Inhalt

LG Bamberg, Beschluss v. 22.09.2020 – 3 T 85/20
Titel:

Streitwertbestimmung für ein Verfahren zur Versagung der Restschuldenbefreiung

Normenketten:
ZPO § 3
InsO § 296
GKG § 66 Abs. 4 S. 1, § 68 Abs. 1 S. 1, S. 5,
RVG § 23 Abs. 3 S. 2, § 28 Abs. 3,
Leitsätze:
1. Der Streitwert im Verfahren zur Versagung der Restschuldbefreiung bestimmt sich nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses des antragstellenden Gläubigers (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Bemessung des wirtschaftlichen Gläubigerinteresses ist auf die Höhe der Forderung, von dessen Haftung der Schuldner durch die Restschuldbefreiung frei werden würde, abzustellen, wobei der Betrag herabgesetzt werden kann, wenn absehbar ist, dass der Schuldner die Forderung nie vollständig wird erfüllen können.  (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
Orientierungsätze:
Ausgangspunkt für die Festsetzung des Streitwertes für das Verfahren zur Versagung der Restschuldenbefreiung nach § 296 InsO ist die Forderung des Gläubigers, von dessen Haftung der Schuldner durch die Restschuldbefreiung nach Abschluss des Insolvenzverfahrens frei werden würde (vgl. dazu Stephan, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Auflage 2020; § 296 Rn. 45/46; Pehl, in: Braun, Insolvenzordnung, 8. Auflage 2020; § 296 Rn. 13 m.w.N.; AG Duisburg NZI 2002, 619; BGH ZVI 2003, 91 f.).
Der Gläubiger, der auf § 296 InsO gestützt die Versagung der Restschuldenbefreiung des Insolvenzschuldners erfolgslos beantragt hatte, wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die amtsgerichtliche Festsetzung des Streitwertes für das Verfahren zur Versagung der Restschuldbefreiung in Höhe der Gesamtheit aller angemeldeter Insolvenzforderungen. Das Landgericht Bamberg gab mit Beschluss vom 22.09.2020, Az. 3 T 85/20, der Streitwertbeschwerde des Gläubigers statt und reduzierte den Streitwert der Höhe nach auf die Forderung, die der Gläubiger gegen den Schuldner behaupten wollte. Die Entscheidung ist rechtskräftig. Landgericht Bamberg
Schlagworte:
Streitwert, Verfahren, Versagung, Restschuldenbefreiung, Insolvenzrecht, Gegenstandswert, wirtschaftliches Interesse, Festsetzung, Versagungsantrag, Forderung, Insolvenzverfahren, Streitwertbestimmung
Vorinstanz:
AG Bamberg, Beschluss vom 31.07.2020 – 3 IN 256/13
Fundstellen:
ZInsO 2020, 2240
ZVI 2020, 475
BeckRS 2020, 24073
LSK 2020, 24073
NZI 2020, 964

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Gläubigerin G.-GmbH wird der Beschluss des Amtsgerichts Bamberg vom 31.07.2020, Az. 3 IN 256/13), aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
Der Streitwert für das von der Gläubigerin G.-GmbH betriebene Verfahren zur Versagung der Restschuldenbefreiung wird auf 1.776,67 EUR festgesetzt.
2. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.182,48 EUR festgesetzt.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
4. Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1
Der zulässigen Streitwertbeschwerde der Gläubigerin G.-GmbH war stattzugeben und der Streitwert für das zugrunde liegende Versagungsantragsverfahren betreffend die Restschuldenbefreiung abzuändern.
I.
2
Der Schuldner, der ein Unternehmen betrieb, durchlief das Insolvenzverfahren. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 15.07.2020 wurde ihm Restschuldenbefreiung erteilt. Die am Insolvenzverfahren nicht als Insolvenzgläubigerin beteiligte Gläubigerin G.-GmbH hatte - gestützt auf § 296 Abs. 1 InsO - die Versagung der Restschuldenbefreiung beantragt. Ihren Antrag auf Versagung der Restschuldenbefreiung wies das Amtsgericht mit Ergänzungsbeschluss vom 27.07.2020 zurück, da die Gläubigerin G.-GmbH am Insolvenzverfahren nicht als Insolvenzgläubigerin beteiligt gewesen sei, daher nicht antragsbefugt und ihr Versagungsgegenantrag damit unzulässig sei. Zugleich legte es der Gläubigerin G.-GmbH die Kosten des Versagungsantragsverfahren auf. Den Streitwert für das Versagungsantragsverfahren setzte das Amtsgericht mit angegriffenem Beschluss vom 31.07.2020 letztlich auf 5.376.834,- EUR in Höhe der Gesamtheit aller angemeldeter Insolvenzforderungen fest. Der Beschluss wurde der Gläubigerin am 04.08.2020 zugestellt. Gegen den Streitwertbeschluss vom 31.07.2020 wendet sich die Gläubigerin G.-GmbH mit ihrer hiesigen Beschwerde vom 15.08.2020, die am selben Tag einging. Mit Nichtabhilfebeschluss vom 28.08.2020 legte das Amtsgericht der Kammer die Beschwerde zur Entscheidung vor.
3
Die Kammer wies mit Verfügung vom 02.09.2020 unter Gewährung einer Stellungnahmefrist auf ihre vorläufige rechtliche Würdigung und die damit verbundene Absicht, der Streitwertbeschwerde stattzugeben, hin.
II.
4
Die gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG statthafte und auch im Übrigen zulässige Streitwertbeschwerde der Gläubigerin G.-GmbH vom 15.08.2020 hat Erfolg in der Sache und mündet in der Aufhebung des beanstandeten amtsgerichtlichen Streitwertbeschlusses vom 31.07.2020 und der Neufestsetzung des Streitwerts in Höhe von 1.776,67 EUR.
5
Die amtsgerichtliche Festsetzung des Streitwerts für das Verfahren zur Versagung der Restschuldenbefreiung nach § 296 InsO auf über 5.000.000,- EUR in Höhe der Gesamtheit aller angemeldeter Insolvenzforderungen hält einer rechtlichen Kontrolle nicht stand.
6
1. Der Gegenstandwert des Versagungsantragsverfahrens ist nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses, das der Gläubiger mit dem Versagungsantrag verfolgt, zu bestimmen, vgl. §§ 28 Abs. 3, 23 Abs. 3 S. 2 RVG. Ausgangspunkt für die Gegenstandsbewertung ist daher zunächst das wirtschaftliche Interesse, das der Gläubiger im Restschuldenversagungsverfahren verfolgt. Geht es - wie vorliegend - um die Bescheidung des vom Gläubiger erfolglos betriebenen Versagungsantragsverfahrens, so ist als Ausgangsbetrag für die Gegenstandswertfestsetzung die Forderung des Gläubigers, von dessen Haftung der Schuldner durch die Restschuldbefreiung frei werden würde, festzustellen, wobei im Einzelfall diese Gläubigerforderung herabzusetzen sein kann, wenn absehbar ist, dass der Schuldner die Forderung ohnehin niemals vollständig erfüllen wird (vgl. dazu Stephan, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Auflage 2020, § 296 Rn. 45/46; Pehl, in: Braun, Insolvenzordnung, 8. Auflage 2020, § 296 Rn. 13 m.w.N.; AG Duisburg NZI 2002, 619; BGH ZVI 2003, 91 f.). Entsprechendes gilt für die Streitwertfestsetzung für das Verfahren zur Versagung der Restschuldenbefreiung.
7
2. Demnach ist der Streitwert für das gegenständliche, auf § 296 InsO gestützte Verfahren zur Versagung der Restschuldenbefreiung entsprechend dem wirtschaftlichen Interesse der antragstellenden Gläubigerin, die ihre Forderung in Höhe von 1.776,67 EUR gegenüber dem Schuldner trotz des durchlaufenen Insolvenzverfahrens behaupten will, auf ebendiesen Forderungsbetrag 1.776,67 EUR festzusetzen.
III.
8
Der Streitwert für das hiesige Beschwerdeverfahren der Versagungsverfahren-Antragstellerin bemisst sich nach deren Kostenfreihaltungsinteresse und beläuft sich damit auf 10.182,48 EUR (= 10.286,88 EUR gegnerische RA-Kosten bei Zugrundelegung des amtsgerichtlichen Streitwertes minus 104,40 EUR als gegnerische RA-Kosten bei Zugrundelegung des zutreffenden Streitwerts von 1.776,67 EUR bei 0,5 Verfahrensgebühr Nr. 3321 VV RVG zzgl. Auslagen und 16% Mwst).
IV.
9
Eine Kostenentscheidung ist indessen nicht veranlasst, da das Verfahren gebührenfrei ist und außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden (§ 68 Abs. 3 GKG).
V.
10
Die weitere Beschwerde ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen der §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 4 Satz 1 GKG nicht gegeben sind, zumal vorliegend die Besonderheit besteht, dass der gegenständliche Antrag auf Versagung der Restschuldenbefreiung als unzulässig beschieden wurde, da die Antragstellerin / Gläubigerin G.-GmbH sich am Insolvenzverfahren gar nicht förmlich als Insolvenzgläubigerin beteiligt hatte.