Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 30.09.2020 – AN 1 E 20.01974
Titel:

Änderung des Auswahlverfahrens wegen der Corona-Pandemie bei der Zulassung zum Vorbereitungsdienst  

Normenketten:
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 33 Abs. 2
BeamtStG § 9
BayLlbG Art. 22 Abs. 1 S. 2, Abs. 8, Art. 70a
VwGO § 123
Leitsätze:
1. Liegen keine anderen aussagekräftigen Erkenntnisquellen über die persönliche Eignung des Bewerbers vor, so darf das strukturierte Interview ebenso wie ein Vorstellungsgespräch ausschlaggebende Bedeutung für die Beurteilung der persönlichen Eignung durch den Dienstherrn haben (Rn. 53). (redaktioneller Leitsatz)
2. Art. 70a Abs. 1 S. 1 Bay LlbG befugt den Dienstherrn, das Auswahlverfahren zu ändern und auf die Durchführung der noch ausstehenden Interviews im Einstellungsjahrgang 2020 vollständig zu verzichten (Rn. 57 – 61). (redaktioneller Leitsatz)
3. Der praktizierte teilweise Verzicht auf die Durchführung eines wissenschaftlich fundierten Auswahlverfahrens nach Ausbruch der Corona-Pandemie stellt sich aus der Sicht eines unbefangenen Beobachters gerade nicht als eine Bevorzugung oder aktive Unterstützung eines Teils der Bewerber für den Vorbereitungsdienst dar, um diesen Bewerbern Vorteile zu verschaffen, die andere nicht haben (Rn. 65). (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Schutz der Gesundheit der Teilnehmer an den strukturierten Interviews ist ein tragfähiger Grund, von dem bisherigen Auswahlverfahren abzuweichen (Rn. 67). (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Änderung des Auswahlverfahrens wegen der Corona-Pandemie, erfolgloser Eilantrag auf Zulassung zum Vorbereitungsdienst, einstweilige Anordnung, Vorwegnahme der Hauptsache, Vorbereitungsdienst, Bewerbungsverfahrensanspruch, Auswahlverfahren, strukturiertes Interview, Chancengleichheit, Corona-Pandemie, Schutz der Gesundheit
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 30.09.2020 – 3 CE 20.2182
Fundstelle:
BeckRS 2020, 26542

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 8.189,10 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller nahm im Jahr 2019 erfolgreich am Auswahlverfahren des Bayerischen Landespersonalausschusses für duale Studienplätze - 3. Qualifikationsebene - Einstellungsjahr 2020 teil. Am 10. März 2020 wurde mit dem Antragsteller beim Finanzamt … ein strukturiertes Interview durchgeführt.
2
Mit Schreiben vom 13. März 2020 teilte das Bayerische Landesamt … dem Antragsteller mit, das Bestehen des strukturierten Interviews sei zwingende Einstellungsvoraussetzung. Er habe dieses - wie ihm bereits von der Kommission im unmittelbaren Anschluss mitgeteilt worden sei - nicht bestanden. Eine Einstellung sei daher nicht möglich.
3
Das strukturierte Interview könne einmalig und frühestens im folgenden Einstellungsjahr wiederholt werden. Voraussetzung sei die erneute erfolgreiche Teilnahme am Auswahlverfahren des Bayerischen Landespersonalausschusses mit hinreichend guter Platzziffer.
4
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 26. Juni 2020, adressiert an das Bayerische Landesamt …, rügte der Antragsteller die Ablehnung der Einstellung.
5
Wie sich mittlerweile herausgestellt habe, seien die nachfolgenden strukturierten Interviews alle abgesagt und sämtliche Bewerber ohne weitere Prüfungen eingestellt worden.
6
Die Ablehnung stelle einen unberechtigten Eingriff in das grundrechtsgleiche Recht des Antragstellers aus Art. 33 Abs. 2 GG dar. Der Antragsteller habe einen Bewerbungsverfahrensanspruch, d.h. einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr den Dienstposten unter Berücksichtigung des in Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 94 Abs. 2 Satz 2 BV normierten Leistungsgrundsatz vergibt und seine Auswahlentscheidung nur auf Gesichtspunkte stützt, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen (VG München, B.v. 24.4.2020 - M 5 E 19.5279 - juris, Rn. 22).
7
Aus dem Bewerbungsverfahrensanspruch resultiere der Anspruch, dass der Dienstherr das ihm bei seiner Entscheidung über die Zulassung zustehende Ermessen fehlerfrei ausübt (vgl. BVerfG, B.v. 10.12.2008 - 2 BvR 2571/07 - juris, Rn. 10).
8
Das Auswahl- und Prüfungsverfahren sei vorliegend fehlerhaft durchgeführt worden. Es liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit gemäß Art. 3 Abs. 1 GG vor. Dieser Grundsatz verlange einheitliche Regeln für Form und Verlauf von Prüfungen. Die Rahmenbedingungen und die Anforderungen müssten gleichartig sein (Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 40 Rn. 123). Die Entscheidung, einen Teil der Bewerber eines Jahrgangs gänzlich ohne Durchführung eines strukturierten Interviews einzustellen, dies bei anderen Bewerbern hingegen durchzuführen und zu werten, stelle eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG dar. Der Antragsteller werde dadurch im Vergleich zu den nachfolgenden Bewerbern deutlich schlechter gestellt, bei denen die Entscheidung über die Einstellung ohne Durchführung des strukturierten Interviews erfolgt sei. Es handele sich um eine willkürliche Entscheidung zulasten des Antragstellers, für gleichartige Sachverhalte würden unterschiedliche Maßstäbe angelegt, ohne dass dies in irgendeiner Weise gerechtfertigt sei.
9
Das Gebot der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 führe vorliegend zu einer Ermessensreduzierung auf Null (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 40 Rn. 50) und gebiete ohne Berücksichtigung des strukturierten Interviews über die Einstellung des Antragstellers zu entscheiden. Danach lägen die Einstellungsvoraussetzungen zweifelsfrei vor, der Antragsteller sei daher antragsgemäß einzustellen.
10
Das Bayerische Landesamt … erwiderte mit Schreiben vom 9. Juli 2020, beamtenrechtliche Ernennungen seien gemäß § 9 BeamtStG sowie Art. 33 Abs. 2 GG nur bei entsprechender Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen. Dabei begründeten weder Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 94 Abs. 2 BV noch das Bayerische Beamtengesetz einen Anspruch auf Übernahme in ein öffentliches Amt und zwar auch dann nicht, wenn der Bewerber sämtliche persönlichen Voraussetzungen erfülle (vgl. BVerfG v. 22.5.1975 - 2 BvL 13/73, Baßlsperger in Weiß/Niedermaier/Summer, Beamtenrecht in Bayern, § 9 BeamtStG Rn. 12). Nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte liege die Entscheidung über die Einstellung eines Bewerbers und die Auswahl unter mehreren Bewerbern im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn. Der in den vorgenannten Vorschriften verankerte Leistungsgrundsatz diene als Auslegungsprinzip in erster Linie dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Besetzung der Beamtenstellen des Öffentlichen Dienstes.
11
Von diesen Grundsätzen sei der Antragsgegner auch nicht abgewichen, er habe den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers nicht verletzt.
12
Das Auswahlverfahren, welches gemäß der derzeit geltenden Gesetze nach Art. 22 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 und Abs. 8 LlbG vorgesehen sei, sei beim Antragsteller regulär und fehlerfrei durchgeführt worden. Insbesondere sei hierbei die Entscheidung der Auswahlkommission nicht zu beanstanden.
13
Das wissenschaftlich fundierte Auswahlverfahren diene dazu, die persönliche Eignung, insbesondere im Hinblick auf die soziale Kompetenz, die Kommunikationskompetenz sowie die Organisationskompetenz festzustellen. Es erlaube Bewerberinnen und Bewerbern, die für die Aufgaben der künftigen Fachlaufbahn und des fachlichen Schwerpunkts nicht hinreichend geeignet erschienen, von der Ausbildung auszuschließen.
14
Im Falle des Antragstellers sei die Auswahlkommission übereingekommen, dass der Antragsteller nicht zweifelsfrei das Anforderungsprofil für den Einstieg in der dritten Qualifikationsebene der Fachlaufbahn Verwaltung und Finanzen, Schwerpunkt Steuer, erfülle, weshalb einstimmig festgestellt worden sei, dass der Antragsteller nicht für den Einstieg in die Bayerische Finanzverwaltung geeignet sei. Im Rahmen des strukturierten Interviews habe der Antragsteller u.a. in den Bereichen Teamfähigkeit, Kritikfähigkeit, Konfliktmanagement und Umgang mit Fallproblematiken zum Teil erhebliche Defizite gezeigt.
15
Hieran ändert auch das geänderte Verfahren, wonach bei einem Teil der Bewerber auf die Durchführung des strukturierten Interviews verzichtet worden sei, nichts.
16
Die Änderung des Auswahlverfahrens sei zum einen nicht ohne sachlichen Grund erfolgt. Auf Grund der Auswirkungen der Corona-Pandemie und den mit dieser einhergehenden Beschränkungen sei es zunächst erforderlich gewesen, die noch ausstehenden Interviews auszusetzen. Da der weitere Verlauf der Pandemie nicht absehbar gewesen sei und dies auch weiterhin der Fall sei, sei es erforderlich gewesen, eine Entscheidung über das weitere Vorgehen zu treffen. Hierbei seien die Interessen der Bewerber an einem ordnungsgemäßen Auswahlverfahren, die Interessen des Dienstherrn an der Ermöglichung von erforderlichen Einstellungen sowie der Schutz der Gesundheit aller Beteiligter miteinander ins Verhältnis gesetzt und abgewogen worden. Zur Vermeidung von gesundheitlichen Beeinträchtigungen und um somit den Fürsorgepflichten gemäß § 45 BeamtStG gegenüber den Bewerbern und den Beschäftigten, die Teil der Auswahlkommissionen seien, nachkommen zu können, sei aus Gründen des Infektionsschutzes und angesichts der großen Zahl an noch ausstehenden Interviews auf die weitere Durchführung der strukturierten Interviews verzichtet worden.
17
Diese Ausnahmesituation sei als sachlicher Grund geeignet, eine Abweichung von dem geregelten Auswahlverfahren, die einen Teil der Bewerber betreffe, vornehmen zu können. Die Entscheidung, eine Abweichung vorzunehmen, sei somit nicht willkürlich getroffen worden.
18
Ferner liege eine Ungleichbehandlung des Antragstellers nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht vor. Der Antragsgegner sei gehalten, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln.
19
In diesem Zusammenhang und auf Grund der bereits genannten sachlichen Gründe sei es erforderlich gewesen, die Bewerber, bei denen ein Auswahlverfahren bereits stattgefunden habe, gleich zu behandeln, sowie auch diejenigen gleich zu behandeln, die von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen worden seien. Überdies sei explizit darauf hingewiesen, dass durch den Verzicht auf die Durchführung der noch ausstehenden strukturierten Interviews nicht auf das Vorliegen der nach Art. 33 Abs. 2 GG erforderlichen Eignung verzichtet werde. Es werde lediglich auf die Überprüfungsart, ob die persönliche Eignung vorliege, verzichtet. Im Übrigen werde die persönliche Eignung laufend, auch während der Ausbildung, durch die unmittelbaren Dienstvorgesetzten überwacht. Sollten Zweifel an der persönlichen Eignung auftreten, obliege es dem Dienstvorgesetzten, dies umgehend an das zuständige Bayerische Landesamt … zu melden.
20
Die erforderliche persönliche Eignung des Antragstellers sei bereits verneint und deren Fehlen festgestellt worden. Ein Hinwegsetzen über diese Feststellung sei nicht möglich und würde im Gegenteil erst recht eine Ungleichbehandlung der anderen Bewerber, bei denen bereits das strukturierte Interview durchgeführt worden sei, bedeuten. Es würde nämlich eine Ungleichbehandlung darstellen, wenn man den Antragsteller mit anderen Bewerbern, die die persönliche Eignung zur Überzeugung der Auswahlkommission aufweisen konnten, gleichstellen würde.
21
Darüber hinaus sei die Maßnahme, die verbleibenden strukturierten Interviews abzusagen, von einer Änderung des Leistungslaufbahngesetzes gedeckt. Mit Wirkung vom 15. März 2020 solle das Änderungsgesetz, welches als Gesetzesentwurf Drucksache Nr. 18/8327 vom 16. Juni 2020 der Bayerischen Staatsregierung nur noch vom Bayerischen Landtag beschlossen werden müsse - nachdem die zuständigen Ausschüsse dem Gesetzesentwurf bereits einstimmig zugestimmt hätten -, es ermöglichen, auf Grund der Corona-Pandemie angemessene Ausnahmemöglichkeiten von den Auswahl- und Zulassungsverfahren zu schaffen. Hiernach werde es ermöglicht, auf das wissenschaftlich fundierte Auswahlverfahren ganz oder teilweise zu verzichten. Von dieser Abweichungsmöglichkeit sei dabei insbesondere auch die Variante des Verzichts bei einem Teil der Bewerberinnen und Bewerber umfasst, wenn während der üblicherweise länger dauernden Auswahlverfahren in zahlenstarken Vorbereitungsdiensten zeitlich das Auswahlverfahren nur bei einem Teil des Bewerberkreises beeinträchtigt oder unmöglich werde.
22
Der Antragsteller ließ mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 24. September 2020, eingegangen beim Verwaltungsgericht Ansbach am selben Tag, beantragen, im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung (im Antrag als einstweilige Verfügung bezeichnet),
die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller zum 1. Oktober 2020 in den Vorbereitungsdienst der 3. Qualifikationsebene der Fachlaufbahn Verwaltung und Finanzen - Schwerpunkt Steuer - als Steuerinspektoranwärter einzustellen.
23
Des Weiteren wurde beantragt,
dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
24
Zur Begründung wurde der bisherige Vortrag wiederholt und vertieft. Der Bewerbungsverfahrensanspruch verpflichte den Dienstherrn nicht nur zur leistungsgerechten Auswahl, sondern auch zur chancengleichen Behandlung aller Bewerber im Verfahren (BVerwG, B.v. 31.1.2019 - 1 WB 8/18 -). Es liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit gemäß Art. 3 Abs. 1 GG vor. Dieser Grundsatz verlange einheitliche Regeln für Form und Verlauf von Prüfungen. Die Rahmenbedingungen und die Anforderungen müssten gleichartig sein.
25
Ein Verzicht auf das strukturierte Interview könne auf Grundlage des Art. 70a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 LlbG nur dergestalt erfolgen, dass allen Bewerbern die Möglichkeit gegeben werde, ihre persönliche Eignung im Ausbildungsverhältnis unter Beweis zu stellen. Das Gebot der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG führe dazu, dass der Antragsteller ohne Berücksichtigung des strukturierten Interviews in den Vorbereitungsdienst einzustellen sei.
26
Ein Anordnungsgrund liege vor, da die Ausbildung am 1. Oktober 2020 beginne. Ein späterer Beginn der Ausbildung führe zu nicht nachholbaren Ausbildungslücken des Antragstellers, auch im Vergleich zu den anderen Bewerbern. Die Versagung des vorläufigen Rechtsschutzes unter dem Gesichtspunkt des Verbotes der Vorwegnahme der Hauptsache würde zu unzumutbaren Nachteilen führen.
27
Der Antragsgegner teilte mit Schriftsatz vom 29. September 2020 mit, das Bayerische Staatsministerium der Finanzen und für Heimat habe mit Schreiben vom 4. Mai 2020 ausgeführt, dass auf die noch ausstehenden Interviews, die aufgrund der Corona-Pandemie zunächst ausgesetzt worden seien, vollständig verzichtet werde und eine Nachholung nicht erforderlich sei.
28
Mit weiterem Schriftsatz vom 29. September 2020 beantragte der Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
29
Zur Begründung wurden die Ausführungen aus dem Schreiben vom 9. Juli 2020 wiederholt und vertieft.
30
Sofern der Bevollmächtigte des Antragstellers vortrage, dass ein Verzicht nach dem Wortlaut des Art. 70a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 LlbG nur für Prüfungsteile gelte und bei verfassungskonformer Auslegung nicht auf Prüfungen einzelner Bewerber beschränkt werden könne, werde ausdrücklich auf die Begründung des Gesetzesentwurfs zur Anpassung leistungslaufbahnrechtlicher Regelungen an die Notwendigkeiten der Corona-Pandemie, Drucksache 18/8327, verwiesen.
31
Soweit ein Verstoß gegen Art. 70a Abs. 1 Satz 2 LlbG gerügt werde, sei darauf hinzuweisen, dass aufgrund des Verzichts auf die noch ausstehenden strukturierten Interviews zwar die Eignung der Bewerber/innen nicht unmittelbar abgeprüft werden könne, hierauf dennoch während des Vorbereitungsdienstes geachtet werden solle und bei Auffälligkeiten insbesondere von der Möglichkeit nach § 23 Abs. 4 BeamtStG Gebrauch gemacht werden solle. Zwar sei dies nicht mit der Überprüfung der Eignung in einem strukturierten Interview gleichzusetzen. Dennoch stelle diese Vorgehensweise die geringstmögliche Abweichung von dem bisherigen Verfahren dar.
32
Zudem sei zu bedenken, dass, wenn man der Ansicht des Bevollmächtigten des Antragstellers folge, alle Bewerberinnen und Bewerber, die nicht aufgrund mangelnder gesundheitlicher Eignung oder anderer Voraussetzungen abgelehnt wurden, zum 1. Oktober 2020 in die bayerische Finanzverwaltung eingestellt werden müssten, unabhängig davon, ob ihnen die persönliche Eignung zuerkannt worden sei oder nicht. Diesbezüglich werde erneut darauf hingewiesen, dass beamtenrechtliche Ernennungen gemäß § 9 BeamtStG sowie Art. 33 Abs. 2 GG nur bei entsprechender Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen seien.
33
Zudem fehle es auch an einem Anordnungsgrund. Dieser setze voraus, dass dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner, aber auch der öffentlichen Interessen, nicht zugemutet werden könne, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Hierbei sei insbesondere der Umstand zu berücksichtigen, ob für den Antragsteller durch eine einstweilige Anordnung im Ergebnis die Hauptsache vorweggenommen würde.
34
Der Antragsteller beantrage, ihn vorläufig so zu stellen, als sei er Steuerinspektoranwärter im Beamtenverhältnis auf Widerruf und ihm damit insbesondere die entsprechende Ausbildung zu ermöglichen. Andere Möglichkeiten zur Teilnahme an der Ausbildung bzw. Vorbereitungsdienst ohne Begründung eines Beamtenverhältnisses gebe es ebenso wenig wie eine „vorläufige“ Einstellung in die 3. Qualifikationsebene als Beamter auf Widerruf. Eine Ernennung in ein Beamtenverhältnis sei bedingungsfeindlich und könne daher nicht vom ungewissen Ausgang eines Hauptsacheverfahrens abhängig gemacht werden. Auch eine Rückwirkung sei nach § 8 Abs. 4 BeamtStG ausgeschlossen (BayVGH, B.v. 9.1.2017 - 3 CE 16.2126 -).
35
Würde dem Antrag entsprochen, so wäre dies daher eine endgültige Ernennung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf. Im Hinblick hierauf seien die Anforderungen an die Darlegung des Anordnungsgrundes besonders hoch. Eine Vorwegnahme der Hauptsache komme nur dann ausnahmsweise nach Art. 19 Abs. 4 GG in Betracht, wenn eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit des Obsiegens in der Hauptsache gegeben und eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig sei, d.h. wenn die sonst zu erwartende Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären.
36
Dies sei nicht der Fall.
37
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die von dem Antragsgegner per Telefax übermittelten Unterlagen Bezug genommen.
II.
38
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, den Antragsteller als Steuerinspektoranwärter in den Vorbereitungsdienst der 3. Qualifikationsebene der Fachlaufbahn Verwaltung und Finanzen - Schwerpunkt Steuer - einzustellen, bleibt ohne Erfolg.
39
Gemäß § 123 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern die Maßnahme unerlässlich erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Beide Arten einer vorläufigen Anordnung setzen ein besonderes Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) im Interesse der Wahrung des behaupteten streitbefangenen Rechts (Anordnungsanspruch) voraus. Beides ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO), wobei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebend sind.
40
Über den Erfolg des Antrags ist aufgrund einer im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen und auch nur möglichen summarischen Prüfung zu entscheiden. Ergibt die überschlägige rechtliche Beurteilung auf der Grundlage der verfügbaren und vom Antragsteller glaubhaft zu machenden Tatsachenbasis, dass von überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache auszugehen ist, besteht regelmäßig ein Anordnungsanspruch. Ein Anordnungsgrund setzt voraus, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen unzumutbar ist, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage, § 123 Rn. 26 m.w.N.).
41
Der Antragsteller hat jedenfalls keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
42
Vorliegend beantragt der Antragsteller die Einstellung als Steuersekretäranwärter in den Vorbereitungsdienst für die dritte Qualifikationsebene der Fachlaufbahn Verwaltung und Finanzen mit dem fachlichen Schwerpunkt Steuer unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf ab dem 1. Oktober 2020.
43
Dieser Antrag enthält bereits keine Beschränkung auf eine „Regelung eines vorläufigen Zustandes“. Er ist auf eine Änderung des status quo gerichtet, nämlich auf die Verpflichtung des Antragsgegners zur Berufung des Antragstellers in das Beamtenverhältnis auf Widerruf. Damit begehrt der Antragsteller eine Vorwegnahme der Hauptsache zu Lasten des Antragsgegners.
44
Ein solches Antragsbegehren könnte auch unter dem Gebot eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nur in einem besonderen Ausnahmefall Erfolg haben, nämlich dann, wenn eine bestimmte Regelung schlechterdings notwendig wäre, weil eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr rechtzeitig erwirkt werden kann, und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spräche (vgl. BVerfG, B.v. 16.3.1999 - 2 BvR 2131/95 - BayVBl 1999, 497 f.; B.v. 25.10.1988 - 2 BvR 745/88 - BVerfGE 79, 69 ff.; BVerwG, U.v. 18.4.2013 - 10 C 9.12 BVerwGE 146, 189; B.v. 13.8.1999 - 2 VR 1/99 - BVerwGE 109, 258 ff.; BayVGH, B.v. 22.12.2016 - 6 CE 16.2303 - juris; B.v. 17.9.2009 - 3 CE 09.1383 - juris; B.v. 4.12.2002 - 3 CE 02.2797 - juris; B.v. 7.12.1992 - 7 CE 92.3287- BayVBl 1993, 185 ff.; Kopp/Schenke, a.a.O., § 123 Rn. 14).
45
Derartige Erfolgsaussichten in einem eventuell nachfolgenden Hauptsacheverfahren bestehen nicht.
46
Ein Anspruch auf eine Einstellung des Antragstellers unter gleichzeitiger Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf ergibt sich weder aus Art. 33 Abs. 2 GG noch aus Art. 12 Abs. 1 GG, da der Vorbereitungsdienst für die dritte Qualifikationsebene der Fachlaufbahn Verwaltung und Finanzen mit dem fachlichen Schwerpunkt Steuer keine allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne der letztgenannten Vorschrift ist. Die Ausbildung in der dritten Qualifikationsebene ist auf die Bedürfnisse der bayerischen Finanzverwaltung zugeschnitten, d.h. dass die Ausbildung nach dem vorhandenen Bedarf erfolgt.
47
Durch die Ablehnung der Übernahme in den Vorbereitungsdienst wird der Antragsteller auch nicht in seinem auf Art. 33 Abs. 2 GG beruhenden Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt.
48
Art. 33 Abs. 2 GG vermittelt jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung. Ein Bewerber hat danach einen Anspruch darauf, dass über seine Bewerbung um ein öffentliches Amt ermessens- und beurteilungsfehlerfrei allein nach Maßgabe des Leistungsgrundsatzes entschieden wird. Seine einfachgesetzliche Konkretisierung findet dieser sogenannte Bewerbungsverfahrensanspruch in § 9 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG). Der Geltungsanspruch dieses Grundsatzes wird durch Art. 33 Abs. 2 GG unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet. Daher können Belange, die nicht im Leistungsgrundsatz verankert sind, bei der Besetzung öffentlicher Ämter nur Berücksichtigung finden, wenn ihnen ebenfalls Verfassungsrang eingeräumt ist. Ein Bewerber um ein öffentliches Amt kann verlangen, dass der Dienstherr seine Bewerbung nur aus Gründen zurückweist, die durch den Leistungsgrundsatz oder durch andere verfassungsgemäße Vorgaben gedeckt sind (vgl. BVerfG, B.v. 11.5.2011 - 2 BvR 764/11 - juris; BVerwG, U.v. 4.11.2010 - 2 C 16/09 - juris a.a.O.; U.v. 17.8.2005 - 2 C 37/04 - BVerwGE 124, 99; U.v. 28.10.2004 - 2 C 23/03 - BVerwGE 122, 147).
49
Der Bewerbungsverfahrensanspruch steht insbesondere auch Einstellungsbewerbern, d.h. jenen Bewerbern zu, die noch außerhalb des beamteten öffentlichen Dienstes stehen und sich um ein Eingangsamt im Sinne des erstmaligen Zugangs zu einem öffentlichen Amt bemühen (BVerwG, U.v. 25.2.2010 - 2 C 22/09 - BVerwGE 136, 140, juris Rn. 16).
50
Es handelt sich dabei jedoch in erster Linie um einen verfahrensrechtlichen Anspruch auf sachgerechte Bewerberauswahl. Nur dann, wenn das dem Dienstherrn eröffnete Auswahlermessen ausnahmsweise in dem Sinne „auf Null reduziert“ ist, dass nur die Entscheidung für die Einstellung rechtmäßig wäre, kann sich der Bewerbungsverfahrensanspruch zu einem Einstellungsanspruch verdichten. Dies setzt jedoch voraus, dass der Bewerber offensichtlich alle gesetzlichen Einstellungsvoraussetzungen erfüllt (BayVGH, B.v. 17.9.2009 - 3 CE 09.1383 - juris Rn. 52).
51
Dies ist vorliegend nicht der Fall, da dem Antragsteller die für die Übernahme in den Vorbereitungsdienst notwendige Eignung fehlt.
52
Nach Art. 22 Abs. 1 Satz 2 LlbG kann das Vorliegen der persönlichen Eignung für öffentliche Ämter, insbesondere soziale Kompetenz, Kommunikationskompetenz sowie Organisationskompetenz Gegenstand von Prüfungen nach Satz 1 oder eines gesonderten wissenschaftlich fundierten Auswahlverfahrens, insbesondere eines Assessment-Centers oder eines strukturierten Interviews, sein (Abs. 8).
53
Die Durchführung derartiger strukturierte Interviews bei der Feststellung der Eignung für die Übernahme in den Vorbereitungsdienst steht mit Art. 33 Abs. 2 GG in Einklang (BayVGH, U.v. 26.6.2014 - 7 BV 14.191 - juris). Soweit in der Rechtsprechung Vorstellungsgespräche oder Ergebnisse eines Assessment-Centers lediglich als ergänzende Hilfskriterien zur Beurteilung von Bewerbern als zulässig angesehen worden sind, bezieht sich diese Rechtsprechung auf Bewerber, die bereits bei dem Dienstherrn beschäftigt sind und bei denen deshalb Vorstellungsgespräche oder Ergebnisse eines Assessment-Centers nur eine beschränkte Aussagekraft im Vergleich zu den vorhandenen dienstlichen Beurteilungen der Bewerber besitzen. Liegen jedoch - wie im vorliegenden Fall - keine anderen aussagekräftigen Erkenntnisquellen über die persönliche Eignung des Bewerbers vor, so darf das strukturierte Interview ebenso wie ein Vorstellungsgespräch ausschlaggebende Bedeutung für die Beurteilung der persönlichen Eignung durch den Dienstherrn haben (BayVGH, U.v. 26.6.2014, a.a.O.).
54
Der Antragsteller hat anlässlich seiner Bewerbung für die Einstellung als Steuerinspektoranwärter am 10. März 2020 an einem strukturierten Interview am Finanzamt … teilgenommen, sich in diesem Interview jedoch als nicht geeignet für eine Übernahme in den Vorbereitungsdienst erwiesen.
55
Es ist zwar zutreffend, dass ab Mitte März 2020 als Folge der Corona-Pandemie keine strukturierten Interviews durch die Finanzverwaltung mehr durchgeführt wurden, die Bewerber für eine Einstellung als Steuerinspektoranwärter, die bisher noch kein solches Interview durchgeführt hatten, jedoch gleichwohl in den Vorbereitungsdienst zugelassen werden, sofern sie die sonstigen Anforderungen für eine Einstellung erfüllen. Das Bayerische Staatsministerium der Finanzen und für Heimat hat in einem Schreiben vom 4. Mai 2020 an das Bayerische Landesamt für Steuern mitgeteilt, dass auf die Durchführung der noch ausstehenden strukturierten Interviews für den Einstieg in der 3. Qualifikationsebene im Einstellungsjahrgang 2020 aus Gründen des Infektionsschutzes und angesichts der großen Zahl an noch ausstehenden Interviews vollständig verzichtet werde. Eine Nachholung sei nicht erforderlich.
56
Hiergegen ist rechtlich nichts zu erinnern.
57
Der Antragsgegner war befugt, das Auswahlverfahren zu ändern und auf die Durchführung der noch ausstehenden Interviews im Einstellungsjahrgang 2020 vollständig zu verzichten.
58
Der Bayerische Landesgesetzgeber hat durch Gesetz zur Anpassung leistungslaufbahnrechtliche Regelungen an die Notwendigkeiten in der Corona-Pandemie vom 24. Juli 2020, GVBl. S. 368, mit Wirkung vom 15. März 2020 Art. 70a neu in das Leistungslaufbahngesetz (LlbG) eingefügt.
59
Nach Art. 70a Abs. 1 Satz 1 LlbG kann, soweit aufgrund von Infektionsschutzmaßnahmen zur Bewältigung der durch den Virus SARS-CoV 2 ausgelösten Pandemie Prüfungen oder sonstige Teile des Vorbereitungsdienstes nicht ordnungsgemäß und sachgerecht durchgeführt werden können, bei den Anforderungen für den Qualifikationserwerb gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LlbG, für die Ausbildungsqualifizierung oder für die Durchführung von Prüfungen und Verfahren von den in Art. 70a LlbG genannten Vorschriften abgewichen werden, wenn und soweit die tatsächlichen Gegebenheiten die ordnungsgemäße und sachgerechte Durchführung sowie die angemessene Vorbereitung auf eine der genannten Prüfungen erheblich beeinträchtigt oder unmöglich gemacht haben.
60
Gemäß Art. 70a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 LlbG kann abweichend von Art. 22 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 8 LlbG auf das wissenschaftlich fundierte Auswahlverfahren ganz oder teilweise verzichtet werden.
61
Ausweislich der Begründung zum Gesetzesentwurf der Staatsregierung vom 16. Juni 2020 (LT-Drs. 18/8327, S. 7) umfasst die teilweise Verzichtsmöglichkeit auch die Variante des Verzichts bei einem Teil der Bewerberinnen und Bewerber, wenn während der üblicherweise länger dauernden Auswahlverfahren in zahlenstarken Vorbereitungsdiensten zeitlich das Auswahlverfahren nur bei einem Teil des Bewerberkreises beeinträchtigt oder unmöglich wird.
62
Dies ist nach den Ausführungen des Antragsgegners vorliegend der Fall.
63
Durch die Änderung des Auswahlverfahrens wird der Antragsteller nicht in seinem Grundrecht auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG), hier in der Ausgestaltung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit, verletzt.
64
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt dem Gebot der Chancengleichheit in Konkurrenzsituationen entscheidende Bedeutung zu. Der Bewerbungsverfahrensanspruch der Bewerber verpflichtet den Dienstherrn während eines laufenden Bewerbungsverfahrens nicht nur zur leistungsgerechten Auswahl, sondern auch zur chancengleichen Behandlung aller Bewerber im Verfahren. Der Dienstherr muss sich fair und unparteiisch gegenüber allen Bewerbern verhalten. Dies schließt es aus, dass er Maßnahmen ergreift, die bei objektiver Betrachtung, d.h. aus der Sicht eines unbefangenen Beobachters, als eine Bevorzugung oder aktive Unterstützung eines Bewerbers erscheinen. Er darf nicht bestimmten Bewerbern Vorteile verschaffen, die andere nicht haben (BVerwG, U.v. 29.11.2012 - 2 C 6.11 - BVerwGE 145, 185 Rn. 25; BVerwG, B.v. 10.5.2016 - 2 VR 2/15 -, BVerwGE 155, 152-161, Rn. 25).
65
Der vorliegend praktizierte teilweise Verzicht auf die Durchführung eines wissenschaftlich fundierten Auswahlverfahrens nach Ausbruch der Corona-Pandemie stellt sich aus der Sicht eines unbefangenen Beobachters aber gerade nicht als eine Bevorzugung oder aktive Unterstützung eines Teils der Bewerber für den Vorbereitungsdienst dar, um diesen Bewerbern Vorteile zu verschaffen, die andere nicht haben.
66
Der teilweise Verzicht auf die Durchführung der strukturierten Interviews erfolgte aus übergeordneten Infektionsschutzgründen, um eine Gefährdung der Teilnehmer an den strukturierten Interviews durch die Corona-Pandemie auszuschließen und trägt auch den von der Bayerischen Staatsregierung verfügten (Ausgangs-)Beschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie Rechnung (vgl. § 4 der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung - BayIfSMV - vom 27.3.2020).
67
Der Schutz der Gesundheit der Teilnehmer an den strukturierten Interviews ist ein tragfähiger Grund, von dem bisherigen Auswahlverfahren abzuweichen. Es liegt mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie ein veränderter Sachverhalt vor, der eine Anpassung des Auswahlverfahrens sachlich rechtfertigt.
68
Würde die Argumentation des Antragstellers durchgreifen, hätte dies zur Folge, dass auch Bewerber, die sich nach Durchführung des strukturierten Interviews als ungeeignet erwiesen haben, in den Vorbereitungsdienst übernommen werden müssten. Dies wäre jedoch - worau der Antragsgegner zutreffend hinweist - ein Verstoß gegen § 9 BeamtStG und würde zudem zu einer gleichheitswidrigen Begünstigung nicht geeigneter Bewerber führen.
69
Der Antrag ist deshalb abzulehnen.
70
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens (§§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO).
71
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 6 Satz 1 Ziffer 2 GKG in Verbindung mit Ziffer 1.5 Satz 2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Stand 2013, und berücksichtigt, dass die begehrte Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf eine Vorwegnahme der Hauptsache darstellt.