Titel:
(Keine) Anerkennung der Ruhegehaltsfähigkeit von Zeiten als Angestellter der Deutschen Bundespost
Normenketten:
BeamtVG § 4 Abs. 3, § 5, § 10, § 14 Abs. 1
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1
Leitsätze:
1. Für die Anerkennung als ruhegehaltsfähige Vordienstzeit muss die Tätigkeit im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis für die Übernahme in das Beamtenverhältnis in dem Sinne kausal gewesen sein, dass zwischen der Tätigkeit im Arbeitsverhältnis und der Ernennung ein funktioneller Zusammenhang derart besteht, dass die in der vordienstlichen Tätigkeit gesammelten Fähigkeiten und Erfahrungen maßgeblich für die Ernennung waren (ebenso BVerwG BeckRS 2012, 45697). (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Tätigkeit bei der Deutschen Bundespost steht in keinerlei funktionellem Zusammenhang zur Ernennung zum Fernmeldeassistenten, wenn erstere Aufgaben im Bereich des Annahmedienstes sowie der Briefabgangsstelle erfolgten und damit die analoge Nachrichtenübermittlung betrafen, wohingegen die Tätigkeit als Fernmeldeassistent die technische Nachrichtenübermittlung beinhaltet. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Recht der Bundesbeamten, Versorgungsrecht, Anerkennung der Ruhegehaltsfähigkeit von Zeiten einer vordienstlichen Tätigkeit (hier: verneint), Anerkennung, Ruhegehaltsfähigkeit, Fernmeldeassistent, Vordienstzeit, Deutsche Bundespost, Nachrichtenübermittlung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 2379
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt die Berücksichtigung von Zeiten im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst als ruhegehaltfähig durch die Beklagte.
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Der Kläger war in der Zeit vom 2. Februar 1981 bis zum 23. August 1985 mit Unterbrechungen beim Postamt … und ab dem 23. August 1985 beim Fernmeldeamt in … beschäftigt. Die Tätigkeiten beim Postamt … umfassten den Annahmedienst sowie Tätigkeiten in der Briefabgangsstelle. Tätigkeiten im Annahmedienst entsprächen nach Auffassung der Beklagten der Wertigkeit nach Tätigkeiten des mittleren Dienstes, Tätigkeiten in der Briefabgangsstelle dem einfachen Dienst.
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Der Kläger wurde am … 1986 zum Fernmeldeassistenten ernannt, zuletzt bekleidete er ein Amt eines Fernmeldehauptsekretärs (Besoldungsgruppe A 9 VZ, Stufe 8).
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Am 2. Mai 2018 stellte der Kläger einen Antrag auf Berücksichtigung von Vordienst-, Ausbildungs- bzw. Studienzeiten gemäß §§ 10 bis 12 Gesetz über die Versorgung der Beamten und Richter des Bundes (Beamtenversorgungsgesetz - im Folgenden: BeamtVG). Mit Ablauf des … 2018 trat der Kläger in den engagierten Ruhestand ein.
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Mit Bescheid vom 14. Juni 2018 setzte die Beklagte die Versorgungsbezüge des Klägers nach dem Beamtenversorgungsgesetz fest. Ausweislich der Berechnung der Dienstzeiten (Anlage A), die Bestandteil dieses Bescheides ist, wurde ein Ruhegehaltssatz gemäß § 14 Abs. 1 BeamtVG in Höhe von 58,49 v. H. errechnet. Für die Einzelheiten wird auf die Zusammenstellung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten und Berechnung des Ruhegehaltssatzes nach § 14 Abs. 1 BeamtVG Bezug genommen. Die Beklagte berücksichtigte insbesondere Zeiten im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst gemäß § 10 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG im Zeitraum vom 23. August 1985 bis 31. Oktober 1986.
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Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 13. Juli 2018 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten vom 14. Juni 2018, zu dessen Begründung er ausführte, dass seine Dienstzeit nicht richtig berechnet worden sei. Er sei bereits seit 2. Februar 1981 mit Unterbrechungen für die Deutsche Bundespost als Angestellter tätig gewesen, wie sich aus der beigefügten Aufstellung als Anlage ergebe. Mit Schreiben vom 2. September 1986 sei ihm zum 1. März 1986 auch bereits eine Dienstzeit von zwei Jahren anerkannt worden, auf diese Anerkennung werde verwiesen. Weiterhin könne dem Bescheid nicht entnommen werden, dass die diesjährige Erhöhung der Bezüge bei der Berechnung der Versorgungsbezüge berücksichtigt worden sei.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2018 wies die Beklagte den Widerspruch vom 13. Juli 2018 gegen den Bescheid vom 14. Juni 2018 zurück.
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Zur Begründung ihrer Entscheidung führte sie aus, dass eine Überprüfung des Bescheides ergeben habe, dass dieser in Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes stehe. Der Kläger sei in ein Beamtenverhältnis des mittleren Dienstes ernannt worden. Maßgeblich seien daher nur die für dieses Amt vorgeschriebenen schulischen Laufbahnvoraussetzungen. Die von ihm angeführten befristeten Aushilfstätigkeiten als Arbeiter im Bereich des Postdienstes stellen jedoch keine Laufbahnvoraussetzungen für ein Amt des mittleren Fernmeldedienstes dar. Es fehle insoweit am zeitlichen Zusammenhang, da auch immer wieder zu vertretende Unterbrechungszeiträume dazwischen lägen. Vor allem aber fehle es am funktionellen Zusammenhang mit den beim Fernmeldeamt im Bereich des mittleren Dienstes gestellten Laufbahnanforderungen. Diese würden sich wesentlich von der Arbeitertätigkeit im Bereich der Annahme oder des Briefabgangs unterscheiden. Solche Tätigkeiten hätten nämlich nicht zur späteren Ernennung geführt. Nur die nach § 10 BeamtVG bereits anerkannte Zeit stehe als Vordienstzeit in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der späteren Ernennung.
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Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 15. November 2018, per Telefax beim Bayer. Verwaltungsgericht Ansbach eingegangen am selben Tag, ließ der Kläger Klage erheben.
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Mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2018 beantragte die Beklagte,
die Klage abzuweisen und dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, und erklärte sich mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
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Mit Schriftsatz vom 4. Februar 2019 beantragten die Klägerbevollmächtigten:
1. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Versorgungsbezüge für die ab dem 2. Februar 1981 absolvierte Dienstzeit zu gewähren. Der Bescheid der Beklagten vom 14. Juni 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2018 ist aufzuheben, soweit er diesem Anspruch entgegensteht.
2. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die sich daraus ergebenden Differenzbeträge bis zur bereits gezahlten Versorgung ab dem 1. Juli 2018 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
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Zur Klagebegründung wurde ausgeführt, dass zu Gunsten des Klägers in die Berechnung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten einfließen müsse, dass er mit Unterbrechungen bereits seit 2. Februar 1981 für die Deutsche Bundespost als Angestellter tätig gewesen sei. Diese Zeiten seien bei der Festsetzung der Versorgungsbezüge des Klägers zu berücksichtigen. Mit Schreiben vom 2. September 1986 sei dem Kläger bereits zum 1. März 1986 eine Dienstzeit von zwei Jahren anerkannt worden. Hieran zeige sich nach hiesigem Dafürhalten, dass ein zeitlicher wie funktioneller Zusammenhang mit der späteren Tätigkeit des Klägers nicht fehle. Anders als die Beklagte behaupte, sei es nicht so, dass der Kläger die Berücksichtigung von Tätigkeiten begehre, die er als „einfacher Arbeiter“ verrichtet habe. Begehrt werde vielmehr die Berücksichtigung von höheren Tätigkeiten. Bestünde hierzu keinerlei Zusammenhang, wäre der Kläger nach hiesigem Dafürhalten nicht vorzeitig befördert worden (2. September 1986). Entgegen der Auffassung der Beklagten hätten die Tätigkeiten, deren Berücksichtigung der Kläger begehre, sehr wohl zur späteren Ernennung geführt. Mit einer Entscheidung des Gerichts nach § 101 Abs. 2 VwGO im schriftlichen Verfahren bestehe Einverständnis.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Behördenakten der Beklagten und die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage, über die die Kammer mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 14. Juni 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 17. Oktober 2018 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger schon deshalb nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung eines höheren Ruhegehalts unter Berücksichtigung privatrechtlicher Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst im Zeitraum vom 2. Februar 1981 bis 22. August 1985 als ruhegehaltsfähig.
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1. Die Beklagte legte der Festsetzung der Versorgungsbezüge des Klägers durch Bescheid vom 14. Juni 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Oktober 2018 zutreffend 32,61 ruhegehaltsfähige Dienstjahre und mithin einen Ruhegehaltsatz von 58,49 v.H. zugrunde.
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a) Gemäß § 4 Abs. 3 BeamtVG wird das Ruhegehalt auf der Grundlage der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge und der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit berechnet. Es beträgt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG für jedes Jahr ruhegehaltsfähiger Dienstzeit 1,79375 vom Hundert der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge (§ 5 BeamtVG), insgesamt jedoch höchstens 71,75 vom Hundert.
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b) Vorliegend steht die ruhegehaltsfähige Dienstzeit des Klägers im Streit, die die Beklagte ausweislich Anlage A, die Bestandteil des angefochtenen Bescheides vom 14. Juni 2018 ist, auf insgesamt 32 Jahre und 221,05 Tage, mithin 32,61 ruhegehaltsfähige Dienstjahre festsetzte und demnach einen Ruhegehaltssatz gemäß § 14 Abs. 1 BeamtVG von 58,49 v.H. berechnete. Der von der Beklagten zugrunde gelegten Höhe der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge (§ 5 BeamtVG) hingegen ist der Kläger im vorliegenden Klageverfahren nicht entgegengetreten.
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aa) Als ruhegehaltsfähig sollen neben der regelmäßigen ruhegehaltsfähigen Dienstzeit (§ 6 BeamtVG) gemäß § 10 Satz 1 BeamtVG auch Zeiten berücksichtigt werden, in denen ein Beamter vor der Berufung in das Beamtenverhältnis im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn ohne von dem Beamten zu vertretende Unterbrechung tätig war, sofern diese Tätigkeit zu seiner Ernennung geführt hat, und es sich um Zeiten handelt, die einer hauptberuflichen in der Regel einem Beamten obliegenden oder später einem Beamten übertragenen entgeltlichen Beschäftigung entsprechen (Nr. 1) oder um Zeiten einer für die Laufbahn des Beamten förderlichen Tätigkeit (Nr. 2). Hiernach muss eine Tätigkeit im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis für die Übernahme in das Beamtenverhältnis kausal gewesen sein. Zwischen der Tätigkeit im Arbeitsverhältnis und der Ernennung muss ein funktioneller Zusammenhang bestehen, der gegeben ist, wenn die Ernennung wesentlich auf die Fähigkeiten und Erfahrungen zurückzuführen ist, die der Beamte durch die vordienstliche Tätigkeit erworben hat (Plog/Wiedow, BBG, Stand: März 2019, § 10 BeamtVG Rn. 72). Diese Tätigkeit stellt einen wesentlichen Grund für die Ernennung dar, wenn sie die spätere Dienstausübung als Beamter entweder ermöglicht oder doch erleichtert und verbessert hat. Das Erfordernis des funktionellen Zusammenhangs zwischen vordienstlicher Tätigkeit und Ernennung umfasst die weitere gesetzliche Voraussetzung, dass es sich dabei um eine für die Laufbahn des Beamten förderliche Tätigkeit gehandelt haben muss (st. Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 19.2.1998 - 2 C 12.97; U.v. 14.3.2002 - 2 C 4.01; B.v. 5.12.2011 - 2 B 103/11 - juris Rn. 6).
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bb) Nach dieser Maßgabe hat die Beklagte neben der regelmäßigen ruhegehaltsfähigen Dienstzeit des Klägers vom 1. November 1986 bis 30. Juni 2018 zu Recht lediglich die Zeit vom 23. August 1985 bis zum 31. Oktober 1986, in welcher der Kläger in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis im Dienst der Deutschen Bundespost stand und beim Fernmeldeamt in … beschäftigt war, gemäß § 10 BeamtVG als ruhegehaltsfähig anerkannt. Dem Kläger steht hingegen kein Anspruch auf eine darüber hinausgehende Berücksichtigung auch des Zeitraums vom 2. Februar 1981 bis einschließlich 22. August 1985 als ruhegehaltsfähige Zeiten im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst gemäß § 10 BeamtVG durch die Beklagte zur Seite. Denn die in diesem Zeitraum ausgeübten Tätigkeiten erfolgten zwar ebenfalls im Dienst der Deutschen Bundespost, führten allerdings ersichtlich eindeutig nicht zu seiner Ernennung zum Fernmeldeassistenten am … 1986. Der Kläger war im Zeitraum vom 2. Februar 1981 bis einschließlich 22. August 1985 beim Postamt … beschäftigt und nahm dort Aufgaben im Bereich des Annahmedienstes sowie der Briefabgangsstelle war. Diese vordienstlichen Tätigkeiten betrafen die analoge Nachrichtenübermittlung und stehen evident in keinerlei funktionellem Zusammenhang zu seiner Ernennung zum Fernmeldeassistenten. Als solcher war der Kläger fortan mit Fragen der technischen Nachrichtenübermittlung befasst. Tatsachen, welche eine hiervon abweichende Qualifizierung der Tätigkeiten des Klägers begründen könnten, hat auch der Kläger nicht vorgebracht. Auch das vom Kläger angeführte Schreiben der Deutschen Bundespost vom 2. September 1986, wonach dem Kläger nach seiner Auffassung bereits zum 1. März 1986 eine Dienstzeit von zwei Jahren anerkannt worden sein soll, begründet den gemäß § 10 BeamtVG erforderlichen funktionellen Zusammenhang nicht. Inhalt dieses Schreibens bildet die Frage der Höhergruppierung des ab dem 23. August 1985 mit Beamtentätigkeiten im Angestelltenverhältnis beschäftigten Klägers zum 1. März 1986, welche wohl neben einer sechsmonatigen Beschäftigung mit Beamtentätigkeiten der Besoldungsgruppe A 5/6 eine Postdienstzeit von zwei Jahren voraussetzt. Der ihm zugrunde liegende Sachverhalt betrifft zum einen lediglich den Zeitraum ab 23. August 1985, welchen die Beklagte rechtsfehlerfrei als ruhegehaltsfähig gemäß § 10 BeamtVG berücksichtigt hat, und steht zum anderen auch inhaltlich in keinerlei Bezug zu der hier streitgegenständlichen Frage ruhegehaltsfähiger Vordienstzeiten.
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c) Demnach bleibt auch das Leistungsbegehren des Klägers aus Ziffer 2. der Klageanträge ohne Erfolg.
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2. Die Klage ist mit der Kostenfolge aus § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten trifft das Gericht keine Entscheidung, weil es davon ausgeht, dass die Beklagte vor Rechtskraft nicht vollstreckt.