Inhalt

LG Landshut, Endurteil v. 13.02.2020 – 24 O 2878/19
Titel:

Keine analoge Anwendung des § 506 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB auf Leasingverträge mit Kilometerabrechnung 

Normenkette:
BGB § 506 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 3
Leitsatz:
Eine analoge Anwendung des § 506 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB auf Leasingverträge mit Kilometerabrechnung kommt jedenfalls nach Änderung des § 506 BGB ohne entsprechende Anpassung nicht in Betracht. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf, Leasingvertrag, Kilometerabrechnung, Pflichtangabe, Widerrufsbelehrung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 2619

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 6.243,84 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über Ansprüche nach erklärtem Widerruf eines Leasingvertrages.
2
Die Parteien schlossen am 09.11.2015 einen Leasingvertrag zu privaten Zwecken, der bei der Beklagten unter der Leasingvertragsnummer - geführt wird (Anlage K 1). Dabei handelt es sich um einen Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung über das Leasingfahrzeug Opel K..
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Eine Ausfertigung des Leasingvertrags einschließlich einer Widerrufsinformation, der Pflichtangaben und der AGB der Beklagten ist dem Kläger am 09.11.2015 ausgehändigt worden.
4
Die Parteien vereinbarten eine zu leistende Sonderzahlung in Höhe von 300,00 Euro sowie monatliche Leasingraten in Höhe von jeweils 123,83 Euro.
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Der zwischen den Parteien abgeschlossene Leasingvertrag enthält die eine Widerrufsinformation. Insoweit wird auf die Anlage K 1, dort S. 18, Bezug genommen.
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Mit Schreiben vom 18.07.2019 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten den Widerruf des Leasingvertrags (Anlage K 2). Mit weiteren Schreiben vom 13.08.2019 forderte der Kläger die Beklagte auf, den erklärten Widerruf zu bestätigen (Anlagen K 3). Dies lehnte die Beklagte ab.
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Die Klagepartei ist der Auffassung, es bestehe ein gesetzliches Widerrufsrecht. Über § 506 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB analog seien die Vorschriften über Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge entsprechend anwendbar für Finanzierungsleasingverträge auf Basis einer Kilometerabrechnung. Der Widerruf sei auch noch möglich. Die Widerrufsinformation habe nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen. Zudem seien die Pflichtangaben in der zur Verfügung gestellten Urkunde nicht vollständig enthalten. Insbesondere werden folgende Pflichtangaben als unvollständig oder fehlerhaft gerügt: das einzuhaltende Verfahren bei Kündigung des Vertrags und die Angabe zur Höhe des Tageszinssatzes.
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Die Beklagte könne sich auch nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen.
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Der Kläger beantragt zuletzt,
1. Es wird festgestellt, dass die vorherigen Klageanträge zu 1) und zu 3)
2. Es wird festgestellt, dass aufgrund des wirksam erfolgten Widerrufs vom 18.07.2019 die Beklagte aus dem Leasingvertrag vom 09.11.2015 mit der Vertragsnummer - keine Rechte - insbesondere keinen Anspruch auf Zahlung der Leasingraten (mehr) - herleiten kann.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Entgegennahme des Fahrzeugs aus dem Antrag zu 2) in Annahmeverzug befindet.
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Zum Zeitpunkt der Erledigungsereignisse - der Erfüllung infolge Zahlung sämtlicher Leasingraten sowie der Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeuges - zulässig und begründet gewesen ist.
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Ferner beantragt der Kläger im Wege der innerprozessualen Bedingung, für den Fall, dass sich die Beklagte der Erledigungserklärung anschließt oder der Antrag zu 1) (teilweise) begründet ist:
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von 5.996,18 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB ab dem 01.08.2019 zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen weiteren Betrag in Höhe von 247,66 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB ab dem 13.01.2019 zu zahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von 1.100,51 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB ab Rechtshängigkeit für die außergerichtliche anwaltliche Rechtsverfolgung zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
Hilfsweise beantragt die Beklagte:
Festzustellen, dass die Klagepartei im Falle eines wirksamen Widerrufs verpflichtet ist, der Beklagten Wertersatz für den Wertverlust des KFZ OPEL Karl 1.0 mit der Fahrgestellnummer - zu leisten, der auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und Funktionsweise nicht notwendig war.
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Die Beklagte schließt sich der Erledigterklärung nicht an und rügt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Landshut.
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Zudem ist sie der Auffassung, dass der Kläger die auf den Abschluss des Leasingvertrags gerichtete Willenserklärung nicht mehr widerrufen konnte. Der Anwendungsbereich des § 506 BGB sei im vorliegenden Fall nicht eröffnet. Selbst wenn der Anwendungsbereich eröffnet wäre, wäre die Widerrufsfrist bereits abgelaufen, weil der Kläger ordnungsgemäß belehrt und entsprechend der Pflichtangaben informiert worden sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2020 Bezug genommen.
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Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.

Entscheidungsgründe

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Der Feststellungsantrag war abzuweisen.
18
Der Rechtsstreit hat sich in der Hauptsache nicht erledigt, § 264 Nr. 2 ZPO.
19
Die ursprünglich erhobene Klage war zwar zulässig, aber unbegründet.
I.
1. Feststellungsinteresse
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Die mit dem Antrag begehrte Feststellung, dass der Kläger keine weiteren Zins- und Tilgungsleistungen nach Widerruf schuldet, ist ein zulässiges Feststellungsziel nach einem Widerruf (vgl. zum Darlehenswiderruf: BGH, Urt. v. 16.05.2017 - XI ZR 586/15). Nachdem sich die Beklagte weiter berühmt, aufgrund des wirksamen Leasingvertrags Ratenzahlungen vom Kläger fordern zu können, besteht ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO.
2. Zuständigkeit
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Das Landgericht Landshut ist auch örtlich zuständig. Gemäß § 29 ZPO ist Erfüllungsort für die streitige Verpflichtung auf Zahlung der Raten aus dem Leasingvertrag der Wohnort des Leasingnehmers, mithin des Klägers. Dieser liegt im Bezirk des Landgerichts Landshut (Zöller, ZPO, § 29 Rn. 25.40).
II.
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Die Klage ist unbegründet. Die Widerrufsfrist war zum Zeitpunkt des Widerrufs im Jahr 2019 bereits abgelaufen.
1. Gesetzliches Widerrufsrecht
23
Der Klagepartei steht bereits kein gesetzliches Widerrufsrecht zu.
24
Bei dem streitgegenständlichen Leasingvertrag handelt es sich um einen Leasingvertrag mit km-Abrechnung. Da die Klagepartei vertraglich weder zum Erwerb des Fahrzeugs verpflichtet ist, noch die Beklagte den Erwerb von der Klagepartei verlangen kann, noch die Klägerin für einen bestimmten Wert bei Beendigung des Fahrzeugs einzustehen hat, ist § 506 Abs. 2 BGB nicht direkt anwendbar.
25
Nach Ansicht des OLG Düsseldorf (Urteil v. 20.10.2012 - 24 U 15/12) ist § 506 Abs. 2 Nr. 3 BGB auf Leasingverträge mit Kilometerabrechnung entsprechend anzuwenden. Allerdings ist zu beachten, dass die Vorschriften insbesondere über das Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen und damit auch bei Verbraucherdarlehensverträgen nach Erlass der Entscheidung des OLG Düsseldorf geändert wurden, aber die Regelung des § 506 Abs. 2 Nr. 3 BGB unverändert belassen wurde, sodass nicht vom Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden kann. Eine analoge Anwendung des § 506 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB kommt danach nicht in Betracht (OLG München, Senatshinweis vom 20.08.2019 - 32 U 3419/19).
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Damit scheidet ein gesetzliches Widerrufsrecht aus. Ob in dem Fall, indem dem Verbraucher eine Widerrufsbelehrung erteilt wird, obwohl ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht besteht, ein vertragliches Widerrufsrecht zwischen den Parteien vereinbart wird, kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Selbst wenn man von einer solchen Vereinbarung eines vertraglichen Widerrufsrechts ausgehen würde, könnte dieses im vorliegenden Fall wegen Fristablaufs nicht mehr ausgeübt werden.
2. Vertragliches Widerrufsrecht
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Der Klagepartei steht auch kein vertragliches Widerrufsrecht (mehr) zu.
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Die Vereinbarung eines vertraglichen Widerrufsrechts kommt aufgrund der erteilten Widerrufsinformation in der Anlage K1 in Betracht.
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Wird nämlich die Widerrufsbelehrung erteilt, obwohl ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht besteht, ist dies aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Kunden bei der gebotenen objektiven Auslegung nicht als Angebot auf Vereinbarung eines voraussetzungslosen vertraglichen Widerrufsrechts zu verstehen (BGH, XI ZR 372/18).
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Aber auch wenn man ein vertragliches Widerrufsrecht annehmen möchte, konnte dieses wegen Fristablaufs nicht mehr ausgeübt werden. Die eingeräumte Widerrufsfrist von 14 Tagen war zum Zeitpunkt des Widerrufs bereits abgelaufen. Ohne gesetzliche Verpflichtung zur Einräumung eines Widerrufsrechts ist nicht davon auszugehen, dass der Unternehmer den Anlauf des Widerrufsrechts davon abhängig machen möchte, dass er dem Verbraucher eine Belehrung erteilt hat, die den Anforderungen für ein gesetzliches Widerrufsrecht entspricht. Für eine solche Annahme bedürfte es konkreter Anhaltspunkte in der getroffenen Vereinbarung. Die bloße Wahl einer Formulierung, die sich an den Vorgaben für ein gesetzliches Widerrufsrecht orientiert, reicht hierfür nicht aus (vgl. OLG München, 32 U 123/19).
III.
31
Die Bedingung für die hilfsweise gestellten Anträge ist nicht eingetreten, weshalb über diese nicht zu entscheiden war. Dies gilt auch für die erhobene Hilfswiderklage.
IV.
32
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.
V.
33
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.
VI.
34
Der Streitwert wurde gemäß § 48 Abs. 1 GKG i.V.m § 3 ZPO festgesetzt.
35
Das wirtschaftliche Interesse des Klägers ist auf die Rückabwicklung des gesamten Vertrags gerichtet, weshalb sämtliche zu leistende Raten und Sonderzahlungen zu berücksichtigen sind.