Inhalt

VG Würzburg, Beschluss v. 25.09.2020 – W 5 S 20.1403
Titel:

Antrag gegen versammlungsrechtliche Beschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie

Normenketten:
BayVersG Art. 15 Abs. 1
BaylfSMV § 7 Abs. 1
BayVwVfG Art. 35
Leitsatz:
Da mit einer höheren Zahl von Versammlungsteilnehmern das Risiko von Neuinfektionen steigt und sich die Gefahr der unkontrollierten Ausbreitung des Corona-Virus erhöht, auch weil Infektionsketten nicht mehr nachvollziehbar sind, ist neben dem Einhalten der Abstandsregeln eine zusätzlich angeordnete Maskenpflicht rechtmäßig. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Versammlung, „Querdenken“, Beschränkung, Maskenpflicht, Erfassung der Teilnehmer, Empfehlung, Versammlungsfreiheit, Corona-Pandemie, Coronavirus SARS-CoV-2, versammlungsrechtliche Beschränkungen, Abstandsregeln, "Querdenken"
Fundstelle:
BeckRS 2020, 25098

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen versammlungsrechtliche Beschränkungen.
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1. Am 16. September 2020 wurde per E-Mail gegenüber der Antragsgegnerin die Durchführung einer öffentlichen Versammlung in Aschaffenburg am 27. September 2020 zu dem Thema „Querdenken - friedliche Versammlung für Wahrung der Grund- und Freiheitsrechte“ mit einer Teilnehmerzahl von 1.500 Personen angezeigt. Geplant ist eine Auftaktkundgebung auf dem Volksfestplatz in der Zeit von 13:00 Uhr bis 15:30 Uhr und ein anschließender Aufzug durch die Aschaffenburger Innenstadt bis ca. 18:00 Uhr. Am 22. September 2020 fand ein Kooperationsgespräch statt.
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2. Mit Bescheid vom 22. September 2020 legte die Antragsgegnerin auf Grundlage von Art. 15 BayVersG der Antragstellerin u.a. folgende Beschränkungen auf:
„9. Ergänzend sind folgende Infektionsschutzmaßnahmen einzuhalten:
a) Zwischen allen Teilnehmern muss durchgängig ein Mindestabstand von 1,5 m gewahrt und jeder Körperkontakt mit Versammlungsteilnehmern oder Dritten vermieden werden, wozu auch gehört, dass keine Flugblätter, Flyer oder sonstige Gegenstände verteilt werden.
b) Es soll ermöglicht werden, dass alle Teilnehmer ihre Teilnahme mit Name, Vorname, ggf. Geburtsdatum, Adresse, Telefonnummer erfassen können (z.B. Auslegen von Listen, Box für Visitenkarte / Zettel). Es ist aktiv auf die Erfassungs-/Eintragungsmöglichkeit hinzuweisen. Die Daten der Teilnehmer sind auf Anforderung dem Gesundheitsamt zur Verfügung zu stellen. Unabhängig davon sind die Daten nach vier Wochen zu vernichten.
c) Es besteht während der gesamten Versammlung die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Sinn der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmen (Maskenpflicht). Das Tragen von Masken vom Betreten bis zum Verlassen des Versammlungsortes auch außerhalb der Versammlung wird empfohlen. Während der stationären Versammlung sind Redner von der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit, soweit sie einen Mindestabstand von 2 m zu den restlichen Versammlungsteilnehmern haben.“
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Auf die hierzu im Bescheid vom 22. September 2020 gegebene Begründung wird verwiesen.
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3. Die Antragstellerin erhob am 24. September 2020 Klage gegen die unter Ziffer 9.b und 9.c ausgesprochenen Bestimmungen und beantragte im hiesigen Verfahren,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
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Zur Begründung führte sie insbesondere aus: Für die Erfassung von persönlichen Daten der Teilnehmer nach Maßgabe von Ziffer 9.b. der Beschränkungen fehle es in § 7 der 6. BayIfSMV an einer Rechtsgrundlage. Wie eine dem Datenschutz genügende Liste auf einer Versammlung so geführt und verwahrt werden könne, dass Dritte sie nicht einsehen könnten, lasse die Antragsgegnerin offen. Die in Ziffer 9.c. der Beschränkungen angeordnete Maskenpflicht sei von der Rechtsgrundlage des § 7 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 2 der 6. BayIfSMV nicht gedeckt. Alle Interessen zum Schutz der Allgemeinheit, auch der Versammlungsteilnehmer selbst, seien gewahrt, weil die Abstandsgebote eingehalten würden. Der Bescheid enthalte keinen Passus für den Fall, dass nicht mehr als 200 Personen an der Versammlung teilnehmen würden. Selbst für Versammlungen von über 200 Personen sehe der Verordnungsgeber nur in der Regel eine Maskenpflicht vor. Hier gebiete es das der Behörde eröffnete Ermessen, konkrete Angaben zum Fall zu machen. Dieses Ermessen sei nicht ausgeübt worden. Die Erwägungen der Behörde zur erwarteten Teilnehmerzahl von 1.500 Personen seien nicht stichhaltig. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei durch Beachtung des Abstandsgebots Genüge getan. Zudem könne die Behörde angesichts der Größe des Volksfestplatzes eine noch größere Versammlungsfläche ausweisen. Für den Demonstrationszug durch die Stadt gelte ebenfalls die Maskenpflicht, obwohl die Menschen sich unter Wahrung des Abstandsgebots verteilen könnten.
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4. Die Antragsgegnerin äußerte sich lediglich im Klageverfahren und stellte im hiesigen Verfahren keinen Antrag (vgl. Schriftsatz vom 25.9.2020). Die Behördenakte wurde auszugsweise per E-Mail vorgelegt.
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5. Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
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Der Antrag hat keinen Erfolg.
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1. Soweit der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO darauf gerichtet ist, die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Ziffer 9.b. des Bescheids der Antragsgegnerin vom 22. September 2020 anzuordnen, erweist sich der Antrag bereits als unzulässig.
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Der Antrag ist insoweit schon nicht statthaft, weil es sich bei der streitgegenständlichen Textpassage nicht um einen Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG handelt. Danach ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.
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Maßgeblich für die Würdigung ist der objektive Sinngehalt der Erklärung oder des Verhaltens einer Behörde, der sich aus dem sogenannten Empfängerhorizont erschließt, also daraus, wie der Bürger diesen unter Berücksichtigung aller in Betracht zu ziehenden Umstände verstehen darf und muss, wobei z.B. äußere Form, Abfassung, Begründung, Beifügen einer Rechtsmittelbelehrungund vergleichbare Gesichtspunkte mögliche - freilich nicht je für sich zwingende - Anhaltspunkte bieten können, ferner aber auch alle sonstigen bekannten oder erkennbaren Begleitumstände, die mit dem Vorgang in einem zeitlichen oder sachlichen Zusammenhang stehen; Unklarheiten gehen dabei zu Lasten der Behörde (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.1998 - 6 C 6/98 - juris, unter Bezugnahme auf U.v. 26.4.1968 - 6 C 113/67 - BVerwGE 29, 310, 312; U.v. 12.1.1973 - 7 C 3/71 - BVerwGE 41, 305; U.v. 9.6.1975 - 6 C 163/73 - BVerwGE 48, 279; U.v. 17.10.1975 - 4 C 66/72 - BVerwGE 49, 244; U.v. 18.6.1980 - 6 C 55/79 - BVerwGE 60, 223).
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Hiervon ausgehend ist nach der Gesamtheit aller konkreten Umstände vorliegend nicht von einem Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG auszugehen, da es der streitgegenständlichen Textpassage in Ziffer 9.b. des Bescheids vom 22. September 2020 an einer Regelungswirkung mangelt. Verwaltungsakte sind nur solche Maßnahmen einer Behörde, die eine „Regelung“ bezwecken. Das ist dann der Fall, wenn die Maßnahme nach ihrem Erklärungsgehalt darauf gerichtet ist, eine Rechtsfolge zu bewirken (vgl. von Alemann/Scheffczyk in Beck`scher OK VwVfG, Stand 1.7.2020, § 35 Rn. 139). Wesentlich ist dabei, dass der Verwaltungsakt auf eine unmittelbare, für den Betroffenen verbindliche Festlegung von Rechten und Pflichten oder eines Rechtsstatus gerichtet ist, d.h. darauf, mit dem Anspruch unmittelbarer Verbindlichkeit und mit der Bestandskraft fähiger Wirkung unmittelbar subjektive Rechte der Betroffenen zu begründen, zu konkretisieren und zu individualisieren, aufzuheben, abzuändern oder verbindlich festzustellen oder aber darauf, die Begründung, Aufhebung, Abänderung oder Feststellung unmittelbar verbindlich abzulehnen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 35 Rn. 88). Keine Regelungen sind Erklärungen oder Handlungen einer Behörde, denen nach Inhalt, Zusammenhang oder näheren Umständen ein Regelungs- und Bindungswille fehlt, z.B. Empfehlungen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 35 Rn. 88; Alemann/Scheffczyk in Beck`scher OK VwVfG, Stand 1.7.2020, § 35 Rn. 158; jeweils m.w.N. zur Rspr.).
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So lässt sich der fraglichen Textpassage unter Ziffer 9.b. des Bescheids vom 22. September 2020 schon kein verpflichtender Charakter entnehmen, wenn dort davon die Rede ist, dass es ermöglicht werden soll („Es soll ermöglicht werden“), dass alle Teilnehmer ihre Teilnahme mit Name, Vorname, ggf. Geburtsdatum, Adresse, Telefonnummer erfassen können. Darüber hinaus spricht auch die Begründung des Bescheids gegen eine verbindliche Regelung, wenn dort ausgeführt wird, dass es „infektionsschutzrechtlich erforderlich und angemessen [sei], das Auslegen einer Liste oder andere Möglichkeiten zur Erfassung der Teilnehmer zumindest zu empfehlen“ (vgl. Bescheid vom 22.9.2020, S. 6, Absatz 2). In der Zusammenschau der Textpassage unter Ziffer 9.b. und der hierzu erfolgten Begründung auf Seite 6 ist mithin für den Empfänger klar erkennbar, dass es sich hinsichtlich der Möglichkeit zur Erfassung bzw. Eintragung der Teilnehmerdaten nicht um eine verpflichtende Regelung, sondern lediglich um eine von der Versammlungsbehörde ausgesproche Empfehlung handelt.
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2. Im Übrigen - hinsichtlich der angegriffenen Beschränkung unter Ziffer 9.c. des Bescheids vom 22. September 2020 (sog. Maskenpflicht) - ist der Antrag unbegründet.
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Rechtsgrundlage für die angegriffene Beschränkung ist Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde eine Versammlung insbesondere beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Durch diese Vorschrift wird das Grundrecht des Art. 8 GG, wonach alle Deutschen das Recht haben, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, beschränkt. Die Möglichkeit der Beschränkung der Versammlungsfreiheit ist in Art. 8 Abs. 2 GG ausdrücklich vorgesehen.
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Der Begriff der „öffentlichen Sicherheit“ umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen. Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit kann sich auch aus anderweitigen gravierenden Gefahren für hochrangige Schutzgüter wie Leib und Leben (Art. 2 Abs. 2 GG) oder die Aufrechterhaltung des öffentlichen Gesundheitssystems im Falle einer Pandemie durch ein hochansteckendes Virus mit einer hohen Anzahl schwerer Erkrankungsverläufe ergeben. Die „unmittelbare Gefährdung“ i.S.d. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG setzt eine konkrete Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgüter führt. In Ansehung der hohen Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit darf die Behörde bei dem Erlass von Auflagen keine zu geringen Anforderungen an die von ihr vorzunehmende Gefahrenprognose stellen. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus. Gibt es neben Anhaltspunkten für die von der Behörde und den Gerichten zugrunde gelegte Gefahrenprognose auch Gegenindizien, haben sich die Behörde und die Gerichte auch mit diesen in einer den Grundrechtsschutz des Art. 8 Abs. 1 GG hinreichend berücksichtigenden Weise auseinanderzusetzen. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - juris Rn. 17; B.v. 12.5.2010 - 1 BvR 2636/04 - juris Rn. 17 jeweils m.w.N.; BayVGH, B.v. 19.12.2017 - 10 C 17.2156 - juris Rn. 16).
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Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 der Sechsten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (6. BayIfSMV) vom 19. Juni 2020 (BayMBl. Nr. 348, BayRS 2126-1-10-G), die zuletzt durch § 1 der Verordnung vom 22. September 2020 (BayMBl. Nr. 535) geändert worden ist, muss bei öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel im Sinne des Bayerischen Versammlungsgesetzes (BayVersG) zwischen allen Teilnehmern ein Mindestabstand von 1,5 m gewahrt und jeder Körperkontakt mit anderen Versammlungsteilnehmern oder Dritten vermieden werden. Nach Satz 2 dieser Vorschrift haben die nach Art. 24 Abs. 2 BayVersG zuständigen Behörden, soweit dies im Einzelfall erforderlich ist, durch entsprechende Beschränkungen nach Art. 15 BayVersG sicherzustellen, dass die Bestimmungen nach Satz 1 eingehalten werden (Nr. 1) und die von der Versammlung ausgehenden Infektionsgefahren auch im Übrigen auf ein infektionsschutzrechtlich vertretbares Maß beschränkt bleiben; davon ist in der Regel auszugehen, wenn die Versammlung nicht mehr als 200 Teilnehmer hat und ortsfest stattfindet (Nr. 2). Sofern die Anforderungen nach Satz 2 auch durch Beschränkungen nicht sichergestellt werden können, ist die Versammlung zu verbieten (§ 7 Abs. 1 Satz 4 6. BayIfSMV).
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2.1. Ausgehend von diesen rechtlichen Maßstäben ist nach der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung die von der Antragsgegnerin im Rahmen des Art. 15 Abs. 1 BayVersG getroffene Gefahrenprognose betreffend die unter Ziffer 9.c. getroffene Nebenbestimmung zur Maskenpflicht nicht zu beanstanden.
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Die Antragsgegnerin ist zu der Bewertung gelangt, dass die Durchführung der von der Antragstellerin angemeldeten Versammlung ohne die auferlegte Maskenpflicht infektionsschutzrechtlich nicht vertretbar ist. Die dabei zugrunde gelegte Annahme, dass eine Teilnehmerzahl von 200 Personen (vgl. hierzu § 7 Abs. 1 Satz 3 6. BayIfSMV) deutlich überschritten wird, ergibt sich - unmittelbar aus der Versammlungsanzeige, wonach 1.500 Teilnehmer angemeldet worden sind (vgl. Email des Herrn B* … an die Antragsgegnerin vom 16.9.2020), so dass es auf das in Aschaffenburg bestehende Mobilisierungspotenzial für die angemeldete Versammlung ebenso wenig ankommt wie auf die Teilnehmerzahlen von möglicherweise vergleichbaren Demonstrationen in der jüngeren Vergangenheit. Es wird von Antragstellerseite nicht vorgetragen und ist nach Aktenlage auch nicht ersichtlich, dass von der Teilnehmerzahl von 1.500 Personen im Rahmen des - von der Antragsgegnerin nicht dokumentierten - Kooperationsgesprächs abgerückt worden wäre. Bei einer damit zugrunde zulegenden Teilnehmerzahl von 1.500 Personen ist nach Auffassung der Kammer unter Berücksichtigung des mehrstündigen Zeitraums der geplanten Versammlung absehbar, dass es im Rahmen der Versammlungsdurchführung - sowohl bei der Anfangskundgebung auf dem Volksfestplatz als auch erst recht bei dem anschließenden, sich bewegenden Demonstrationszug - zu Verstößen gegen das gesetzlich zwingend erforderliche Abstandsgebot kommt und dass hieraus - ohne die zusätzliche Anordnung einer Maskenpflicht - eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit resultiert. Die Antragstellerin hat nicht substantiiert dargelegt, wie sie dafür sorgen will, dass die Teilnehmer tatsächlich die aus infektionsschutzrechtlicher Sicht unabdingbaren Abstandsregeln einhalten werden und dadurch das Infektionsrisiko in einer Weise minimieren, dass eine zusätzliche Maskenpflicht nicht mehr gerechtfertigt wäre. Mit einer höheren Zahl von Teilnehmern steigt das Risiko von Neuinfektionen und erhöht sich die Gefahr der unkontrollierten Ausbreitung des Virus, auch weil Infektionsketten nicht mehr nachvollziehbar sind (vgl. auch VGH BW, B.v. 16.5.2020 - 1 S. 1541720 - juris). Größere Ausbrüche von Corona sind immer dann zu verzeichnen, wenn eine größere Menschenmenge zusammentrifft, weil es unter ungünstigen Bedingungen zu einer Übertragung des Virus auf viele Personen kommen kann. Letztendlich ist die Antragstellerin auch unter Berücksichtigung der fundamentalen Bedeutung ihres Grundrechts aus Art. 8 GG darauf zu verweisen, dass die angemeldete Versammlung bei Beachtung des derzeit noch erforderlichen Risikomanagements ohne ein hinreichendes Sicherheitskonzept infektionsschutzrechtlich nicht vertretbar ist (BayVGH, B.v. 29.5.2020 - 10 CE 20.1291 - juris). Die Maskenpflicht hat für die Antragstellerin auch keine unzumutbaren und schweren Nachteile zu Folge. Sie kann ihr Anliegen am gewünschten Ort und in der gewünschten Zeit öffentlichkeitswirksam präsentieren und verfolgen.
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2.2. Die von der Behörde vorgesehene Anordnung der sog. Maskenpflicht beruht auf einer pflichtgemäßen Ermessensausübung.
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Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG sieht auf der Rechtsfolgenseite ein Ermessen der Versammlungsbehörde vor, das heißt (auch) bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Rechtsgrundlage steht die Anordnung von Beschränkungen der Versammlung im Ermessen der Behörde, das diese im Rahmen des Art. 40 BayVwVfG unter Berücksichtigung der Grundrechte des Antragstellers und Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszuüben hat. Insoweit ist die Ermessensausübung der Versammlungsbehörde durch die Gerichte nach § 114 Satz 1 VwGO überprüfbar.
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Hier hat die Versammlungsbehörde in Bezug auf die Anordnung der sog. Maskenpflicht das ihr auf Grundlage von Art. 15 Abs. 1 BayVersG zustehende Ermessen erkannt. In den Gründen des Bescheids vom 22. September 2020 hat sie dies ausdrücklich erwähnt; auch ist deutlich geworden, dass die Behörde das Erfordernis einer Abwägung zwischen dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG und den Grundrechten Dritter aus Art. 2 GG erkannt hat (vgl. Seite 4 des Bescheids). Der Bescheid leidet auch nicht an sonstigen Ermessensfehlern. Die Antragsgegnerin hat ausgeführt, dass die Erheblichkeit der Gefahren, die durch die angemeldete Veranstaltung entstehen können, dazu zwingt, die beanstandeten Beschränkungen zu erlassen. Die hier streitgegenständliche versammlungsrechtliche Beschränkung in Ziffer 9.c. des Bescheids vom 22. September 2020 erweist sich nach summarischer Prüfung auch nicht als unverhältnismäßig. Art, Größe und Umfang der angemeldeten Versammlung sowie die davon ausgehende Gefahrenprognose lassen die beanstandeten Beschränkungen nach dem Dafürhalten der Kammer erforderlich und angemessen erscheinen. Eine Vergrößerung der Versammlungsfläche in Abänderung des beim Kooperationsgespräch zugrunde gelegten Ergebnisses war nicht veranlasst.
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3. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an Ziff. 45.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.