Titel:
Kosten der Anordnung eines Fahreignungsgutachtens
Normenketten:
StVG § 3 Abs. 1 S. 1, § 6a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, Abs. 3, § 24a Abs. 2, § 29
VwKostG § 14 Abs. 2
FeV § 14 Abs. 2 Nr. 3, § 46 Abs. 1 S. 1, Abs. 3
Leitsätze:
1. Mit dem Wortlaut „werden Tatsachen bekannt“ iSd § 46 Abs. 3 FeV sind idR neu auftretende Tatsachen gemeint, sodass diese Verweisungsnorm nicht eröffnet ist, wenn alle Tatsachen, die die Fahrerlaubnisbehörde zur Begründung von Eignungszweifeln heranzieht, bereits zur Anordnung der Beibringung einer medizinisch-psychologischen oder einer fachärztlichen Begutachtung verwendet wurden (vgl. VG Augsburg BeckRS 2018, 16873 Rn. 43). (Rn. 63 und 64) (redaktioneller Leitsatz)
2. IRd § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV ist – anders als iRd § 14 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FeV – nicht erforderlich, dass eine aktuelle Drogenproblematik noch im Raum steht. Maßgeblich ist allein der wiederholte Verstoß gegen § 24a Abs. 2 StVG und damit die fortgesetzte Missachtung der verkehrsrechtlichen Vorschriften wegen eines allgemeinen Nachgebens gegenüber Drogen, sodass es auf die Frage eines gelegentlichen Konsums nicht ankommt. (Rn. 71 und 72) (redaktioneller Leitsatz)
3. Resultieren Fahreignungszweifel aus Sachverhalten, die in das Verkehrszentralregister einzutragen waren bzw. in das Fahreignungsregister aufzunehmen sind, beantwortet sich die Frage, wie lange der jeweilige Sachverhalt die Anordnung eines Fahreignungsgutachtens rechtfertigen kann, grundsätzlich nach den für diese Register geltenden Tilgungs- und Verwertungsvorschriften, sodass für eine weitere einzelfallbezogene Prüfung in aller Regel kein Raum mehr ist. (Rn. 77) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anfechtung der Kostenentscheidung bezüglich einer Gutachtensanordnung, Inzidente Überprüfung der fahrerlaubnisrechtlichen Maßnahme, Gutachtensanordnung nach zurückgenommener Entziehung der Fahrerlaubnis, zwei Verkehrsordnungswidrigkeiten, Maßgeblichkeit allein der Tilgungsfristen, keine Tilgungsreife, Gebührenhöhe korrekt, Rechtmäßigkeit der Amtshandlung, inzidente Überprüfung, Gutachtensanordnung, neue Fahreignungszweifel, aktuelle Drogenproblematik, wiederholte Verstöße gegen § 24a StVG, Anhaltspunkte für einen Gefahrenverdacht, Maßgeblichkeit von Tilgungs- und Verwertungsfristen
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 14.12.2020 – 11 ZB 20.2025
Fundstelle:
BeckRS 2020, 22624
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen die Kostenpflicht für eine Gutachtensanordnung des Beklagten im Hinblick auf die Überprüfung seiner Fahreignung für die Klassen A79, A179, AM, B und L.
2
1. Am 15. Januar 2013 wurde dem Kläger vom Landratsamt * (im Folgenden: Landratsamt) unter der Fahrerlaubnisnummer * die Fahrerlaubnis der benannten Klassen im Rahmen des Begleiteten Fahrens erteilt. Am 16. Januar 2014 wurde ihm die entsprechende vollumfänglich gültige Fahrerlaubnis unter der Fahrerlaubnisnummer * erteilt.
3
Am 19. Mai 2015 führte der Kläger gegen 23:50 Uhr ein Fahrzeug (Pkw Opel, amtliches Kennzeichen *) in der *straße in * unter Cannabiseinfluss. Er führte eine geringe Menge Marihuana mit. Der Kläger räumte ein, am 19. Mai 2015 gegen 21:00 Uhr Cannabis konsumiert zu haben. Das auf Grundlage der anschließend um 0:14 Uhr durchgeführten Blutentnahme durch das Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums * am 12. Juni 2015 erstellte Gutachten ergab mengenmäßig die folgenden Werte:
4
THC
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9,6 ng/ml
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THC-COOH
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51,1 ng/ml.
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5
Die Fahrerlaubnisbehörde entzog dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 26. Januar 2016 die Fahrerlaubnis in vollem Umfang (Nr. 1), zog den Führerschein ein und verpflichtete den Kläger, seinen Führerschein unverzüglich beim Landratsamt * abzugeben oder eine entsprechende Versicherung an Eides statt über den Verbleib vorzulegen (Nr. 2). Für den Fall der Nichtbeachtung der Nr. 2 innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung des Bescheides wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 EUR angedroht (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheides wurde angeordnet (Nr. 4).
6
Der Kläger erhob hiergegen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg am 3. Februar 2016 Klage (Au 7 K 16.162) und stellte einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (Au 7 S 16.163). In der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2016 wurde zunächst durch Vernehmung von Frau Dr. * als (sachverständige) Zeugin darüber Beweis erhoben, ob das Konsumverhalten des Klägers als einmalig oder gelegentlich zu bezeichnen ist. Anschließend schlossen die Parteien den folgenden unwiderruflichen Vergleich:
7
1. Der Kläger verpflichtet sich bei der Begutachtungsstelle * bis spätestens 15. April 2016 eine Haarprobe mit einer Haarlänge von 6 cm entnehmen zu lassen. Die Haaranalyse wird in einer ergänzenden Stellungnahme zu dem im Verfahren abgegebenen Gutachten bewertet.
8
Der Kläger sichert zu, die Haaranalyse mit der ergänzenden Stellungnahme zu dem Gutachten der * unverzüglich nach Erhalt dem Beklagten vorzulegen.
9
2. Für den Fall, dass die Haaranalyse negativ ausfällt, verpflichtet sich der Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid vom 26. Januar 2016 aufzuheben. Im Fall der Aufhebung des Bescheids übernimmt der Beklagte die Kosten für den Bescheid (Gebühren und Auslagen).
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3. Im Falle eines positiven Befundes entscheidet der Beklagte erneut über die Fahreignung des Klägers.
11
4. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
12
Mit Schreiben vom 7. Juli 2016 übersandte der Prozessbevollmächtigte des Klägers eine gutachterliche Stellungnahme zur Haaranalyse, die negativ war.
13
Mit Bescheid vom 8. Juli 2016 hob das Landratsamt den Bescheid vom 26. Januar 2016 auf.
14
2. Am 1. Dezember 2016 teilte die Verkehrsdirektion * der Fahrerlaubnisbehörde mit, dass der Kläger am 27. Oktober 2016 gegen 15:15 Uhr mit dem Pkw Nissan Qashqai, amtliches Kennzeichen * in * auf der A*, km 209,200, TuR-Anlage * (209,300) kontrolliert worden war. Er war allein im Fahrzeug gesessen und der Lenker desselben gewesen.
15
An der Tank- und Rastanlage * auf der BAB A* befand sich eine Kontrollstelle der Bereitschaftspolizei zur Bekämpfung des Wohnungseinbruchsdiebstahls. Bei der Befragung durch den Polizeibeamten wurde festgestellt, dass der Kläger auffällig kleine Pupillen aufwies. Der Kläger wurde gebeten, in die Kontrollstelle einzufahren. Der Kläger händigte den Polizeibeamten die erforderlichen Dokumente aus. Er wurde hernach gebeten, aus dem Fahrzeug zu steigen, um ihn und das Fahrzeug sowie seine mitgeführten Sachen zu durchsuchen. Dabei wurde in der vorderen rechten Hosentasche des Klägers ein leeres Druckverschlusstütchen mit Restantragungen, augenscheinlich Marihuana, aufgefunden.
16
Dem Kläger wurde ein freiwillig durchzuführender Urintest angeboten. Diesen verweigerte er. Zur Überprüfung der Fahrtauglichkeit wurden von den anwesenden Polizeibeamten mehrere Tests, nämlich Einbeinstand-Test, Finger-Nase-Test, Horizontaler Nystagmus-Test und Pupillenreaktion, vorgenommen. Nachdem auch diese Tests auf einen aktuellen Drogenkonsum hindeuteten, wurde über die Staatsanwaltschaft * eine Blutentnahme um 15:55 Uhr (bereitschafts-)richterlich angeordnet. Sie wurde durch einen Arzt um 17:29 Uhr vor Ort durchgeführt. Der Kläger kooperierte, war jedoch ausdrücklich nicht mit der Durchführung einverstanden.
17
Das daraufhin am 11. November 2016 durch die Gesellschaft * (*) mbH erstellte Gutachten ergab die folgenden Werte bezogen auf die entsprechenden Substanzen:
18
THC
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1,56 ng/ml
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THC-COOH
11-OH-THC
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17,7 ng/ml
0,56 ng/ml.
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19
Am 8. Dezember 2016 wurde das anhängige Strafverfahren durch die Staatsanwaltschaft * nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt. Am 29. Dezember 2016 gab die Staatsanwaltschaft die Sache an die Zentrale Bußgeldstelle, das Regierungspräsidium, ab. Gegen den zwischenzeitlich ergangenen Bußgeldbescheid wurde Einspruch eingelegt. Der Kläger wurde diesbezüglich mit Schreiben des Amtsgerichts * vom 23. Februar 2017 zur mündlichen Verhandlung am 10. April 2017 geladen. Auf der Ladung befand sich der Hinweis, dass eine Überleitung in ein Strafverfahren im Raum stünde.
20
Mit Schreiben vom 14. Dezember 2016, zugestellt am 17. Dezember 2016, hörte das Landratsamt den Kläger zu der bevorstehenden Entziehung der Fahrerlaubnis an. Gleichzeitig wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt, auf die Fahrerlaubnis zu verzichten und den Führerschein abzugeben.
21
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers nahm für diesen am 19. Januar 2017 Stellung und berief sich darauf, dass die toxikologischen Befunde nicht hätten verwertet werden dürfen, da es an einer ordnungsgemäßen Belehrung des Klägers gefehlt habe. Das Ergebnis des Gutachtens werde bestritten, da es dem Ersteller an der hierfür erforderlichen Legitimation fehle. Daneben liege kein fehlendes Trennvermögen vor, da ein solches erst ab einem Wert von 2,0 ng/ml im Blutserum ohne drogenbedingte Fahrleistungseinschränkungen angenommen werden könne. Zudem dürfe die Fahrerlaubnisbehörde nicht tätig werden, da noch ein Strafverfahren nach § 316 StGB anhängig sei.
22
Mit Bescheid vom 25. Januar 2017, zugestellt am 30. Januar 2017, wurde dem Kläger die Fahrerlaubnis in vollem Umfang entzogen (Nr. 1). Er wurde verpflichtet, seinen Führerschein unverzüglich beim Landratsamt * abzugeben oder eine entsprechende Versicherung an Eides statt über den Verbleib vorzulegen (Nr. 2). Für den Fall der Nichtbeachtung der Ziffer 2 innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung des Bescheides wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 EUR angedroht (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 des Bescheides wurde angeordnet (Nr. 4).
23
Am 17. Februar 2017 lieferte der Kläger seinen Führerschein bei der Fahrerlaubnisbehörde ab.
24
Am 20. Februar 2017 ließ der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage gegen den Bescheid vom 25. Januar 2017 erheben (Au 7 K 17.268) und gleichzeitig die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragen (Au 7 S 17.274).
25
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Bescheid sowohl unter tatsächlichen, medizinischen, als auch rechtlichen Gesichtspunkten fehlerhaft und deshalb rechtswidrig sei.
26
Das Landratsamt * beantragte die Ablehnung des Antrags.
27
Der gelegentliche Konsum von Cannabis durch den Kläger sei durch die beiden Fahrten unter Einfluss von Cannabis am 19. Mai 2015 und am 27. Oktober 2016 nachgewiesen. Das fehlende Trennvermögen zwischen Konsum und Führen eines Kraftfahrzeuges stehe nach Aktenlage fest.
28
Mit Beschluss vom 17. März 2017 lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg den Antrag ab (Au 7 S 17.274).
29
Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 31. Mai 2017 wurde der Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 17. März 2017 in Ziff. I teilweise aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung der Klage wurde gegen die Nrn. 1 und 2 des Bescheids des Landratsamts * vom 25. Januar 2017 wiederhergestellt. Im Übrigen wurde die Beschwerde zurückgewiesen.
30
Mit Schreiben vom 17. Juli 2017 gab das Landratsamt den Führerschein des Klägers an diesen heraus.
31
Mit Beschluss vom 10. Oktober 2017 wurde das Ruhen des Klageverfahrens Au 7 K 17.268 vor dem Hintergrund einer beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Revision zu einem ähnlichen Sachverhalt angeordnet.
32
Mit Bescheid vom 18. September 2019 nahm das Landratsamt den Bescheid vom 25. Januar 2017 nach Ergehen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. April 2019 (Az. 3 C 13.17) zurück.
33
Mit Schreiben vom 9. Oktober 2019 forderte das Landratsamt gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV i.V.m. § 24 a StVG ein medizinisch-psychologisches Gutachten bis spätestens 9. Dezember 2019 zu folgenden Fragen an:
34
1. Ist zu erwarten, dass oben Genannter zukünftig ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss der bisher konsumierten Betäubungsmittel (hier: Cannabis) führen wird?
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2. Kann durch Auflagen oder Beschränkungen gewährleistet werden, dass Vorgenannter das Führen eines Kraftfahrzeuges und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Konsum (hier von Cannabis) hinreichend sicher trennen kann?
36
Die Pflicht zur Vorlage des Gutachtens wurde mit den beiden Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr nach § 24 a StVG begründet. Das Gutachten müsse von einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung erstellt werden. Auf die Folge der Nichtvorlage nach § 11 Abs. 8 FeV wurde hingewiesen.
37
Aufgrund Antrags des Klägerbevollmächtigten vom 4. Oktober 2019 wurde das Verfahren Au 7 K 17.268 mit Mitteilung des Gerichts vom 10. Oktober 2019 unter dem neuen Aktenzeichen Au 7 K 19.1662 fortgesetzt.
38
Mit Änderungsanordnung vom 16. Oktober 2019 forderte das Landratsamt gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV i.V.m. § 24 a StVG erneut ein medizinisch-psychologisches Gutachten, nunmehr bis spätestens 16. Dezember 2019, von im Wesentlichen gleichem Inhalt an. Lediglich die in der ersten Anordnung erfolgten Erwägungen zum Ermessen wurden nunmehr entfernt.
39
Mit Beschluss vom 15. November 2019 wurde das zwischenzeitlich fortgesetzte Verfahren Au 7 K 19.1662 nach beiderseitiger Erledigterklärung unter Kostentragung durch den Beklagten eingestellt.
40
3. Am 14. November 2019 ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Klage erheben mit dem Antrag,
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den Kostenbescheid des Landratsamts * vom 09.10.2019, zugestellt am 14.10.2019, aufzuheben.
42
Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2019 ausgeführt, dass die der Kostenerhebung zu Grunde liegende Amtshandlung der Gutachtensanordnung rechtswidrig sei, da der Beklagte vom Kläger keine Vorlage eines Gutachtens verlangen dürfe. Der Beklagte dürfe in derselben Sache nicht einen bereits erlassenen Bescheid, wonach dem Kläger die Fahrerlaubnis entzogen werden sollte, nach Ablauf von fast drei Jahren zurücknehmen und stattdessen ohne neue Erkenntnisse eine MPU anordnen.
43
Die Anordnung der MPU sei bereits formell rechtsfehlerhaft, da sie in der Begründung nicht genau aufführe, welche Tatsachen zum Zeitpunkt der Anordnung die Behörde dazu veranlasst haben sollten, Bedenken an der Eignung des Klägers anzunehmen und durch eine MPU überprüfen bzw. ausräumen lassen zu wollen. Weiterhin sei die gestellte Frage seitens der Behörde fehlerhaft formuliert, da sie unter Ziffer 1 von einem bisherigen Konsum spreche, obwohl dem Beklagten lediglich ein letztmaliger Konsum vom 27. Oktober 2016 bekannt sei.
44
Unabhängig davon seien keine etwaigen neuen Tatsachen seit der Rücknahme des ursprünglichen Bescheides zum Zeitpunkt der Anordnung gegeben. Vielmehr werde die Anordnung auf die mehrere Jahre zurückliegenden Konsumvorgänge vom 19. Mai 2015 und 27. Oktober 2016 gestützt. Hierzu werde auf das umfangreiche Vorbringen im Verfahren Au 7 K 19.1662 verwiesen.
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Ferner führe die Betrachtung der beiden Konsumvorgänge dazu, dass diese bereits keinen gewissen, zeitlichen Zusammenhang aufwiesen, da zwischen ihnen 1,5 Jahre lägen, sodass es bereits an einem gelegentlichen Konsum i.S.d. Nr. 9.2.2. der Anlage 4 fehle. Der Beklagte dürfe eine MPU aufgrund des Zeitablaufs und gleichzeitiger Betrachtung des Einzelfalls nicht mehr anordnen.
46
Der Kläger sei auch finanziell nicht in der Lage, der MPU-Anordnung nachzukommen, weshalb sich diese ebenfalls als rechtswidrig darstelle.
47
4. Mit Schriftsatz vom 13. Februar 2020 beantragte der Beklagte,
49
Der Entziehungsbescheid vom 17. März 2017 sei zurückzunehmen gewesen, was mit Rücknahmebescheid vom 18. September 2019 erfolgt sei. Im Anschluss sei - auch aufgrund der Ausführungen im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. April 2019 - die gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV zwingende Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens erlassen worden, um die aufgrund der Fahrten unter Betäubungsmitteleinfluss weiterhin bestehenden Zweifel an der Fahreignung aufzuklären bzw. auszuräumen. Hierbei handele es sich um eine Entscheidung, die nicht im Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde stehe. Beide Fahrten seien weiterhin im Verkehrszentralregister aufgeführt und unterlägen auch nicht der Tilgung. Daher seien diese Taten auch weiterhin heranziehbar und die daraus entstehenden Zweifel an der Fahreignung zu keinem Zeitpunkt ausgeräumt worden. Die Zeitspanne allein stelle keinen Nachweis dafür dar, dass kein Konsum mehr vorliege. Vielmehr sei auch hier im Rahmen des Gutachtens aufzuklären, ob in Zukunft damit zu rechnen sei, dass der Kläger erneut unter dem Einfluss von THC am Straßenverkehr teilnehmen werde. Eine derartige Aufklärung könne aber nicht durch bloßen Zeitablauf erfolgen. Auf die finanzielle Situation des Klägers könne keine Rücksicht genommen werden.
50
5. Am 22. Juni 2020 wurde die Verwaltungsstreitsache mündlich verhandelt. Der Klägerbevollmächtigte wiederholte seinen Klageantrag aus dem Schriftsatz vom 14. November 2019. Der Beklagte beantragte Klageabweisung.
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6. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, insbesondere auf die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung am 22. Juni 2020, die beigezogene Behördenakte sowie die beigezogenen Gerichtsakten aus den aufgeführten früheren Verfahren Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
52
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die streitgegenständliche Kostenerhebung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
53
Die Rechtmäßigkeit der Erhebung der Verwaltungsgebühr für die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ist dabei von der Rechtmäßigkeit der Amtshandlung abhängig. Gemäß § 6a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) werden Kosten (Gebühren und Auslagen) für Amtshandlungen einschließlich Verwarnungen nach diesem Gesetz und den auf diesem Gesetz beruhenden Rechtsvorschriften erhoben. § 6a Abs. 2 StVG ermächtigt dazu, die gebührenpflichtigen Amtshandlungen sowie die Gebührensätze für die einzelnen Amtshandlungen durch Rechtsverordnung zu bestimmen. Gemäß § 6a Abs. 3 Satz 1 StVG findet im Übrigen das Verwaltungskostengesetz in der bis zum 14. August 2013 geltenden Fassung (VwKostG a.F.) Anwendung.
54
Die Rechtswidrigkeit der vom Kläger angegriffenen Auferlegung von Kosten ergibt sich nicht aus § 14 Abs. 2 Satz 1 VwKostG a.F. Bei der gerichtlichen Überprüfung eines auf die genannten Rechtsgrundlagen gestützten Verwaltungsgebührenbescheids hat über die gebührenrechtliche Kontrolle im engeren Sinn hinaus auch eine Inzidentkontrolle der Rechtmäßigkeit der jeweiligen Amtshandlung zu erfolgen (vgl. VGH BW, U.v. 12.12.2016 - 10 S 2406/14 - juris; BVerwG, U.v. 27.9.2012 - 3 C 33.11 - NJW 2013, 552, U.v. 9.1.2007 - 10 S 1874/06 - VBlBW 2007, 479). Denn nach § 14 Abs. 2 Satz 1 VwKostG dürfen Kosten, die bei richtiger Sachbehandlung nicht entstanden wären, nicht erhoben werden. Eine Gebühr darf also nur erhoben werden, wenn die Amtshandlung rechtmäßig war.
55
Dies ist vorliegend der Fall. Die Kostentragungspflicht bezüglich der Anordnung der medizinisch-psychologischen Untersuchung vom 16. Oktober 2019 des Klägers ist weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden. Die Gutachtensanordnung begegnet weder formellen noch materiellen Bedenken.
56
1. Gegen die Anordnung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bestehen keine Bedenken in formeller Hinsicht.
57
Gemäß § 11 Abs. 6 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV, BGBl I S. 1980) muss die Fahrerlaubnisbehörde unter Beachtung der Besonderheiten des Einzelfalles und unter Beachtung der Anlagen 4 und 5 zur Fahrerlaubnis-Verordnung in der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens festlegen, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind.
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Die Fahrerlaubnisbehörde hat vorliegend die von ihr als maßgeblich angesehenen Tatsachen im Anforderungsschreiben in einem solchen Umfang wiedergegeben, dass sich der Antragsteller auf Grund dieser Angaben in der Lage sehen konnte, sich eine Meinung über die Berechtigung der geäußerten Eignungszweifel zu bilden und gegebenenfalls sein Verhalten im Verwaltungsverfahren hierauf einzurichten. Die gewählte Fragestellung lässt den Gegenstand und Zweck der geforderten Begutachtung hinreichend klarwerden.
59
2. Die Gutachtensanordnung erfüllt auch die materiellen Voraussetzungen.
60
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis - ohne Ermessensspielraum - zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV), d.h. die Vorlage von ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachten kann nach diesen Bestimmungen angeordnet werden.
61
a) Die Verweisungsnorm des § 46 Abs. 3 FeV ist tatbestandlich erfüllt. Mit der Benachrichtigung über die zweite „Drogenfahrt“ vom 27. Oktober 2016 ist dem Beklagten eine (neue) Tatsache bekannt geworden i.S.d. § 46 Abs. 3 FeV, die Eignungszweifel begründet und ihrerseits nach der Rücknahme der zunächst erfolgten Entziehung gemäß Rücknahmebescheid vom 18. September 2019 noch keine Maßnahme nach sich gezogen hat.
62
Zwar trifft es zu, dass die beiden „Drogenfahrten“ aus den Jahren 2015 und 2016 ohne einen zwischenzeitlich neuen Anlass seitens des Klägers nunmehr erstmals für die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung verwendet werden. Allerdings kann die Kammer anders als der Klägerbevollmächtigte in der von der Fahrerlaubnisbehörde vorgenommenen Rücknahme der Entziehung gemäß Rücknahmebescheid vom 18. September 2019 und stattdessen erfolgter Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung keine „Verböserung“ erkennen.
63
Mit dem Wortlaut „werden Tatsachen bekannt“ i.S.d. § 46 Abs. 3 FeV sind i.d.R. zwar neu auftretende Tatsachen gemeint, vorliegend besteht allerdings die Besonderheit, dass die bisher bekannten Tatsachen der erfolgten zwei „Drogenfahrten“ noch nicht abschließend verwertet wurden, da die zunächst verfügte Entziehung vom Beklagten zurückgenommen wurde.
64
Die Verweisungsnorm des § 46 Abs. 3 FeV wäre dann nicht eröffnet, wenn alle Tatsachen, die die Fahrerlaubnisbehörde zur Begründung der Eignungszweifel heranzieht, bereits zur Anordnung zur Beibringung von einer medizinisch-psychologischen oder einer fachärztlichen Begutachtung verwendet wurden. In diesem Fall wären solche Tatsachen zum Zeitpunkt der erneuten Gutachtensanordnung gerade nicht bekannt geworden, sondern der Fahrerlaubnisbehörde bereits zuvor längst bekannt und die entsprechenden Maßnahmen bereits zu einem Zeitpunkt ergriffen worden, als die Tatsachen erstmals bekannt wurden (VG Augsburg, B.v. 4.7.2018, Au 7 S 18.936). Die Kammer hält an ihrer Rechtsauffassung fest, dass angesichts des eindeutigen Wortlautes „werden … bekannt“ i.S.d. § 46 Abs. 3 FeV nicht darauf abgestellt werden darf, dass solche Tatsachen nur (nach wie vor) vorliegen müssen (Anm.: Hervorhebung jeweils durch den Verfasser). Eine solche Auslegung würde im Ergebnis dazu führen, dass die Fahrerlaubnisbehörde bestimmte Tatsachen für die Überprüfung der Fahreignung mehrmals und so oft verwenden könnte, wie es ihr beliebt.
65
Ein solcher Fall ist hier indes nicht gegeben. Die Fahrerlaubnisbehörde geht nunmehr zu Recht gerade nicht mehr von einer feststehenden, sondern erst zu überprüfenden Ungeeignetheit im Hinblick auf die beiden Verkehrszuwiderhandlungen aus. Die Fahrerlaubnisbehörde hat die beiden Verstöße gerade nicht zweimal zur Anordnung eines fachärztlichen bzw. medizinisch-psychologischen Gutachtens verwertet, sondern nur ihre frühere Praxis, nach einmaliger Cannabisfahrt die Fahrerlaubnis sofort zu entziehen, entsprechend der neueren Rechtsprechung korrigiert bzw. angepasst. Der Kläger hat die Zweifel an seiner Fahreignung, die sich aus den jeweiligen Zuwiderhandlungen ergaben, (bislang) gerade nicht durch die Vorlage eines positiven Gutachtens bereits ausgeräumt. Vielmehr hat der Kläger nach der ersten „Drogenfahrt“ lediglich eine Haarprobe aufgrund des gerichtlichen Vergleichs vom 11. April 2016 beigebracht und nach der zweiten „Drogenfahrt“ noch keinerlei Nachweis über das (Fort-)Bestehen seiner Fahreignung, geschweige denn durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten erbracht. Es kann daher nicht die Rede davon sein, dass die Fahrerlaubnisbehörde hier lediglich „alte“ bereits bekannte Tatsachen neu kombiniert.
66
Der Anwendungsbereich der §§ 11 bis 14 FeV ist somit gemäß § 46 Abs. 3 FeV eröffnet.
67
b) Der Beklagte hat vorliegend die Anordnung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu Recht auf § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV i.V.m. § 24a StVG gestützt, wonach die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens für die Zwecke des § 14 Abs. 1 FeV, d.h. zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder die Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen bzw. gemäß der hier vorliegenden Verweisungsnorm des § 46 Abs. 3 FeV zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Entziehung der Fahrerlaubnis anzuordnen ist, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr nach § 24a StVG begangen wurden. § 13 Nr. 2 Buchst. b FeV bleibt unberührt.
68
Nach § 24a Abs. 2 Sätze 1 bis 3 StVG handelt ordnungswidrig, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt (Satz 1). Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird (Satz 2). Satz 1 gilt nicht, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt (Satz 3).
69
Hier liegen aufgrund der zwei Fahrten unter Cannabis-Einfluss vom 19. Mai 2015 sowie vom 27. Oktober 2016 zwei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 a Abs. 2 Sätze 1 und 2 i.V.m. der Anlage zu § 24a StVG, in welcher Cannabis als berauschendes Mittel aufgeführt ist, wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr i.S.d. § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV vor. Das Tatbestandsmerkmal der „Wiederholung“ ist durch das Hinzutreten der zweiten „Drogenfahrt“ nach Erledigung des ersten Rechtsstreits erfüllt, wobei es sich hierbei wie oben aufgezeigt um eine neu bekannt gewordene Tatsache handelt.
70
Nach dem Wortlaut der amtlichen Überschrift des § 14 FeV begründen die dort genannten Umstände Eignungszweifel, bei denen die vorgesehenen Aufklärungsmaßnahmen zu ergreifen sind. § 14 FeV betrifft damit zwar keine Sachverhalte, bei denen ohne weiteres von Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgegangen und die Fahrerlaubnis entzogen werden kann (BayVGH, U.v. 25.4.2017 - 11 BV 17.33 - juris). Die Fahrerlaubnisbehörde ging hier zuletzt aber gerade nicht mehr von einer feststehenden, sondern zu überprüfenden Ungeeignetheit im Hinblick auf die beiden Verkehrszuwiderhandlungen des Klägers aus.
71
Der Vortrag der laut Klägerseite zwischenzeitlich nachweislich abgeschlossenen Drogenproblematik vermag daher nichts zu ändern, da § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV auch und selbst dann anwendbar bleibt. Der sinngemäß geäußerte Einwand, dass die Frage zur Fahreignung bezüglich des Themenkomplexes „Drogen“ aufgrund eines jedenfalls aktuell nicht mehr gelegentlichen Konsums nicht mehr zu stellen sei, geht vor dem Hintergrund des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV fehl. Dass eine aktuelle Drogenproblematik noch im Raum steht, ist i.R.d. § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV - anders als i.R.d § 14 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FeV - gerade nicht erforderlich. Maßgeblich ist allein der wiederholte Verstoß gegen § 24a Abs. 2 StVG.
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Der Anordnung des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV liegt allein die wiederholte Begehung von Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr wegen Drogen und damit die fortgesetzte Missachtung der verkehrsrechtlichen Vorschriften wegen eines allgemeinen Nachgebens gegenüber diesen Substanzen zugrunde. Dies verkennt der Klägerbevollmächtigte, wenn er ausführt, dass es sich aufgrund des Zeitablauf bereits nicht mehr um gelegentlichen Konsum von Cannabis handle, sodass die Gutachtensanordnung nicht mehr auf diesen Konsum gestützt werden dürfe. Dieser Einwand geht daher ins Leere. Dass der Gutachtensanordnung keine aktuellen Vorgänge, sondern die beiden Fahrten unter Cannabis-Einfluss aus den Jahren 2015 und 2016 zugrunde liegen, und der Kläger seit diesen beiden Fahrten nicht mehr drogenauffällig geworden ist, ist schlicht irrelevant, da es vorliegend auf die Frage eines gelegentlichen Konsums nicht ankommt. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass sich der vom Klägerbevollmächtigten vorgetragene lange Zeitablauf nicht aus einem bloßen Zuwarten oder einer schlichten Untätigkeit der Fahrerlaubnisbehörde, sondern aus dem gesamten Verfahrensverlauf ergeben hat, insbesondere auch aus dem von den Beteiligten übereinstimmend beantragten Ruhen des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht vor dem Hintergrund eines erwarteten Urteils des Bundesverwaltungsgerichts (Az. 3 C 13.17).
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c) Dem Antragsteller können grundsätzlich seine damaligen „Drogenfahrten“ noch so lange vorgehalten werden, wie diese Vorfälle im Fahreignungsregister (FAER), ehemals bis zum 30. April 2014 Verkehrszentralregister (VZR) genannt, eingetragen und - wie vorliegend - noch nicht tilgungsreif sind. Eine etwaige anderweitige Zäsurwirkung oder ein zeitlich vorzuziehender Zeitpunkt je nach Einzelfall ist dem System des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV nicht inhärent.
74
Zutreffend hat der Antragsgegner die beiden damaligen „Drogenfahrten“ zueinander in Beziehung gesetzt und seine Gutachtensanforderung insoweit zutreffend auf § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV gestützt (vgl. VG München, B.v. 2.12.2009 - M 6a S 09.4811 - juris Rn. 59).
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Die Tilgungsfrist beträgt vorliegend für beide Taten aufgrund ihrer Einstufung als mit zwei Punkten bewertete, besonders verkehrssicherheitsbeeinträchtigende Ordnungswidrigkeit fünf Jahre gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. s Dppelbuchst. bb Dreifachbuchst. aaa StVG, § 59 Abs. 1 Nr. 7 b FeV i.V.m. Nr. 2.2.2. der Anlage 13 zur FeV. Tilgungsfristbeginn ist gemäß § 29 Abs. 4 Nr. 3 StVG bei gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Bußgeldentscheidungen der Tag der Rechtskraft d.h. für die erste „Drogenfahrt“ der 6. November 2015 und für die zweite „Drogenfahrt“ der 12. April 2017. Dementsprechend war die Tilgungsfrist auch für die erste, länger zurückliegende Tat zum maßgeblichen Zeitpunkt der Gutachtensanordnung noch nicht abgelaufen. Eine bloße zeitliche Nähe zum Tilgungsfristende ist unbeachtlich. Der Einwand eines abgeschlossenen Fehlverhaltens hinsichtlich der früheren Drogenproblematik kann im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen, einzig maßgeblichen Berechnung der Tilgungsfristen nicht berücksichtigt werden. Insofern ergibt sich hier aus gesetzlichen Vorschriften kein Verwertungsverbot.
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Nichts Anderes ergibt sich aus der vom Klägerbevollmächtigten zitierten und in der mündlichen Verhandlung erörterten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 9.6.2005 - 3 C 25.04 - juris), wonach die Anordnung, zur Klärung der Eignung eines Fahrerlaubnisinhabers zum Führen eines Kraftfahrzeuges gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV i.V.m § 46 FeV wegen nachgewiesenen Drogenkonsums ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, nicht an die Einhaltung einer festen Frist nach dem letzten erwiesenen Betäubungsmittelmissbrauch gebunden ist. Entscheidend ist, ob unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere nach Art, Umfang und Dauer des Drogenkonsums, noch hinreichende Anhaltspunkte zur Begründung eines Gefahrenverdachts bestehen (BVerwG, U.v. 9.6.2005 - 3 C 25.04 - juris). Eben solche Anhaltspunkte aber lägen - so der Klägerbevollmächtigte - hier nicht mehr vor. Dieser Rechtsauffassung folgt die Kammer nicht.
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Resultieren Fahreignungszweifel aus Sachverhalten, die in das Verkehrszentralregister einzutragen waren bzw. in das Fahreignungsregister aufzunehmen sind (hier die Teilnahme am Straßenverkehr unter Wirkung eines berauschenden Mittels, § 24a Abs. 2 StVG), beantwortet sich die Frage, wie lange der jeweilige Sachverhalt die Anordnung eines Fahreignungsgutachtens rechtfertigen kann, grundsätzlich nach den für diese Register geltenden Tilgungs- und Verwertungsvorschriften. Ist die Zweifel begründende Zuwiderhandlung danach noch verwertbar, ist für eine weitere einzelfallbezogene Prüfung dahingehend, ob die gegebenen Verdachtsmomente noch einen Gefahrenverdacht begründen, in aller Regel kein Raum mehr. Mit der Schaffung eines ausdifferenzierten Systems von Tilgungs- und Verwertungsfristen hat der Gesetzgeber selbst eine Entscheidung darüber getroffen, in welchem zeitlichen Rahmen Umständen, die eine Eintragung in das Verkehrszentralregister bzw. in das Fahreignungsregister nach sich gezogen haben, Aussagekraft für die Kraftfahreignung des Betroffenen zukommen soll. Diese Fristen können daher nicht unter Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beiseitegeschoben oder relativiert werden (vgl. zuletzt OVG NRW, B.v. 11.4.2017 - 16 E 132/16 - juris Rn. 8 mit Verweis auf BayVGH, B.v. 6.5.2008 - 11 CS 08.551 - juris Rn. 39).
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Ist der anlassgebende Sachverhalt danach noch verwertbar, ist für eine weitere einzelfallbezogene Prüfung im Sinne der oben zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts dahingehend, „ob die gegebenen Verdachtsmomente noch einen Gefahrenverdacht begründen“, im Regelfall kein Raum mehr. Denn durch eine solche „Doppelprüfung“, in deren Rahmen im Anschluss an die Feststellung, dass der anlassgebende Sachverhalt nach § 29 StVG noch verwertbar ist, zusätzlich „eine Einzelfallbetrachtung unter Einbeziehung aller relevanten Umstände“ im Sinne der letztgenannten Entscheidung durchgeführt würde, würde der vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellte Grundsatz unterlaufen, dass die vom Gesetzgeber festgelegten Fristen „nicht unter Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beiseite geschoben oder relativiert werden“ können (BVerwG, U.v. 9.6.2005 - 3 C 25.04 - juris). Vielmehr hat der Gesetzgeber, der seinerseits unmittelbar an den im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) wurzelnden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden ist, mit der Festsetzung von Tilgungs- und (davon zum Teil abweichenden) Verwertungsfristen selbst die Verantwortung dafür übernommen, dass diese Fristen nicht unverhältnismäßig sind. Diese Entscheidung darf der zur Rechtsanwendung im Einzelfall berufene Amtsträger in der Verwaltung und in der Gerichtsbarkeit nicht dadurch unterlaufen, dass er seine individuelle Gefahrenprognose und seine persönliche Einschätzung darüber, was im konkreten Fall verhältnismäßig ist, an die Stelle der Wertungen des Gesetzgebers setzt, wie sie in den Tilgungs- und Verwertungsfristen zum Ausdruck kommen.
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Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der sich aus § 29 StVG ergebenden Fristen bestehen umso weniger, als diesen Bestimmungen ein ausdifferenziertes System zugrunde liegt, das die Länge der Tilgungs- bzw. Verwertungsfristen nach der Schwere des anlassgebenden Umstandes und seiner daraus typischerweise resultierenden Aussagekraft für die etwaige Fahrungeeignetheit des Betroffenen abstuft. Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz trägt es auch Rechnung, dass eine Eintragung nur dann über die reguläre Tilgungsfrist hinaus im Register aufscheint, wenn der Betroffene wiederum auffällig geworden ist und es deswegen zu erneuten Eintragungen gekommen ist. Sollte in Grenzfällen gleichwohl eine Fallgestaltung vorstellbar sein, in der eine Person begründeterweise geltend machen kann, das FAER enthalte noch eine sie betreffende Eintragung, die zum Anknüpfungspunkt für die Forderung nach Beibringung eines Fahreignungsgutachtens gemacht werden kann, obwohl auf der Hand liegt, dass von ihr nicht einmal mehr die Möglichkeit einer Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs ausgehen kann, so eröffnen die Tilgungsmöglichkeiten nach § 29 Abs. 3 Nr. 1 StVG i.V.m. § 49 BZRG und nach § 29 Abs. 3 Nr. 2 StVG sowie die Befugnis, die den obersten Landesbehörden nach § 74 Abs. 1 FeV zusteht, ausreichende Optionen, um ggf. nicht mehr verfassungskonforme Ergebnisse zu vermeiden.
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Nur dann, wenn sich die Zweifel an der Fahreignung einer Person aus länger zurückliegenden Umständen herleiten, die keine Eintragung im FAER nach sich ziehen, muss unter Anwendung der Grundsätze, die das Bundesverwaltungsgericht in der oben zitierten Entscheidung (a.a.O.) aufgestellt hat, einzelfallbezogen und unter Einbeziehung aller relevanten Umstände geprüft werden, „ob die gegebenen Verdachtsmomente noch einen relevanten Gefahrenverdacht begründen“. Die Notwendigkeit hierzu ergibt sich in den Fällen, in denen der zu Fahreignungszweifeln Anlass gebende Umstand weder in das Fahreignungs- noch in das Bundeszentralregister eingetragen wurde, bereits aus der Tatsache, dass es unter dieser Voraussetzung an einer normativen Aussage darüber fehlt, wie lange ein solcher Sachverhalt berücksichtigungsfähig ist (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 6.5.2008 - 11 CS 08.551 - juris Rn. 39 ff.).
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Der bloße Zeitablauf steht - wie oben ausgeführt - einer Heranziehung länger zurückliegender Tatsachen nach der Rechtsprechung folglich nicht entgegen, denn der Zeitpunkt, zu welchem die Fahrten unter Cannabis-Einfluss letztmalig herangezogen werden dürfen, ist nach alledem noch nicht verstrichen. Ausgehend von der Rechtskraft des ersten Bußgeldbescheids war somit noch keine Tilgung eingetreten, sodass der Vorgang noch verwertbar ist und die Tat dem Antragsteller noch entgegengehalten werden kann.
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d) Diese Ausführungen zu den Tilgungsfristen widerlegen auch den weiteren Einwand der Klägerseite, schon zwischen den beiden „Drogenfahrten“ habe kein hinreichender zeitlicher Zusammenhang bestanden, da zwischen ihnen ein Zeitraum von ca. eineinhalb Jahre gelegen hätte. Auf die Prüfung eines gelegentlichen Konsums, in die auch zeitliche Umstände einzubeziehen sind, kommt es wie oben bereits aufgezeigt i.R.d. § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV nicht an. Rein ergänzend sei hierzu angemerkt, dass insofern auch unabhängig von den maßgeblichen Tilgungsfristen keinesfalls die Rede von einem langen Zeitraum sein kann, insbesondere auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass das Gerichtsverfahren wegen der ersten „Drogenfahrt“ erst mit dem Erlass des Aufhebungsbescheids vom 8. Juli 2016 für den Kläger faktisch „erledigt“ war, die zweite „Drogenfahrt“ indes bereits am 27. Oktober 2016 d.h. nur ca. 3 Monate später erfolgte. Der Kläger hat sich durch das erste Gerichtsverfahren offensichtlich nicht beeindrucken lassen.
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e) Der Beklagte hat in der maßgeblichen Änderungsanordnung auch zutreffend zugrunde gelegt, dass § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV eine gebundene Entscheidung darstellt und die zuvor in der ersten Anordnung angestellten Ermessenerwägungen daher zu Recht entfernt. Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Anordnung sind wie aufgezeigt gegeben, sodass die Fahrerlaubnisbehörde aufgrund des Charakters des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV als gebundene Entscheidung („ist … anzuordnen“) zwingend die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnen musste. Die Prüfung von Ermessensfehlern kommt daher nicht in Betracht.
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Insbesondere lässt sich auch der Einwand des Klägers, er könne die Kosten für das geforderte Gutachten nicht aufbringen, der Gutachtensanordnung nicht mit Erfolg entgegenhalten. Für die Frage der Zulässigkeit der Anordnung, ein Gutachten beizubringen, dessen Kosten der Betroffene nach § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV zu tragen hat, kommt es auf dessen wirtschaftliche Verhältnisse ebenso wenig an wie bei anderen Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörde, die im Interesse der Verkehrssicherheit erforderlich sind. Das Gesetz mutet dem Betroffenen diese Kosten ebenso zu, wie es ihm zumutet, die zum verkehrssicheren Führen eines Kraftfahrzeugs notwendigen Kosten zu tragen. Demjenigen, der ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Verkehr führt und sich dadurch von vornherein den Pflichten und Kosten dieser Verkehrsart unterwirft, könnte allenfalls unter ganz besonderen Umständen zugebilligt werden, der Aufforderung entgegenzuhalten, ihm sei es unzumutbar, die von ihm zu tragenden Kosten der Untersuchung aus eigenen Mitteln oder mit fremder Hilfe aufzubringen (vgl. BVerwG, U.v. 12.3.1985 - 7 C 26/83 - juris Rn. 18). Derartige Umstände sind vorliegend in jedem Fall nicht ersichtlich.
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3. Die Kostenerhebung ist auch hinsichtlich der Höhe nicht zu beanstanden. Nach § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der u. a. auf § 6a Abs. 2 und 3 StVG gestützten Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) werden Gebühren nach dieser Verordnung erhoben und ergeben sich die gebührenpflichtigen Tatbestände und die Gebührensätze aus dem der Gebührenordnung als Anlage beigefügten Gebührentarif für Maßnahmen im Straßenverkehr. Die hier geforderte Gebühr von 25,60 EUR bewegt sich innerhalb des von Nummer 208 des Gebührentarifs für die Anordnung von Maßnahmen zur Vorbereitung der Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis vorgegebenen Rahmens.
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Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt hat der Gebührenschuldner darüber hinaus die durch die Entgelte für Zustellungen durch die Post mit Postzustellungsurkunde (hier 2,76 EUR) entstehenden Auslagen zu tragen.
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Der Kläger als unterliegende Partei trägt die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs. 1 VwGO).
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).