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BayObLG, Beschluss v. 20.01.2020 – 207 StRR 2737/19
Titel:

Fälschung einer Prüfplakette

Normenketten:
StGB § 22, § 23, § 267
StVZO § 29 Abs. 6 Nr. 1
PflVAuslG § 9
FZV § 21 Abs. 1
Leitsätze:
1. Das Benutzen eines Kraftfahrzeugs mit auf einem Kennzeichen angebrachter gefälschter Prüfplakette stellt nur dann eine Urkundenfälschung gem. § 267 StGB dar, wenn auch die zum Kraftfahrzeug gehörende Zulassungsbescheinigung Teil I entsprechend gefälscht ist. (Rn. 7)
2. Meint der Benutzer eines Kraftfahrzeugs, er begehe durch das Benutzen des Kraftfahrzeugs mit auf einem Kennzeichen angebrachter gefälschter Prüfplakette eine Urkundenfälschung, ohne dass die zum Kraftfahrzeug gehörende Zulassungsbescheinigung Teil I entsprechend gefälscht ist, so handelt es sich insoweit um ein strafloses Wahndelikt. (Rn. 8 – 12)
Schlagworte:
Eintragung, Rechtsverletzung, Urkundenfälschung, Zulassungsbescheinigung, Prüfplakette, untauglicher Versuch, Wahndelikt, Kraftfahrzeugsteuer, Kennzeichen
Vorinstanz:
LG Kempten, Urteil vom 08.08.2019 – 4 Ns 430 Js 12630/17 (2)
Fundstellen:
RÜ 2020, 435
BeckRS 2020, 257
StV 2021, 514
LSK 2020, 257

Tenor

I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 8. August 2019 aufgehoben.
II. Der Angeklagte wird freigesprochen.
III. Die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

I.
1
Das Amtsgericht Lindau hat den Angeklagten mit Urteil vom 20. März 2018 schuldig gesprochen des Kennzeichenmissbrauchs und ihn zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft änderte das Landgericht Kempten (Allgäu) mit Urteil vom 19. November 2018 das Urteil des Amtsgerichts dahingehend ab, dass der Angeklagte schuldig ist der Urkundenfälschung, und verhängte eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 40 Euro. Die Berufung des Angeklagten wurde verworfen. Auf die Revision des Angeklagten hob das Oberlandesgericht München mit Beschluss vom 12. März 2019 das Urteil des Landgerichts auf und verwies die Sache zurück.
2
Das Landgericht verurteilte den Angeklagten hierauf am 8. August 2019 wegen versuchter Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 35 Euro. Der Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
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Der Angeklagte kaufte am 7. November 2016 einen PKW Mercedes mit litauischen Kennzeichen. Hierbei stellte er fest, dass auf beiden litauischen Kennzeichen deutsche Prüfplaketten für Hauptuntersuchungen nach § 29 StVZO angebracht waren, die gefälscht waren. Am 14. Juni 2017 fuhr der Angeklagte mit dem genannten PKW, an dem nach wie vor die beiden litauischen Kennzeichen mit den gefälschten deutschen Prüfplaketten angebracht waren, in Kenntnis dieses Umstandes auf der B. Straße 213 in 8... L2.. Er wollte mit der Weiterverwendung der Plaketten vorspiegeln, dass zum Zeitpunkt der Hauptuntersuchung das Fahrzeug vorschriftsmäßig war und eine Hauptuntersuchung in Deutschland stattgefunden hat. Er ging davon aus, dass die Plaketten den Eindruck erwecken, dass die Prüfplaketten vom TÜV Rheinland angebracht waren und eine Prüfung durch dessen Mitarbeiter erfolgt sei. Entgegen der Vorstellung des Angeklagten erweckten die Plaketten jedoch nicht den Eindruck, von einem Mitarbeiter des TÜV Rheinlands angebracht worden zu sein, sondern ließen keinen Aussteller erkennen.
4
Gegen das Urteil des Landgerichts legte der Angeklagte erneut Revision ein.
II.
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Die auf die Sachrüge gestützte Revision hat Erfolg, § 349 Abs. 4 StPO.
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1. Der rechtlichen Würdigung, des Landgerichts, wonach der Angeklagte sich der versuchten Urkundenfälschung gem. §§ 267 Abs. 1 und 2; 22; 23 StGB strafbar gemacht hat, kann nicht beigepflichtet werden. Vielmehr handelt es sich ausgehend von den Feststellungen des Landgericht um ein Wahndelikt.
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a) Zutreffend ist zunächst der Ausgangspunkt des Landgerichts, wonach keine vollendete Urkundenfälschung gem. § 267 Abs. 1 StGB vorliegt, da ein Aussteller der Plakette nicht zu erkennen war. Eine Prüfplakette stellt nur in Verbindung mit der korrespondierenden Eintragung in der Zulassungsbescheinigung Teil I eine Urkunde dar, die den Aussteller erkennen lässt. Die Prüfplakette („TÜV-Plakette“) bescheinigt zwar, dass das betreffende Fahrzeug zum Zeitpunkt seiner letzten Hauptuntersuchung bis auf etwaige geringe Mängel für vorschriftsmäßig befunden worden ist (§ 29 Abs. 3 StVZO). Sie allein ist deshalb aber noch keine Urkunde; Urkundeneigenschaft gewinnt sie erst zusammen mit der korrespondierenden Eintragung in der Zulassungsbescheinigung Teil I, da erst durch diese Eintragung derjenige, der sie erteilt hat, ersichtlich ist (§ 29 Abs. 6 Nr. 1 Buchst. a StVZO; OLG Celle, Beschluss vom 6. Mai 1991 - 3 Ss 34/91 bei juris Rn. 4 m. w. N). Das Landgericht hat nun festgestellt, dass die zugehörige Zulassungsbescheinigung Teil I keine entsprechende - gefälschte - Eintragung enthielt.
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b) Allerdings liegt auch keine versuchte Urkundenfälschung gem. §§ 267 Abs. 1 und 2; 22; 23 StGB vor. Den Feststellungen des Landgerichts zufolge hat der Angeklagte zwar sein Verhalten für strafbar gehalten. Es lag jedoch gerade kein untauglicher Versuch vor, sondern ein Wahndelikt. Beide Rechtsfiguren sind folgendermaßen zu unterscheiden:
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Die Untauglichkeit des Versuchs ergibt sich aus einem Mangel im Vorstellungsbild des Täters, der einer Umkehrung des Tatbestandsirrtums entspricht (Fischer, StGB 67. Aufl. § 22 Rn. 43). Bei einem (straflosen) Wahndelikt irrt der Täter hingegen über das Bestehen oder die Reichweite der strafrechtlichen Norm. Er will aufgrund eines Subsumtionsirrtums (vgl. BGHSt 13, 235, 241) eine Rechtsverletzung begehen, die es so, wie von ihm vorgestellt, nicht gibt (Fischer, aaO. Rn. 49).
10
Der Angeklagte irrte nicht über tatsächliche Verhältnisse. Wenn er irrtümlich angenommen hätte, die Zulassungsbescheinigung Teil I wäre ebenso gefälscht wie die Prüfplakette, so läge unzweifelhaft eine versuchte Urkundenfälschung vor. Einen derartigen Sachverhalt hat das Landgericht jedoch nicht festgestellt. Zu einer Fälschung der Zulassungsbescheinigung Teil I hat der Angeklagte auch nicht unmittelbar angesetzt.
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Vielmehr hat das Landgericht eine irrige rechtliche Bewertung des Angeklagten angenommen. Es stellte fest, der Angeklagte sei davon ausgegangen, dass die Plaketten den Eindruck erwecken, dass die Prüfplaketten vom TÜV Rheinland angebracht waren und eine Prüfung durch dessen Mitarbeiter erfolgt sei. Entgegen der Vorstellung des Angeklagten erweckten die Plaketten jedoch nicht den Eindruck, von einem Mitarbeiter des TÜV Rheinlands angebracht worden zu sein, sondern ließen keinen Aussteller erkennen. (BU S. 5) Damit unterlag der Angeklagte keinem tatsächlichen Irrtum. Vielmehr bewertete er seine Handlung rechtlich irrig dahingehend, dass er über den Aussteller getäuscht habe (vgl. den vergleichbaren Fall in BGHSt 13, 235, 240 f.). Soweit er den Feststellungen zufolge das Vorhandensein eines Ausstellers (TÜV Rheinland) dadurch vorspiegeln wollte, dass von der Plakette auch auf einen entsprechenden Eintrag in den Papieren geschlossen werde (BU S. 8), betrifft dies nur den Vorsatz hinsichtlich einer Täuschung im Rechtsverkehr, jedoch nicht eine (irrige) Vorstellung über das Vorhandensein eines Ausstellers.
12
Soweit das Oberlandesgericht Stuttgart in einem vergleichbaren Fall einen untauglichen Versuch erwogen hat (Beschluss vom 7. Juni 2001 - 4 Ss 130/01 bei juris Rn. 8), erfolgte dies ohne Begründung und war für die dortige Entscheidung nicht tragend.
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2. Es ist auch nicht erkennbar, dass der Angeklagte ein anderes Delikt begangen haben könnte, das von dem Anklagevorwurf umfasst ist.
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a) Kennzeichenmissbrauch gem. § 22 Abs. 1 Nr. 3 StVG liegt nicht vor, da durch die HU-Prüfplakette die Lesbarkeit des Kennzeichens als solches nicht beeinträchtigt war.
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b) Straftaten nach § 9 PflVAuslG wegen möglicher Nichtversicherung des PKW oder nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO wegen möglicher Hinterziehung von Kraftfahrzeugsteuer sind bereits nicht angeklagt.
c) § 29 Abs. 8 StVZO (bußgeldbewehrt in § 69a Abs. 2 Nr. 15 StVO) verbietet zwar die Anbringung von Einrichtungen aller Art, die zu Verwechslungen mit der in Anlage IX beschriebenen Prüfplakette oder der in Anlage IXb beschriebenen Prüfmarke in Verbindung mit dem SP-Schild Anlass geben können. Allerdings ist diese Vorschrift in Verbindung mit der in § 29 Abs. 2 StVZO normierten Pflicht zum Nachweis durch die entsprechende Prüfplakette bzw. Prüfmarke zu sehen. Diese Pflicht trifft nur im Inland zugelassene Kraftfahrzeuge. Damit gilt auch § 29 Abs. 8 StVZO nur für diese Kraftfahrzeuge.
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d) Die in § 21 Abs. 1 FZV (bußgeldbewehrt in § 48 Nr. 19 FZV) geregelte Pflicht zum Führen eines ausländischen Kennzeichens für im Ausland zugelassene Kraftfahrzeuge ist ebenfalls nicht verletzt. Die ausländischen Kennzeichen waren erkennbar angebracht.
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3. Da der Senat ausschließen kann, dass das Tatgericht noch Feststellungen hinsichtlich des Vorliegens von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten treffen kann, war eine Zurückverweisung nicht veranlasst. Der Angeklagte war vielmehr freizusprechen.
III.
18
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.