Titel:
Entfernung aus dem Beamtenverhältnis wegen mehrfachen Kollegendiebstahls
Normenketten:
BDG § 9 Abs. 1 S. 1, § 10, § 13 Abs. 1 S. 1, S. 2, S. 3, S. 4, Abs. 2 S. 1, § 19 Abs. 2 S. 1, § 57 Abs. 1 S. 1
StGB § 242, § 244 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 3
BBG § 60 Abs. 1 S. 3, § 61 Abs. 1 S. 2, S. 3, § 77 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme kommt es darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des Beamten und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere indizierte Maßnahme geboten ist. Deshalb dürfen die nach der Schwere des Dienstvergehens angezeigten Regeleinstufungen nicht schematisch angewandt werden. Je schwerwiegender das Dienstvergehen oder die mit ihm einhergehende Vertrauensbeeinträchtigung ist, umso gewichtiger müssen die sich aus dem Persönlichkeitsbild ergebenden mildernden Umstände sein, um gleichwohl eine andere Maßnahme zu rechtfertigen. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Stellen einer Diebesfalle ist zur Überführung eines Beamten durchaus zulässig. Es verstößt weder gegen rechtsstaatliche Grundsätze noch gegen die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht, aus konkretem Anlass Bedienstete mit Hilfe einer präparierten Diebesfalle auf ihre Redlichkeit zu überprüfen. Vielmehr ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn Vorgesetzte bei der Abwägung der Fürsorgepflichten für geschädigte oder unschuldig unter Verdacht geratene Bedienstete mit der Fürsorgepflicht zugunsten eines in die Falle tappenden Diebes ersterer klar den Vorrang einräumen. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Disziplinarklage, Zurückstufung in das Eingangsamt, Dreifacher Kollegendiebstahl von insgesamt 45 € mit Waffe und Verdeckungshandlungen durch Bundespolizeibeamten, Besoldungsgruppe, Arbeitszeit, Freiheitsstrafe, Strafrahmen, wirtschaftliche Notlage, Dienstvergehen, auf Lebenszeit, Zurückstufung, Bewährung, Diebstahl mit Waffen, Tatmehrheit, Polizeivollzugsbeamter, innerdienstliches Dienstvergehen, Diebesfalle, Verbraucherinsolvenzverfahren, Geständnis, Vertrauen, Verhältnismäßigkeit
Rechtsmittelinstanzen:
VGH München, Urteil vom 21.07.2021 – 16b D 20.585
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 30.03.2022 – 2 B 46.21
Fundstelle:
BeckRS 2020, 2578
Tenor
I. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung in das Amt eines Polizeimeisters (Besoldungsgruppe A7) erkannt.
II. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt mit der Disziplinarklage die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis.
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1. Der am ... 1966 in D… geborene Beklagte besuchte nach Abschluss der Realschule im Jahr 1982 und einer Berufsausbildung zum Baufacharbeiter im Jahr 1984 vom 14. August 1984 bis 12. August 1989 die Offiziershochschule „R… L…“, die er am 12. August 1989 mit der Berufsbezeichnung Politoffizier abschloss. Parallel dazu erwarb er am 19. Juli 1985 das Abitur.
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Von 1989 bis 1990 war er beim Ministerium des Innern, Grenzschutzstelle D… beschäftigt. Am 1. Oktober 1990 wurde er aufgrund eines Dienst- bzw. Arbeitsvertrags in D… in den damaligen Bundesgrenzschutz (BGS) eingestellt. Mit Wirkung vom 11. März 1992 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Polizeimeister im BGS (Besoldungsgruppe A7) ernannt; dabei wurden für die Begründung des Beamtenverhältnisses und die Festsetzung der Probezeit Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 3 Buchst. b zum Einigungsvertrag vom 31. August 1990 (BGBl II 1990, 889 ff.) und die Verordnung über die Bewährungsanforderungen für die Einstellung von Bewerbern aus der öffentlichen Verwaltung im Beitrittsgebiet in ein Beamtenverhältnis vom 9. Januar 1991 (BGBl I 1991, 123) angewendet (vgl. Personalakte Bl. 70 und 82). Mit Wirkung vom 21. Januar 1995 erfolgte unter Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit die Ernennung zum Polizeiobermeister im BGS (Besoldungsgruppe A8). Mit Wirkung vom 1. Januar 1998 wurde er dem BGS-Amt P…, BGS-Inspektion Flughafen D…, als Kontroll-/ Streifenbeamter zugeordnet. Vom 9. Oktober 2003 bis 30. Juni 2004 wurde er vorübergehend zur BGS-Inspektion D… umgesetzt. Vom 20. September bis 31. Dezember 2004 wurde er zum BGS-Präsidium S**, BGS-Amt M…, BGS-Inspektion Flughafen M… (BGSP S, BGS-Amt M, BGSI MUC/F) I - II abgeordnet. Mit Wirkung vom 1. Januar 2005 wurde ihm der Dienstposten eines Kontroll-/ Streifenbeamten beim BGS-Amt M…, BGS-Inspektion Flughafen M… (BGS-Amt M, BGSI MUC/F) I - II übertragen. In den Jahren 2007/2008 befand er sich insgesamt neun Monate in Elternzeit. Seither übt er eine Teilzeitbeschäftigung mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit zwischen 30 und 40 Stunden, zuletzt 35 Stunden, aus. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2009 wurde ihm der Dienstposten eines Kontroll-/ Streifenbeamten bei der Bundespolizeiinspektion Flughafen M… übertragen. Mit Wirkung vom 1. März 2016 wurde ihm vorübergehend, mit Wirkung vom 1. Juli 2016 dauerhaft der Dienstposten eines Kontroll-/ Streifenbeamten bei der Bundespolizeiinspektion Flughafen M… II übertragen.
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In den Beurteilungen 2008, 2010, 2012 und 2014 erhielt er jeweils die Gesamtnote „5“ (= „entspricht den Anforderungen in jeder Hinsicht“), mit der in der Regelbeurteilung 2014 nur vier von 672 Polizeiobermeistern bzw. 12 von rund 2800 Polizeivollzugsbeamten der Bundespolizeidirektion M… beurteilt wurden.
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Der Beklagte wurde mit Verfügung vom 23. November 2016 ohne Einbehaltung von Bezügen vorläufig des Dienstes enthoben.
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Er ist - mit Ausnahme der hier gegenständlichen Vorwürfe - bisher weder straf- noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten. Er ist dreimal geschieden und Vater von fünf Kindern (geb. 1997, 2006, 2007, 2009 und 2010).
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2. In der Bundespolizeiinspektion Flughafen M… gab es seit April 2015 eine Diebstahlserie in den Dienst- und Aufenthaltsräumen des Inspektionsbereichs II. Deshalb wurden dort eine versteckte Kamera und zuletzt auch eine Diebesfalle in Gestalt eines präparierten Rucksacks installiert. Videoaufnahmen vom 23. und 25. Oktober 2016 zeigen den Beklagten bei Diebstahlshandlungen.
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Das Amtsgericht E… verurteilte ihn deshalb mit Urteil vom 7. November 2017 wegen Diebstahls mit Waffen in zwei tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit versuchtem Diebstahl mit Waffen (§§ 242 Abs. 1 und 2, 244 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 und 3, 22, 23, 47 Abs. 2, 53, 56 Abs. 1 StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten und setzte die Vollstreckung zur Bewährung aus. Das Landgericht L… reduzierte die Freiheitsstrafe mit Urteil vom 8. Februar 2018 auf sieben Monate und nahm auf den Sachverhalt des Urteils des Amtsgerichts E… Bezug, der wie folgt lautet:
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Der Beklagte entwendete jeweils während seines Dienstes als uniformierter und bewaffneter Bundespolizist im Servicepoint der Bundespolizei an der T… M… am Flughafen M… bei drei verschiedenen Gelegenheiten im Zeitraum zwischen 23. und 25. Oktober 2016 jeweils Bargeldbeträge im Wert zwischen 10 und 16 €, um diese ohne Berechtigung für sich zu behalten, weil er sich in wirtschaftlicher Not befand und dringend Geld zur Betankung seines Fahrzeugs benötigte. Er trug dabei, wie ihm jeweils bewusst war, in allen Fällen seine Dienstpistole offen sichtbar an der rechten Seite seines Gürtels. Diese Pistole war jeweils mit einem mit acht Patronen gefüllten Magazin geladen, aber entgegen den Dienstvorschriften noch nicht schussbereit durchgeladen. Nach einer Betätigung der Durchladevorrichtung hätte er aber jeweils sofort schießen können. Im Einzelfall handelte es sich dabei um folgende Fälle:
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1. Am 23. Oktober 2016 zwischen 16:42 und 16:44 Uhr entwendete der Beklagte Bargeld aus der Kaffeekasse seiner Kollegen im Wert von 10 €. Hierzu nahm er die Kaffeekasse, eine Dose mit ungesichertem Schraubverschlussdeckel, aus einem Regal, stellte sie auf seinen Schreibtisch, schraubte den Deckel ab und entnahm eine 10 €-Note, die er zunächst auf den Schreibtisch legte und dann in seine rechte Hosentasche einsteckte. Anschließend schraubte er den Deckel wieder auf die Dose und stellte diese wieder zurück auf ihren Platz in das Regal. Er setzte sich wieder an seinen Schreibtisch und hielt kurz inne. Er befürchtete, dass sich aufgrund seines Arbeitsplatzes in der Nähe der Kaffeekasse bei Entdeckung des Bargeldschwundes ein Diebstahlsverdacht der Kollegen gegen ihn richten könnte. Er nahm deshalb aus seiner linken Hosentasche ein Stofftaschentuch, das er entfaltete, umwickelte damit vollständig die Kaffeekassendose und wischte sorgfältig die von ihm hinterlassenen Fingerabdrücke mit dem Tuch ab.
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2. Am 25. Oktober 2016 zwischen 14:43 und 14:44 Uhr entwendete er erneut Bargeld seiner Kollegen aus derselben Kaffeekasse, diesmal im Wert von 15 €. Wiederum machte er sich Gedanken, wie er die Tataufklärung verhindern könnte. Er legte sich bereits vor dem Öffnen der Dose einen kleinen Stapel Papiertücher auf dem Schreibtisch zurecht. Beim Anfassen der Dose mit der rechten Hand benutzte er sodann ein Papiertuch von diesem Stapel. Den Deckel fasste er beim Abschrauben mit seiner linken Hand an und wischte sogleich mit dem Papiertuch nach, um etwaige verursachte Fingerabdrücke zu entfernen.
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3. Am 25. Oktober 2016 zwischen 18:53 und 18:54 Uhr entwendete er Bargeld im Wert von 20 € aus einem Rucksack der Bundespolizei, die diesen als Köder für eine Diebesfalle entsprechend vorbereitet und positioniert hatte. Er trug Handschuhe, die er sich kurz vor dem Griff in den Rucksack bewusst zu dem Zweck übergestreift hatte, auch diesmal keine Fingerabdrücke zu hinterlassen.
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Der Beklagte hat die entwendeten Geldbeträge, nachdem er bereits polizeilich als Täter festgestellt und ihm der Tatvorwurf eröffnet worden war, zurückbezahlt und sich für seine Verfehlungen entschuldigt.
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Vom Vorwurf des weiteren Diebstahls aus der Kaffeekasse am 16. Juni 2016 durch Entnahme von Bargeld im Wert von 16 € sprach das Amtsgericht E… den Beklagten aus tatsächlichen Gründen frei.
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Im Hinblick auf die sonstigen seit Anfang April 2015 begangenen Diebstähle hatte die Staatsanwaltschaft L… das Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Diebstahls mit Waffen mit Verfügung vom 3. Juli 2017 nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt.
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3. Der Leiter der Bundespolizeiinspektion Flughafen II leitete mit Verfügung vom 10. November 2016 wegen mehrfacher über einen längeren Zeitraum begangener Diebstähle ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein und setzte dieses bis zum Abschluss des Strafverfahrens aus. Mit Verfügung vom 29. November 2016 setzte er das Disziplinarverfahren noch vor Beendigung des Strafverfahrens fort, nachdem der Beklagte im Verfahren der vorläufigen Dienstenthebung auch für das Disziplinarverfahren relevante Beweisanträge gestellt hatte, und gab ihm Gelegenheit zur Äußerung, von der dessen Bevollmächtigter mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2016 Gebrauch machte. Im Disziplinarverfahren wurden Persönlichkeitsbilder für den Beklagten von EPHK E… vom 7. Dezember 2016, von EPHK W… vom 11. Dezember 2016 und von EPHK K… vom 16. Januar 2017 eingeholt, die seine dienstlichen Leistungen eher negativ darstellen. Außerdem wurden die Zeugen EPHK E…, POM H… und PHK R… vernommen. Der Beklagte wurde am 9. Januar 2017 mündlich angehört. Unter dem Datum des 4. Oktober 2018 erstellte der Ermittlungsführer einen Ermittlungsbericht, in dem dem Beklagten neben den Diebstählen am 23. und 25. Oktober 2016 ein weiterer Diebstahl am 16. Juni 2016 und unrichtige Buchungen der Dienstzeit vorgeworfen wurden. Auf der Grundlage dieses Ermittlungsberichts zog der Präsident der Bundespolizeidirektion M… als höherer Dienstvorgesetzter das Disziplinarverfahren an sich, teilte dies dem Beklagten mit Schreiben vom 22. November 2018 unter Übersendung des Ermittlungsberichts mit und räumte ihm erneut Gelegenheit zur Äußerung ein. Der Bevollmächtigte äußerte sich mit Schriftsätzen vom 17. und 18. Januar 2019, auch zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beklagten. Die im Disziplinarverfahren beteiligte Gleichstellungsbeauftragte und der auf Antrag des Beklagten ebenfalls beteiligte Gesamtpersonalrat erhoben keine Einwendungen gegen die geplante Disziplinarklage auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
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4. Der Kläger erhob am 14. Juni 2019 Disziplinarklage gegen den Beklagten mit dem Antrag,
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ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
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Zur Begründung trug er vor, dem Beklagten sei der Sachverhalt aus dem Urteil des Amtsgerichts E… vom 7. November 2017 vorzuwerfen. Mit seinen Taten habe er gegen die Pflicht zur Beachtung der Gesetze (§ 60 Abs. 1 Satz 3 Bundesbeamtengesetz - BBG ), die Pflicht, sein Amt uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen (§ 61 Abs. 1 Satz 2 BBG ), und die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 61 Abs. 1 Satz 3 BBG ) verstoßen. Als Polizeivollzugsbeamter sei der Beklagte ausdrücklich dazu berufen, Straftaten zu verhindern und aufzuklären. Er habe vorsätzlich ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen. Das festgestellte Verhalten rechtfertige die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Für die Maßnahmezumessung sei auch bei innerdienstlichen Straftaten der Strafrahmen maßgeblich. Bei Straftaten mit Dienstbezug komme eine Entfernung bereits bei einem Strafrahmen von bis zu zwei Jahren in Betracht. Nach § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB liege der Strafrahmen bei einer Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren, nach § 244 Abs. 3 StGB reiche er selbst in dem von den Strafgerichten angenommenen minderschweren Fall bis zu fünf Jahren. Hinzu trete, dass der Beklagte zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Zu berücksichtigen sei weiter, dass er die Taten im Dienst, in Uniform und unter Ausnutzung der dienstlichen Vertrauensstellung begangen habe. Der Servicepoint sei öffentlich zugänglich und hätte jederzeit von Reisenden betreten werden können. Erschwerend träten die Intensität der Tatausführung (gezielte Spurenbeseitigung), das Vorliegen eines Kollegendiebstahls und das Verteidigungsverhalten des Beklagten hinzu. Es ändere nichts, dass der Betrag mit 45 € unter der Bagatellgrenze von 50 € liege; der Beklagte habe nicht gewusst, wieviel Geld sich in Kaffeekasse oder Rucksack befinde. Die wiederholte Tatbegehung zeige eine erhebliche Skrupellosigkeit. Der Beklagte habe den Zeugen H… dahin beeinflusst, dass dieser die Version des Beklagten bestätigt habe. Den erschwerenden Umständen stünden keine mildernden Umstände gegenüber, die eine Abweichung von der Höchstmaßnahme rechtfertigten. Mit der Gesamtnote „5“ liege der Beklagte im unteren Leistungsbereich. In den vorgelegten Persönlichkeitsbildern werde ein eher negatives Bild von ihm gezeichnet. Obwohl ihm insbesondere mit der Dienstplanung besonders entgegengekommen worden sei, habe er eine ziemliche Fixierung auf den eigenen Vorteil gezeigt. Im von EPHK K… beurteilten Zeitraum 2011 bis Januar 2014 habe seine Aufgriffsstatistik deutlich unter dem Durchschnitt der Dienstgruppe gelegen. In Punkto Fachwissen hätten deutliche Wissenslücken und keine Fortbildungsbereitschaft bestanden. Zudem habe es Probleme im Hinblick auf unkorrektes Buchungsverhalten gegeben. Auch EPHK E… schildere für den Zeitraum zwischen Februar 2014 und Dezember 2015 einen erheblichen Fortbildungsbedarf in fast allen Kernbereichen der polizeilichen Arbeit am Flughafen, aber keine Fortbildungsbereitschaft. Die Identifikation mit dem Dienst sei nicht stark ausgeprägt gewesen. EPHK W…, der Erstbeurteiler seit März 2016, habe angegeben, dass der Beklagte keine Ansatzpunkte für eine detaillierte Bewertung der dienstlichen Leistungen und Befähigungen gezeigt habe. Mangels Aufgriffen könne die Qualität der Sachbearbeitung nicht beurteilt werden. Das Dienstvergehen und das Verhalten vor, bei und nach Tatbegehung stimmten also mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild überein, sodass kein persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder einer psychischen Ausnahmesituation vorliege. Der Beklagte habe bereits im Vorfeld ein auf den eigenen Vorteil bedachtes Verhalten gezeigt. Auch andere „anerkannte“ Milderungsgründe griffen nicht ein. Es liege weder eine unbedachte persönlichkeitsfremde Augenblickstat in einer besonderen Versuchungssituation noch die freiwillige Offenbarung des Fehlverhaltens oder die Wiedergutmachung des Schadens vor Tatentdeckung vor. Erst nach Eröffnung der Tat habe der Beklagte den entwendeten Betrag zurückbezahlt und sich entschuldigt. Im Hinblick auf den Entschuldigungsbrief sei davon auszugehen, dass er diesen - anders als von ihm vorgetragen - nicht bereits am 11. November 2016 vorbereitet mit zum Dienst gebracht habe. Auch eine unverschuldete ausweglose wirtschaftliche Notlage liege nicht vor, weil er angegeben habe, dass seine Finanzen seit der Privatinsolvenz 2014 wieder in geordneten Bahnen liefen. Eine fehlende disziplinar- und strafrechtliche Vorbelastung sei der Normalfall. Auch der Milderungsgrund der Geringwertigkeit der entwendeten Sachen liege nicht vor; zum einen gehe es nicht um einen einmaligen Zugriff, zum anderen sei die besondere Stellung als Polizeibeamter zu berücksichtigen. Eine präparierte Täterfalle sei ein legitimes Handeln des Dienstherrn. Durch das Dienstvergehen habe der Beklagte im Kernbereich seiner Dienstpflichten versagt und das Vertrauen der Klägerin und der Allgemeinheit endgültig verloren. Insoweit seien seine Stellung als Polizeivollzugsbeamter und der Umstand, dass der Diebstahl an Kollegen verübt worden sei, in den Blick zu nehmen. Es sei nicht von Bedeutung, ob die Tat einem größeren Personenkreis bekannt geworden sei. Dass der Beklagte seinen angeblichen Verlust durch Diebstähle wieder wettmachen habe wollen, deute auf eine verfestigte, für einen Polizeibeamten falsche Grundeinstellung. Die Behauptung eines erlittenen Diebstahls sei im Übrigen als Schutzbehauptung zu werten.
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Der Beklagte beantragte letztendlich,
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hilfsweise auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.
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Er führte im Rahmen des behördlichen und gerichtlichen Disziplinarverfahrens aus, seine Leistungen bewegten sich im durchschnittlichen Bereich. Er sei für fünf Kinder unterhaltsverpflichtet und befinde sich seit Ende 2014 in Privatinsolvenz. Den ihm vorgeworfenen Sachverhalt gestehe er vollumfänglich und mit Bedauern ein. Ihm sei am 23. Oktober 2016 selbst aus dem Geldbeutel ein Betrag in Höhe von 50 € entwendet worden, den er sich zurückholen habe wollen. Diesen Diebstahl habe er am 4. Dezember 2016 schriftlich zur Anzeige gebracht. Die Taten am 23. und 25. Oktober 2016 seien auf eine Kurzschlusshandlung zurückzuführen. Er habe sie am 2. November 2016 seinem Kollegen und Freund POM H… gestanden und mit ihm besprochen, einen Geständnisbrief zu schreiben, den er am 11. November 2016 zum Dienst mitgebracht habe und übergeben habe wollen. Das Personalgespräch an diesem Tag habe ihn jedoch so verunsichert, dass er dies nicht getan habe. Zwischenzeitlich habe er den Brief an den Dienstgruppenleiter übersandt. Die Entwendungen hätten nicht in der Öffentlichkeit stattgefunden und seien nicht bekannt geworden. Als Milderungsgründe seien zu berücksichtigen, dass er nur einen geringen Geldbetrag entwendet, diesen inzwischen zurückerstattet und sich entschuldigt habe. Die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis sei unverhältnismäßig. Er könne an einen anderen Dienstort, etwa den H…, versetzt werden.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Disziplinar- und Personalakte sowie der Klageakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung in das Amt eines Polizeimeisters (Besoldungsgruppe A7) erkannt (§ 9 Bundesdisziplinargesetz - BDG).
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1. Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Insbesondere wurden die weiteren im Disziplinarverfahren gegen den Beklagten erhobenen Vorwürfe (weitere Diebstähle und unrichtige Arbeitszeitbuchung) in der mündlichen Verhandlung am 4. Februar 2020 zu Protokoll des Gerichts ausgeschieden bzw. das Disziplinarverfahren insoweit beschränkt (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 1 BDG). Außerdem wurde der Gesamtpersonalrat auf Antrag des Beklagten im Disziplinarverfahren ordnungsgemäß beteiligt.
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2. Das Gericht legt seiner Entscheidung die Vorwürfe aus den Urteilen des Amtsgerichts E… vom 7. November 2017 und des Landgerichts L… vom 8. Februar 2018 zugrunde. Der im Urteil des Amtsgerichts E… dargestellte Sachverhalt, auf den das Landgericht L… in seinem Urteil Bezug genommen hat, steht für das Gericht bindend fest (vgl. § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG). Der Beklagte hat die Vorwürfe überdies im gesamten straf- und disziplinarrechtlichen Verfahren eingeräumt.
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Nach den strafgerichtlichen Feststellungen entwendete er am 23. und 25. Oktober 2016 während seines Dienstes im Servicepoint der Bundespolizei am Flughafen M… in Uniform und mit Dienstwaffe Geldbeträge in Höhe von insgesamt 45 €. Am 23. Oktober 2016 entwendete er 10 €, am 25. Oktober 2016 15 € aus der Kaffeekasse und beseitigte danach die hinterlassenen Fingerabdrücke mit einem Taschentuch. Am 25. Oktober 2016 entwendete er zudem 20 € aus einem als Köder bereitgestellten Rucksack und trug dabei Handschuhe, um keine Spuren zu hinterlassen. Die Taten wurden weitgehend auf Video aufgezeichnet. Weitere Diebstähle werden dem Beklagten nicht vorgeworfen.
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Aufgrund dieser Taten verurteilten die Strafgerichte ihn wegen Diebstahls mit Waffen in zwei tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit versuchtem Diebstahl mit Waffen (§§ 242 Abs. 1 und 2, 244 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 und 3, 22, 23, 47 Abs. 2, 53, 56 Abs. 1 StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten. Trotz der Mitnahme des fremden Geldes ist der Diebstahl bei der dritten Tat nicht vollendet, da es sich um eine Diebesfalle handelte. Wegnahme i.S.d. § 242 StGB setzt den Bruch fremden Gewahrsams, d.h. die gegen den Willen des Berechtigten erfolgende Aufhebung des Gewahrsams voraus. Bei einer Diebesfalle, d.h. dem Bereitstellen einer Sache in der Absicht, eine Person zur Wegnahme zu veranlassen, um sie zu überführen, liegt kein vollendeter, sondern nur ein versuchter Diebstahl vor, weil der Berechtigte in die Wegnahme einwilligt (BayVGH, U.v. 9.12.2015 - 16b D 14.642 - juris Rn. 41).
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3. Durch sein Verhalten hat der Beklagte innerdienstlich (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG) ein einheitliches Dienstvergehen begangen und schuldhaft, nämlich mit direktem Vorsatz, die Pflicht zur Beachtung der Gesetze (§ 60 Abs. 1 Satz 3 BBG i.V.m. §§ 242, 244 StGB), zu uneigennütziger Amtsausübung (§ 61 Abs. 1 Satz 2 BBG) und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 61 Abs. 1 Satz 3 BBG) verletzt.
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4. Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt schwer. Der Orientierungsrahmen für die Disziplinarmaßnahmebemessung reicht bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (4.1.). Trotz der Umstände der Tatbegehung (4.2.), des Fehlens anerkannter Milderungsgründe (4.3.) und des Vorliegens erschwerender Umstände (4.4.) führt die Bemessungsentscheidung wegen der für den Beklagten sprechenden Umstände (4.5.) nicht zur Höchstmaßnahme, weil er das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit noch nicht endgültig i.S.v. § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG verloren hat. Daher ist vorliegend lediglich die Zurückstufung um eine Stufe in das Amt eines Polizeimeisters (Besoldungsgruppe A7) auszusprechen (4.6.).
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4.1. Für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist ein Orientierungsrahmen bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis eröffnet.
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Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 BDG). Die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen (§ 13 Abs. 1 Satz 2 BDG). Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen (§ 13 Abs. 1 Satz 3 BDG). Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt worden ist (§ 13 Abs. 1 Satz 4 BDG). Wer durch ein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen (§ 13 Abs. 2 Satz 1 BDG).
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Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen. Dabei ist die Schwere des Dienstvergehens maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies bedeutet, dass das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer gesetzlich vorgesehenen Disziplinarmaßnahme zuzuordnen ist. Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des Beamten und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere indizierte Maßnahme geboten ist. Deshalb dürfen die nach der Schwere des Dienstvergehens angezeigten Regeleinstufungen nicht schematisch angewandt werden. Je schwerwiegender das Dienstvergehen oder die mit ihm einhergehende Vertrauensbeeinträchtigung ist, umso gewichtiger müssen die sich aus dem Persönlichkeitsbild ergebenden mildernden Umstände sein, um gleichwohl eine andere Maßnahme zu rechtfertigen. Maßstab ist hierbei, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen könnte, wenn ihr das Dienstvergehen einschließlich der be- und entlastenden Umstände bekannt würde (BVerwG, B.v. 8.3.2018 - 2 B 48.17 - juris Rn. 10).
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Zur konkreten Bestimmung der disziplinaren Maßnahmebemessung ist auch bei einem innerdienstlichen Dienstvergehen in einer ersten Stufe auf den Strafrahmen zurückzugreifen, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert des Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat. Die Orientierung zum Umfang des Vertrauensschadens am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von Straftaten (BVerwG, U.v. 5.7.2016 - 2 B 24.16 - juris Ls. und Rn. 15). Begeht ein Beamter innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetzbuch als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 20; BayVGH, U.v. 10.10.2018 - 16a D 17.955 - juris Rn. 64). Hier sieht das Strafgesetzbuch für die ersten beiden Diebstähle einen Strafrahmen von bis zu zehn Jahren vor (vgl. § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB), für den aufgrund der gestellten Diebesfalle nur versuchten dritten Diebstahl einen Strafrahmen von fünf (vgl. § 244 Abs. 3 StGB) bzw. siebeneinhalb Jahren (vgl. §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB), weshalb ein Orientierungsrahmen bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis eröffnet ist.
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Bei dem vorliegenden innerdienstlichen Dienstvergehen kommt dem abgeurteilten Strafmaß bei der Bestimmung der konkreten Disziplinarmaßnahme keine indizielle Bedeutung zu (BVerwG, B.v. 5.7.2016 - 2 B 24.16 - juris Rn. 15). Der Beklagte wurde aber ohnehin zu einer Freiheitsstrafe (von 7 Monaten) verurteilt.
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Insgesamt kommt einem Kollegendiebstahl disziplinarrechtlich erhebliches Gewicht zu. Die in einer Dienststelle zusammen arbeitenden Beschäftigten müssen sich hinsichtlich der Sicherheit ihres Eigentums und ihrer Vermögenswerte jederzeit auf die Ehrlichkeit ihrer Kollegen verlassen können. Gleichermaßen muss auch der Dienstherr unbedingt und ausnahmslos darauf vertrauen können, dass ein Beamter die ihm mit der alltäglichen Zusammenarbeit unvermeidbar eröffneten Zugriffsmöglichkeiten nicht für strafbare Handlungen ausnutzt (OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 9.8.2012 - 3 A 10476.12 - juris Rn. 36). Ein Diebstahl zum Nachteil eines Kollegen vergiftet das Betriebsklima und stört den Arbeitsfrieden in schwerwiegender Weise. Aufgrund der Schwere des Dienstvergehens ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich Richtschnur für die Maßnahmebestimmung, wenn die Beträge die Schwelle der Geringwertigkeit deutlich übersteigen (BVerwG, B.v. 2.3.2012 - 2 B 8.11 - juris Rn. 9; Zängl, Bayer. Disziplinarrecht, Stand Aug. 2019, MatR/II Rn. 334). Entgegen der Auffassung der Klägerin wirkt sich die Stellung als Polizeibeamter bei einem Kollegendiebstahl nicht erschwerend aus; insoweit macht es keinen Unterschied, ob ein Polizeibeamter oder ein Beamter aus einem anderen Verwaltungszweig seine Kollegen bestiehlt (BVerwG, U.v. 25.7.2013 - 2 C 63.11 - juris Rn. 20)
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4.2. Der Klägerin ist zuzugestehen, dass die konkrete Tatbegehung eine Verfehlung von hohem Eigengewicht offenbart. Der Beklagte hat die Taten während seines Dienstes, am Dienstort, in Uniform und unter Mitführen der Dienstwaffe begangen. Er hat sich trotz der Häufung von Diebstählen in der Bundespolizeiinspektion Flughafen M… II seit April 2015 und des Aufrufs im Schreiben des Leiters vom Juli 2015 zu sorgfältigem Umgang mit Wertgegenständen und Wachsamkeit nicht von der Tatbegehung abhalten lassen. Besonders schwer wiegt dabei, dass er die Diebstähle an seinen Kollegen verübt und dabei die Folgen für den dienstlichen Bereich in Kauf genommen hat, nämlich die Gefährdung des gegenseitigen Vertrauens und des Zusammenhalts unter den Kollegen (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.2012 - 2 WD 29.11 - juris Rn. 63). Besonders schwer wiegen weiter die gezielten Maßnahmen zur Verdeckung der Taten, so das Abwischen der Kaffeekasse und das Mitführen von Handschuhen im Oktober und deren Einsatz bei dem versuchten Diebstahl aus dem als Diebesfalle bereitgestellten Rucksack. Dieses Vorgehen offenbart eine erhebliche kriminelle Energie.
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Im Übrigen ist das Stellen einer Diebesfalle zur Überführung eines Beamten durchaus zulässig. Es verstößt weder gegen rechtsstaatliche Grundsätze noch gegen die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht, aus konkretem Anlass Bedienstete mit Hilfe einer präparierten Diebesfalle auf ihre Redlichkeit zu überprüfen. Vielmehr ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn Vorgesetzte bei der Abwägung der Fürsorgepflichten für geschädigte oder unschuldig unter Verdacht geratene Bedienstete mit der Fürsorgepflicht zugunsten eines in die Falle tappenden Diebes ersterer klar den Vorrang einräumen (BVerwG, U.v. 13.12.2012 - 2 WD 29.11 - juris Rn. 79).
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Hinsichtlich des aufgrund der gestellten Diebesfalle nur versuchten Diebstahls gilt, dass eine versuchte Straftat den Beamten ebenso belastet wie eine vollendete. Entscheidend ist insoweit allein, dass er durch ein bestimmtes Verhalten schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt hat. Denn die Pflicht zur Loyalität zur Rechtsordnung untersagt die Begehung von Straftaten jeder Art und nicht nur die Begehung von vollendeten Straftaten, so dass schon der Versuch einer Straftat sämtliche Merkmale der Dienstpflichtverletzung verwirklicht (BayVGH, U.v. 23.10.2019 - 16b D 18.876 - juris Rn. 23; U.v. 9.12.2015 - 16b D 14.642 - juris Rn. 41).
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4.3. Die Klägerin geht weiter zutreffend davon aus, dass anerkannte Milderungsgründe nicht vorliegen.
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Von der Höchstmaßnahme ist zugunsten einer weniger strengen Disziplinarmaßnahme abzusehen, wenn ein - ursprünglich vom Bundesverwaltungsgericht zu den Zugriffsdelikten entwickelter - sogenannter „anerkannter“ Milderungsgrund vorliegt. Diese erfassen typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen des Beamten, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben. Zum einen tragen sie existenziellen Notlagen sowie körperlichen und psychischen Ausnahmesituationen Rechnung, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet werden kann. Zum anderen erfassen sie ein tätiges Abrücken von der Tat, insbesondere durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils vor drohender Entdeckung. Auch der Milderungsgrund der Geringwertigkeit kann dazu führen, dass im Hinblick darauf, dass durch das Dienstvergehen nur ein geringer Schaden entstanden ist, von der Höchstmaßnahme abgesehen werden muss (BayVGH, U.v. 28.9.2016 - 16a D 13.2112 - juris Rn. 56; U.v. 29.6.2016 - 16b D 13.993 - juris Rn. 44).
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Die Klägerin geht in der Disziplinarklage zutreffend davon aus, dass vorliegend keine anerkannten Milderungsgründe gegeben sind. Gegen ein persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage spricht, dass wegen des in der Vergangenheit gezeigten, auf seinen Vorteil bedachten Verhaltens des Beklagten (im Hinblick auf die Einteilung hinsichtlich Dienstplan und Einsatzort sowie die Erfassung seiner Arbeitszeit) kein persönlichkeitsfremdes Verhalten vorliegt. Aus diesem Grund ist auch keine persönlichkeitsfremde Augenblickstat in einer besonderen Versuchungssituation anzunehmen; diese scheitert überdies daran, dass ein mehrmaliges Fehlverhalten mit gezielten Vorbereitungs- und Verdeckungshandlungen vorliegt. Für eine Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase fehlt es an einer dokumentierten Auffälligkeit des Beklagten im Tatzeitraum (vgl. BVerwG, B.v. 15.6.2016 - 2 B 49.15 - juris Rn. 11). Der Beklagte nimmt diese Milderungsgründe auch nicht zu seiner Entlastung in Anspruch.
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Weiter spricht auch der anerkannte Milderungsgrund der Geringwertigkeit der entwendeten Sachen nicht zugunsten des Beklagten. Die Grenze insoweit ist bei einem entwendeten Betrag von etwa 50 € anzusetzen. Tragend für diesen Milderungsgrund ist die Erwägung, bei einem Zugriff auf geringere Werte bestünden noch Persönlichkeitselemente, die den Beamten noch tragbar und die Fortführung des Beamtenverhältnisses noch möglich erscheinen lassen. Dies ist insbesondere die Annahme, beim Beamten bestehe beim Zugriff auf höhere Werte noch eine Hemmschwelle und beim Zugriff auf lediglich geringwertige Sachen sei sein Unrechtsbewusstsein vermindert. Dieser Milderungsgrund ist hier jedoch ausgeschlossen, weil der Beklagte durch die konkrete Tatbegehung zusätzlich belastet wird (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 26 f.; BayVGH, U.v. 11.5.2016 - 16a D 13.1540 - juris Rn. 78). Er hat die Tat als Polizeibeamter im Dienst, am Dienstort, in Uniform und bewaffnet begangen, seine Kollegen geschädigt und durch die planvollen Verdeckungshandlungen eine erhebliche kriminelle Energie gezeigt.
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4.4. Zu Lasten des Beklagten sprechen zudem folgende Umstände:
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4.4.1. Er hat über Jahre hinweg keine guten dienstlichen Leistungen gezeigt. Dies ergibt sich aus den dienstlichen Beurteilungen 2008, 2010, 2012 und 2014, in denen er jeweils nur die Gesamtnote „5“ erhielt. Entgegen dem textlichen Pendant „entspricht den Anforderungen in jeder Hinsicht“ wurden in der Regelbeurteilung 2014 nur vier von 672 Polizeiobermeistern bzw. 12 von rund 2800 Polizeivollzugsbeamten bei der Bundespolizeidirektion M… mit dieser Gesamtnote und damit entsprechend schlecht beurteilt. Wenig überzeugende dienstliche Leistungen lassen sich auch den drei im Disziplinarverfahren eingeholten Persönlichkeitsbildern entnehmen. So berichten EPHK K… und EPHK E… von einem erheblichen Fortbildungsbedarf, dem keine Fortbildungsbereitschaft des Beklagten gegenüberstehe. EPHK K… erwähnt weiter Probleme im Hinblick auf unkorrektes Buchungsverhalten. EPHK E… kommt zu der Schlussfolgerung, die Identifikation des Beklagten mit dem Dienst sei nicht stark ausgeprägt gewesen.
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4.4.2. Zu Lasten des Beklagten spricht weiter der zu seiner Verteidigung gedachte Vortrag, den verübten Taten sei ein Diebstahl an ihm selbst vorausgegangen und er habe sich lediglich den entwendeten Betrag in Höhe von 50 € wiederholen wollen. Wegen des Fehlens einer zeitnahen Anzeige hält das Gericht diesen Vortrag nicht für glaubhaft. Allerdings kann ein zulässiges Verteidigungsverhalten im Disziplinarverfahren, wie etwa eine wahrheitswidrige Äußerung, nicht zulasten des Beamten gewürdigt werden (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 50.13 - juris Rn. 21). Dennoch offenbart der in diesem Vorbringen liegende Gedanke der zulässigen Selbsthilfe eine falsche Grundeinstellung und widerspricht in diametraler Weise dem System, für das der Beklagte als Polizeivollzugsbeamter steht.
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4.5. Trotz der vorstehenden Gesichtspunkte von erheblichem Gewicht kommt das Gericht dennoch im Hinblick auf die zu Gunsten des Beklagten sprechenden Umstände zu dem Ergebnis, dass er das Vertrauen des Dienstherrn oder der Öffentlichkeit noch nicht vollständig verloren hat, sondern ein Restvertrauen geblieben ist.
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Die sogenannten anerkannten Milderungsgründe stellen keinen abschließenden Kanon der bei Dienstvergehen berücksichtigungsfähigen Entlastungsgründe dar. Bei der prognostischen Frage, ob gegenüber einem Beamten aufgrund eines schweren Dienstvergehens ein endgültiger Vertrauensverlust eingetreten ist, gehören zur Prognosebasis außerdem alle für diese Einschätzung bedeutsamen be- und entlastenden Ermessensgesichtspunkte, die in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen sind. Selbst wenn keiner der vorrangig zu prüfenden anerkannten Milderungsgründe vorliegt, können entlastende Umstände gegeben sein, deren Gewicht in ihrer Gesamtheit dem Gewicht anerkannter Milderungsgründe vergleichbar ist. Entlastungsmomente können sich dabei aus allen denkbaren Umständen ergeben (vgl. BayVGH, U.v. 28.9.2016 - 16a D 13.2112 - juris Rn. 57; U.v. 29.6.2016 - 16b D 13.993 - juris Rn. 45).
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Zu Gunsten des Beklagten sprechen hier folgende Umstände:
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4.5.1. Beim Blick auf die konkrete Tatbegehung ist zu berücksichtigen, dass die Tattage 23. und 25. Oktober 2016 in engem zeitlichem Zusammenhang stehen, weshalb ein einheitliches Tatgeschehen und ein zeitlich begrenztes Fehlverhalten vorliegt. Der Beklagte hat seine Dienstwaffe überdies lediglich im Rahmen seiner Uniformierung im Dienst getragen und sie nicht zur Tatbegehung eingesetzt. Außerdem handelt es sich bei dem entwendeten Betrag in Höhe von 45 € um eine nur geringe Summe. Die hypothetische Erwägung, dem Beklagten sei es um die Entwendung des jeweils vorgefundenen Bargeldes gegangen und dessen Höhe sei für ihn beim Öffnen der Behältnisse nicht erkennbar gewesen (OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 9.8.2012 - 3A 10476.12 - juris Rn. 37), führt nicht dazu, dass die Geringwertigkeit völlig außer Acht gelassen werden könnte. Der Diebstahl eines so geringen Betrags ist hinsichtlich seines Unwertgehalts nicht mit dem einer großen Summe vergleichbar.
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4.5.2. Der Beklagte ist bisher straf- und disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten.
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4.5.3. Ganz erheblich zu seinen Gunsten spricht zudem sein Nachtatverhalten. Er war im straf- und disziplinarrechtlichen Verfahren geständig. Außerdem hat er sich in einem Brief vom 3. November 2016 bei seinem Dienstgruppenleiter schriftlich entschuldigt. Auch wenn das Gericht seine Einlassung, er habe den Entschuldigungsbrief bereits beim Dienstantritt nach seinem Urlaub am 11. November 2016 bei sich geführt, nicht für glaubhaft hält, hält es ihm seine schriftliche Entschuldigung und das in dem Brief zum Ausdruck gebrachte Bedauern zugute. Überdies hat er den entwendeten Betrag in dem Brief an den Dienstgruppenleiter gesandt und damit den Schaden wieder gut gemacht. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass das Nachtatverhalten erst erfolgt ist, nachdem die Tat entdeckt war und daher nicht ausreicht, um den anerkannten Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung zu erfüllen (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 9.5.2018 - 16a D 16.1597 - juris Rn. 34). Das Nachtatverhalten lässt jedoch Gesichtspunkte des Persönlichkeitsbildes erkennen, die die Einschätzung rechtfertigen, der Beklagte werde sich künftig inner- und außerdienstlich einwandfrei verhalten, weshalb das in ihn gesetzte Vertrauen noch nicht endgültig zerstört, sondern nur stark erschüttert erscheint.
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4.5.4. Zu seinen Gunsten spricht weiter, dass er sich im Tatzeitpunkt in einer finanziell sehr angespannten Lage befand. Er hatte aufgrund der Trennung von seiner dritten Ehefrau und der Unterhaltsverpflichtung für seine fünf Kinder erhebliche finanzielle Schwierigkeiten. 2014 wurde schließlich gegen ihn ein Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet. Er hat im Disziplinarverfahren und auch in der mündlichen Verhandlung glaubhaft vorgetragen, dass er am 23./25. Oktober 2016 nicht in der Lage war, das Betanken seines Kfz zu bezahlen, weil er nicht über die erforderlichen Barmittel verfügt habe und der ihm monatlich zur Verfügung stehende finanzielle Rahmen bereits ausgeschöpft gewesen sei. Diese finanziell sehr angespannte Situation wird sich voraussichtlich 2021 verbessern, weil dann das Verbraucherinsolvenzverfahren beendet sein und er infolge der Beendigung der Berufsausbildung seines 1997 geborenen Sohnes nicht mehr für fünf, sondern nur noch für vier Kinder unterhaltspflichtig sein wird.
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4.5.5. Ohne Auswirkung auf die Disziplinarmaßnahmebemessung bleiben die vom Beklagten angeführten Umstände, die Taten hätten nicht in der Öffentlichkeit stattgefunden und seien nicht bekanntgeworden. Zum einen wurden die Taten durchaus im Kollegenkreis bekannt und wurde in der Presse über das Strafverfahren berichtet. Zum anderen ist Entscheidungsmaßstab für die Frage, in welchem Umfang der Dienstherr oder die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in die zukünftige pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen kann, die Annahme, das Dienstvergehen einschließlich aller be-und entlastenden Umstände würde bekannt (BVerwG, U.v. 17.11.2017 - 2 C 25.17 - juris Rn. 54).
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4.6. Im Hinblick auf die zugunsten des Beklagten sprechenden Umstände geht das Gericht davon aus, dass ein Restvertrauen in ihn geblieben ist und statt der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis lediglich die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung angezeigt erscheint. Angesichts der Schwere der Tat und der weiteren Umstände wäre dabei die Zurückstufung um zwei Stufen tat- und schuldangemessen. Allerdings lässt § 9 Abs. 1 Satz 1 BDG eine Zurückstufung nur in ein Amt derselben Laufbahn, also in das Eingangsamt einer Laufbahn zu. Das Eingangsamt in der Laufbahn des mittleren Polizeivollzugsdienstes in der Bundespolizei, in der der Beklagte seinen Dienst leistet, ist das Amt eines Polizeimeisters/ einer Polizeimeisterin in der Besoldungsgruppe A7 (vgl. § 17 BBG, § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Bundespolizei-Laufbahnverordnung - BPolLV - i.V.m. Anlage 1 hierzu). Das Gericht kann den derzeit in Besoldungsgruppe A8 befindlichen Beklagten daher lediglich um eine Stufe zurückstufen.
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Der Umstand, dass eine Zurückstufung um zwei Stufen vorliegend nicht möglich ist und das disziplinarrechtliche Instrumentarium damit nur eine relativ milde Maßnahme bereithält, führt wegen des verbliebenen Restvertrauens nicht dazu, dass statt der Zurückstufung die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis auszusprechen ist. Angesichts der für den Beklagten sprechenden Umstände und seiner Unterhaltsverpflichtung für fünf Kinder wäre die Verhängung der Höchstmaßnahme nicht mit dem auch im Disziplinarrecht geltenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 BDG i.V.m. § 155 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Da die Klägerin mit ihrem Antrag aus der Disziplinarklage nicht durchgedrungen ist, aber dennoch eine Disziplinarmaßnahme gegen den Beklagten ausgesprochen wurde, waren die Kosten gegeneinander aufzuheben.