Titel:
Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens
Normenketten:
BauGB § 34 Abs. 1, Abs. 2, § 36 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 3
BayBO Art. 8, Art. 14 Abs. 2, Art. 67
BV Art. 11 Abs. 2
GG Art. 28 Abs. 2 S. 1
StVO § 33 Abs. 2 S. 2, § 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 10
Leitsätze:
1. Ein Betroffener verliert das Recht, eine fehlerhafte Bekanntgabe zu rügen, wenn er vorbehaltlos die Handlung vornimmt, die ihm der Verwaltungsakt aufgibt, oder wenn er die gegen den Verwaltungsakt vorgesehenen Rechtsbehelfe einlegt, ohne die fehlerhafte Bekanntgabe zu rügen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bauordnungsrechtliche Vorschriften zum Schutz gegen Verunstaltungen und zur Wahrung der Verkehrssicherheit bezwecken nicht den Schutz der gemeindlichen Planungshoheit und berechtigen die Gemeinde nicht zur Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
erteilte Baugenehmigung für beleuchtete Werbetafel im unbeplanten Innenbereich, Klage einer das Einvernehmen verweigernden Gemeinde, Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens, mangelnde Zustellung des Baugenehmigungsbescheids an die Gemeinde, Art. 8, 14 BayBO dienen nicht dem Schutz der gemeindlichen Planungshoheit, Sanierungsgenehmigung, Werbeanlagensatzung, Ausnahmegenehmigung nach Straßenverkehrsrecht, Ausnahmegenehmigung, gemeindliches Einvernehmen, Ersetzungsverfahren, Baugenehmigung, Plakatanschlagstafel, Straßenverkehr, Werbeanlage
Fundstelle:
BeckRS 2020, 26544
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens
einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen die der Beigeladenen zu 1) mit Bescheid des Beklagten vom 28. Januar 2019 erteilte bauaufsichtliche Genehmigung zur Errichtung einer doppelseitigen beleuchteten Plakatanschlagstafel auf Monofuß auf dem Grundstück …, … (Flurstück …, Gemarkung …).
2
Die Klägerin ist eine kreisangehörige Gemeinde im Landkreis … Die Beigeladenen sind geschäftsmäßig in der Aufstellung und Vermietung von Außenwerbeanlagen tätig. Mit Bauantrag vom 20. Juli 2016 begehrte die Beigeladene zu 1) unter Vorlage der Einverständniserklärung des Grundstückseigentümers des Flurstücks …, Gemarkung …, die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung einer doppelseitigen beleuchteten Plakatanschlagstafel auf Monofuß auf dem Grundstück Flurnummer …, Gemarkung …, …, … (Vorhabengrundstück). Ebenfalls mit Schreiben vom 20. Juli 2016 beantragte die Beigeladene zu 1) die sanierungsrechtliche Genehmigung der genannten Plakatanschlagstafel.
3
Das Vorhabengrundstück befindet sich nördlich des … und östlich der …straße, die in nördlicher Richtung stadtauswärts in die … Straße übergeht. Die Plakatanschlagstafel soll an der Einmündung des … in die …straße an der westlichen Grundstücksgrenze errichtet werden, wobei die Werbetafel parallel zur Fahrbahn … errichtet werden soll. Das Vorhabengrundstück ist an dieser Stelle asphaltiert, gegenüber der Geländeoberkante Straße/Gehweg erhöht, mit einem Geländer abgegrenzt und wird in diesem Bereich als Parkplatz genutzt. An der Südseite verläuft über mehrere Meter eine Hecke, die am gekrümmten westlichen Ende des Grundstückes endet. Nördlich der asphaltierten Fläche befindet sich eine Grünfläche mit Baumbestand. Nach der Einmündung des … in die … fällt diese ab, macht eine S-Kurve und wird schließlich durch einen Tunnel (Eisenbahnüberführung) geleitet. Die Maße der Plakattafel betragen 2,66 m x 3,50 m, wobei die Werbeanlage einschließlich des Monofußes und Beleuchtung eine Gesamthöhe von 5,30 m ab Geländeoberkante erreicht. Der Monofuß allein hat eine Höhe von 2,50 m. Die Beleuchtung erfolgt über zwei Thermoleuchten. In der näheren Umgebung finden sich weitere Werbeanlagen und Hinweisschilder. Hinsichtlich der Örtlichkeit wird im Übrigen auf das Protokoll über die Durchführung des Ortsaugenscheintermins vom 16. August 2019 und die dort gefertigten Lichtbilder verwiesen.
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Die Klägerin verweigerte gegenüber dem Beklagten mit Schreiben vom 16. August 2016 ihr gemeindliches Einvernehmen und verwies auf die Nähe zur Eisenbahnüberführung und zur unfallträchtigen Einmündung des … in die …, die befürchtete Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, die störende Häufung von Werbeanlagen, die Überdimensionierung und die zu erwartende Bezugsfallwirkung. Außerdem sei „die sanierungsrechtliche Genehmigung nach §§ 144, 145 BauGB nicht erteilt“ worden.
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Mit Schreiben vom 10. Januar 2017 erhob die Beigeladene zu 1) bei dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach Untätigkeitsklage, die nach Erlass des Ablehnungsbescheides des Beklagten vom 1. Februar 2017 als Verpflichtungsklage auf Baugenehmigungserteilung fortgesetzt wurde (Az. AN 9 K 17.00053). In diesem Verfahren fand am 9. Mai 2018 vor der zuständigen Kammer eine Augenscheineinnahme und mündliche Verhandlung statt. Wie sich dem dort gefertigten Protokoll entnehmen lässt, sicherte die Beklagte, nach Erörterung der Sach- und Rechtslage, die Erteilung der beantragten Baugenehmigung zu, woraufhin das Verfahren beidseitig für erledigt erklärt und durch Beschluss eingestellt wurde.
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Mit Schreiben vom 8. August 2018 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass gegen den Ablehnungsbescheid vom 1. Februar 2017 Klage erhoben worden und bei der erfolgten mündlichen Verhandlung festgestellt worden sei, dass die vorgetragenen Punkte der Klägerin und des Landratsamtes nicht ausreichen würden, um eine Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu begründen. Auch die sonstigen vorgetragenen Punkte würden nach Ansicht des Gerichts für eine Ablehnung nicht ausreichen. Daher sei der Ablehnungsbescheid vom 1. Februar 2017 zurückgenommen und eine bauaufsichtliche Genehmigung in Aussicht gestellt worden. Die Klägerin werde daher gebeten, das gemeindliche Einvernehmen erneut zu prüfen und dieses gegebenenfalls zu erteilen. Sollte eine ablehnende Stellungnahme mit derselben Begründung wie 2016 erfolgen, müsse der Beklagte das gemeindliche Einvernehmen ersetzen. Aufgrund Beschlusses vom 10. Oktober 2018 verweigerte die Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 16. Oktober 2018 erneut ihr Einvernehmen, da durch die Werbeanlage die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs an der Kreuzung … Straße gefährdet sei, Art. 14 Abs. 2 BayBO. Es sei beantragt, die Werbeanlage unmittelbar im Kreuzungsbereich … Straße aufzustellen. An diesem Knotenpunkt würden sowohl für motorisierte Verkehrsteilnehmer als auch für Radfahrer und nicht zuletzt Fußgänger sehr eingeschränkte Sichtverhältnisse vorliegen. Der gekrümmte und in Nord-Süd-Richtung S-förmig gestaltete Verlauf der … sei schwer zu überblicken. Dies werde durch das ansteigende bzw. abfallende Gelände verstärkt. Die Sichtbeziehung auf der … Straße zum … sei in beide Richtungen stark eingeschränkt. Der Blick sei durch Wohngebäude und durch die Tunneleinfahrt beeinträchtigt. Aufgrund der Unübersichtlichkeit der Einfahrt des … in die … Straße/ … seien zwei Verkehrsspiegel angebracht worden, welche in unterschiedliche Richtungen zeigen würden. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit sei auf 30 km/h reduziert worden. Gerade auch aufgrund der Beleuchtung gehe die Wirkung der geplanten Anlage über die einer normalen Plakatwand hinaus. Außerdem entspreche die Gestaltung der baulichen Anlage nicht den Anforderungen des Art. 8 BayBO. Unter anderem die Höhe, die Gestaltung der Oberfläche, aber vor allem die Beleuchtung würden zu einer Verunstaltung des Straßen-, Orts- und Landschaftsbildes führen.
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Mit Bescheid vom 28. Januar 2019 erließ der Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens. Das Vorhaben sei nach Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungspflichtig. Es sei weiter genehmigungsfähig, weil es öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht widerspreche, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen seien, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO. Die Werbeanlage solle im bauplanungsrechtlichen Innenbereich (§ 34 BauGB) errichtet werden. Das Gebiet werde bauplanungsrechtlich als Mischgebiet eingestuft. Werbeanlagen seien in Mischgebieten generell zulässig. Eine störende Häufung von Werbeanlagen liege nicht vor. Die Voraussetzungen für eine Versagung der Genehmigung auf Grundlage des Art. 14 BayBO seien nicht gegeben, wie bereits vom Verwaltungsgericht Ansbach in dem früheren Ortstermin festgestellt worden sei. Das verweigerte gemeindliche Einvernehmen sei zu ersetzen. Die formelle Rechtmäßigkeit sei gegeben. Mit Schreiben vom 8. August 2018 sei die Klägerin vor Erlass der Genehmigung nach Art. 67 Abs. 4 Satz 1 BayBO angehört worden. Sie sei zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert worden, im Rahmen derer das bereits verweigerte gemeindliche Einvernehmen gemäß Art. 67 Abs. 4 Satz 2 BayBO erneut überprüft werden sollte. Da mit der Versagung des gemeindlichen Einvernehmens nach dem Beschluss vom 10. Oktober 2018 die gemeindliche Rechtsansicht aktueller und endgültig bestätigt worden sei, sei diese von dem Beklagten als die ausschlaggebende angesehen worden, welche die erste Verweigerung vom 16. August 2016 überlagert habe. Daher sei die neue Verweigerung Gegenstand des Ersetzungsverfahrens. Die Ersetzung sei auch materiell rechtmäßig erfolgt, denn die vorgetragene Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs stelle keinen städtebaulichen Versagungsgrund dar, womit das gemeindliche Einvernehmen nicht aus städtebaulichen Gründen, § 34 BauGB, versagt worden sei. Weiter sei eine Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs durch die Werbeanlage nicht gegeben. Ein Abdruck der Baugenehmigung vom 28. Januar 2019 wurde an die Klägerin versandt.
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Gegen den Bescheid vom 28. Januar 2019 hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 28. Februar 2019, bei dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach per Fax eingegangen am selben Tag, Klage erhoben und mit Schreiben vom 6. August 2019 und 13. Januar 2020 im Wesentlichen ausgeführt, dass das gemeindliche Einvernehmen zu Recht nicht erteilt worden sei. Bei dem Begehren der Beigeladenen zu 1) handele es sich um die Errichtung einer Fremdwerbeanlage. Diese sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 3.12.1992 - 4 C 27/91) planerisch wie ein Gewerbebetrieb zu behandeln. Zwar befinde sich das Vorhabengrundstück bauplanungsrechtlich in einem Mischgebiet. Auf diesem Gebiet bestehe städtebauliche Relevanz dann, wenn die Anlage Belange erfasse und berühre, welche im Hinblick auf das grundsätzliche Gebot des § 1 Abs. 3 BauGB i.V.m. § 1 Abs. 5 BauGB auch städtebauliche Betrachtungen und Ordnung verlange. Hierzu zähle auch das Ortsbild der Gemeinde (vergleiche §§ 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4, 34 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 BauGB). Die geplante Werbeanlage beeinträchtige das Ortsbild im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 BauGB, denn sie füge sich nicht in das Ortsbild ein.
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Die beantragte Fremdwerbeanlage verstoße auch gegen die Werbeanlagensatzung der Klägerin vom 26. April 2019. Insbesondere seien die Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Werbeanlagensatzung nicht erfüllt. Auch überschreite die Fremdwerbeanlage in Größe und Positionierung die Vorgaben des § 2 Abs. 2 der Werbeanlagensatzung. Im Übrigen stünde die Errichtung einer beleuchteten Werbeanlage im Widerspruch zur Intention des Gesetzgebers, insbesondere im Hinblick auf Art. 15 BayImSchG, und zum in der Bevölkerung bestehenden Konsens weitere Lichtverschmutzungen zu vermeiden.
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Weiter führe die geplante Werbeanlage zu einer Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs. Die Baugenehmigung wäre aufgrund von Art. 14 BayBO zu versagen gewesen. Die Baugenehmigung konterkariere Bemühungen von Klägerin, Polizei und Straßenverkehrsbehörde des Landratsamtes …, Schäden, auch für Leib und Leben, von Menschen abzuwenden. Von der Fremdwerbeanlage gingen demnach Belästigungen und Störungen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO aus, die in dieser Umgebung unzumutbar seien. Die Beklagte habe die verkehrlichen Belange im streitgegenständlichen Bescheid nicht ausreichend berücksichtigt. Es sei keine konkrete Auseinandersetzung mit der Verkehrssituation erfolgt. Vielmehr sei lediglich darauf verwiesen worden, dass das Gericht im vorherigen Verfahren festgestellt habe, dass keine Gefährdung für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu befürchten sei. Es werde verkannt, dass das Gericht lediglich eine vorläufige Bewertung vorgenommen habe. Der Beklagte hätte aber den Sachverhalt vor Bescheidserlass umfassend ermitteln und eine ermessensfreie Entscheidung treffen müssen. Die Klägerin als zuständige Straßenverkehrsbehörde halte nach wie vor eine Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs für gegeben. Eine Werbeanlage könne eine Gefährdung der Verkehrssicherheit bewirken, wenn sie für den vorbeifahrenden Kraftfahrer in einer Blickrichtung angebracht sei, in der sie für die Verkehrssituation wichtige Aspekte verdecken oder überlagern würde. Es genüge die Feststellung, dass die konkrete Situation die Befürchtung nahelege, dass möglicherweise durch Zusammentreffen mehrerer gefahrenträchtiger Umstände irgendwann in überschaubarer Zukunft und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit, die zu bekämpfende Gefahrenlage eintrete (so VG Würzburg, U.v. 27.7.2017 - W 5 K 17.64). Entsprechend des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 2003 seien bei einer in Frage stehenden Gefährdung von Leben und Gesundheit keine übermäßig hohen Anforderungen an die Feststellung der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu stellen. Konkret stelle sich die Situation so dar, dass in der … im Bestand eine durchschnittliche Verkehrsstärke von rund 10.000 Fahrzeugen vorhanden sei. An der Kreuzung selbst führen in der Spitzenstunde rund 950 Fahrzeuge. In der Mittagsspitze von 13.00 bis 14.00 Uhr seien rund 70 Radfahrer unterwegs. Die Zahlen würden durch die beigefügte Verkehrszählung aus dem Gutachten des Büros … aus Oktober 2019 belegt. Trotz Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Kreuzungsbereich auf 30 km/h im Jahr 2009 seien weitere Unfälle, teils mit Schwerverletzten, festgestellt worden. Mit insgesamt neun Beteiligungen von Fußgängern (1) sowie Rad- (2) und Kradfahrern (6) sei eine erhebliche Beteiligung von besonders zu schützenden Verkehrsteilnehmern vorhanden. Die neue Fußgängerampel leite nur die Fußgänger sicher über die Straße. An dieser Kreuzung sei die Aufmerksamkeit aller Verkehrsteilnehmer in höchstem Maße erforderlich und zwar sowohl stadtein- als auch stadtauswärts fahrend (* … Straße/ …*) als auch vom … in die … Straße/ … einfahrend. Auf der … stadtauswärts fahrend sei die bei Bedarf eingestellte Lichtzeichenanlage zu beachten. Die Verkehrsteilnehmer würden aber durch die sehr spät ins Blickfeld geratende Werbetafel abgelenkt. Der vom … ausfahrende Verkehr müsse die Verkehrsspiegel und die Straße samt Radfahrer in Blick haben. Auch befinde sich im Kreuzungsbereich die private Ausfahrt des Verteilzentrums Post. Ein weiterer Gefahrenpunkt sei die Zufahrt bzw. Querverbindung von der … zur … Diese sei die Querverbindung vom … zum Bahnhof. An diesem Kreuzungsbereich seien Verkehrsbeziehungen gegeben, die mit einer durchschnittlichen T-Kreuzung nicht zu vergleichen seien.
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Zudem sei der Beklagte mit Inbetriebnahme der Lichtzeichenanlage an der Kreuzung am 4. April 2019 für die Entscheidung über die Werbeanlage sachlich nicht mehr zuständig gewesen, was dem Beklagten bei Bescheidserlass auch bekannt gewesen sei. Die Aufstellung der Werbeanlage berühre den Schutzbereich des straßenverkehrsrechtlichen Verbots nach § 33 Abs. 2 Satz 1 StVO und sei daher nicht genehmigungsfähig (OVG Münster v. 18.9.1992 - 11 A 149/91; VGH BW v. 22.1.1986 - 8 S 3307/85; VG Würzburg v. 27.3.2012 - W 4 K 11.375). Durch die beleuchtete Werbeanlage werde für den auf der … Straße/ … stadtauswärts und auch stadteinwärts fahrenden Verkehr die Deutlichkeit des Signals massiv beeinträchtigt. Es handele sich hier nicht um eine theoretische, sondern eine konkrete Gefahr. Um eine Gestattung zu erreichen, wäre eine Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 c der Verordnung über die Zuständigkeiten im Verkehrswesen der Regierung … nötig. Diese sei weder beantragt noch erteilt worden. Diese Ausnahmegenehmigung sei vorrangig gegenüber der Gestattung im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens.
12
Die Klägerin beantragt zuletzt,
Die bauaufsichtliche Genehmigung des Beklagten vom 28. Januar 2019 wird aufgehoben.
13
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen und führte zur Begründung mit Schreiben vom 10. Oktober 2019 und vom 25. Februar 2020 im Wesentlichen aus, dass in Mischgebieten, wie es hier faktisch vorliege, gemäß § 6 BauNVO sonstige Gewerbebetriebe, also auch die Errichtung von Werbeanlagen, allgemein zulässig seien. Auch sei das Ortsbild nicht beeinträchtigt. Bei der Prüfung einer Beeinträchtigung des Ortsbildes sei auf das Erscheinungsbild eines größeren Bereichs der Gemeinde abzustellen, die über die nähere Umgebung hinausgehe. Dabei müsse das Ortsbild eine gewisse Wertigkeit für die Allgemeinheit und einen besonderen Charakter aufweisen, die dem Ort oder Ortsteil eine aus dem üblichen herausragende Prägung verleihe (vgl. BVerwG v. 11.5.2000 - NVmZ 2000, 1169). Die Umgebung stelle sich jedoch als normales Mischgebiet mit verschiedenen Gewerbebetrieben und Wohngebäuden dar. Auch die vorgetragene Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sei nicht gegeben. So habe das Gericht bereits im Verfahren AN 9 K 17.00053 festgestellt, dass aller Voraussicht nach keine solche Gefährdung vorliege. Dieser Auffassung sei der Beklagte gefolgt und habe den Ablehnungsbescheid vom 1. Februar 2017 aufgehoben. Trotz Aufforderung habe die Klägerin ihr gemeindliches Einvernehmen verweigert. Da bereits gerichtlich festgestellt worden sei, dass eine Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nicht vorliege, sei das gemeindliche Einvernehmen ersetzt und die Baugenehmigung erteilt worden. Ein Verstoß gegen die Werbeanlagensatzung der Klägerin könne schon deshalb nicht berücksichtigt werden, da diese Satzung erst am 26. April 2019 in Kraft getreten sei, die Baugenehmigung jedoch bereits am 28. Januar 2019 erteilt worden sei. Das Landratsamt sei weiter zum damaligen Zeitpunkt für die Erteilung der Baugenehmigung auch zuständig gewesen. Zwar sei dem Landratsamt mit Stellungnahme der Klägerin vom 19. Oktober 2018 mitgeteilt worden, dass eine Lichtzeichenanlage an der betroffenen Kreuzung geplant sei, nicht jedoch der genaue Standort oder ein Zeitpunkt, bis wann die Lichtzeichenanlage errichtet werden solle. Da die Lichtzeichenanlage somit nur in Planung gewesen sei, sei das Landratsamt zu diesem Zeitpunkt für die Erteilung der Genehmigung zuständig gewesen.
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Die mit Beschluss vom 1. März 2019 notwendig Beigeladene zu 1) beantragt,
die Klage abzuweisen und führt insbesondere aus, dass das nicht erteilte gemeindliche Einvernehmen zu Recht ersetzt worden sei.
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Die Beigeladene zu 2), mit Beschluss vom 20. März 2020 notwendig beigeladen, zeigte mit Schriftsatz vom 8. Februar 2019 gegenüber dem Beklagten an, dass sie ab sofort Bauherrin für das streitgegenständliche Vorhaben sei. Sie beantragt zuletzt,
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Mit Antrag vom 7. Februar 2018 beantragte die Beigeladene zu 1) die sanierungsrechtliche Genehmigung zur Errichtung einer doppelseitigen beleuchteten Plakatanschlagstafel auf Monofuß auf dem Grundstück Flurnummer …, Gemarkung …, …, … (Vorhabengrundstück), deren Erteilung die Klägerin mit Bescheid vom 6. März 2019 ablehnte. Daraufhin erhob die Beigeladene zu 1) Klage vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach auf Erteilung der sanierungsrechtlichen Genehmigung (AN 17 K 19.00720).
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Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten zu dem Verfahren sowie die beigezogenen Gerichts- und Verwaltungsakten zu dem Verfahren AN 17 K 19.00720 und die beigezogenen Akten des Verfahrens AN 9 K 17.00053, das Protokoll über den Ortsaugenscheintermin vom 16. August 2019 samt Lichtbildern und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2020 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Klägerin wird durch die unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens an die Beigeladene zu 1) erteilte Baugenehmigung des Landratsamts … vom 28. Januar 2019, die zugleich als Ersatzvornahme i.S.v. Art. 113 GO bezüglich der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens gilt (§ 67 Abs. 3 Satz 1 BayBO), nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Maßgeblich für den Erfolg einer Drittanfechtungsklage (hier der Gemeinde) ist, ob der Dritte (hier die Gemeinde) eine Rechtsverletzung geltend machen kann. Dies ist nicht der Fall. Die Klägerin wird durch den streitgegenständlichen Bescheid nicht in ihrer durch Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 BV geschützten und einfachgesetzlich durch § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB garantierten kommunalen Planungshoheit verletzt.
20
Über die Zulässigkeit von Bauvorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB wird im bauaufsichtlichen Verfahren von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden, § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Das Erfordernis des gemeindlichen Einvernehmens dient dabei der Sicherung der in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV verankerten gemeindlichen Planungshoheit. Durch das Erfordernis des Einvernehmens wird die Gemeinde als sachnahe und fachkundige Behörde und als Trägerin der Planungshoheit im Genehmigungsverfahren dort, wo sie noch nicht geplant hat bzw. wo von den Festsetzungen einer städtebaulichen Satzung abgewichen werden soll, mitentscheidend an der Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens beteiligt. Entspricht ein zulässiges Vorhaben nicht den planerischen Vorstellungen der Gemeinde, kann diese den Maßstab für die Zulässigkeitsprüfung durch Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans ändern und planungssichernde Maßnahmen ergreifen (vgl. BayVGH, B.v. 24.11.2008 - 1 ZB 08.1462 - juris Rn. 14; BVerwG, B. v. 11.8.2008 - 4 B 25.08 - juris.). Da die Gemeinde ihr Einvernehmen nur aus den in § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB genannten Gründen versagen darf, sind die Voraussetzungen der §§ 31, 33 bis 35 BauGB auf das Rechtsmittel der Gemeinde hin in vollem Umfang nachzuprüfen (vgl. BayVGH, B.v. 5.8.2019 - 9 CS 19.581 - juris Rn 19). Dies bedeutet im Ergebnis, dass auf die Klage einer Gemeinde gegen die Ersetzung ihres Einvernehmens bei einem Bauvorhaben, das wie hier unstreitig im unbeplanten Innenbereich gelegen ist, die Voraussetzungen des § 34 BauGB in vollem Umfang nachzuprüfen sind. Die Gemeinde beruft sich insoweit auf eigene Rechte (vgl. hierzu:. BayVGH, BayVGH, B.v. 24.11.2008 - 1 ZB 08.1462 - juris Rn. 14). Verstöße gegen andere Normen können einem Rechtsmittel der Gemeinde jedoch nur dann zum Erfolg verhelfen, wenn sie auch dem Schutz der Gemeinde - insbesondere ihrer Planungshoheit - zu dienen bestimmt sind (vgl. BVerwG, B.v. 10.1.2006 - 4 B 48/05 - juris Rn. 5).
21
Die Klägerin hat ihr Einvernehmen zu Unrecht verweigert. Der Beklagte hat es zu Recht gemäß Art. 67 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 BayBO ersetzt. Für diese Prüfung ist maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des mit der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens verbundenen Bescheids abzustellen (vgl. BayVGH, B.v. 5.8.2019 - 9 CS 19.581 - juris Rn 19).
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1. Eine Verletzung von formellen Voraussetzungen für die Ersetzung des Einvernehmens, auf die sich die Klägerin berufen könnte, liegt nicht vor.
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Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB im Einvernehmen mit der Gemeinde zu entscheiden. Die nach Landesrecht zuständige Behörde (hier: das Landratsamt …*) „kann“ nach § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB ein rechtswidrig versagtes Einvernehmen der Gemeinde ersetzen, nach Art. 67 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO „ist“ es in den Fällen des § 36 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BauGB, wie er hier vorliegt, nach Maßgabe von Art. 67 Abs. 2 bis 4 BayBO zu ersetzen.
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Die Klägerin wurde durch Schreiben des Landratsamts vom 8. August 2018 zur geplanten Ersetzung des Einvernehmens ordnungsgemäß angehört. Ihr wurde unter Setzung einer angemessenen Frist, die auch nochmals verlängert wurde, und Darlegung der wesentlichen rechtlichen Aspekte die Gelegenheit gegeben, nochmals über das gemeindliche Einvernehmen zu entscheiden und dieses gegebenenfalls zu erteilen. Ebenso wurde die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens durch den Beklagten in Aussicht gestellt. Die mitgeteilten Informationen zu Verfahrensstand und Rechtslage waren insoweit ausreichend, insbesondere wurde hinreichend deutlich, dass beabsichtigt ist, das gemeindliche Einvernehmen zu ersetzen und die Baugenehmigung zu erteilen.
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Unschädlich ist hierbei, dass das gemeindliche Einvernehmen zum mit Bauantrag vom 20. Juni 2016 beantragten Bauvorhaben bereits vor Erlass des mittlerweile aufgehobenen Ablehnungsbescheides vom 1. Februar 2017 verweigert wurde. Einer erneuten Beteiligung nach Art. 36 BauGB vor der Baugenehmigungserteilung vom 28. Januar 2019 bedurfte es gerade nicht, denn bereits mit der in 2016 erfolgten Beteiligung nach § 36 BauGB wurde dem in Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 BV geregeltem Selbstverwaltungsrecht und insbesondere der gemeindlichen Planungshoheit umfassend Rechnung getragen. Ohnehin wurde an dem Bauantrag unverändert festgehalten. Der Beklagte konnte die Klägerin sogleich im Hinblick auf die beabsichtigte Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens gemäß Art. 67 Abs. 4 Satz 1, 2 BayBO anhören (vgl. hierzu auch: VG München, U.v. 12.4.2016 - M 1 K 15.3512 - juris).
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Auch die erforderliche Begründung der Einvernehmensersetzung erfolgte gemäß Art. 67 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 BayBO, Art. 39 BayVwVfG ordnungsgemäß im Baugenehmigungsbescheid. Der Beklagte hat insoweit ausgeführt, dass die Klägerin ihr Einvernehmen rechtswidrig versagt habe und dass der Beigeladenen zu 1) ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Baugenehmigung zustehe, da es den zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht entgegenstehe. Das Einvernehmen sei daher zu ersetzen gewesen, § 36 Abs. 1 BauGB. Die Ersetzung des Einvernehmens kann - wie hier geschehen - in den Gründen des Bescheids vorgenommen werden, weil weder § 36 BauGB noch Art. 67 BayBO eine bestimmte Form der Ersetzungsentscheidung vorgeben (vgl. VG Augsburg, U.v. 18.8.2016 - Au 5 K 14.810 - juris). Insbesondere muss die Ersetzung des Einvernehmens im Tenor der Baugenehmigung nicht eigens ausgesprochen werden (vgl. Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, 135. EL Dezember 2019, Art. 67 Rn. 129). Vielmehr gilt die Baugenehmigung schon nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 67 Abs. 3 Satz 1 BayBO zugleich als Ersatzvornahme.
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Zwar ist die Baugenehmigung der Klägerin, die das gemeindliche Einvernehmen verweigert hat, nach Aktenlage nicht zugestellt worden, Art. 68 Abs. 2 Satz 3 BayBO. Sofern man dies überhaupt als formelle Voraussetzung einer rechtmäßigen Ersetzung ansieht, führt eine Verletzung derselben jedenfalls nicht zum Vorliegen eines formellen Fehlers bzw. nicht zu einer Rechtsverletzung der Klägerin. Da es sich bei der fingierten Ersatzvornahme, Art. 113 GO, um einen Verwaltungsakt gegenüber der Gemeinde handelt, ist dieser der Gemeinde bekanntzugeben, Art. 41 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, und zwar auch, wenn die Ersatzvornahme durch eine Baugenehmigung, Art. 68 BayBO, fingiert wird. Die Bekanntgabe erfolgt mit Zustellung, Art. 68 Abs. 2 Satz 3 BayBO (vgl. hierzu: Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, 135. EL Dezember 2019, Art. 67, Rn. 132 f.). Art. 68 Abs. 2 Satz 3 BayBO ist an die Stelle des Art. 79 Abs. 7 BayBO 1994 getreten, der lediglich vorschrieb, dass die Gemeinde von der Erteilung der Baugenehmigung unter Beifügung einer Ausfertigung des Bescheides zu unterrichten ist. Bei dieser bloßen Information der Gemeinde konnten für den Bauherren erhebliche Rechtsunsicherheiten bezüglich des Fristenlaufes für den Widerspruch entstehen. Diese Rechtsuntersicherheit sollte durch den nunmehr geltenden Art. 68 Abs. 2 Satz 3 BayBO ausgeräumt werden (vgl. Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, 135. EL Dezember 2019, Art. 68, Rn. 551 unter Verweis auf die Gesetzesbegründung zur BayBO 1998).
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Die Klägerin hat die Baugenehmigung vom 28. Januar 2019 tatsächlich erhalten und sogar fristgerecht innerhalb eines Monats Klage erhoben. Die fehlende Zustellung ist jedenfalls geheilt, Art. 9 VwZVG. Dabei kann der Zustellwille des Beklagten angenommen werden, denn dieser liegt vor, wenn die Behörde das zuzustellende Schriftstück dem Empfänger zuleitet, (vgl. VGH BW, U.v. 7.11.1997 - 8 S 1170/97 - juris Rn. 19). Somit ist Art. 9 VwZVG anwendbar, wonach ein Dokument als in dem Zeitpunkt zugestellt gilt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist (vgl. auch: Lechner in Simon/Busse, BayBO, 136. EL Januar 2020, Art. 68 Rn. 546 f.). Sollte man den Art. 9 VwZVG für nicht anwendbar halten, dann hat die Klägerin das Recht, die fehlende Zustellung der Baugenehmigung geltend zu machen, jedenfalls mit rügeloser Klageerhebung verwirkt (vgl. hierzu auch: VG Mainz, U.v. 15. April 2020 - 1 K 230/19.MZ - juris Rn. 32 mit weiteren Nachweisen). Der Betroffene verliert das Recht, eine fehlerhafte Bekanntgabe zu rügen, wenn er - ohne diesbezüglich einen Vorbehalt zu machen - die Handlung vornimmt, die ihm der Verwaltungsakt aufgibt, oder wenn er die gegen den Verwaltungsakt vorgesehenen Rechtsbehelfe einlegt, ohne die fehlerhafte Bekanntgabe zu rügen (vgl. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 41 Rn. 238).
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Selbst bei Annahme eines nicht geheilten Zustellungsmangels bzw. einer mangelnden Verwirkung scheidet jedenfalls eine Rechtsverletzung der Gemeinde aufgrund der fehlenden förmlichen Zustellung aus, denn, wie bereits ausgeführt, wurde die Vorschrift des Art. 68 Abs. 2 Satz 3 BayBO nicht geschaffen, um der Gemeinde eine erweiterte Rechtsposition zuzubilligen. Es handelt sich hierbei lediglich um ein öffentlich-rechtliches Verfahrensrecht auf Zustellung (vgl. Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, 135. EL Dezember 2019, Art. 68, Rn. 549), dessen Verletzung vorliegend keine Rechtsverletzung der Klägerin begründen kann, Art. 46 BayVwVfG, denn es ist offensichtlich, dass die Verletzung dieser Verfahrensvorschrift die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Da im vorliegenden Fall die Gemeinde ihre planerischen Gestaltungsmöglichkeiten voll ausnutzen konnte und es sich zudem um eine gebundene Entscheidung handelt, bei der für die Gemeinde auch keine Einwirkungsmöglichkeit auf die materielle Rechtslage bestand, die Baugenehmigung vielmehr bei Vorliegen der Voraussetzungen zu erteilen war, scheidet jedenfalls eine Rechtsverletzung der klagenden Gemeinde aufgrund der mangelnden Zustellung der Baugenehmigung aus (vgl. auch: Greim-Diroll in Spannowsky/ Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, 14. Ed. 1.3.2020, Art. 67 Rn. 25). Ebenso verhält es sich mit der fehlenden eigenen Rechtsbehelfsbelehrung:(vgl. Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, 135. EL Dezember 2019, Art. 67, Rn. 133). Auch dies kann eine Rechtsverletzung der Gemeinde nicht begründen und hat nur Auswirkungen hinsichtlich der einzuhaltenden Klagefrist, § 58 Abs. 2 VwGO.
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2. Eine Verletzung von materiellen Voraussetzungen für die Ersetzung des Einvernehmens, auf die sich die Klägerin berufen könnte, ist nicht gegeben.
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a) Nach Überzeugung der Kammer kann es hier dahinstehen, ob das Vorhaben - wie zwischen den Beteiligten erörtert - gegen die bauordnungsrechtlichen Vorschriften des Art. 8 BayBO und Art. 14 Abs. 2 BayBO (Verkehrssicherheit) verstößt. Denn durch einen solchen Verstoß würde die Klägerin jedenfalls nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Vorhaben befindet sich im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB). Bei der bauaufsichtlichen Genehmigung von Vorhaben in diesem Bereich wird die gemeindliche Planungshoheit durch die Beteiligung der Gemeinde gemäß § 36 BauGB gewahrt. Das gemeindliche Einvernehmen kann gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB jedoch nur aus den sich aus den §§ 31, 33, 34 und 35 BauGB ergebenden Gründen versagt werden. Die Bestimmungen des Bauordnungsrechts sind in § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB nicht genannt und können daher nicht als zulässige Grundlage der Einvernehmensverweigerung geltend gemacht werden.
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Die bauordnungsrechtlichen Vorschriften zum Schutz gegen Verunstaltungen und zur Wahrung der Verkehrssicherheit bezwecken nicht den Schutz der gemeindlichen Planungshoheit (vgl. auch: BayVGH, U.v. 14.9.2018 - 9 B 15.1278 - juris Rn. 44). Ein etwaiger Verstoß gegen Art. 8 BayBO bzw. Art. 14 BayBO berechtigt die Klägerin nicht zur Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens, so dass eine Ersetzung des verweigerten Einvernehmens die Klägerin diesbezüglich auch nicht in ihren Rechten aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 11 Abs. 2 BV und § 36 BauGB verletzen kann.
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Art. 8 BayBO dient ausschließlich dem allgemeinen Interesse und begründet nur Rechtsbeziehungen zwischen dem Bauherrn und der Bauaufsichtsbehörde. Art. 8 BayBO ist nicht dazu bestimmt, Dritte zu schützen. Die Gemeinde hat gegenüber der Bauaufsichtsbehörde kein Recht darauf, dass die Vorschriften gegen Verunstaltungen beachtet werden, denn diese reichern wegen ihres ordnungsrechtlichen Charakters nicht den Abwehrbereich der Gemeinde als Trägerin der Planungshoheit an (vgl. Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, 135 EL Dezember 2019, Art. 8 Rn. 283, Art. 64 Rn. 280 ff.). Die bauordnungsrechtlichen Gestaltungsanforderungen des Art. 8 BayBO sind weder dritt- noch nachbarschützend, was auch für Gemeinden gilt (vgl. BayVGH, B.v. 3.3.2016 - 9 ZB 15.779 - juris Rn. 11).
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Gleiches gilt für die Vorschrift des Art. 14 BayBO. Mit der Verankerung in der Bauordnung soll (lediglich) sichergestellt werden, dass Bewohner und Benutzer baulicher Anlagen sowie die Teilnehmer am Verkehr vor Schäden an Leib, Gesundheit und an Sachen geschützt sind (vgl. Simon/Busse, BayBO, 135. EL Dezember 2019 Art. 14 Rn. 2). Art. 14 BayBO dient nicht dem Schutz der gemeindlichen Planungshoheit.
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Überdies scheidet eine Rechtsverletzung der Klägerin auch bereits deshalb aus, weil sowohl Art. 8 BayBO als auch Art. 14 BayBO nicht Gegenstand der angefochtenen Baugenehmigung geworden sind. Bei der Werbeanlage handelt es sich nicht um einen Sonderbau, Art. 2 Abs. 4 BayBO, so dass das vereinfachte Genehmigungsverfahren zur Anwendung kommt, Art. 68 Abs. 1 Hs. 1, Art. 59 BayBO. Auf Seite 2 der Baugenehmigung ist ausdrücklich bestimmt, dass die Erteilung der bauaufsichtlichen Genehmigung im vereinfachten Verfahren gemäß Art. 59 BayBO erfolgt. Die Feststellungswirkung der Baugenehmigung ist deshalb auf die in Art. 59 Satz 1 BayBO genannten Kriterien beschränkt. Die Prüfung der Vorschriften der Art. 8 und 14 BayBO ist darin nicht vorgesehen. Eine Verletzung von Rechten Dritter durch die angefochtene Baugenehmigung kommt aber nur insoweit in Betracht, als die gerügte Rechtsverletzung auch Gegenstand des Prüfprogramms im Baugenehmigungsverfahren war (vgl. BayVGH, B.v. 16.10.2012 - 15 ZB 11.1016 - juris Rn. 3). Unerheblich ist, ob die Baugenehmigungsbehörde die Art. 8 und/oder 14 BayBO im Rahmen der Baugenehmigung tatsächlich geprüft hat, wie es hier der Fall ist, denn jedenfalls erweitert diese Prüfung nicht die Rechte Dritter. Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO darf die Bauaufsichtsbehörde den Bauantrag auch ablehnen, wenn das Bauvorhaben gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt. Der Prüfungsumfang für die Bauaufsichtsbehörde nach Art. 59 Satz 1 BayBO wird durch diese Vorschrift aber nicht erweitert. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO ist nicht dazu bestimmt, nachbarlichen Interessen zu dienen, vgl. BayVGH, B.v. 16.10.2012 - 15 ZB 11.1016 - juris Rn. 4.
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Ohne dass es noch entscheidungserheblich darauf ankommt, ist eine Verletzung sowohl des Art. 8 BayBO als auch des Art. 14 BayBO nicht ersichtlich.
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b) Das Vorhaben stimmt mit den Regelungen des § 34 BauGB überein. Die geplante Werbetafel ist als ortsfeste Anlage der Wirtschaftswerbung eine bauliche Anlage im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayBO und stellt ein Vorhaben im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 BauGB dar. Es handelt sich um eine eigenständige Hauptnutzung und nicht um eine Nebenanlage im Sinne von § 14 BauNVO. Anders als etwa bei Anlagen der Eigenwerbung besteht bei Anlagen der Fremdwerbung keine räumlich-funktionelle Zuordnung zu einem primären Nutzungszweck (BVerwG, U. v. 3.12.1992 - 4 C 27/91 - juris). Vorliegend dient das Vorhaben der Fremd- und nicht der Eigenwerbung.
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Ausgangspunkt der bauplanungsrechtlichen Beurteilung ist § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Danach ist ein - wie hier - im unbeplanten Innenbereich gelegenes Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden (§ 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB). Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der aufgrund des § 9a BauGB erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Abs. 1 BauGB, im Übrigen ist § 31 Abs. 2 BauGB entsprechend anzuwenden (§ 34 Abs. 2 BauGB).
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Dies zugrunde gelegt, erweist sich das Vorhaben des Beigeladenen als bauplanungsrechtlich zulässig. Die geplante Werbeanlage fügt sich nach der Art der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass sowohl das Vorhabengrundstück als auch die nähere Umgebung einem Mischgebiet i.S.v. § 6 BauNVO entspricht. Ein Bebauungsplan existiert für das Gebiet nicht. Ebenso wie die Beteiligten ist auch das Gericht der Auffassung, dass es sich bei dem fraglichen Gebiet um ein faktisches Mischgebiet, § 6 BauNVO, handelt. Das Gebiet dient dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören, § 6 Abs. 1 BauNVO. So findet sich in der näheren Umgebung Wohnutzung, aber auch gewerbliche Nutzung, wie z. B. ein Frisör mit Café Bar, ein Bildungszentrum, ein Gesundheitszentrum und ein Imbiss. Auch die gegenüber dem Vorhabengrundstück gelegene Liegenschaft einer Freikirche ist eine für ein Mischgebiet typische Nutzung.
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Damit richtet sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der BauNVO in dem Baugebiet allgemein zulässig ist, § 34 Abs. 2 BauGB.
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Bei der geplanten Werbetafel handelt es sich zwar nicht um einen Gewerbebetrieb, sondern um eine Anlage für gewerbliche Zwecke, für die eine Regelung in den Nutzungskatalogen der Baugebietsvorschriften der Baunutzungsverordnung fehlt. Diese Regelungslücke wird aber geschlossen, indem eine selbstständige Werbeanlage bauplanungsrechtlich wie ein Gewerbebetrieb behandelt wird (vgl. BayVGH, U. v. 11.12.2007 - 14 B 06.2880 - juris Rn. 14). Die streitgegenständliche Werbeanlage ist demnach als sonstiger Gewerbebetrieb i.S.d. § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO in dem faktischen Mischgebiet seiner Art nach zulässig, § 34 Abs. 2 BauGB.
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Das Vorhaben fügt sich auch bezüglich der weiteren in § 34 Abs. 1 BauGB genannten Merkmale in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Ebenso sind die weiteren Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 1, 2 BauGB erfüllt. Es ergibt sich auch keine Unzulässigkeit nach § 15 BauNVO. Für die streitgegenständliche Werbetafel, die nach Aufmachung und Größe das Wohnen nicht wesentlich stört, ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich, dass eine Unzulässigkeit nach § 15 BauNVO vorliegt. Insbesondere liegt auch keine Beeinträchtigung des Ortsbildes im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB vor. Es sind nur solche Beeinträchtigungen des Ortsbildes beachtlich, die eine städtebauliche Qualität besitzen. Dabei kommt es auf das Erscheinungsbild zumindest eines größeren Bereichs der Gemeinde an. Entscheidend ist, ob sich das Vorhaben in diese weite Umgebung einpasst. Weiter müssen die negativen Auswirkungen des Vorhabens den Grad einer Beeinträchtigung erreichen. Hierfür ist entscheidend, ob ein Gesamtbild, das durch unterschiedliche Elemente geprägt sein kann, gestört wird. Das ist nach dem ästhetischen Empfinden eines für Fragen der Ortsbildgestaltung aufgeschlossenen Betrachters zu beurteilen. Zu beachten ist auch, dass nicht jedes Ortsbild schützenswert ist. Vielmehr muss es, um schützenswert zu sein und die Baugestaltungsfreiheit des Eigentümers einschränken zu können, eine gewisse Wertigkeit für die Allgemeinheit besitzen. Es muss einen besonderen Charakter, eine gewisse Eigenheit haben, die dem Ort oder dem Ortsteil eine aus dem Üblichen herausragende Prägung verleiht. Eine weitere Einschränkung besteht schließlich darin, dass § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB das Ortsbild nur insoweit vor Beeinträchtigungen schützt, wie dies im Geltungsbereich eines Bebauungsplans durch planerische Festsetzungen möglich wäre (vgl. BVerwG, U. v. 11.5.2000 - 4 C 14/98 - juris; BayVGH, U.v. 8.5.2008 - 2 B 08.212 - juris). Gemessen daran kann hier eine Beeinträchtigung des Ortsbildes seitens der Kammer nicht festgestellt werden. Die nähere Umgebung des Vorhabens ist in gewissem Umfang durch die vorhandenen gewerblichen Anlagen und Betriebe geprägt und „vorbelastet“, wobei sich hier auch diverse Werbeanlagen und sonstigen Hinweisschilder finden. Die geplante Werbetafel stellt daher keinen Fremdkörper dar, welcher durch sein Erscheinungsbild aus der vorhandenen Bebauung herausstechen würde. Zudem ist nicht jedes Ortsbild schützenswert, nur weil es einheitlich oder gleichartig bebaut ist. Das Ortsbild muss, um schützenswert zu sein, eine gewisse Wertigkeit für die Allgemeinheit haben. Dies ist dort zu verneinen, wo ein Ortsbild angetroffen wird, das so oder so ähnlich überall angetroffen werden könnte. Es muss vielmehr einen besonderen Charakter haben, der dem Ortsteil eine herausragende Prägung verleiht. Eine solche Prägung weist das streitgegenständliche Gebiet nicht auf. Die nach dem maßgeblichen Zeitpunkt erlassene Werbeanlagensatzung ändert hieran nichts. Der Aufstellungsort der Plakatanschlagtafel befindet sich in einem Mischgebiet, wie es in jeder Stadt zu finden ist. Es ist daher auszuschließen, dass ein Ortsbild mit einer gewissen Wertigkeit für die Allgemeinheit betroffen ist.
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Der Erfolg der Klage ergibt sich schließlich auch nicht aus einer etwaigen fehlenden, aber erforderlichen (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) Sanierungsgenehmigung. Diese ist Streitgegenstand in dem Verfahren der Beigeladenen zu 1) gegen die Klägerin (Az. AN 17 K 19.00720). Im hier zu entscheidenden Verfahren kann jedenfalls die Frage, ob die Sanierungsgenehmigung erteilt wurde/als erteilt gilt und ob sie überhaupt erforderlich ist, offen bleiben.
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Die Sanierungsgenehmigung wird von Art. 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayBO nicht erfasst, weder entfällt sie wegen der Baugenehmigung noch wird sie von dieser eingeschlossen oder ersetzt. Sie ist vielmehr eine formell eigenständige Genehmigungsentscheidung (vgl. BayVGH, B.v. 11.1.2013 - 15 ZB 11.128 - juris Rn. 5 f. m.w.N.). Nach § 145 Abs. 1 Satz 2 BauGB wird die sanierungsrechtliche Genehmigung zwar durch die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde erteilt, wenn für das Vorhaben - wie hier - eine baurechtliche Genehmigung oder an ihrer Stelle eine baurechtliche Zustimmung erforderlich wird. Bau- und Sanierungsgenehmigung sind aber gleichwohl zwei selbständige, nebeneinanderstehende Genehmigungen mit einem jeweils eigenständigem Genehmigungstatbestand (vgl. Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2018, § 145 Rn. 6). Was Gegenstand der Prüfung im bauordnungsrechtlichen Baugenehmigungsverfahren ist, bestimmt sich deshalb nach den verfahrensrechtlichen Bestimmungen des Landesrechts (vgl. BVerwG, U.v. 25.10.1995 - 4 B 216.95 - juris Rn. 8). Da die Baugenehmigung nach bayerischem Bauordnungsrecht nicht den „Schlusspunkt“ der öffentlich-rechtlichen Zulässigkeitsprüfung eines Vorhabens bildet (vgl. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO), darf sie auch erteilt werden, wenn noch offen ist, ob eine andere öffentlich-rechtliche Gestattung erteilt werden kann, die für das Vorhaben neben der Baugenehmigung erforderlich ist (vgl. BayVGH, B.v. 11.1.2013 - 15 ZB 11.128 - juris Rn. 6 f. m.w.N; a.A. aufgrund abweichender landesrechtlicher Regelungen z.B. in § 64 Abs. 1 Satz 1, § 57 Abs. 1 Nr. 1 der Hessischen Bauordnung, vgl. HessVGH, B.v. 23.11.2017 - 3 B 1539/17 - juris Rn. 31). Ob die Baugenehmigungsbehörde die Erteilung der Baugenehmigung mangels Sachbescheidungsinteresse hätte versagen können, braucht nicht geklärt zu werden, denn jedenfalls ergibt sich aus dieser verfahrensrechtlichen Befugnis der Bauaufsichtsbehörde kein subjektives Recht der klagenden Gemeinde (vgl. BayVGH, B.v. 11.1.2013 - 15 ZB 11.128 - juris Rn. 7). Eine Rechtsverletzung der Gemeinde liegt nicht vor.
45
Auf die von der Klägerin geltend gemachte Straßenverkehrsgefährdung, die von der streitgegenständlichen Werbeanlage ausgehe, kann die Klage nicht mit Erfolg gestützt werden.
46
Zum einen gehört diese Frage, wie bereits ausgeführt, nicht zum Feststellungsumfang der Baugenehmigung und kann daher eine Rechtsverletzung der Klägerin schon aus diesem Grunde nicht begründen. Zum anderen ist eine mögliche Straßenverkehrsgefährdung kein Umstand, aus dem die Klägerin als Gemeinde eine Rechtsverletzung herleiten könnte. Mögliche Rechtsverletzungen einer Gemeinde knüpfen immer an das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht, Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV. Eine mögliche Rechtsverletzung kommt daher grundsätzlich nur bei Aufgaben der Gemeinden im eigenen Wirkungskreis in Betracht. Eine solche liegt hinsichtlich des Straßenverkehrs nicht vor. Soweit Gemeinden nach Art. 2 bis 4 des Gesetzes über Zuständigkeiten im Verkehrswesen (ZustGVerk) Straßenverkehrsbehörden sind, erfüllen sie diese Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis, Art. 6 Satz 1 ZustGVerk. Eine Verletzung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts kommt nicht in Betracht. Die Gemeinde kann bei Eingriffen in den übertragenen Wirkungskreis keine Rechtsverletzung geltend machen, weil sie insoweit nicht eigene Angelegenheiten, sondern solche des Staates wahrnimmt (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.1983 - 7 C 102/82 -juris).
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Der mit streitgegenständlichem Bescheid vom 28. Januar 2019 genehmigten Werbeanlage steht auch nicht die auf Grundlage des Art. 81 Abs. 1 BayBO erlassene Werbeanlagensatzung vom 26. April 2019 der Klägerin entgegen, denn diese ist erst nach Erlass des Baugenehmigungsbescheides in Kraft getreten. Maßgeblicher Entscheidungszeitpunkt ist jedoch der des Erlasses des mit der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens verbundenen Bescheids (vgl. BayVGH, B.v. 5.8.2019 - 9 CS 19.581 - juris Rn 19).
48
Wenn sich die Klägerin darauf beruft, dass es einer Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 c der Verordnung über die Zuständigkeit im Verkehrswesen (ZustVVerk) bedurft hätte, über die die Regierung … zu entscheiden habe, das Landratsamt damit sachlich unzuständig gewesen sei, und dass diese Ausnahmegenehmigung gegenüber der Gestattung im Baugenehmigungsverfahren vorrangig sei, dringt sie damit nicht durch.
49
So ist schon fraglich, ob sich aus einer fehlenden sachlichen Zuständigkeit des Landratsamtes für die Erteilung der Baugenehmigung eine Rechtsverletzung der Klägerin ergeben kann. Unabhängig davon kann dieser Einwand der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Zwar sehen die Vorschriften des §§ 33 Abs. 2 Satz 2, 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StVO bei Vorliegen der Voraussetzungen die Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vor, für die auch die Regierung … zuständig ist, § 3 Abs. 1 Nr. 2 c ZustVVerk. Bei Werbeanlagen ist diese Ausnahmegenehmigung nach Straßenverkehrsrecht gegenüber der Baugenehmigung auch vorrangig, Art. 56 Satz 1 Nr. 5 BayBO. Jedoch ist die Lichtzeichenanlage erst zeitlich nach der Erteilung der Baugenehmigung am 4. April 2019 in Betrieb genommen worden, so dass das Landratsamt im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung am 28. Januar 2019 sachlich zuständig war. Überdies ist, ohne dass es hierauf noch ankommt, ohnehin fraglich, ob die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 2 StVO überhaupt vorliegen. Allein ein gewisser räumlicher Zusammenhang zwischen Lichtzeichenanlage und Werbeanlage genügt nicht. Es bedarf eines engen räumlichen Zusammenhanges, woraus sich eine Verunsicherungsgefahr für die Verkehrsteilnehmer ergibt.
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Eine Rechtsverletzung der Klägerin aufgrund des genannten Art. 15 BayImSchG, der schon nicht existiert, oder aus dem vorgetragenen in der Bevölkerung bestehenden Konsens, weitere Lichtverschmutzungen zu vermeiden, ist weder substantiiert dargelegt noch ersichtlich.
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Die Klage ist nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Es entspricht der Billigkeit, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) und 2) aufzuerlegen, da diese durch Stellung eines Antrages ein Kostenrisiko eingegangen sind.
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Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Satz 1 VwGO i.V.m.§§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.