Titel:
Bescheid, Beschwerde, Vollziehung, Gerichtsvollzieher, Hinterlegung, Vorabentscheidung, Zwangsvollstreckung, Erinnerung, Widerspruch, Verwaltungsverfahren, Vollstreckung, Zwangsvollstreckungsverfahren, Anscheinsbeweis, Wiederaufgreifen, Aussetzung des Verfahrens, Kosten des Verfahrens, Wiederaufgreifen des Verfahrens
Schlagworte:
Bescheid, Beschwerde, Vollziehung, Gerichtsvollzieher, Hinterlegung, Vorabentscheidung, Zwangsvollstreckung, Erinnerung, Widerspruch, Verwaltungsverfahren, Vollstreckung, Zwangsvollstreckungsverfahren, Anscheinsbeweis, Wiederaufgreifen, Aussetzung des Verfahrens, Kosten des Verfahrens, Wiederaufgreifen des Verfahrens
Vorinstanzen:
BVerfG Karlsruhe vom 10.02.2020 – 1 BvR 168/20
VG Ansbach, Beschluss vom 12.12.2019 – AN 6 K 19.1893
Fundstelle:
BeckRS 2020, 2262
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger beantragte mit einem Schreiben vom 27. September 2019 an den Beklagten, das er zusammen mit Eilanträgen (An 6 E 19.02066, AN 6 S 19.02067) an das Verwaltungsgericht Ansbach übersandte, das Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß Art. 51 Abs. 1 BayVwVfG aus den Festsetzungsbescheiden, die dem Zwangsvollstreckungsverfahren beim AG … vom September 2019 zugrunde lagen und beantragte die Aufhebung dieser Festsetzungsbescheide.
2
Gegenüber dem Gericht beantragte er mit Schreiben von 29. September 2019 zusammen mit den inzwischen entschiedenen Eilverfahren die
„Wiederaufnahme nach § 51 Abs. 1 BayVwVfG wegen nichtige Bescheide“.
3
Der Kläger wandte sich mit den Eilanträgen gegen die Vollstreckung von Festsetzungsbescheiden, von denen er behauptet, sie nicht erhalten zu haben.
4
Der Kläger wohnt nach den von der Einwohnermeldebehörde übermittelten Daten seit 26. Juni 1982 unstreitig in der … Der Kläger wurde im Rahmen des einmaligen Meldedatenabgleichs nach § 14 Abs. 9 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) unter dieser Adresse zunächst mit sogenannten Mailings vom 15. Mai 2014 und 17. Juni 2014 um Auskunft der rundfunkbeitragsrelevanten Daten gebeten. Nachdem der Kläger darauf nicht reagiert hatte, bestätigte der Beitragsservice mit Schreiben vom 18. Juli 2014 die Anmeldung des Klägers als rundfunkbeitragspflichtiger Wohnungsinhaber für die im Rubrum genannte Wohnung zum 1. Januar 2013 und teilte ihm die Beitragsnummer … zu.
5
Rundfunkbeiträge wurden nicht gezahlt, auf Zahlungsaufforderungen und Festsetzungsbescheide vom 2. März 2015, 1. April 2015, 2. Juli 2015, 2. Oktober 2015 und 1. Dezember 2015 reagierte der Kläger nicht und brachte erstmals anlässlich eines Vollstreckungsverfahrens im Jahre 2016 vor, er habe keine Bescheide erhalten.
6
Das erste Vollstreckungsersuchen datiert vom 1. Dezember 2015. Mit Schreiben vom 1. Februar 2016 beantragte er, den Gerichtsvollzieher anzuweisen, den Vollstreckungsantrag zurückzuweisen und die Zwangsvollstreckung einzustellen, und stellte Antrag nach § 80 Abs. 4 und Abs. 5 VwGO. Außerdem legte er beim Verwaltungsgericht Erinnerung gemäß § 766 ZPO gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung ein und erhob Widerspruch nach § 882 d ZPO gegen die Vollziehung der Eintragungsanordnung. Diese Anträge wurden mit Beschluss vom 29. Februar 2016 an das Amtsgericht … verwiesen, mit Beschluss vom 20. April 2016 wurden die Anträge nach § 80 Abs. 4 und Abs. 5 VwGO abgelehnt, nachdem der Beklagte das Vollstreckungsersuchen zurückgezogen hatte.
7
Mit Klageschrift vom 15. März 2016 (AN 6 K 16.00432) beantragte der Kläger die Feststellung seiner Beitragsfreiheit und stellte erneut Antrag nach § 80 Abs. 4 und Abs. 5 VwGO. Da das Verwaltungsgericht für Feststellungsanträge unzuständig ist, wurde nach Anhörung des Klägers seine Feststellungsklage mit Beschluss vom 8. August 2017 an das Verwaltungsgericht … verwiesen. Das Eilverfahren wurde nach Rücknahme des Antrags mit Beschluss vom 28. April 2016 eingestellt.
8
Mit Klageschrift vom 1. Juni 2017 (AN 6 K 17.01041) teilte der Kläger mit, er habe am 25. Mai 2017 einen Bescheid vom 18. Mai 2017 erhalten, mit dem sein Rundfunkbeitragsbefreiungsantrag abgelehnt worden sei. Er fechte mit seiner Klage diesen Bescheid und alle vergangenen und zukünftigen Bescheide mit ähnlichem Anliegen an. Außerdem beantragte er erneut die Feststellung der Beitragsfreiheit wegen Grundrechtsverletzungen und des Vorliegens eines besonderen Härtefalls. Außerdem stellte er Antrag nach § 80 Abs. 4 und Abs. 5 VwGO. Mit Beschluss vom 22. August 2017 wurde der Eilantrag abgelehnt, die vom Kläger daraufhin erhobene Beschwerde wurde mit Entscheidung des BayVGH vom 26. Oktober 2017 verworfen, und mit Beschluss gleichen Datums wurde die Feststellungsklage (AN 6 K 17.01722) an das VG … verwiesen.
9
Nach Übertragung des Rechtsstreites auf den Einzelrichter erfolgte ein Befangenheitsantrag, der mit Beschluss der Kammer vom 28. Februar 2018 abgelehnt wurde. Nach mündlicher Verhandlung, zu der der Kläger nicht erschienen ist, wurde mit Urteil vom 28. Februar 2018 die auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht gerichtete Klage abgewiesen. Der daraufhin erfolgte Antrag auf Zulassung der Berufung wurde abgelehnt mit Beschluss des BayVGH vom 24. September 2019 (7 ZB 18.1101).
10
Mit Beschluss des Amtsgerichts … vom 24. September 2019 wurde die Erinnerung gemäß § 766 ZPO des Klägers bezüglich eines Vollstreckungsersuchens vom 2. August 2019 zurückgewiesen, der sofortigen Beschwerde wurde mit Beschluss des Amtsgerichts … vom 15. Oktober 2019 nicht abgeholfen.
11
Der Kläger übersandte mit dem streitgegenständlichen Schreiben vom 29. September 2019 dem Verwaltungsgericht ein Schreiben, das die „Zwangsvollstreckungssache des vermeintlichen Gläubigers Bayerischer Rundfunk gegen den vermeintlichen Schuldner …“ betrifft und begehrte darin die „Anweisung des Amtsgerichts die Zwangsvollstreckung einzustellen und den Vollstreckungsauftrag zurückzuweisen“. Außerdem wendet er sich in diesem Schreiben wohl anlässlich dieser erneuten Zwangsvollstreckungssache beim Amtsgericht … gegen die Eintragungsanordnung nach § 882 ZPO, gegen die in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO gesetzlich vorgesehene sofortige Vollziehbarkeit einer Rundfunkbeitragsforderung und begehrt die Aussetzung der Vollziehung bzw. die Herstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 bzw. Abs. 4 VwGO. Außerdem begehrt er in einem Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz die Einstellung der Zwangsvollstreckung und die hier zu entscheidende „Wiederaufnahme nach Art. 51 BayVwVfG wegen nichtige Bescheide“. Inhaltlich trägt er vor, er bestreite die Zustellung der Festsetzungsbescheide und der Mahnungen, auf die sich die Vollstreckung bezieht, und beantrage insoweit das Wiederaufgreifen der Verfahren. Seiner Klageschrift legte der Kläger die Anlage zu einem Vollstreckungsersuchen des Beklagten vom 2. August 2019 bei.
12
Dem erneuten Vollstreckungsersuchen vom 2. August 2019 liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
13
Der Beklagte setzte gegen den Kläger unter der Adresse …, für dessen dortige Wohnung ausstehende Rundfunkbeiträge nebst Säumniszuschlägen für den Zeitraum vom Januar 2013 bis Juli 2017 in einer Gesamthöhe von 1.056,51 EUR, einschließlich nicht beigetriebener Kosten aus einer früheren Vollstreckung wie folgt fest:
14
Für den Zeitraum von Januar 2013 bis November 2015 mit Bescheid vom 2. März 2015 in Höhe von 421,54 EUR; für den Zeitraum von Dezember 2014 bis Februar 2015 mit Bescheid vom 1. April 2015 in Höhe von 61,94 EUR; für den Zeitraum von März 2015 bis Mai 2015 mit Bescheid vom 2. Juli 2015 in Höhe von 60,98 EUR; für den Zeitraum von Juni 2015 bis August 2015 mit Bescheid vom 2. Oktober 2015 in Höhe von 60,50 EUR; für den Zeitraum von September 2015 bis November 2015 mit Bescheid vom 1. Dezember 2015 in Höhe von 60,50 EUR; für den Zeitraum von Dezember 2015 bis Februar 2016 mit Bescheid vom 1. August 2017 in Höhe von 60,50 EUR und für den Zeitraum vom März 2016 bis Juli 2017 mit Bescheid vom 3. Mai 2019 in Höhe von 305,50 EUR einschließlich der Säumniszuschläge. Für die Einzelheiten der Bescheide wird auf die beigezogene Rundfunkbeitragsakte zu der Beitragsnummer … Bezug genommen.
15
Ausweislich der History wurden diese Bescheide mit Postauflieferungsdaten vom 5. März 2015, 7. April 2015, 9. Juli 2015, 9. Oktober 2015, 4. Dezember 2015, 4. August 2017 und 14. Mai 2019 dem Kläger unter seiner Adresse in der … als „versandt“ gespeichert.
16
Außerdem wurde der Kläger mit Schreiben vom 2. Januar 2015, 1. Mai 2015, 1. Juni 2015, 1. September 2015, 16. Mai 2019 und 18. Juni 2019 durch den Beklagten gemahnt. Für die Einzelheiten der Mahnungen wird ebenfalls auf die beigezogene Rundfunkbeitragsakte Bezug genommen.
17
Der Kläger hat lediglich gegen die streitgegenständlichen Festsetzungsbescheide vom 1. August 2017 und 3. Mai 2019 Widerspruch erhoben und außerdem einen Antrag auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht gestellt, der rechtskräftig mit Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach (AN 6 K 17.01041) abgelehnt wurde.
18
Mit Schreiben vom 2. August 2019 an das Amtsgericht … stellte der Beklagte bezüglich der Bescheide vom 2. März 2015, 1. April 2015, 2. Juli 2015, 2. Oktober 2015, 1. Dezember 2015, 1. August 2017 und 3. Mai 2019 Vollstreckungsersuchen gegen den Kläger. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Festsetzungsbescheide entweder unanfechtbar geworden sind oder sofort vollziehbar gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO. Der Schuldner sei nicht beitragsbefreit.
19
Die Bevollmächtigten des Beklagten beantragten mit Schreiben vom 14. November 2019 und 15. November 2019 die Klage abzuweisen und die Anträge abzulehnen und traten der Behauptung des Klägers entgegen, keine Festsetzungsbescheide erhalten zu haben. In der übersandten Rundfunkbeitragsakte sei in der History-Aufstellung zum elektronisch geführten Beitragskonto, aus dem die Ab-Vermerke bzw. Postauslieferungsdaten ersichtlich sind erkennbar, dass alle Bescheide zum Postversand ausgeliefert wurden. Die Behauptung des Klägers, keine Bescheide erhalten zu haben, sei eine reine Schutzbehauptung. Insoweit werde weiter auf in Zusammenstellung beigefügte Rechtsprechung verwiesen. Für die Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 15. November 2019 nebst Anlagen in der Gerichtsakte Bezug genommen.
20
Im weiteren Verfahren machte der Kläger mit Schreiben vom 7. November 2019 die Befangenheit der Richter der zuständigen Kammer geltend. Dieser Antrag wurde mit Beschluss der Kammer vom 12. Dezember 2019 als unzulässig abgelehnt. Nach Wiederholung des Antrags gegen den Berichterstatter wurde dem Kläger mit Schreiben vom 20. Dezember 2019 mitgeteilt, dass der erneute unzulässige Befangenheitsantrag, der auf dieselben Gründe gestützt worden ist wie der Antrag vom 7. November 2019, unberücksichtigt bleiben werde und ein Anlass zur Aussetzung des Verfahrens wegen der Vorabentscheidung des EuGH nicht veranlasst sei. Mit Schreiben vom 27. Dezember 2019 erhob der Kläger daraufhin Gehörsrüge nach § 152a VwGO und rügte, dass sein neuerlicher Befangenheitsantrag und sein Aussetzungsantrag nicht durch Beschluss der Kammer verbeschieden wurde. Die Anhörungsrüge wurde mit Beschluss der Kammer vom 14. Januar 2020 zurückgewiesen. Auf die Begründung wird Bezug genommen.
21
Mit Beschluss der Kammer gleichen Datums wurde der Antrag des Klägers auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 707 ZPO vom 23. Dezember 2019 abgelehnt.
22
Mit Beschluss der Kammer vom 13. Dezember 2019 wurde dem Einzelrichter der Rechtsstreit zur Entscheidung übertragen.
23
Mit Schriftsatz vom 27. Januar 2020 ließ der Kläger Beschwerde gegen die Beschlüsse der Kammer vom 8. Januar 2020 und 14. Januar 2020 einlegen. Zur Begründung wurde ausgeführt die Festsetzungsbescheide seien nichtig, es existiere kein Gesetz, das es dem Beklagten erlaube vollautomatische Gebührenbescheide zu erlassen.
24
Im Klageverfahren beantragte der Kläger mit Schreiben vom 10. Februar 2020 den Berichterstatter … nach § 54 VwGO in Verbindung mit § 42 ZPO wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen und es wurde Antrag auf Aussetzung des Verfahrens gemäß § 94 VwGO gestellt. Zur Begründung wurde unter Anderem ausgeführt, da die Vorverfahren zurückgewiesen worden seien bestehe unwiderlegbar ein Misstrauen bezüglich der nötigen Distanz und Neutralität des Berichterstatters und er habe bei vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt.
25
Mit Schreiben des Gerichts vom 12. Februar 2020 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass der neuerliche Befangenheitsantrag als rechtsmissbräuchlich bewertet werde und dem Kläger in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird.
26
In der mündlichen Verhandlung ist für die ordnungsgemäß und rechtzeitig geladenen Beteiligten niemand erschienen.
27
Mit Beschluss vom 13. Februar 2020 wurde festgestellt, dass der neuerliche Befangenheitsantrag unberücksichtigt bleiben werde. In der mündlichen Verhandlung wurde auf diesen Beschluss hingewiesen und der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens abgelehnt.
28
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf die Gerichtsakten in den Verfahren AN 6 S 16.00182, AN 6 S 16.00431, AN 6 K 16.00432, AN 6 S 17.01042, AN 6 K 17.01041, AN 6 K 17.01722, AN 6 E 19.02066, AN 6 S 19.02067 und AN 6 V 19.02609 sowie auf den Inhalt der beigezogenen Rundfunkbeitragsakten des Beklagten zu den Beitragsnummern … und … Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
29
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Das Gericht konnte auch in Abwesenheit der Beteiligten verhandeln und entscheiden, da mit der Ladung darauf hingewiesen wurde (§ 102 Abs. 2 VwGO).
30
Der Einzelrichter sieht sich nicht durch den neuerlichen Befangenheitsantrag des Klägers vom 10. Februar 2020 (eingegangen bei Gericht am 11.2.2020) gegen den Berichterstatter und durch den Aussetzungsantrag gehindert über die Klage vom 29. September 2019 zu entscheiden. Die vom Kläger im Schreiben vom 10. Februar 2020 vorgetragenen Gründe sind unter keinen denkbaren Gesichtspunkten geeignet eine Besorgnis der Befangenheit des Einzelrichters zu begründen. Weder hat der Einzelrichter in den vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt noch kann alleine die Abweisung früherer Klagen oder die Ablehnung früherer Eilanträge durch die Kammer, in der der Einzelrichter mitgewirkt hat, oder durch den Einzelrichter als Berichterstatter selbst, ohne Bezugnahme auf die Begründung dieser Entscheidungen, die Besorgnis der Befangenheit begründen. Damit wird der gesetzeswidrige, das Instrument der Richterablehnung missbrauchende, Einsatz dieses Rechts erkennbar. Der Antrag erweist sich daher als offensichtlich rechtsmissbräuchlich im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und ist daher unbeachtlich (BVerwG vom 14.11.2012 -2 KSt 1/11, U.v. 5.12.1975 - BVerwG 6 C 129.74 - BVerwGE 50, 36 ff., B.v. 24. Januar 1973 - BVerwG 3 CB 123.71).
31
Mit Schreiben des Gerichts vom 12. Februar 2020 wurde der Kläger davon in Kenntnis gesetzt, dass der erneute unzulässige Befangenheitsantrag unberücksichtigt bleiben wird. Der Kläger wurde ordnungsgemäß und rechtzeitig zur mündlichen Verhandlung geladen, er hatte hier Gelegenheit zur Stellungnahme. Von dieser Möglichkeit hat er keinen Gebrauch gemacht.
32
Der Klageantrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens und Aufhebung der Festsetzungsbescheide bleibt ohne Erfolg.
33
Die Klage ist hinsichtlich der streitgegenständlichen Bescheide bereits unzulässig, soweit der Kläger keinen Widerspruch gegen die Bescheide (vom 2.3.2015, 1.4.2015, 2.7.2015, 2.10.2015 und 1.12.2015) erhoben hat oder gegen den Festsetzungsbescheid vom 3. Mai 209 den Widerspruch vom 15. Oktober 2019 erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist des § 70 VwGO erhoben hat. Insoweit stellt sich die Klage wegen Versäumnis der einmonatigen Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO als unzulässig dar. Die Festsetzungsbescheide sind insoweit bestandskräftig geworden. Wiedereinsetzungsgründe sind nicht ersichtlich.
34
Wiederaufgreifensgründe des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG sind nicht ersichtlich, insbesondere kann sich der Kläger nicht darauf berufen, er habe die Bescheide nicht erhalten.
35
Der Beklagte kann sich entgegen der Auffassung des Klägers auf eine erfolgte hinreichende Bekanntgabe der Feststellungsbescheide an ihn mit dem dritten Tag nach der - in der History dokumentierten - Aufgabe zur Post (vgl. Art. 17 Abs. 2 VwZVG) berufen.
36
Der Beklagte kommt seiner insoweit bestehenden Beweispflicht zwar nicht schon mit der allgemeinen Berufung auf die Zulässigkeit einer (kostensparenden) formlosen Übermittlung von Rundfunkgebührenbescheiden nach. Die Behörde kann aber ihrer Beweispflicht im Streitfall auch nach den Grundsätzen über den Beweis des ersten Anscheins genügen, wenn sie Tatsachen vorträgt, aus denen nach allgemeiner Lebenserfahrung geschlossen werden kann, dass der Empfänger das Schreiben tatsächlich erhalten haben muss (vgl. etwa BayVGH, B.v. 6.7.2007 - 7 CE 07.1151 - juris Rn. 8 m.w.N.; bestätigt durch BayVGH, B.v. 11.5.2011 - 7 C 11.232 - juris Rn. 2). Zutreffend macht der Beklagte dem Kläger gegenüber geltend, dass nach dem vorgelegten Auszug aus der History-Aufstellung zu dem entsprechenden, elektronisch geführten Beitragskonto unter anderem sieben Beitragsfestsetzungsbescheide nachweislich an die zutreffende Adresse versandt worden sind, ohne dass auch nur einer der Briefe als unzustellbar zurückgekommen wäre. Schon angesichts der Vielzahl der Schreiben erscheint es völlig lebensfremd, dass sämtliche Sendungen des Bayerischen Rundfunks bzw. des für ihn tätigen ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren im Postbetrieb verloren gegangen sein könnten. Solche für einen Zugang sprechende Tatsachen sind hier ersichtlich gegeben.
37
Der Kläger bestreitet den Erhalt jeglicher Schreiben bezüglich seiner ab dem 1. Januar 2013 bestehenden Rundfunkbeitragspflicht zur Beitragsnummer …, also hier für einen Zeitraum von über vier Jahren (März 2015 bis Mai 2019). Der Kläger konnte keine, einem Anscheinsbeweis entgegenstehenden, Umstände aufzeigen. Vielmehr hat er gegen Bescheide vom 1. August 2017, 18. Mai 2017 und 25. Mai 2017 sowie gegen den Bescheid vom 3. Mai 2019 - hier allerdings verspätet - Rechtsbehelfe erhoben, die Bescheide also entgegen seiner Behauptung im Schreiben vom 29. September 2019 („Es sind keine zugestellt worden“) erhalten.
38
Soweit im Falle des Bescheides vom 1. August 2017 wegen fristgerechten Widerspruchs keine Bestandskraft eingetreten ist, ist die Klage als Untätigkeitsklage zulässig, aber unbegründet. Der Kläger ist zweifellos auch im maßgeblichen Zeitpunkt vom Dezember 2015 bis Februar 2016 Inhaber der Wohnung in der … gewesen, hat auch in diesem Zeitraum nicht die Voraussetzungen einer Rundfunkbeitragsbefreiung wegen eines besonderen Härtefalls (er wird nicht in seiner Glaubens- und Gewissensfreiheit verletzt, dies wurde rechtskräftig festgestellt im Verfahren AN 6 K 17.01041) erfüllt und er hat auch die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen einer Rundfunkbeitragsbefreiung (§ 4 RBStV) nicht nachgewiesen. Unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Entscheidung in § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat der Kläger daher eine Vollstreckung von öffentlichen Abgaben wie dem Rundfunkbeitrag selbst dann hinzunehmen, wenn der Verfahrensausgang im Widerspruchsverfahren bzw. Klageverfahren als offen zu beurteilen wäre. Die in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO gesetzlich generell bestimmte sofortige Vollziehbarkeit würde ihren Zweck nämlich nicht erreichen, wenn die aufschiebende Wirkung schon bei offenem Verfahrensausgang angeordnet werden müsste. Nach der gesetzlichen Wertung soll nämlich das Vollziehungsrisiko bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten beim Bürger und nicht bei der Verwaltung liegen. Einem Abgabenschuldner ist es bei offenem Verfahrensausgang regelmäßig zuzumuten, die Abgabe zunächst zu begleichen und sein Begehren im Hauptsacheverfahren weiter zu verfolgen, falls in seinem Fall nicht ausnahmsweise eine besondere Härte - für deren Vorliegen hier indes nichts spricht - gegeben ist (vgl. dazu den Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 4.2.2015 - 2 S 2436/14 -).
39
Zudem liegt im vorliegenden Fall ein offener Verfahrensausgang keinesfalls vor. Die angegriffenen Festsetzungsbescheide sind ohne Zweifel rechtmäßig und waren auch vollstreckbar.
40
Demgegenüber hat der Kläger im Verfahren Tatbestände, die ein Wiederaufgreifen des Verfahrens trotz Bestandskraft rechtfertigen können nicht vorgetragen und solche sind auch nicht ersichtlich.
41
Weder hat sich die den Festsetzungsbescheiden zugrunde liegende Sach- und Rechtslage nachträglich geändert, noch liegen Wiederaufnahmegründe nach § 580 ZPO vor und es wurden auch keine neuen Beweismittel vorgelegt, die eine den Kläger günstigere Entscheidung herbeigeführt hätten. Die mit der Vollstreckung beanspruchten Rundfunkbeiträge wurden vom Kläger zudem auch zwischenzeitlich nicht bezahlt (Art. 22 Nr. 3 BayVwZVG).
42
Wie schon im Beschluss vom 8. Januar 2020 ausführlich dargestellt wurde, sind die der Vollstreckung zu Grunde liegenden Festsetzungsbescheide entweder bestandskräftig geworden oder dürfen vom Beklagten gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO trotz Widerspruch oder Klage vollstreckt werden. Die aufschiebende Wirkung wurde insoweit nicht angeordnet. Die Vollstreckung von Rundfunkbeiträgen in Höhe von monatlich 17,50 EUR stellt auch keine unbillige, besondere Härte dar. Dass der Kläger die Aufforderung des Beklagten, Rundfunkbeiträge zu zahlen, über einen längeren Zeitraum missachtet hat, und deshalb ein größerer Betrag aufgelaufen ist, führt rechtlich nicht dazu, dass nach einer gewissen Zeit ein „Vollstreckungshindernis“ entsteht. Nach der gesetzlichen Wertung soll nämlich das Vollziehungsrisiko bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten beim Bürger und nicht bei der Verwaltung liegen. Einem Abgabenschuldner ist es bei offenem Verfahrensausgang regelmäßig zuzumuten, die Abgabe zunächst zu begleichen und sein Begehren im Hauptsacheverfahren weiter zu verfolgen, falls in seinem Fall nicht ausnahmsweise eine besondere Härte - für deren Vorliegen hier indes nichts spricht - gegeben ist (vgl. dazu den Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 4.2.2015 - 2 S 2436/14).
43
Soweit sich der Kläger nunmehr auch darauf beruft, er könne sich den Rundfunkbeitrag nicht leisten, ist er auf einen Befreiungsantrag aus wirtschaftlichen Gründen nach § 4 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) zu verweisen. Bisher wurden die Voraussetzungen des § 4 RBStV nicht nachgewiesen. Ein besonderer Härtefall wegen eines Verstoßes gegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit liegt nicht vor (Urteil des VG Ansbach vom 28.2.2018; Beschluss des BayVGH vom 24.9.2019).
44
Abschließend wird noch darauf hingewiesen, dass die Rundfunkbeitragsbescheide nicht an formellen Fehlern leiden, die etwa sogar zu ihrer Nichtigkeit führen. Die Bescheide sind nach allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrensrechts formell rechtmäßig. Insbesondere ist der Beklagte als die den jeweiligen Bescheid erlassende Stelle ohne weiteres erkennbar. Die Erledigung von Verwaltungsaufgaben des Beklagten durch den ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice (Beitragsservice) ist nicht zu beanstanden. Sie beruht auf § 10 Abs. 7 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) i.V.m. § 2 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge - Rundfunkbeitragssatzung. Die Bescheide leiden auch nicht deshalb an einem Mangel, weil sie nicht unterschrieben sind. Zwar bestimmt Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG, dass das Bayerische Verwaltungsverfahrensgesetz nicht für die Anstalt des öffentlichen Rechts „Bayerischer Rundfunk“ gilt, trotzdem finden aber die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsverfahrensrechts auch auf die Tätigkeit des Beklagten Anwendung. Die Festsetzungsbescheide enthalten gem. Art. 37 Abs. 5 BayVwVfG analog zulässigerweise den Hinweis, dass sie maschinell erstellt worden sind und deshalb keine Unterschrift tragen. In Anbetracht der Tatsache, dass es gerade in Massenverfahren wie demjenigen der Rundfunkbeiträge ohne enormen Verwaltungsaufwand kaum noch möglich wäre, jeden einzelnen Bescheid unterschreiben zu lassen, gebietet es der Grundsatz der Sparsamkeit der Verwaltung, die bestehenden technischen Möglichkeiten zu nutzen, um den Verwaltungsaufwand und die Kosten möglichst gering zu halten (VG München vom 20.10.2016 - M 26 S 16.4279).
45
Der Beklagte war gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 RBStV i.V.m. § 11 Abs. 1 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge (Rundfunkbeitragssatzung) auch berechtigt, Säumniszuschläge festzusetzen. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 RBStV ist die zuständige Landesrundfunkanstalt ermächtigt, die Erhebung von Zinsen, Kosten und Säumniszuschlägen durch Satzung zu regeln. Nach § 11 Abs. 1 der Rundfunkbeitragssatzung wird ein Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber ein Betrag von 8,- EUR fällig und zusammen mit dem Beitragsbescheid festgesetzt, wenn geschuldete Rundfunkbeiträge nicht innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet werden. Der Kläger hat vorliegend die nach § 7 Abs. 3 RBStV fälligen Rundfunkbeiträge für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht entrichtet.
46
Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 1 VwGO, 708 Nr. 11 und 711 ZPO.
47
Anlass, die Berufung zuzulassen, bestand nicht, da die Voraussetzungen des § 124 a Abs. 1 VwGO nicht vorliegen.