Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 24.07.2020 – Au 3 K 19.139
Titel:

Rückforderung der Förderung einer Kindertageseinrichtung wegen Angabe falscher Buchungszeiten

Normenketten:
SGB X § 45, § 50 Abs. 1
BayKiBiG Art. 18 Abs. 1, Art. 21
BayAVKiBiG § 23 Abs. 4, § 25, § 26 Abs. 3
Leitsätze:
1. Förderfähige Buchungszeit i.S.d. Art. 21 Abs. 4 S. 2 BayKiBiG ist nur diejenige Zeit, in der das Kind tatsächlich in der Einrichtung anwesend ist. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die pauschale Angabe einer früheren Betreuungszeit durch die Einrichtung, um damit Schulausfälle zu kompensieren, ist grob fahrlässig. (Rn. 32 – 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Förderung einer Kindertageseinrichtung, Rücknahme des Bewilligungsbescheids, Rückforderung, Vertrauensschutz, grobe Fahrlässigkeit, Förderung, Kindertageseinrichtung, Rücknahme, Betreuung, Buchungszeit
Fundstelle:
BeckRS 2020, 24527

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten über die Rückforderung der Förderung einer Kindertageseinrichtung für die Bewilligungsjahre 2011/2012, 2012/2013, 2013/2014 und 2015.
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Der Kläger ist Träger des in * gelegenen Hortes „*“. Dem Betrieb liegt eine Betriebserlaubnis des Landratsamtes * zugrunde. Im Hort können bis zu 100 Kinder betreut werden. Ausweislich des Konzepts richtet sich der Hort in erster Linie an Grundschüler und ist Montag bis Donnerstag von 6:30 Uhr bis 17 Uhr und am Freitag von 6:30 Uhr bis 16 Uhr geöffnet.
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Für die dort betreuten Kinder erhielt der Kläger eine kindbezogene Förderung nach dem Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz. Grundsätzlich haben die jeweiligen Träger zur Beantragung einer Förderung die relevanten kindbezogenen Daten in das vom Beigeladenen zur Verfügung gestellte Computerprogramm KiBiG.web einzutragen und freizugeben. Diesen Angaben liegen die von den Trägern und Eltern zu unterzeichnenden Buchungsvereinbarungen zugrunde. Daraufhin erzeugt das Programm automatisch ein Antragsformular, das der jeweilige Träger auszudrucken und zu unterschreiben hat. Er sendet es dann an die Aufenthaltsgemeinde. Die Gemeinde wiederum bestätigt den Antrag und beantragt auf dieser Grundlage beim Freistaat Bayern für Kinder aus dem eigenen Gemeindegebiet die staatlichen Fördermittel, die dann gemeinsam mit den kommunalen Fördermitteln von der Gemeinde an den jeweiligen Träger ausbezahlt werden.
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Mit Bescheiden des Beklagten vom 25. Oktober 2012, vom 28. November 2013, vom 15. April 2015 und vom 15. Juni 2016 wurde dem Kläger nach Endabrechnung eine kindbezogene Förderung gewährt. Diese betrug für das Jahr 2011/2012 324.727,65 EUR, für den Zeitraum 2012/2013 349.736,71 EUR, für den Zeitraum 2013/2014 486.936,76 EUR und für das Jahr 2015 429.275,68 EUR. Die Bescheide enthielten jeweils einen Hinweis auf eine mögliche Belegprüfung.
5
Vom 14. Dezember bis zum 7. Dezember 2017 fand in der Einrichtung „*“ * eine Belegprüfung für die Abrechnungsjahre 2011 bis 2015 statt. Die Prüfung ergab Beanstandungen, die aus Sicht des Beklagten zu Förderkürzungen führen mussten.
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Mit Schreiben vom 17. September 2018 wurde der Kläger zur beabsichtigten Neufestsetzung der Fördersumme und zur Rückforderung angehört.
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Der Kläger nahm mit Schreiben vom 15. Oktober 2018 Stellung. Er gab an, dass die verpflichtende Festsetzung des Buchungszeitbeginns auf 11.00 Uhr im Umkehrschluss zu § 25 AV BayKiBiG rechtmäßig sei. Dadurch solle eine durchgehende Betreuung von Schulkindern auch dann gewährleistet werden, wenn öffentliche Schulen einen regelmäßigen Unterricht nicht länger als bis 11.00 Uhr zusagen wollten oder leisten könnten. Die Eltern hätten entsprechende Hortbuchungen vorgenommen, um eine durchgehende Betreuung ihrer Kinder bis 15.00 Uhr sicherzustellen. Er berufe sich überdies auf Vertrauensschutz, da die überwiesenen Fördermittel vollständig und zweckgerichtet für den Betrieb des Hortes verwendet worden seien und mit der Festsetzung der Fördermittel in der Endabrechnung und der entsprechenden Bewilligung durch den Beklagten das jeweilige Jahr abgeschlossen gewesen sei. Deshalb sei nicht mehr mit einer Rückforderung zu rechnen gewesen. Sie hätten mit der vorgegebenen Buchungszeit weder wirtschaftliche noch sonstige unlautere Überlegungen verfolgt. Es sei auch daran zu erinnern, dass der Beklagte sowie das Jugendamt aufgrund ihrer jahrelangen Kenntnis und Duldung der Buchungstabelle ein etwaiges Fehlverhalten mitverschuldet hätte.
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Mit Bescheid des Beklagten vom 28. Dezember 2018 wurden die Endabrechnungsbescheide jeweils für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Fördersumme wurde wie folgt festgesetzt: für das Abrechnungsjahr 2011/2012 auf 282,636,00 EUR, für das Abrechnungsjahr 2012/2013 auf 296.554,00 EUR, für das Abrechnungsjahr 2013/2014 auf 407.368,00 EUR und für das Abrechnungsjahr 2015 auf 358.976,00 EUR. Dadurch ergebe sich eine Überzahlung in Höhe von 245.142,80 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 41.047,13 EUR, insgesamt 286.189,93 EUR. Im Rahmen der Belegprüfung habe sich ergeben, dass die Fördervoraussetzungen nicht eingehalten wurden. Für die Ermittlung der Buchungszeitfaktoren sei ein Wochendurchschnitt zu ermitteln. Hier sei grundsätzlich für alle Kinder unabhängig vom Unterrichtsende 11.00 Uhr festgesetzt worden. Dies widerspreche aber der Stundentafel des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, anhand derer die tatsächlichen Betreuungszeiten der Kinder ermittelt worden seien. Daraus ergäben sich für einen Großteil der Kinder Korrekturen in den geprüften Abrechnungsjahren (2011 bis 2015). Für das Kind mit der * sei in den Jahren 2013 und 2015 eine Buchungszeit in Höhe von ein bis zwei Stunden abgerechnet worden, das Kind sei jedoch nur zum Frühdienst von 6.30 Uhr bis 7.15 Uhr betreut worden. Dies belaufe sich auf 3,75 Stunden in der Woche. Eine Förderfähigkeit ergebe sich aber erst, wenn täglich mehr als eine Stunde Betreuungszeit anfiele. Die Abrechnung von „Überhangszeiten“ durch den Kläger überzeuge nicht, da durch das Gesetz bereits eine erhöhte Förderung für Schulkinder mit dem Faktor 1,2 berücksichtigt werde. Ein Berufen auf eine organisatorische Notwendigkeit der ungeplanten und unvorhergesehenen Betreuung von Schulkindern überzeuge nicht, da das Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst im Erlass von 12. Januar 2017 klargestellt habe, dass für die Einrichtungsträger keine Verpflichtung bestünde, Kinder früher aufzunehmen. Überdies habe bei sechs Kindern kein Migrationshintergrund vorgelegen, weshalb der erhöhte Gewichtungsfaktor von 1,3 nicht habe angerechnet werden können. Im Gegenzug sei aber bei vier Kindern ein Migrationshintergrund festgestellt worden. Auch bei der Ferienbuchung seien Unstimmigkeiten festzustellen gewesen. Bei einigen Kindern sei eine Betreuung von 45 Tagen während der Ferien abgerechnet worden; dies entspreche einer Förderung von drei Monaten je Kind. Aufgrund der Schließzeiten der Einrichtung sei jedoch nur eine Betreuung an folgenden Tagen in den Ferien möglich gewesen: 2011/2012 37 Tage, 2012/2013 36 Tage, 2013/2014 36 Tage und 2015 38 Tage. Dies entspräche einer Förderung von nur zwei Monaten je Kind. Außerdem seien bei Kindern mit einem verkürzten Betreuungszeitraum fälschlicherweise Ferientage für das gesamte Betreuungsjahr abgerechnet worden. Darüber hinaus seien teilweise Ferienbuchungen nicht entsprechend den mit den Eltern vereinbarten Betreuungsverträgen abgerechnet worden. Demgegenüber habe bei dem Kind mit der * in 2013/2014 eine Ferienbuchung von 30 Tagen (vorher 0 Ferientage) gegengerechnet werden können. Ferner sei für ein Kind zu Unrecht Förderung bezahlt worden. Nach der Betriebserlaubnis sei eine Betreuung nur bis zum vollendeten 15. Lebensjahr zulässig. Im Jahre 2015 habe das Kind mit der * das 15. Lebensjahr bereits am 20. Juli 2015 vollendet und sei ab dem neuen Betreuungsjahr zum 1. September 2015 weiter in der Einrichtung betreut worden. Eine Förderung könne in diesem Fall aber höchstens bis zum Ablauf des Betreuungsjahres am 31. August 2015 erfolgen. Der Kläger könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, da er ein professioneller Dienstleister sei und 70 Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe betreibe. Überdies verfüge er über hauptamtliche Strukturen bei der Kinderbetreuung. Es sei für die Vielzahl der Einrichtungen eine effiziente und hochprofessionelle Leitung dieses Geschäftsfeldes erforderlich und auch tatsächlich vorhanden. Aus Sicht des Beklagten sei nicht davon auszugehen, dass der Kläger inhaltlich überfordert oder entschuldbar nicht ausreichend informiert worden sei. Aufgrund der finanziellen Auswirkungen auf die gesamte Geschäftspraxis des Verbandes bestünde bei diesem Spitzenverband geradezu die eigenverantwortliche Pflicht, mögliche „Unstimmigkeiten“ offen zu behandeln. Durch die Auszahlung der Abschlagszahlung bzw. Endabrechnung werde keinerlei inhaltliche Konformität bzw. Entlastung durch den Beklagten erteilt, weil hierzu noch die erforderlichen Detaildaten fehlten, die erst durch eine spätere Belegprüfung ermittelt bzw. überprüft werden könnten. Es sei durch § 23 AVBayKiBiG klargestellt, dass der Träger innerhalb von fünf Jahren mit einer Belegprüfung und ggf. entsprechenden Korrektur zu rechnen habe. Darauf werde auch in jedem gemeindlichen Bescheid zur Endabrechnung ausdrücklich hingewiesen. Der Kläger habe unrichtige bzw. unvollständige Angaben gemacht und dadurch die erforderliche Sorgfalt verletzt. Es bestehe ein öffentliches Interesse an der Kürzung der unrechtmäßig bewilligten öffentlichen Leistungen. Auch die Höhe des Rückforderungsbetrages führe nicht zur Anerkennung eines atypischen Falles, da bei den jährlichen Umsatzzahlen des Klägers der Rückforderungsbetrag einen verhältnismäßig geringen Betrag am Gesamtumsatz ausmache.
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Unabhängig davon wurde der geforderte Betrag inklusive Zinsen vom Kläger an den Beklagten unter Vorbehalt bezahlt.
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Am 31. Januar 2019 erhob der Kläger Klage. Er beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 28. Dezember 2018 aufzuheben.
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Der Bescheid sei rechtswidrig. Das Hortkonzept sei mit dem Beklagten und dem Beigeladenen abgestimmt gewesen, insbesondere die Öffnungs- und Buchungszeiten seien erörtert worden. Es entspreche den allgemeinen Gepflogenheiten im Landkreis * und im Gebiet des Beklagten sowie in weiten Teilen Bayerns, dass Schüler vor dem regulären Schulschluss bei Unterrichtsausfall in die Horte geschickt würden. Darüber hinaus habe es sogar eine dahingehende Absprache zwischen der Leiterin der Einrichtung und der Leitung der benachbarten Schule gegeben. Die Praxis sei nie gerügt worden. Deshalb sei auch der Kläger davon ausgegangen, dass gegen den Beginn der Buchungszeit ab 11 Uhr keine durchgreifenden Bedenken bestünden. Der Beklagte habe des Weiteren den Vertrauensschutz des Klägers nicht hinreichend berücksichtigt. Er habe das Hortkonzept gekannt und nach jahrelanger Duldung nun erstmals Verstöße geltend gemacht. Da die Auskehrung der Fördermittel erst nach Beendigung des jeweiligen Kindergartenjahres endgültig erfolge, sei systemimmanent, dass der jeweilige Träger in Vorausleistung zu gehen habe. Mit der Bekanntgabe der Bewilligungsbescheide habe der Kläger davon ausgehen dürfen, dass der Beklagte die Buchungszeitregelungen als förderfähig ansehe. Grobe Fahrlässigkeit liege nicht vor. Der Kläger habe daher keine unrichtigen Angaben gemacht, sondern Buchungen ab 11 Uhr zum Teil seines Konzepts gemacht. Dem Beklagten sei diese Problematik auch nie aufgefallen. Die Rechtslage sei auch unklar gewesen und es habe erstmals mit dem Erlass vom 12. Januar 2017 Hinweise zu den buchbaren Zeiten in den Horten gegeben. Der Wortlaut des § 25 AVBayKiBiG sei nicht eindeutig, weshalb der Kläger sich auf eine Kommentierung zu einem BayKiBiG-Handbuch verlassen habe. Das Vertrauen sei auch schutzwürdig, weil der Kläger weder wirtschaftliche noch sonstige unlautere Überlegungen verfolgt habe. Die Fördermittel seien außerdem bereits verbraucht worden. Hinzu komme, dass der Beklagte bereits früher habe tätig werden können. Die Rücknahme sei überdies ermessensfehlerhaft. Es sei auch eine teilweise Aufhebung des Bescheids möglich gewesen. Der Beklagte habe aus Verhältnismäßigkeitsgründen zumindest auf die Zinsen verzichten müssen.
13
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
15
Der Bescheid des Beklagten sei rechtmäßig, da der Bewilligungsbescheid rechtswidrig gewesen sei. Denn die in den Abrechnungen angeführten Buchungszeiten, Gewichtungsfaktoren und Ferienzeiten hätten sich als unzutreffend herausgestellt. Der Kläger allein sei für die korrekte Erfassung der Angaben im KiBiG.web verantwortlich. Eingetragen worden seien nicht die tatsächlichen Zeiten, sondern pauschale Betreuungszeiten. Die Vornahme von „Luftbuchungen“ habe keinen Einfluss auf die Förderfähigkeit. Es handle sich daher nicht um versehentliche Fehleingaben. Dem Kläger seien die tatsächlichen Betreuungszeiten der Kinder bekannt gewesen. Er könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, vielmehr liege ein Vertrauensausschluss nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X vor, weil er aufgrund seiner Struktur als bundesweit agierender paritätischer Wohlfahrtsverband interne Kenntnisse gehabt habe. Auch in Vorstand und Verwaltungsrat seien etliche Juristen vertreten. Die fünfjährige Prüfungsfrist sei dem Kläger bekannt gewesen, so dass eine Gutgläubigkeit bezüglich des Behaltendürfens ausscheide. Eine bayernweite Übung für die Buchungspraxis sei nicht bekannt. Ferner habe der Beklagte nicht auf die Zinsen verzichten dürfen, da er im Regressfall Zinsen an den Freistaat zu zahlen habe. Der Verzicht auf Zinsen habe auch strafrechtliche Relevanz für Bürgermeister und Gemeinderat.
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Der Beigeladene hat sich schriftsätzlich nicht geäußert.
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Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitgegenstands wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten sowie auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 24. Juli 2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 28. Dezember 2018 ist formell und materiell rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
19
Die Bewilligungsbescheide vom 25. Oktober 2012 und vom 28. November 2013, 15. April 2015 und vom 15. Juni 2016 des Beklagten wurden zu Recht zurückgenommen.
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1. Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 23 Abs. 4 Satz 1 AVBayKiBiG darf ein begünstigender rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Bereits erbrachte Leistungen sind nach § 50 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 23 Abs. 4 Satz 1 AVBayKiBiG zu erstatten. Die Vorschriften der §§ 45 ff. SGB X finden vorliegend Anwendung. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich die Anwendbarkeit dieser Vorschrift schon daraus ergibt, dass das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz ein Gesetz zur Ausführung der §§ 22 ff. SGB VIII ist und die Vorschriften des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 4, Art. 1 BayVwVfG anzuwenden sind (ausdrücklich offen gelassen noch in BayVGH, U.v. 28.9.2010 - 12 B 09.2955 - BeckRS; für eine Anwendung der §§ 45 ff. SGB X nunmehr BayVGH, B.v. 1.10.2015 - 12 ZB 15.1698 - BeckRS), oder ob § 23 Abs. 4 Satz 1 AVBayKibiG eine Rechtsvorschrift im Sinne des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayVwVfG darstellt, die abweichend von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayVwVfG die Anwendung der Verfahrensvorschriften des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch für die Rücknahme und den Widerruf konstitutiv anordnet.
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2. Der Rücknahmebescheid des Beklagten ist rechtmäßig. Dies erfordert in materieller Hinsicht, dass die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 SGB X vorlagen und der Kläger sich nicht auf Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 SGB X berufen konnte. Überdies muss das Ermessen fehlerfrei ausgeübt und nach § 45 Abs. 4 SGB X die Rücknahmefrist gewahrt worden sein.
22
a) Bei den oben genannten Bewilligungsbescheiden handelt es sich um begünstigende Verwaltungsakte nach § 45 Abs. 1 SGB X, die rechtswidrig sind, weil die Fördervoraussetzungen des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayKiBiG nicht erfüllt sind. Nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayKiBiG haben Träger von Kindertageseinrichtungen einen kindbezogenen Förderanspruch gegenüber den Aufenthaltsgemeinden. Dieser besteht nach Art. 22 Satz 1 BayKiBiG in Höhe der staatlichen Förderung an die Gemeinden erhöht um einen Eigenanteil der Gemeinden. Der Träger ist nach Art. 19 Nr. 8 und 10 BayKiBiG verpflichtet, die aktuellen Daten in das Förderprogramm einzugeben und die Vorschriften des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes und der Kinderbildungsverordnung zu beachten. Nach Art. 21 Abs. 4 Satz 2 BayKiBiG gibt die Buchungszeit den von den Eltern mit dem Träger der Einrichtung vereinbarten Zeitraum an, während dem das Kind regelmäßig in der Einrichtung vom pädagogischen Personal gebildet, erzogen und betreut wird. Der zweite Halbsatz der Vorschrift stellt klar, dass es auf die tatsächliche Anwesenheit des Kindes in der Einrichtung ankommt. Für die Ermittlung der Buchungszeit sind nach Art. 21 Abs. 4 Satz 6 BayKiBiG, § 25 AVBayKiBiG Buchungszeitfaktoren zu ermitteln.
23
Diese Voraussetzung war in den streitgegenständlichen Bewilligungsjahren nicht erfüllt, weil die Buchungszeiten im Sinn von Art. 21 Abs. 4 Satz 2 BayKiBiG nicht korrekt angegeben wurden.
24
aa) Von den Mitarbeitern des Klägers wurde für einen Großteil der Schulkinder der Buchungszeitbeginn auf 11 Uhr festgesetzt. Dies entsprach jedoch nicht der tatsächlichen Anwesenheit der Kinder, so dass mithin keine aktuellen und korrekten Daten nach Art. 21 Abs. 4 Satz 2, Art. 19 Nr. 8 BayKiBiG vorlagen. Darüber hinaus regelt § 25 Abs. 2 AVBayKiBiG lediglich die grundsätzliche Zulässigkeit von Hortbuchungen während der Schulzeit ab 11 Uhr, trifft jedoch keine Aussage zur tatsächlichen Buchung. Die Buchungszeit kann zwar um 11 Uhr beginnen, dies setzt aber voraus, dass das Kind auch tatsächlich in der Einrichtung anwesend ist. Sog. „Luftbuchungen“ (Zeiten, die die Eltern vorsorglich buchen, ohne sie regelmäßig zu nutzen) sind nicht zulässig und widersprechen Art. 21 Abs. 4 Satz 2 BayKiBiG. Eine Buchung kommt in der Regel nur für Betreuungszeiten nach dem regulären Unterrichtsende in Betracht (so auch Dunkl in Dunkl/Eirich, BayKiBiG, April 2020, Erl. 3.1 zu § 25 AVBayKiBiG).
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Ein Großteil der den Hort besuchenden Kinder war Grundschüler. Nach Anlage 1 zu § 9 der Grundschulordnung (GrSO) beträgt das wöchentliche Stundendeputat 23 Schulstunden, d.h. 17,25 Zeitstunden in Klassenstufe 1. Das entspricht einer durchschnittlichen täglichen Unterrichtszeit von 3,45 Stunden. Somit endet die Schule für Erstklässler täglich nicht vor 11:30 Uhr und eine tägliche Anwesenheitszeit ab 11 Uhr kann nicht der Realität entsprechen. In den höheren Klassenstufen steigt das wöchentliche Deputat an, so dass erst recht keine regelmäßige Anwesenheit ab 11 Uhr möglich ist. Sofern die Schule ungeplant früher endet, ist die Schule verpflichtet, eine frühere Betreuung sicherzustellen (Dunkl in Dunkl/Eirich, BayKiBiG, April 2020, Erl. 3.1 zu § 25 AVBayKiBiG).
26
bb) Die Betreuung des Kindes mit der * war nicht förderfähig, dies hat der Kläger auch nicht bestritten. Förderfähig ist die Betreuung, Erziehung und Bildung des Kindes nach § 25 Abs. 1 Satz 1 AVBayKiBiG erst, wenn es im Wochendurchschnitt täglich mindestens eine Stunde in der Einrichtung anwesend ist, in der Woche also fünf Stunden. Für das Kind wurde aber in den Abrechnungsjahren 2013/2014 und 2015 eine tägliche Buchungszeit von 1-2 Stunden abgerechnet. Das Kind besuchte den Hort jedoch nur zum Frühdienst von 6:30 Uhr bis 7:15 Uhr. Damit war es täglich nur 45 Minuten (3,75 Stunden in der Woche) in der Einrichtung anwesend.
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cc) Die Ferienbuchungen wurden unstrittig ebenfalls falsch abgerechnet. Nach Art. 21 Abs. 4 Satz 2 BayKiBiG, § 25 Abs. 2 i.V.m. § 26 Abs. 3 AVBayKiBiG kann bei zusammengezählten Buchungszeiträumen von mindestens 15 Betriebstagen ein Kalendermonat, ab mindestens 30 Betriebstagen zwei Kalendermonate und ab 45 Betriebstagen drei Kalendermonate abgerechnet werden. Bei einigen Kindern wurden 45 Tage abgerechnet, obwohl die Einrichtung von 2011 bis 2015 jeweils nur zwischen 36 und 38 Tagen in den Ferien geöffnet war. Daher erfolgte der Ansatz von 45 Buchungstagen zu Unrecht. Überdies wurden Ferienbuchungen nicht entsprechend den mit den Eltern geschlossenen Betreuungsverträgen abgerechnet.
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dd) Bei sechs Kindern wurde zu Unrecht ein Migrationshintergrund angegeben und daher ein erhöhter Gewichtungsfaktor nach Art. 21 Abs. 5 Satz 2 Nr. 6 BayKiBiG angesetzt. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten.
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ee) Selbiges gilt für die Förderung des Kindes mit der *. Diese erfolgte ab dem 1. September 2015 zu Unrecht. Die Betriebserlaubnis begrenzte die Altersstruktur für die zu betreuenden Kinder bis zum vollendeten 15. Lebensjahr. Weil das Kind bereits am 20. Juli 2015 15 Jahre wurde, wurde zu Unrecht eine Förderung ab dem neuen Betreuungsjahr zum 1. September 2015 gewährt, vgl. Art. 19 Nr. 1 BayKiBiG.
30
b) Der Kläger kann sich nicht auf Vertrauensschutz gemäß § 45 Abs. 2 SGB X berufen. Danach darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
31
aa) Der Kläger ist zwar nach § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X entreichert. Er hat nach eigenen Angaben, denen der Beklagte nicht entgegengetreten ist, die gewährten Mittel zweckbestimmt verwendet und darüber hinaus Verträge mit Personal geschlossen, die nicht ohne Weiteres rückgängig zu machen sind.
32
bb) Vertrauensschutz scheidet aber aus, weil der Kläger grob fahrlässig falsche Angaben nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X gemacht hat. Maßgebend dafür ist die Einsichtsfähigkeit des Begünstigten, also ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab (stRspr seit BSG, U.v. 13.12.1972 - 7 RKg 9/69 - BSGE 35, 108). Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt danach insbesondere, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (stRspr, seit BSG, Uv.v. 31.8.1976 - 7 RAr 112/74 - BSGE 42, 184). Entscheidend ist danach das Vermögen, die Fehlerhaftigkeit der gemachten Angabe erkennen zu können. Bei geschäftsmäßig tätigen Organisationen wie der klägerischen sind dabei strengere Anforderungen zu stellen als etwa bei ehrenamtlich Tätigen.
33
Zugunsten des Klägers und gegen eine Sorgfaltspflichtverletzung spricht zwar, dass der Kläger mit seiner Buchungspraxis den Eltern entgegenkommen und Schulausfälle kompensieren wollte. Auch der (klarstellende) Erlass des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst stammt erst aus dem Jahr 2017, d.h. deutlich nach Vornahme der entsprechenden Eintragungen.
34
Vorliegend hat der Kläger aber Angaben im Programm KiBig.web gemacht, die nicht der Realität entsprachen. Gemäß § 19 AVBayKiBiG ist der Träger dafür verantwortlich, die förderrelevanten Daten einzutragen; Fehleintragungen liegen im Verantwortungsbereich des Trägers (VG München, U.v. 10.11.2016 - M 17 K 15.4663 - juris). Dem Kläger muss sich aufgedrängt haben, dass die im KiBig.web. angegebenen Anwesenheitszeiten der großen Mehrheit der Kinder nicht mit der Realität übereinstimmten.
35
Die Fehlerhaftigkeit seiner Angaben muss für den Kläger damals ersichtlich gewesen sein.
36
Wenn der Kläger anführt, er habe die Buchungszeit auf 11 Uhr angesetzt, weil er Schulausfälle habe kompensieren und demzufolge Personal vorhalten müssen, so kann er damit nicht durchdringen. Denn die Überhangzeiten sind nicht notwendig, um einen früheren Schulschluss aufzufangen oder gar um Rüstzeiten zu erlangen. Vielmehr wird dem erhöhten Aufwand für Schulkinder bereits durch eine erhöhte Förderung nach Art. 21 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BayKiBiG mit einem Gewichtungsfaktor von 1,2 begegnet. Damit sind die Aufwendungen und Vorbereitungen dafür abgegolten.
37
Der pauschale Buchungsbeginn um 11 Uhr lässt sich insgesamt mit dem Ausfall einzelner Schulstunden und damit mit einem vorzeitigen Ende des Unterrichts auch nicht ansatzweise in Einklang bringen. Es handelte sich dabei nicht um komplexe Angaben, für die besonderer Sachverstand notwendig war, sondern um Tatsachenfragen. Vielmehr hätten einfachste Überlegungen genügt, um die Zeiten korrekt einzutragen. Hinzu kommt, dass die Eingaben in das Förderprogramm zwar von der Hortleitung vor Ort vorgenommen, allerdings auf Ebene des Bezirksverbands überprüft und ggf. korrigiert wurden. Wie die Vertreterin des Klägers in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, wurde die Freischaltung der Angaben klägerseits vorgenommen. Es muss davon ausgegangen werden, dass zumindest auf dieser Ebene entsprechende Erfahrungen für den Umgang mit Buchungsdaten vorgelegen haben, so dass dort die offensichtliche Fehlerhaftigkeit der Buchungen hätte erkannt werden müssen. Überdies verfügt der Kläger über eine hauptamtliche Struktur auf Landes- und Bundesebene, so dass klägerseits ohne Weiteres die Möglichkeit offen gestanden hätte, bei Unklarheiten Erkundigungen anzustellen. Allerdings gab es nach Auskunft Vertreterin des Klägers in der mündlichen Verhandlung sogar eine informelle Absprache auf Vorstandsebene im Hinblick auf § 25 Abs. 2 AVBayKiBiG,11 Uhr als einheitlichen Beginn der Buchungszeit einzutragen.
38
Die gesetzliche Regelung zu den Buchungszeiten war ferner nicht missverständlich. Der Wortlaut des Art. 21 Abs. 4 Satz 2 BayKiBiG mag im ersten Halbsatz noch nahelegen, dass auf die Vereinbarung zwischen dem Träger und den Eltern abzustellen ist. Allerdings wird im zweiten Halbsatz deutlich (und ist auch ohne juristischen Sachverstand verständlich), dass es auf die tatsächliche Anwesenheit des Kindes in der Einrichtung ankommt. Darüber hinaus regelt § 25 Abs. 2 AVBayKiBiG lediglich die Unzulässigkeit von Hortbuchungen während der Schulzeit zwischen 8.00 Uhr und 11.00 Uhr, trifft jedoch keine Aussage darüber, welche Buchungszeiten im Einzelfall förderfähig sind. Der Schluss des Klägers, dass aufgrund dieser Regelung 11 Uhr pauschal als Beginn der Buchungszeit angesetzt werden könne, ist offenkundig unrichtig.
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Auch für die Frage der Ferienbuchungen ist eindeutig, dass dem Kläger hätte einleuchten müssen, dass eine Buchung von 45 Tagen aufgrund der nur an 36 bis 38 Tagen in den Ferien geöffneten Einrichtung nicht möglich war. Es drängt sich hier sogar der Vorwurf zielgerichteten und vorsätzlichen Handelns auf, weil nach § 26 Abs. 3 Satz 2 AVBayKiBiG ab 45 Betriebstagen Ferienbuchung drei Monate abgerechnet werden können, bei 30 Tagen jedoch nur zwei Monate.
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Das Argument, der Kläger verfüge nicht über juristischen Sachverstand und habe daher derartige Angaben gemacht, vermag ihn nicht zu entlasten. Denn bei Unklarheiten wäre es in seinen Verantwortungsbereich gefallen, sich (externen) juristischen Sachverstands zu bedienen. Ansonsten könnten hier grobe Sorgfaltspflichtverletzungen im wesentlichen nur Juristen zur Last gelegt werden.
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Gegen den Kläger spricht auch, dass nach Aussage des für die Belegprüfungen zuständigen Beigeladenen der Hort eines anderen Trägers in * durchaus in der Lage war, korrekte Buchungszeiten anzugeben. Soweit ersichtlich, ist die systematische Angabe fiktiver Buchungszeiten bayernweit nur beim Kläger und seinen Schwesterorganisationen vorgekommen.
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Die Sorgfaltspflichtverletzung wird nicht dadurch gemindert, dass der Beklagte und der Beigeladene über das Hortkonzept informiert waren. Denn die Vorlage des Hortkonzepts erfolgte im Verfahren zur Erteilung der Betriebserlaubnis. Im Rahmen dieses Verfahrens ging es jedoch nicht um die konkrete Vornahme von Buchungen, sondern um andere Aspekte.
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c) Die Rücknahme war auch nicht ermessensfehlerhaft. Das Rücknahmeermessen des Beklagten war vorliegend auf Null reduziert.
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Zwar steht die Entscheidung über die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 45 Abs. 1 SGB X grundsätzlich im Ermessen der Behörde (vgl. BVerwG, U.v. 17.9.1987 - 5 C 26.84 -, BVerwGE 78, 101 [105 f]), weshalb die Rechtmäßigkeit der Rücknahme in der Regel eine entsprechende Ermessensausübung voraussetzt. In dieser Beziehung gelten jedoch Besonderheiten, wenn der zu treffenden Entscheidung durch das einschlägige Fachrecht eine bestimmte Richtung vorgegeben ist und ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vorliegt (sog. intendiertes Ermessen). Trifft das nämlich zu, so bedarf es, wenn in dem durch das Gesetz vorgegebenen Sinne entschieden wird, keiner Abwägung des Für und Wider mehr, womit zugleich eine nähere Begründungspflicht der Behörde entfällt (vgl. BVerwG, U.v. 25.9.1992 - 8 C 68 und 70.90 - BVerwGE 92, 82 [90] m.w.N.). So liegt der Fall hier. Das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz bestimmt in Art. 18 Abs. 1 Satz 1, dass ein Anspruch des Trägers besteht, wenn die Fördervoraussetzungen nach Art. 19 BayKiBiG erfüllt werden. Das schließt für den Fall einer unter Verstoß gegen diese Vorschrift erfolgten Förderleistung die Anordnung der Rücknahme des entsprechenden Bewilligungsbescheids und die Rückforderung des gezahlten Betrages ein (vgl. BVerwG, U.v. 25.9.1992 - 8 C 68 und 70.90 - BVerwGE 92, 82 [90 f.] - für die missbräuchliche Gewährung von Wohngeld). Auch die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung zeichnen in der Regel die Rücknahme von rechtswidrigen Geldleistungsbescheiden als nicht weiter begründungsbedürftige Konsequenz vor (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.1997 - 3 C 22.96 - BVerwGE 105, 55 [57 f.]; U.v. 10.12.2003 - 3 C 22/02 - NVwZ-RR 2004, 413 [415] m.w.N.). Bei der Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts nach § 45 Abs. 1 SGB X bleibt deshalb im Regelfall für die Ausübung von Ermessen kein Raum (vgl. BayVGH, B.v. 1.10.2015 - 12 ZB 15.1698 - juris für die Rückforderung von Fördermitteln des Freistaats gegenüber einer Gemeinde; BSG, U.v. 25.6.1986 - 9 a RVg 2/84 - juris, LS 3 u. Rn. 29; U.v. 5.11.1997 - 9 RV 20/96 - juris, Rn. 16). Zwar sind Ausnahmen denkbar, wenn besonders gewichtige Gründe eine andere Entscheidung rechtfertigen (vgl. BVerwG, U.v. 25.9.1992 - 8 C 68 und 70.90 - BVerwGE 92, 82 [91]). Solche sind hier auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers nicht ersichtlich. Stellt sich jedoch heraus, dass Vertrauensschutz zu versagen ist, so dass für eine Ermessensausübung keine Gesichtspunkte bleiben, ist das Rücknahmeermessen regelmäßig auf Null reduziert (vgl. BayVGH, B.v. 1.10.2015 - 12 ZB 15.1698 - juris; BSG, U.v. 5.11.1997 - 9 RV 20/96 - juris, Rn. 16). In diesem Fall kann nur eine Entscheidung richtig sein, nämlich die Leistungsbewilligung zurückzunehmen (vgl. BVerwG, U.v. 25.9.1992 - 8 C 68 und 70.90 - BVerwGE 92, 82 [90]; U.v. 16.6.1997 - 3 C 22.96 - BVerwGE 105, 55 [57]). Dies folgt aus Art. 18 Abs. 1 und 2 BayKiBiG, der den Förderanspruch der Gemeinde gegenüber dem Staat an die Einhaltung der Fördervoraussetzungen durch den Einrichtungsträger bindet. Erfüllt der Träger die Fördervoraussetzungen des Art. 19 BayKiBiG nicht ein, so muss die Gemeinde nicht nur ihren eigenen Förderanteil (Art. 18 Abs. 1, 22 BayKiBiG), sondern auch den staatlichen Anteil (Art. 18 Abs. 2, 21, 22 BayKiBiG) zurückfordern (§ 23 Abs. 4 AVBayKiBiG); sie ist aber ihrerseits zugleich auch dem Rückforderungsanspruch des Freistaats hinsichtlich des staatlichen Förderanteils ausgesetzt (dazu BayVGH, B.v. 1.10.2015 - 12 ZB 15.1698 - juris).
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Damit liegt hier kein Ausnahmefall vor, der ein Abweichen von der Ermessensreduzierung auf Null rechtfertigen würde.
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d) Die Bewilligungsbescheide wurden innerhalb der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X zurückgenommen. Danach muss die Rücknahme innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen erfolgen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Hierzu gehören jedenfalls die Tatsachen, aus denen sich die Rechtswidrigkeit des früheren Verwaltungsakts ergibt. Frühestens beginnt die Frist nach erfolgter Anhörung (BSG, U.v. 7.7.2000 - B 7 AL 88/99 R - NJOZ 2001, 121). Die Stellungnahme des Klägers im Rahmen der Anhörung erfolgte vorliegend mit Schreiben vom 15. Oktober 2018, so dass die am 28. Dezember 2018 erfolgte Rücknahme die Jahresfrist in jedem Fall wahrte.
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e) Der Umstand, dass der Zeitraum zur Belegprüfung nach § 23 Abs. 1 Satz 2 AVBayKiBiG fünf Jahre umfasst, wirkt sich auf Rechte des Klägers nicht aus. Die Begrenzung auf fünf Jahre dient nur der Aufgabenbegrenzung der Bewilligungsbehörden. Träger, die sich z. B. Leistungen aufgrund falscher Angaben erschlichen haben, können sich auf die zeitliche Befristung des Prüfauftrags nicht berufen. Es handelt sich dabei um keine Schutzvorschrift für Träger, die auf rechtswidrige Weise Fördermittel erhalten haben (Dunkl in Dunkl/Eirich, BayKiBiG, April 2020, Erl. 2.2 zu § 23 AVBayKiBiG). Die Vorschrift soll dem Träger keine individuelle Rechtsposition vermitteln, auf die er sich zu seinen Gunsten berufen kann.
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3. Da die Bewilligungsbescheide somit zu Recht gemäß § 45 SGB X i.V.m. § 23 Abs. 4 Satz 1 AVBayKiBiG zurückgenommen wurden, konnten auch die gewährten Fördermittel gemäß § 50 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 23 Absatz 4 Satz 1 AVBayKiBiG zurückgefordert werden. Die Berechtigung zur Erhebung von Zinsen und deren Berechnung folgt aus § 50 Abs. 2a SGB X i.V.m. § 23 Abs. 4 Satz 1 AVBayKiBiG. Dass der Beklagte nicht auf die Zahlung von Zinsen nach § 50 Abs. 2a Satz 2 SGB X verzichtet hat, war aufgrund der festgestellten Sorgfaltspflichtverletzung nicht ermessensfehlerhaft.
II.
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Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Es entspricht gemäß § 162 Abs. 3 VwGO der Billigkeit, dass der Beigeladene seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt, da er keinen Antrag gestellt und sich somit keinem Kostenrisiko im Sinne des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat. Das Verfahren ist gemäß § 188 S. 2 VwGO gerichtskostenfrei.
III.
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Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.