie dieser in der mündlichen Verhandlung vom 6. August 2020 auch nochmals ausdrücklich bestätigte. Ebenfalls nur pauschal kritisierten die Kläger den angenommen Anteil des motorisierten Individualverkehrs von 40% bei den Beschäftigten und 65% bei den Kunden, den der Bürgermeister der beigeladenen Stadt … demgegenüber mit dem relativ hohen Fahrradverkehr plausibel erklärte.
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Die Anlieferung der Waren nur während der Tagzeit, wie im Gutachten angenommen, wurde im Genehmigungsverfahren zwar nicht im Wege von Nebenbestimmungen abgesichert, die Verpflichtung zur Einhaltung der genannten Zeiten ergibt sich jedoch aus der Betriebsbeschreibung selbst, wo ausdrücklich ausgeführt ist, dass die Anlieferung nur während der Betriebszeit erfolgt, die mit 6.00 bis 20.00 Uhr angegebenen wird. Dass eine Anlieferung nur außerhalb der Öffnungszeiten der Geschäfte erfolgen kann, erschließt sich dem Gericht ebenfalls nicht. Auch bei (teilweiser) Belegung der Parkflächen erscheint ein LKW-Anlieferverkehr aufgrund der Örtlichkeiten nicht von vorneherein ausgeschlossen. Die Begründung, inwieweit die - im Vergleich zur ursprünglichen Planung geänderten - Fahrradabstellplätze Einfluss auf die Lärmintensität des Lieferverkehrs haben sollen, blieb der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung schuldig. Dies ist in keiner Weise nachvollziehbar.
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Von dem streitgegenständlichen Vorhaben sind nach alledem entsprechend der Schallschutzuntersuchung der … keine unzumutbaren Lärmimmissionen für die Kläger zu erwarten, da die Anforderungen der TA Lärm eingehalten sind. Zusätzliche lärmverringernde Maßnahmen können die Kläger damit nicht beanspruchen. Dies gilt umso mehr, als im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme zu Lasten der Kläger vorliegend möglicherweise zusätzlich noch zu berücksichtigen wäre, dass die Kläger durch den Verkauf der Flächen an die Beigeladene zu 1) das konkrete Vorhaben und damit die eigene Belastung erst ermöglicht haben und vom Vorhaben außerdem finanziell erheblich profitiert haben. Dies dürfte die Schutzwürdigkeit der Kläger, was bei der Prüfung des Rücksichtnahmegebots zu berücksichtigen ist, herabsenken. Letztlich kann dies aber dahinstehen, weil die Einhaltung der allgemeinen Lärmgrenzwerte der TA Lärm ausreichend gesichert ist.
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Auf eine eventuelle Überschreitung der Lärmrichtwerte an anderen IO - hier im Wohngebiet jenseits des … im Norden des Vorhabens- und des klägerischen Grundstücks - können sich die Kläger mit ihrer Klage nicht berufen.
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Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme durch Abgase, Ruß und Staub wird ebenfalls lediglich pauschal behauptet. Im faktischen Gewerbegebiet, in dem sich die Kläger befinden, sind die für diese Gebietsart typischen, gegenüber Wohngebieten in der Regel erhöhten Werte hinzunehmen.
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3. Die Kostenentscheidung der damit erfolglosen Klage beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Nachdem sich die Beigeladenen mit ihren Antragstellungen dem Prozesskostenrisiko ausgesetzt haben, entspricht es der Billigkeit, ihnen ihre außergerichtlichen Kosten zu ersetzen.
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4. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.