Inhalt

FG München, Urteil v. 21.07.2020 – 12 K 2928/19
Titel:

Auszahlung der  Rentenversicherung mit Kapitalwert

Normenkette:
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3, § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1
Leitsätze:
1. Zur Prüfung, inwieweit ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst i.S.v. §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zu unterhalten.
2. Zur Berücksichtigung einer einmaligen Kapitalleistung aus einer Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht bei der Prüfung, ob das Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.
Schlagworte:
Behinderung, Prüfung, Rentenversicherung, Kapitalwahlrecht, Kind, Auszahlungsbetrag, Vollstreckungsschutz, Vermögensübertragung
Rechtsmittelinstanz:
BFH München, Urteil vom 15.12.2021 – III R 48/20
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstelle:
BeckRS 2020, 26144

Tenor

1. Der Kindergeldaufhebungsbescheid vom 5. Juni 2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. November 2019 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
5. Die Revision wird zugelassen.

Entscheidungsgründe

1
Streitig ist, ob die Auszahlung einer Lebensversicherung bei den kindeseigenen Mitteln im Rahmen von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) zu berücksichtigen ist.
I.
2
Die Klägerin erhielt Kindergeld für das Kind […W.], geb. am […] 1964. W. hat einen GdB von 100 und die Merkzeichen G und H […]. Die Klägerin ist als Betreuerin von W. bestellt […].
3
Mit Datum vom 25. März 2019 gab die Klägerin in einer Erklärung zur Überprüfung der Verhältnisse zur Kinderfestsetzung u.a. für das laufende Jahr 2019 an, dass W. Einnahmen aus Kapitalvermögen i.H.v. 75.057,85 € haben werde. Auf Nachfrage der Familienkasse, legte die Klägerin eine Bescheinigung der […Versicherung X] vom 21. Februar 2019 vor, aus der sich ergibt, dass die Kapitalleistung aus der Rentenversicherung mit Gewinnbeteiligung i.H.v. 75.057,85 € bei Wahl der einmaligen Kapitalleistung zum 1. Juni 2019 erfolgen sollte […]. Außerdem teilte die Klägerin der Familienkasse mit, dass das Kapital in einer Summe ausbezahlt werde.
4
Mit Bescheid vom 5. Juni 2019 hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes für W. ab dem Monat Juli 2019 gemäß § 70 Abs. 2 EStG auf. Begründet wurde die Aufhebung damit, dass das Kind durch die Kapitalauszahlung über eigene verfügbare finanzielle Mittel verfüge und in der Lage sei, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten.
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Dagegen legte die Prozessbevollmächtigte für die Klägerin Einspruch ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Auszahlung der Lebens-/Rentenversicherung sei nicht steuerbar, da die Lebensversicherung bereits am 1. Juni 1983 abgeschlossen worden sei. Eine Berücksichtigung der Auszahlung bei den kindeseigenen Mitteln scheide ebenso aus, da das Vermögen des Kindes nicht zu den kindeseigenen Mitteln gehöre. Außerdem legte die Klägerin einen Abrechnungsbescheid der Versicherung ... vom 28. Mai 2019 ([…]: Garantierte Kapitalabfindung 55.020,00 € zuzüglich Überschussbeteiligung 20.037,85 € zuzüglich Leistung aus Bewertungsreserven 2.640,69 €, Gesamtleistung: 77.698,54 €) und den Versicherungsschein […] vor. Aus dem Versicherungsschein ergibt sich, dass der Beginn der Rentenzahlung der 1. Juni 2019 sein sollte.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 13. November 2019 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Für Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung verwiesen.
7
Dagegen erhob die Prozessbevollmächtigte für die Klägerin Klage. Zur Begründung wird vorgetragen, die Klägerin habe die Lebensversicherung für das Kind W. abgeschlossen, um Vorsorge für seinen Verbleib nach dem Tod der Klägerin zu treffen und ihm einen Heimaufenthalt so lange wie möglich zu ersparen. Der Auszahlungsbetrag werde dementsprechend nicht verbraucht, sondern zurückgelegt. Beim Auszahlungsbetrag der Lebensversicherung handele es sich um Vermögen des W..
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Die Klägerin beantragt,
den Kindergeldaufhebungsbescheid vom 5. Juni 2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. November 2019 aufzuheben, sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
sowie hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Zur Begründung verweist die Beklagte auf die Einspruchsentscheidung.
11
Auf den richterlichen Hinweis gemäß § 79 Finanzgerichtsordnung (FGO) vom 12. Februar 2020 und die Anordnung gemäß § 79 b Abs. 2 FGO vom 31. März 2020 und den darauf eingereichten Schriftsatz der Klägerin vom 4. Mai 2020 […] wird Bezug genommen.
12
Ergänzend wird auf die ausgetauschten Schriftsätze und die vorgelegte Kindergeldakte verwiesen.
13
Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).
II.
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Die Klage ist begründet.
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1. Der Kindergeldaufhebungsbescheid vom 5. Juni 2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. November 2019 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
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Für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird gemäß §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG Kindergeld gewährt, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
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a) Zu Recht ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass bei W. eine Behinderung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG vorliegt und dass diese Behinderung vor der Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
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b) Streitig ist zwischen den Beteiligten allein, ob es W. objektiv unmöglich ist, seinen gesamten notwendigen Lebensbedarf durch eigene finanzielle Mittel zu decken. Für den Streitzeitraum Juli 2019 bis November 2019 war W. nach Auffassung des Senats außerstande, sich selbst zu unterhalten.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein behindertes Kind dann außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann. Dies ist der Fall, wenn die Behinderung einer Erwerbstätigkeit entgegensteht und das Kind über keine anderen Einkünfte und Bezüge verfügt (BFH-Urteile vom 12. November 1996 III R 53/95, BFH/NV 1997, 343, und vom 14. Juni 1996 III R 13/94, BFHE 181, 128, BStBl II 1997, 173). § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG stellt nicht allein darauf ab, dass ein Kind körperlich, geistig oder seelisch behindert ist; vielmehr muss es wegen seiner Behinderung außerstande sein, sich selbst zu unterhalten. Ist das Kind trotz seiner Behinderung (z.B. aufgrund hoher Einkünfte oder Bezüge) in der Lage, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, kommt der Behinderung keine Bedeutung zu. Ein behindertes Kind ist dann imstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es über eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfügt, die zur Bestreitung seines gesamten notwendigen Lebensbedarfs ausreicht (vgl. BFH-Urteile vom 15. Oktober 1999 VI R 183/97, BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72; vom 15. Oktober 1999 VI R 40/98, BFHE 189, 449, BStBl II 2000, 75). Die Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt ist folglich anhand eines Vergleichs zweier Bezugsgrößen, nämlich des gesamten Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits, zu prüfen. Erst wenn sich daraus eine ausreichende Leistungsfähigkeit des Kindes ergibt, kann davon ausgegangen werden, dass den Eltern kein zusätzlicher Aufwand erwächst, der ihre steuerrechtliche Leistungsfähigkeit mindert (BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72; vom 24. August 2004 VIII R 83/02, BFHE 207, 244, BStBl II 2007, 248). Die in diesem Zusammenhang anzustellende Berechnung ist nach dem Monatsprinzip vorzunehmen (BFH-Urteil vom 4. November 2003 VIII R 43/02, BFHE 204, 120, BStBl II 2010, 1046).
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bb) In Anwendung der vorstehenden Grundsätze ist der Senat der Auffassung, dass der Klägerin für die Monate Juli 2019 bis einschließlich November 2019 Kindergeld zusteht, da W. für diesen Zeitraum außerstande war, sich selbst zu unterhalten.
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(1) Die kindeseigenen Mittel sind für W. für den Streitzeitraum wie folgt anzusetzen:
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W. bezog im Streitzeitraum eine monatliche Rente wegen voller Erwerbsminderung i.H.v. 911,18 € […] und erhielt monatlich Pflegegeld und Entlastungsleistungen i.H.v. 853 € […]. Das Pflegegeld und der steuerfreie Teil der Rente, die zu den Bezügen zählen, sind monatlich um eine Kostenpauschale (KP) von 15 € pro Monat zu mindern (BFH-Urteil vom 8. August 2013 III R 30/12, BFH/NV 2014, 498). Hinsichtlich des steuerpflichtigen Teils der Rente - der zu den Einkünften zählt - ist ein monatlicher Anteil des Werbungskostenpauschbetrages - WKP - (§ 9a Abs. 1 Nr. 3 EStG) von 8,50 € (= 102 € x 1/12) in Abzug zu bringen.
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Zusammengefasst standen W. im Streitzeitraum folgende kindeseigene Mittel zur Verfügung:
Juli 2019: 1.740,68 € (= 911,18 € + 853 € ./. KP 15 € ./. WKP 8,50 €)
August 2019: 1.740,68 € (= 911,18 € + 853 € ./. KP 15 € ./. WKP 8,50 €)
September 2019: 1.740,68 € (= 911,18 € + 853 € ./. KP 15 € ./. WKP 8,50 €)
Oktober 2019: 1.740,68 € (= 911,18 € + 853 € ./. KP 15 € ./. WKP 8,50 €)
November 2019: 1.740,68 € (= 911,18 € + 853 € ./. KP 15 € ./. WKP 8,50 €)
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(2) Der gesamte Lebensbedarf von W. setzt sich für den Streitzeitraum wie folgt zusammen:
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Für den allgemeinen Lebensbedarf ist auf den Grundfreibetrag abzustellen (BFH-Urteile vom 5. Februar 2015 III R 31/13, BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017 und vom 13. April 2016 III R 28/15, BFHE 253, 249, BStBl II 2016, 648). Für 2019 ist ein jährlicher Grundfreibetrag gemäß § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG von 9.168 €, d.h. monatlich von 764 € in Ansatz zu bringen.
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Der behinderungsbedingte Mehrbedarf umfasst Aufwendungen, die gesunde Kinder nicht haben. Dazu gehören alle mit einer Behinderung zusammenhängenden außergewöhnlichen Belastungen, z.B. Wäsche, Hilfeleistungen, Erholung und typische Erschwernisaufwendungen (BFH-Urteil vom 31. August 2006 III R 71/05, BFHE 214, 544, BStBl II 2010, 1054). Der Mehrbedarf kann durch Pauschalierung oder durch Einzelnachweis ermittelt werden (Selder in Blümich, EStG/KStG/GewStG, EL 146 Februar 2019, § 32 EStG Rz. 115). Für die Betreuungsleistungen […] werden 9 € pro Stunde und 14 Stunden pro Tag angesetzt, denn die Erforderlichkeit ist zur Überzeugung des Gerichts durch ärztliches Attest nachgewiesen (Wendl in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 291. Lieferung 04.2019, § 32 EStG Rn. 118; DA-KG 2019 A 19.4 Abs. 5 Satz 4 und 5). Dies wird von der Beklagten zu Recht auch nicht bestritten […]. Für die Betreuungsleistungen sind somit für Juli 2019 (31 Tage) 3.906 €, für August 2019 (24 Tage = 31 Tage ./. 7 Tage […]freizeit) 3.024 €, für September 2019 (30 Tage) 3.780 €, für Oktober 2019 (31 Tage) 3.906 € und für November 2019 (30 Tage) 3.780 € anzusetzen. Für August 2019 und November 2019 sind jeweils 5 € für Medikamente zu berücksichtigen. Außerdem sind Fahrtkosten für die Fahrten zu den Ärzten für Juli 2019 i.H.v.
2,70 € (Termin am […] 2019 bei Dr. […]: 4,5 km x 2 x 0,30 € pro km), für September 2019 i.H.v. 1,20 € (Termin am […] 2019 bei Herrn Dr. […]: 2 km x 2 x 0,3 € pro km) und für November 2019 i.H.v. 1,20 € (Termin am […] 2019 bei Herrn Dr. […]: 2 km x 2 x 0,3 € pro km) anzusetzen.
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Die Aufwendungen für die […]freizeit i.H.v. 790 € sind nach Auffassung des Senats nicht zu berücksichtigen, da insoweit weder dargelegt noch nachgewiesen wurde, dass es sich um behinderungsbedingte außergewöhnliche Belastungen handelt.
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Zusammengefasst ergeben sich danach für den gesamten Lebensbedarf folgende Beträge:
Juli 2019: 4.672,70 € August 2019: 3.793,00 € September 2019: 4.545,20 € Oktober 2019: 4.670,00 € November 2019: 4.550,20 €
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cc) Die Kapitalleistung aus der Lebensversicherung zum 1. Juni 2019 ändert nichts daran, dass W. für den Streitzeitraum außerstande war, sich selbst zu unterhalten.
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(1) Bei Prüfung der Frage, ob ein Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG), ist dessen Vermögen nicht zu berücksichtigen (BFH-Urteile vom 19. August 2002 VIII R 17/02, BFHE 200, 219, BStBl II 2003, 88; VIII R 51/01, BFHE 200, 212, BStBl II 2003, 91 und VIII R 66/01, BFH/NV 2003, 449). Zum eigenen Vermögen zählen auch laufende oder einmalige Geldzuwendungen von dritter Seite, die der Kapitalanlage dienen (BFH-Urteil vom 28. Januar 2004 VIII R 21/02, BFHE 205, 196, BStBl II 2004, 555). Vermögensübertragungen von Eltern auf ihre Kinder sind bei Ermittlung der Bezüge des Kindes i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG allgemein außer Betracht zu lassen, anzusetzen sind allein Zuflüsse „von außen“, sofern sie zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung geeignet oder bestimmt sind (BFH-Urteil vom 4. August 2011 III R 22/10, BFHE 234, 329, BStBl II 2012, 337). Außerdem sind nur solche Einkünfte und Bezüge des Kindes zu berücksichtigen, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts bestimmt oder geeignet sind (Wendl in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 291. Lieferung 04.2019, § 32 EStG Rn. 118 m.w.N.).
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Im Streitfall hat die Klägerin für W. zum 1. Juni 1983 eine Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht abgeschlossen. Danach erhielt W. als Versicherungsnehmer und versicherte Person zum 1. Juni 2019 (bei Wahl der einmaligen Kapitalleistung) eine garantierte Kapitalleistung zuzüglich einer Überschussbeteiligung. Die Versicherung befand sich seit 1983 im Vermögen des W. (versicherte Person und Versicherungsnehmer) und ist kontinuierlich angewachsen. Die Auszahlung stellt lediglich eine Vermögensumschichtung dar. Die Zahlung der Versicherungsbeiträge erfolgte durch die Klägerin, sodass auch diesbezüglich lediglich eine Vermögensübertragung durch die Mutter auf das Kind vorliegt. Im Übrigen hätte sich im Streitfall auch keine Änderung bei Wahl der monatlichen Rente i.H.v. 330,12 € […] ergeben, da die kindeseigenen Mittel - vorausgesetzt es hätte sich bei der monatlichen Rente um Bezüge gehandelt - nicht den gesamten notwendigen Lebensbedarf von W. abgedeckt hätten.
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(2) Im Übrigen ist die Auszahlung der Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht bereits deshalb nicht bei den kindeseigenen Mitteln für die Monate Juli 2019 bis einschließlich November 2019 zu berücksichtigen, da die Auszahlung zum 1. Juni 2019 erfolgte.
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Da für die Vergleichsrechnung das Monatsprinzip gilt, sind Einkünfte und Bezüge grundsätzlich im Monat des Zuflusses (§ 11 EStG) zu erfassen (Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 291. Lieferung 04.2019, § 32 EStG Rn. 118; Selder in Blümich, EStG/KStG/ GewStG, EL 146 Februar 2019, § 32 EStG Rz. 117). Monatlich wiederkehrende Einkünfte und Bezüge, die dem behinderten Kind kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalendermonats, für den sie bestimmt sind, zufließen, sind in dem bestimmungsgemäßen Monat zu erfassen; als kurze Zeit gilt ein Zeitraum von bis zu zehn Tagen (BFH-Urteil vom 11. April 2013 III R 35/11, BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037). Wird eine für einen vergangenen Zeitraum geleistete Nachzahlung, die zum Wegfall der Bedürftigkeit führt, erst im Laufe des Monats ausbezahlt, wirkt sie sich erst ab dem auf den Zuflussmonat folgenden Monat schädlich aus, da zu Beginn des Monats die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt noch vorlag (BFH-Urteil vom 8. August 2013 III R 30/12, BFH/NV 2014, 498). Die Nachzahlung ist auf den Zuflussmonat und die restlichen Monate des Zuflussjahres zu verteilen (BFH-Urteile vom 4. November 2003 VIII R 43/02, BFHE 204, 120, BStBl II 2010, 1046 und vom 8. August 2013 III R 30/12, BFH/NV 2014, 498).
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Im Streitfall stellt die Auszahlung der Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht zum 1. Juni 2019 weder eine Nachzahlung für einen vergangenen Zeitraum dar noch handelt es sich um eine monatlich wiederkehrende Leistung. Eine Verteilung auf die restlichen Monate des Zuflussjahres ist deshalb nicht vorzunehmen.
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(3) Zu Recht sind sich die Beteiligten auch darin einig, dass aus der Auszahlung der Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht keine Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG resultieren (sog. Altvertrag).
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung. Die Klägerin konnte es aufgrund der Schwierigkeit der Streitsache für notwendig halten, schon im Vorverfahren einen fachkundigen Berater mit der Interessenvertretung zu beauftragen (§ 139 Abs. 3 FGO). Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.