Titel:
Anspruch auf Erfüllungsübernahme bei einem Anspucken
Normenketten:
BayBG Art. 97
VwGO § 75
Leitsätze:
1. In Anlehnung an die strafrechtliche Rechtsprechung kann im Anspucken eines Menschen eine über eine Ehrverletzung hinausgehende Körperverletzung und damit ein tätlicher Angriff gesehen werden, wenn das Anspucken nicht nur bloße seelische Beeinträchtigungen bewirkt, sondern darüber hinausgehend körperliche Auswirkungen - etwa in Form von Brechreiz - hervorruft. Eine bloße Erregung von Ekelgefühl reicht hingegen nicht aus. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Grundsätzlich ist ein Angriff auch dann auf einen physischen Schaden gerichtet, wenn aus Sicht des Schädigers eine Körperverletzung zumindest billigend in Kauf genommen wurde, die Angriffshandlung aber letztendlich ohne Deliktsvollendung im (strafrechtlichen) Versuchsstadium stecken geblieben ist. Daher können auch lebensbedrohliche körperliche Angriffe, die zwar im Ergebnis zu keinen physischen, aber aufgrund der massiven Bedrohungslage zu gravierenden anerkannten psychischen Beeinträchtigungen geführt haben, für sich alleine einen von Art. 97 BayBG erfassten Schmerzensgeldanspruch begründen. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Recht der Landesbeamten, Erfüllungsübernahme, tätlicher Angriff auf Polizeibeamten (verneint), im Ausland wohnender Schädiger, durch Versäumnisurteil geltend gemachter Anspruch auf Schmerzensgeld, Polizeivollzugsbeamter, Dienstherr, Schmerzensgeldanspruch, tätlicher Angriff, gemischte Rechtsgutbeeinträchtigung, Spucken, Ekel, Brechreiz, Untätigkeitsklage
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 18.01.2021 – 3 ZB 20.591
Fundstelle:
BeckRS 2020, 2418
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Erfüllung eines gegen einen im Ausland wohnenden Dritten gerichteten und mit Versäumnisurteil rechtskräftig festgestellten Anspruchs auf Schmerzensgeld aufgrund einer im Dienst erlittenen Schädigung.
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Der Kläger steht als Polizeivollzugsbeamter in Diensten des Beklagten.
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Am 5. Januar 2017 kam es im Rahmen eines Einsatzes des Klägers und eines weiteren Kollegen am Bahnhofsvorplatz in ... zu einer Auseinandersetzung mit dem Schädiger .... Dieser sollte aufgrund einer Eigengefährdungslage mittels Rettungstransport in das Krankenhaus ... verbracht werden. Beim Ablegen auf der Krankenliege begann der Schädiger jedoch wild mit seinen Händen und Füßen um sich zu schlagen, so dass er mit Sicherungsgurten und Handfesseln fixiert werden musste. Dabei sperrte sich der Schädiger und versuchte den Kläger mit seinen gefesselten Händen zu schlagen, was ihm jedoch nicht gelang. Bei diesem Versuch spuckte er dem Kläger jedoch in dessen Gesicht und beleidigte diesen. Mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts ... vom 17. März 2017 (Az.: ...) wurde der Schädiger ... wegen fahrlässigen Vollrauschs gemäß § 323a Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30,00 EUR verurteilt.
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Mit Schriftsatz seines damaligen Prozessbevollmächtigten vom 8. Juni 2017 erhob der Kläger Klage bei dem Amtsgericht ... und beantragte, den Schädiger zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 800,00 EUR zu verpflichten. Die Klageschrift wurde dem Schädiger am 22. August 2017 zugestellt. Mit rechtskräftigen Versäumnisurteil des Amtsgerichts ... vom 22. September 2017 (Az.: ...) wurde der Schädiger zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 800,00 EUR verurteilt. Dem Urteil liegt folgender Tatbestand zugrunde: „Gemäß dem unbestrittenen klägerischen Vortrag versuchte der als Polizeibeamte tätige Kläger am 5. Januar 2017 am Bahnhofsvorplatz in ... dem teilweise unbekleidet im Schnee liegenden Beklagten zu helfen und diesen zu einer ärztlichen Untersuchung zu bringen. Dieser bezeichnete den Kläger darauf mit Ausdrücken wie: „Arschlöcher, Dreckschweine, Scheiß Bullen“. Zudem spuckte der Beklagte dem Kläger absichtlich und unvermittelt mitten in das Gesicht, wodurch dieser ein erhebliches Ekelgefühl und körperliches Unwohlsein erlitt“. Auf der Grundlage dieses Urteils betrieb der Kläger sodann über das Bezirksgericht ... die Beitreibung des Schmerzensgeldes am Wohnsitz des Schädigers in ... (Österreich). Am 2. März 2018 wurde durch das Bezirksgericht ... die sog. „Fahrnis- und Gehaltsexekution“ bezüglich des Vermögens des Schädigers bewilligt. In der Folgezeit blieb die Beitreibung des Schmerzensgeldes aufgrund unzureichender finanzieller Mittel des Schädigers erfolglos. Mit Bericht vom 25. Juli 2018 stellte das Bezirksgericht ... fest, dass eine Pfändung nicht vollzogen werden konnte, weil keine pfändbaren Gegenstände vorgefunden wurden und der Schädiger ein Vermögensverzeichnis nach § 47 der österreichischen Exekutionsordnung abgegeben habe.
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Mittels auf den 19. Mai 2018 datierten Formblatts beantragte der Kläger die Erfüllungsübernahme durch den Beklagten aufgrund eines Schmerzensgeldanspruchs nach Art. 97 BayBG.
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Mit Bescheid des Landesamtes für Finanzen, Dienststelle, vom 8. Oktober 2018 wurde der Antrag auf Erfüllungsübernahme abgelehnt.
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Nach den Angaben in den eingereichten Unterlagen sei nicht ersichtlich, dass der Kläger eine körperliche Verletzung erlitten oder sich in ärztliche Behandlung begeben habe. Ein tätlicher Angriff auf den Kläger im Sinne von Art. 97 BayBG läge nicht vor. Eine Beleidigung mit Anspucken sei nicht geeignet, körperliche Schäden herbeizuführen.
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Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 29. Oktober 2018 Widerspruch.
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Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 10. Dezember 2018 ließ der Kläger ausführen, dass ein Angriff dann „tätlich“ im Sinne des Art. 97 BayBG sei, wenn er auf einen physischen Schaden gerichtet sei. Das Anspucken erzeuge Ekel und Brechreiz. Ferner habe der Beklagte nicht berücksichtigt, dass die Absicht des Schädigers auch auf eine Körperverletzung des Klägers gerichtet gewesen sei. Der Schädiger sei aggressiv und gewalttätig gegenüber dem Kläger aufgetreten und habe eine körperliche Verletzung des Klägers herbeiführen wollen, indem er um sich schlug. Der Schädiger habe daher nicht lediglich beabsichtigt, den Kläger mittels Anspucken zu beleidigen, sondern habe bei diesem auch eine körperliche Verletzung herbeiführen wollen.
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Über den Widerspruch wurde bislang nicht entschieden.
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Am 11. Juni 2019 ließ der Kläger Klage erheben. Für ihn ist beantragt (sinngemäß):
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Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Finanzen vom 8. Oktober 2018 verpflichtet, die Erfüllung des mit Versäumnisurteil des Amtsgerichts ... vom 22. September 2017 rechtskräftig festgestellten Anspruchs des Klägers auf Schmerzensgeld gegen Herrn ... in Höhe von 800,00 EUR zu übernehmen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die Begründung im Widerspruchsverfahren verwiesen. Die Klage sei als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig, da über den Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid ohne zureichenden Grund in der für die Bearbeitung angemessenen Frist nicht entschieden sei und seit Einlegung des Widerspruchs zwischenzeitlich mehr als drei Monate vergangen seien.
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Der Beklagte beantragt durch Schreiben des Landesamtes für Finanzen, Dienststelle, vom 1. August 2018,
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Die Klage sei zwar als Untätigkeitsklage zulässig, jedoch nicht begründet. Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf den streitgegenständlichen Bescheid verwiesen. Ein tätlicher Angriff im Sinne von Art. 97 BayBG sei nicht gegeben. Zur Beurteilung könne nur auf den Tatbestand Bezug genommen werden, der den Schmerzensgeldanspruch begründe. Dies seien vorliegend die Beleidigung und das Anspucken, was aber nicht auf die Verursachung eines physischen Schadens gerichtet gewesen sei. Mangels substantieller körperlicher Beeinträchtigungen stelle das Hervorrufen von Ekel und Brechreiz keinen physischen Schaden in diesem Sinne dar. Auf die Widerstandshandlung im Übrigen komme es in diesem Zusammenhang nicht an, da sich dies nicht auf den Schmerzensgeldanspruch ausgewirkt habe.
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Hierauf ließ der Kläger mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 3. September 2019 entgegnen, dass auch das Anspucken eines Beamten unter den Begriff eines tätlichen Angriffs falle, da durch das Anspucken mit dem Inkontaktbringen infektiöser Körperflüssigkeiten eine Gesundheitsgefahr sowie das Erregen von Brechreiz und Ekelgefühlen bestünde. Hiervon zu unterscheiden seien rein verbale Angriffe auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder die Ehre des Beamten durch bloße Beleidigungen. Zudem sei ein Angriff auch dann auf einen physischen Schaden gerichtet, wenn aus Sicht des Schädigers eine Körperverletzung zumindest billigend in Kauf genommen werde, die Angriffshandlung aber letztendlich ohne Deliktsvollendung im strafrechtlichen Versuchsstadium stecken geblieben sei. Vorliegend läge eine Vollendung durch das Anspucken des Klägers jedoch vor. Strafrechtlich sei der Sachverhalt zunächst auch als Beleidigung und vorsätzliche Körperverletzung verfolgt worden.
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Hierauf erwiderte der Beklagte mit Schreiben vom 30. September 2019, dass die strafrechtliche Einordnung keine Aussagekraft für die Frage habe, ob ein tätlicher rechtswidriger Angriff im Sinne des Art. 97 BayBG vorliege, da der strafrechtlichen Bewertung offensichtlich ein weitergehender Sachverhalt zu Grunde gelegen habe. Entscheidend sei allein, auf welchem Sachverhalt der zivilrechtliche Schmerzensgeldanspruch beruhe. Der Versuch, den Kläger zu schlagen, könne ungeachtet der strafrechtlichen Bewertung mangels eingetretener Rechtsgutsverletzung nicht zu einem Schmerzensgeldanspruch führen und sei daher außer Acht zu lassen. Das Anspucken hingegen sei nicht darauf gerichtet gewesen, einen physischen Schaden hervorzurufen. Dies sei ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht geeignet, körperliche Schäden herbeizuführen und werde von Art. 97 BayBG auch nicht umfasst.
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Am 23. Januar 2020 fand mündliche Verhandlung statt, in der die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert wurde. Die Beteiligten wiederholten die schriftsätzlich angekündigten Anträge.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Gerichts- und Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung und die beigezogene Ermittlungsakte ... der Staatsanwaltschaft ... Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist nicht begründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Erfüllungsübernahme nach Art. 97 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) hat. Der Bescheid des Beklagten vom 9. Oktober 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die Klage ist als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig, da über den Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid ohne zureichenden Grund in einer für die Bearbeitung angemessenen Frist im Sinne von § 75 Satz 1 VwGO nicht entschieden worden ist. Seit Einlegung des Widerspruchs sind bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung mehr als drei Monate vergangen, § 75 Satz 2 VwGO. Anhaltspunkte für das ein Vorliegen eines zureichenden Grundes, dass über den Widerspruchs noch nicht entschieden worden ist, wurden weder vorgetragen, noch sind diese sonst ersichtlich.
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Die Klage ist jedoch nicht begründet.
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Dem Kläger steht der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Erfüllungsübernahme bzw. auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Erfüllungsübernahme nicht zu.
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1. Nach Art. 97 Abs. 1 BayBG kann der Dienstherr die Erfüllung eines rechtskräftig festgestellten Anspruchs auf Schmerzensgeld übernehmen, welcher daraus resultiert, dass ein Beamter in Ausübung des Dienstes oder außerhalb dessen wegen seiner Eigenschaft als Beamter einen tätlichen rechtswidrigen Angriff erleidet. Der Dienstherr kann den Anspruch bis zur Höhe des festgestellten Schmerzensgeldbetrages übernehmen, soweit dies zur Vermeidung einer unbilligen Härte notwendig ist. Eine solche liegt nach Art. 97 Abs. 2 BayBG insbesondere vor, wenn die Vollstreckung über einen Betrag von mindestens 500 EUR erfolglos geblieben ist. Die Übernahme der Erfüllung ist innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach Rechtskraft des Urteils schriftlich unter Nachweis der Vollstreckungsversuche zu beantragen (Art. 97 Abs. 3 BayBG).
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2. Diese Voraussetzungen zur Erfüllungsübernahme sind vorliegend nicht gegeben.
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Der Kläger begehrt von dem Beklagten nämlich nicht die Erfüllung eines Schmerzensgeldanspruchs, welcher aufgrund eines tätlichen rechtswidrigen Angriffs im Sinne des Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG entstanden ist.
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a. Ein tätlicher Angriff liegt nach der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 17/2871, S. 44), wie bereits in Nr. 46.4.2. der Bayerische Verwaltungsvorschriften zum Versorgungsrecht (BayVV-Versorgung) definiert, nur dann vor, wenn der Angriff auf einen physischen Schaden gerichtet ist. Hierdurch werden grundsätzlich nur vollendete, rein körperliche Beeinträchtigungen oder Gesundheitsschäden erfasst (BeckOK BeamtenR Bayern/Buchard, 16. Ed. 30.12.2019, BayBG Art. 97 Rn. 12).
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Dies bedeutet, dass von einem tätlichen Angriff solche Angriffe zu unterscheiden sind, die sich insbesondere als rein verbale Angriffe auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder die Ehre des Beamten durch bloße Beleidigungen, Androhungen oder Bedrohungen (vgl. hierzu auch Nr. 46.4.2 BayVV-Versorgung) darstellen, auch wenn diese zwar unter Umständen für sich alleine einen Schmerzensgeldanspruch begründen können, aber sowohl objektiv als auch aus Sicht des Schädigers nicht auf die körperliche Unversehrtheit gerichtet waren. Nicht erfasst werden damit bloße Beleidigungen und Bedrohungen, die zu keinen körperlichen oder nur zu psychischen Folgen führen (vgl. auch VG Regensburg, U.v. 20.7.2016 - RO 1 K 16.690 - juris Rn. 39).
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Liegt dem Schmerzensgeldanspruch eine „gemischte“ Rechtsgutbeeinträchtigung zugrunde, d.h. das titelzusprechende Gericht stützt ihn also sowohl auf körperliche als auch auf psychische Schäden, kommt eine Aufschlüsslung der einzelnen Schadenspositionen im Rahmen des Art. 97 BayBG nicht in Betracht. Beruht nach der allgemeinen Lebenserfahrung die Verbindung zwischen tätlichem Angriff, Körperschaden und psychischer Erkrankung auf einem zusammenhängenden Lebenssachverhalt, ist der Schmerzensgeldanspruch - vorbehaltlicher sonstiger Angemessenheits- oder Plausibilitätskontrollen - damit grundsätzlich in Gänze von Art. 97 BayBG abgedeckt (so BeckOK BeamtenR Bayern/Buchard, 16. Ed. 30.12.2019, BayBG Art. 97 Rn. 13).
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b. Vorliegend handelt es sich bei dem „bloßen“ Anspucken des Klägers nicht um einen tätlichen Angriff im Sinne des Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG.
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aa) Zunächst ist festzustellen, dass primär auf den den Schmerzensgeldanspruch tragenden Sachverhalt abzustellen ist, mithin auf den Sachverhalt, den das anerkennende Gericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Dies sind laut den Entscheidungsgründen des vorliegenden Urteils des Amtsgerichts ... vom 22. September 2017 (Az.: ...) allein die verbalen Äußerungen des Schädigers ... sowie das Bespucken des Klägers. Entgegen dessen Auffassung ist hier nicht auch das restliche Verhalten des Schädigers, wie in der Klageschrift zum Amtsgericht ... vom 8. Juni 2017 oder auch im Strafbefehl des Amtsgerichts ... vom 17. März 2017 (Az.: ...) ausgeführt, zu berücksichtigen. Entscheidend ist, auf welchem Sachverhalt der zivilrechtliche Schmerzensgeldanspruch beruht. Dieser beruht hier - wie das Amtsgericht ... ausgeführt hat - auf der verbalen Beleidigung sowie in dem Bespucken des Klägers durch den Schädiger. Der Versuch, den Kläger zu schlagen oder zu treten, führte hier mangels eingetretener, vollendeter Rechtsgutverletzung nicht zu dem titulierten Schmerzensgeldanspruch. Zwischen dem Sachverhalt, der den Schmerzensgeldanspruch begründet, und dem hier weitergehenden strafrechtlich geahndeten Sachverhalt ist - was die Frage des tätlichen Angriffs im Sinne von Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG angeht - von Rechts wegen zu differenzieren. Art. 97 BayBG lässt es nicht zu, dass der Dienstherr die Erfüllung eines Schmerzensgeldanspruchs auch für einen Sachverhalt zu übernehmen hat, der den Zuspruch eines Schmerzensgeldanspruchs für den Beamten nicht rechtfertigen würde. Dies ließe sich nicht mit dem Charakter des Art. 97 BayBG als Ausnahmetatbestand (vgl. LT-Drs. 17/2871, S. 44) in Einklang bringen und erscheint auch in sich widersprüchlich.
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bb) Das Anspucken des Klägers kann vorliegend keinen tätlichen Angriff darstellen, da dies beim Kläger zu keiner vollendeten, rein körperlichen Beeinträchtigung oder einem Gesundheitsschaden geführt hat. Es handelt sich demnach „nur“ um eine Beleidigung des Beamten.
34
Das Anspucken eines Menschen als solches hat seinen Schwerpunkt in der beleidigenden Ehrverletzung, so dass es in seiner „Reinform“ zunächst keinen tätlichen Angriff im engeren Sinne darstellt (BeckOK BeamtenR Bayern/Buchard, 16. Ed. 30.12.2019, BayBG Art. 97 Rn. 13.5). Allerdings kann in Anlehnung an die strafrechtliche Rechtsprechung im Anspucken eines Menschen eine über eine Ehrverletzung hinausgehende Körperverletzung und damit ein tätlicher Angriff gesehen werden, wenn das Anspucken nicht nur bloße seelische Beeinträchtigungen bewirkt, sondern darüber hinausgehend körperliche Auswirkungen - etwa in Form von Brechreiz - hervorruft. Eine bloße Erregung von Ekelgefühl reicht hingegen nicht aus (vgl. BGH, B.v. 18.8.2015 - 3 StR 289/15 - NStZ 2016, 27).
35
Vorliegend hat der Kläger keine körperlichen Auswirkungen geltend gemacht, die er durch das Anspucken des Schädigers erlitten hat. Von einem Brechreiz oder gar weitergehenden körperlichen Beschwerden, die er durch den Auswurf des Schädigers erlitten hat, hat der Kläger weder in seiner damaligen Klageschrift zum Amtsgericht ... noch in der mündlichen Verhandlung berichtet. Unabhängig von dem insoweit nicht aufklärbaren Umstand, ob der Schädiger den Kläger damals durch das Bespucken körperlich beeinträchtigten wollte, ist davon auszugehen, dass eine solche körperliche Beeinträchtigung beim Kläger jedenfalls nicht eingetreten ist. Damit lag der Schwerpunkt des Anspuckens hier in der beleidigenden Ehrverletzung, nicht aber in einer hierüber hinausgehenden (beabsichtigten) Körperverletzung.
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Zwar ist nicht vollständig ausgeschlossen, dass ein tätlicher Angriff im Sinn des Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG zu ausschließlich psychischen Beeinträchtigungen führt. Denn „auf einen physischen Schaden gerichtet“ bedeutet nicht zwangsläufig, dass es letztendlich auch zu einer tatsächlichen physischen Beeinträchtigung des Beamten bzw. vollendeten Körperverletzung kommen muss. Vielmehr ist ein Angriff auch dann auf einen physischen Schaden gerichtet, wenn aus Sicht des Schädigers eine Körperverletzung zumindest billigend in Kauf genommen wurde, die Angriffshandlung aber letztendlich ohne Deliktsvollendung im (strafrechtlichen) Versuchsstadium stecken geblieben ist. Daher können beispielsweise auch lebensbedrohliche körperliche Angriffe, die zwar im Ergebnis zu keinen physischen, aber aufgrund der massiven Bedrohungslage zu gravierenden anerkannten psychischen Beeinträchtigungen geführt haben, für sich alleine einen von Art. 97 BayBG erfassten Schmerzensgeldanspruch begründen (BeckOK BeamtenR Bayern/Buchard, 16. Ed. 30.12.2019, BayBG Art. 97 Rn. 13.2). Von solchen Handlungen hat der Kläger jedoch ebenso wenig berichtet wie von gravierenden psychischen Beeinträchtigungen, die er erlitten haben will. Das Anspucken des Klägers hat damit keinen tätlichen Angriff im Sinne des Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG dargestellt.
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3. Da der Beklagte mangels Vorliegens eines tätlichen Angriffs die Erfüllungsübernahme des Schmerzensgeldanspruchs zu Recht abgelehnt hat, konnte die Klage keinen Erfolg haben.
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Die Klage ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
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Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor (§§ 124a, 124 VwGO).