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VG München, Gerichtsbescheid v. 02.09.2020 – M 10 K 19.3344
Titel:

Anfechtungsklage wegen fehlender Betroffenheit des Pächters unzulässig  

Normenkette:
VwGO § 42 Abs. 2
Leitsätze:
1. Für die Zulässigkeit von Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage muss nach § 42 Abs. 2 VwGO bei dem Rechtsschutzsuchenden die Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten durch den angefochtenen, an ihn adressierten Verwaltungsakt bestehen bzw. die Ablehnung oder Unterlassung eines von ihm begehrten Verwaltungsakts seine Rechte beeinträchtigen. (Rn. 11) (Rn. 11 – 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Befürchtung eines Pächters, von einem Verpächter mit den Kosten für die durch Verwaltungsbescheid aufgegebene Errichtung einer Anlage in dem Pachtobjekt belastet zu werden, ist ausschließlich zivilrechtlicher Natur und führt nicht mittelbar zur Beeinträchtigung eigener subjektiv öffentlicher Rechte. (Rn. 13 – 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
(Fehlendes) Rechtsschutzbedürfnis, Anordnung zur Grundstücksentwässerung an Eigentümer, weder unmittelbare noch mittelbare Betroffenheit eines Pächters, Klagebefugnis, Grundstückseigentümer, Grundstücksentwässerung, Pächter, Drittwirkung, mittelbare Verletzung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 23303

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

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Die Klägerin betreibt in … eine Gaststätte in angepachteten Räumen. Sie wendet sich gegen die Anordnung der Beklagten an den Eigentümer des Anwesens wegen des Betriebs der Grundstücksentwässerung Anlage.
2
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 7. Juni 2019 gegenüber dem Eigentümer des Anwesens, in welchen die Klägerin ein Restaurant betreibt, verschiedene Anordnungen zur Entwässerung des Grundstücks bzw. der Gaststätte über eine Fettabscheideranlage erlassen.
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Die Klägerin hat am 15. Juli 2019 Klage beim Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt
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den Bescheid vom 7. Juni 2019 aufzuheben.
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Eine Begründung der Klage erfolgte nicht.
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Die Beklagte hat sich zur erhobenen Klage nicht geäußert.
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Das Gericht hat die Klägerin mit Schreiben vom 17. Juli 2019 und vom 20. Mai 2020 darauf hingewiesen, dass sie nicht Adressaten des angefochtenen Bescheids ist und der Bescheid sie rechtlich nicht belastet. Eine Klagerücknahme wurde anheimgegeben. Mit Beschluss vom 28. Juli 2020 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Die Beteiligten wurden mit Schreiben vom 3. August 2020 zu einer möglichen Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Die Klägerin bat mit Schreiben vom 13. August 2020, nicht ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Der Eigentümer des Anwesens habe versichert, den Fettabscheider zu bezahlen, außerdem sei dieser Abscheider gar nicht erforderlich.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen

Entscheidungsgründe

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1. Nach Anhörung der Beteiligten entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, § 84 Abs. 1 VwGO.
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2. Die Klage ist bereits unzulässig, da der Klägerin die Klagebefugnis fehlt.
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Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Das bedeutet nach ständiger Rechtsprechung, dass jedenfalls die Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten durch den angefochtenen Verwaltungsakt besteht, bzw. die Ablehnung oder Unterlassung eines begehrten Verwaltungsakts Rechte des Betroffenen beeinträchtigen kann.
12
Die Anfechtung eines Verwaltungsakts setzt voraus, dass der Rechtsschutzsuchende von dem Verwaltungsakt überhaupt betroffen sein kann, also er in aller Regel selbst Adressat eines belastenden Verwaltungsakts wurde (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 42 Rn. 88 ff). Dies ist hier ersichtlich nicht der Fall. Der Bescheid der Beklagten vom 7. Juni 2019 richtet sich an den Eigentümer und Verpächter der Gaststättenräumlichkeiten. Die Klägerin als Pächterin der Gaststätte ist nicht unmittelbar von der Regelung betroffen.
13
Die Klägerin ist auch nicht mittelbar als Dritte betroffen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass auch eine mittelbare Beeinträchtigung in subjektiv öffentlichen Rechten zu einer Klagebefugnis führen kann, zum Beispiel bei Genehmigungen von Vorhaben, die sich nachteilig auf Nachbarrechte auswirken könnten oder bei positiven Entscheidungen gegenüber Konkurrenten, die in sich tragen, dass der benachteiligte Konkurrent selbst nicht zum Zuge kommt. Entscheidend ist dabei, dass ein Verwaltungsakt materiell eine Regelung trifft, welche die persönliche Rechtssphäre des Klägers berührt; kann das subjektive Recht nach dem, was der Kläger geltend zu machen hat, durch die getroffene Regelung adäquat kausal (also auch typischerweise) verletzt sein, so ist der Tatbestand „durch den Verwaltungsakt“ erfüllt (Happ in Eyermann, a.a.O., § 42 Rn. 101).
14
Vorliegend scheidet auch eine mittelbare Beeinträchtigung in subjektiv öffentlichen Rechten aus. Durch die angefochtene Anordnung der Beklagten wird öffentlich-rechtlich ausschließlich der Verpächter als Grundstückseigentümer betroffen. Ein möglicher Eingriff in öffentlich-rechtliche Rechtspositionen der Klägerin ist nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin offenbar befürchtet, von ihrem Verpächter mit den Kosten für die zu errichtende Anlage belastet zu werden, ist dies eine ausschließlich zivilrechtlich zu klärende Frage; es wäre zu prüfen, ob eine derartige Überbürdung von Kosten für den zu errichtenden Fettabscheider auf die Klägerin nach dem Pachtvertrag zwischen der Klägerin und dem Verpächter vertraglich oder sonst nach Normen des Privatrechts vorgenommen werden kann. Auch wenn dies der Fall sein sollte, wirkt sich dies jedoch nicht auf öffentlich-rechtliche Rechtspositionen aus. Insoweit kann auch keine mögliche mittelbare Beeinträchtigung von subjektiv öffentlichen Rechten der Klägerin durch den angefochtenen Bescheid geltend gemacht werden.
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Damit ist die Klage mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.