Inhalt

VG München, Urteil v. 21.07.2020 – M 16 K 19.3510
Titel:

Unzuverlässigkeit

Normenketten:
GewO § 35 Abs. 1 S. 1
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 114 Abs. 1, § 124, § 124 a Abs. 4
RDGEG § 3, § 5
Schlagworte:
Erweiterte Gewerbeuntersagung, Unzuverlässigkeit, Nichterfüllung von Zahlungsverpflichtungen, Nichtabgabe von Steuererklärungen, Nichtabgabe der Vermögensauskunft, erweiterte Gewerbeuntersagung, Einkommen, Betrieb, Gewerbeuntersagung, negative Prognose, Unanfechtbarkeit, Untersagung, Nichterfüllung, Zahlungsverpflichtung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 22615

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen eine erweiterte Gewerbeuntersagung.
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Der Kläger zeigte bei der Beklagten die Ausübung mehrerer Gewerbetätigkeiten an, namentlich zum 9. April 1998 „Beratung von Unternehmen“, zum 1. Januar 2000 „Betrieb einer Werbeagentur; Vermittlung von Anzeigen; Betrieb einer Public Relation Agentur“, zum 15. September 2003 „Vermittlung von Reiseveranstaltungen; Betrieb eines Reisebüros“, zum 1. August 2007 „Betrieb einer gewerblichen Zimmervermietung (Bordellbetrieb)“, zum 1. Juni 2008 „Vermittlung von Aufträgen“, zum 1. Januar 2011 „Beratung über Tonträger; Beratung über Bildträger; Verkauf von Tonträgern; Verkauf von Bildträgern; Betrieb eines Tonstudios und/oder Filmstudios und/oder Fotostudios; Durchführung von Managementangelegenheiten und/oder Interimsmanagement; Durchführung von Werbemaßnahmen; Betrieb eines Musikverlages; Verkauf von Filmen; Vermietung von Filmen; Durchführung von Film-, Bild- und Musikproduktion Filmverleih; Verkauf, Beratung und Lizenzierung von Datenträgern, unkörperlich oder körperlich über Kommunikationsnetze (Betrieb einer Schallplattenfirma)“ und zum 1. Februar 2018 „Tätigkeit im Medienbereich/digitalen Medienbereich; Betrieb von Webseiten“.
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Mit Schreiben vom 11. März 2019 teilte das Kassen- und Steueramt der Landeshauptstadt München der Beklagten mit, dass hinsichtlich des Klägers ein Gewerbesteuerrückstand in Höhe von 152.776,66 Euro bestehe. Ein Antrag auf Ratenzahlung sei nicht gestellt worden. Zugleich wurde die Einleitung eines Gewerbeuntersagungsverfahrens angeregt. Auf Nachfrage der Beklagten vom 24. Juni 2019 erklärte das Kassen- und Steueramt der Landeshauptstadt München, dass sich der Gewerbesteuerrückstand des Klägers unverändert auf 152.776,66 Euro belaufe und keine freiwilligen Zahlungen eingegangen seien. Das Finanzamt München teilte der Beklagten mit Schreiben vom 19. März 2019 mit, dass hinsichtlich des Klägers ein Einkommen- und Umsatzsteuerrückstand in Höhe von 533.161,42 Euro bestehe und er die Umsatzsteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume ab dem Jahr 2016 trotz mehrmaliger Aufforderung nicht eingereicht habe. Auf Nachfrage der Beklagten vom 24. Juni 2019 erklärte das Finanzamt München, dass sich der Steuerrückstand des Klägers auf 797.205,97 Euro erhöht habe, der Kläger keine freiwilligen Zahlungen geleistet habe und die Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2016 und 2017 nicht eingereicht habe. Nach den weiteren Ermittlungen der Beklagten hatte der Kläger am 24. Juni 2019 eine Eintragung im Vollstreckungsportal wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft.
4
Mit Schreiben vom 6. Mai 2019 wurde der Kläger zu einer beabsichtigten erweiterten Gewerbeuntersagung angehört. Zugleich wurde der Industrie- und Handelskammer sowie der Handwerkskammer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 24. Mai 2019 und 20. Juni 2019 nahm der Kläger Stellung und ließ vortragen, dass er aufgrund einer schweren psychischen Erkrankung derzeit nicht in der Lage sei, den Vorgang mit der erforderlichen Sorgfalt zu bearbeiten.
5
Mit Bescheid vom 24. Juni 2019, ausweislich der Postzustellungsurkunde zugestellt am 27. Juni 2019, untersagte die Beklagte dem Kläger die Ausübung der Gewerbe „Betrieb einer gewerblichen Zimmervermietung (Bordellbetrieb); Vermittlung von Aufträgen; Vermittlung von Reiseveranstaltungen; Betrieb eines Reisebüros; Beratung von Unternehmen; Betrieb einer/von Werbeagentur(en); Vermittlung von Anzeigen; Betrieb einer Public Relationagentur; Beratung über Tonträger; Beratung über Bildträger; Verkauf von Tonträgern; Verkauf von Bildträgern; Betrieb eines Tonstudios und/oder Filmstudios und/oder Fotostudios; Durchführung von Managementangelegenheiten und/oder Interimsmanagement; Durchführung von Werbemaßnahmen; Betrieb eines Musikverlages; Verkauf von Filmen; Vermietung von Filmen; Durchführung von Film-, Bild- und Musikproduktion Filmverleih; Verkauf, Beratung und Lizenzierung von Datenträgern, unkörperlich oder körperlich über Kommunikationsnetze (Betrieb einer Schallplattenfirma); Tätigkeit im Medienbereich/digitalen Medienbereich; Betrieb von Webseiten“ als selbständigem Gewerbetreibenden im stehenden Gewerbe (Nummer 1). Zudem wurde dem Kläger die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie die Ausübung jeder selbständigen gewerblichen Tätigkeit im stehenden Gewerbe untersagt (Nummer 2). Dem Kläger wurde aufgegeben, seine Tätigkeit spätestens zehn Tage nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Untersagungsverfügung einzustellen (Nummer 3). Für den Fall, dass der Kläger dieser Verpflichtung nicht nachkommt, wurde die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht (Nummer 4). Die Kosten des Verwaltungsverfahrens in Höhe von 454,98 Euro wurden dem Kläger auferlegt (Nummern 5 und 6).
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Zur Begründung führt die Beklagte im Wesentlichen aus, der Kläger besitze nicht die zur selbständigen Ausübung seines Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit. Sein bisheriges Verhalten biete keine Gewähr für eine künftige ordnungsgemäße Ausübung seines Gewerbes. Seine Unzuverlässigkeit ergebe sich insbesondere aus der Tatsache, dass er seinen Zahlungs- und Erklärungspflichten nicht ordnungsgemäß nachkomme. Die beharrliche Nichterfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen lasse nicht nur auf wirtschaftliche Schwierigkeiten schließen, sondern offenbare einen mangelnden Leistungswillen. Wie sich aus der Eintragung im Vollstreckungsportal ergebe, befinde sich der Kläger in ungeordneten Vermögensverhältnissen. Der Zustand der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit halte unvermindert an. Anzeichen für eine Besserung seien nicht erkennbar. Nicht einmal unter dem Druck des Untersagungsverfahrens habe der Kläger mit seinen Gläubigern tragfähige Sanierungskonzepte zum gezielten und nachhaltigen Abbau seiner Schulden erarbeitet. Auch habe der Kläger sein Gewerbe insoweit nicht ordnungsgemäß betrieben, als er seinen steuerlichen Erklärungspflichten nicht nachgekommen sei. Das Schutzinteresse der Allgemeinheit bedinge die Gewerbeuntersagung. Durch die Nichtabführung fälliger Steuerschulden schädige der Kläger das Vermögen des Steuerfiskus. Zudem bestehe die Gefahr weiterer Vermögensschädigungen Dritter. Die Gewerbeuntersagung sei verhältnismäßig. Nach pflichtgemäßem Ermessen werde die Gewerbeuntersagung erweitert, da der Kläger gewerbeübergreifend unzuverlässig sei und ein Ausweichen auf anderweitige Gewerbetätigkeiten zu erwarten sei. Die Ausdehnung der Gewerbeuntersagung sei sachgerecht und geboten. Das Interesse des Gewerbetreibenden, ungehindert in jedem Bereich tätig zu sein bzw. jegliche selbständige gewerbliche Tätigkeit uneingeschränkt ausüben zu können, habe hinter dem Interesse der Allgemeinheit an der Abwendung weiterer Schäden zurückzutreten. Die Frist zur Einstellung des Betriebes sei angemessen. Die Androhung des unmittelbaren Zwangs erfolge nach Art. 29, 34 und 36 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz. Das weniger einschneidende Zwangsgeld verspreche im Hinblick auf die finanzielle Situation des Klägers keinen Erfolg.
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Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 24. Juli 2019, bei Gericht eingegangen am selben Tag, ließ der Kläger Klage erheben und beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom 24. Juni 2019 aufzuheben.
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Eine Begründung der Klage erfolgte nicht.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung führt die Beklagte mit Schreiben vom 3. März 2020 im Wesentlichen aus, für die Beurteilung der Unzuverlässigkeit sei auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen, nachträgliche Änderungen würden außer Betracht bleiben. Die gewerberechtliche Zuverlässigkeit beurteile sich allein nach objektiven Maßgaben, subjektive Aspekte seien nicht entscheidungserheblich.
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Mit Beschluss vom 3. Juni 2020 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Das Gericht hat am 21. Juli 2020 zur Sache mündlich verhandelt.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 21. Juli 2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, insbesondere wurde sie innerhalb der Klagefrist von einem Monat gemäß § 74 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erhoben. Die Klage ist aber nicht begründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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1. Rechtsgrundlage für die Untersagung des vom Kläger ausgeübten Gewerbes ist § 35 Abs. 1 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO). Danach ist die Ausübung eines Gewerbes ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebs beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist.
16
a) Die Beklagte ist zu Recht von der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers ausgegangen.
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Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Gewerbetreibender unzuverlässig, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird. Die Unzuverlässigkeit kann sich insbesondere aus der mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, dem Vorliegen von Steuerschulden, der Verletzung von steuerlichen Erklärungspflichten, dem Vorhandensein von Beitragsrückständen bei Sozialversicherungsträgern oder aus Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit der gewerblichen Betätigung ergeben (BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6/14 - juris; BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 17/79 - BVerwGE 65, 9 ff).
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Für die erforderliche Prognose zur Feststellung der Unzuverlässigkeit ist aus den bereits vorhandenen tatsächlichen Umständen auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Gewerbetreibenden zu schließen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zuverlässigkeit ist wegen der Möglichkeit der Wiedergestattung des Gewerbes nach § 35 Abs. 6 GewO der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Nachträgliche Veränderungen der Sachlage, wie eine Minderung von Verbindlichkeiten, bleiben außer Betracht (BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6/14 - juris; BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 17/79 - BVerwGE 65, 9 ff).
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Auf die Ursachen für entstandene Zahlungsrückstände und die Nichterfüllung von Erklärungspflichten kommt es nicht an, da sich die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit nach objektiven Kriterien bestimmt. Daher ist es grundsätzlich unerheblich, ob den Gewerbetreibenden hinsichtlich der Umstände, derentwegen ihm eine negative Prognose hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit seines künftigen gewerblichen Verhaltens ausgestellt werden muss, ein Verschuldensvorwurf trifft oder ihm „mildernde Umstände“ zur Seite stehen (BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 17/79 - BVerwGE 65, 9 ff; BayVGH, B.v. 8.5.2015 - 22 C 15.760 - juris).
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Vielmehr muss im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit ohne Rücksicht auf die Ursachen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Diese - durch die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung begründete - Erwartung ist der eigentliche Grund, den wirtschaftlich leistungsunfähigen Gewerbetreibenden als unzuverlässig zu bewerten (BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6/14 - juris; BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 146/80 - juris).
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Dieser Grund entfällt nur dann, wenn der Gewerbetreibende zahlungswillig ist und trotz seiner Schulden nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet (BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6/14 - juris; BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 146/80 - juris). Ein erfolgversprechendes Sanierungskonzept setzt grundsätzlich voraus, dass mit den Gläubigern eine Ratenzahlungsvereinbarung geschlossen und ein Tilgungsplan auch effektiv eingehalten wird (BayVGH, B.v. 8.7.2013 - 22 C 13.1163 - juris).
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Nach diesen Maßstäben rechtfertigt sich die negative Prognose hinsichtlich der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers aus der Zusammenschau der im Zeitpunkt des Bescheidserlasses vorliegenden Tatsachen. So hatte der Kläger erhebliche Steuerrückstände beim Finanzamt sowie beim Kassen- und Steueramt der Landeshauptstadt München. Auch ist der Kläger seinen steuerlichen Erklärungspflichten nicht nachgekommen. Der Kläger arbeitete auch nicht nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept. Ein erfolgversprechendes Sanierungskonzept setzt grundsätzlich voraus, dass mit den Gläubigern eine Ratenzahlungsvereinbarung geschlossen und ein Tilgungsplan effektiv eingehalten wird. Wie das Kassen- und Steueramt der Landeshauptstadt München sowie das Finanzamt München der Beklagten mitgeteilt haben, bestanden zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses keine Zahlungsvereinbarungen. Hinzu kommt, dass der Kläger ausweislich der Eintragung im Vollstreckungsportal die Vermögensauskunft nicht abgegeben hat. Hieraus wird deutlich, dass der Kläger die zur Erfüllung der ihm im Vollstreckungsverfahren obliegenden Pflicht, seinen Gläubigern den notwendigen Überblick über seine Vermögensverhältnisse zu verschaffen, freiwillig nicht bereit und daher nicht nur leistungsunfähig, sondern auch leistungsunwillig ist (BayVGH, B.v. 28.8.2013 - 22 ZB 13.1419 - juris).
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b) Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist die Ausübung des Gewerbes bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen zu untersagen. Ein Ermessensspielraum steht der zuständigen Behörde insoweit grundsätzlich nicht zu. In Anbetracht der erheblichen Steuerrückstände beim Finanzamt sowie beim Kassen- und Steueramt, der Eintragung im Vollstreckungsportal sowie der Nichtabgabe von Steuererklärungen war die Untersagung der Gewerbeausübung auch zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich.
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c) Die Gewerbeuntersagung ist nicht unverhältnismäßig. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine den gesetzlichen Anforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO entsprechende Gewerbeuntersagung allenfalls in extremen Ausnahmefällen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen kann (BVerwG, B.v. 19.1.1994 - 1 B 5/94 - juris). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen ex-tremen Ausnahmefalls sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
25
2. Rechtsgrundlage für die Erweiterung der Gewerbeuntersagung auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie auf die Ausübung jeglicher gewerblichen Tätigkeit im stehenden Gewerbe ist § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO. Danach kann die Untersagung auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person sowie auf einzelne andere oder auf alle Gewerbe erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Gewerbetreibende auch für diese Tätigkeiten oder Gewerbe unzuverlässig ist.
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a) Die Beklagte hat aus überzeugenden Gründen eine gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit des Klägers angenommen.
27
Eine gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn der Gewerbetreibende Verpflichtungen verletzt, die für jeden Gewerbetreibenden gelten und nicht nur einen Bezug zu einer bestimmten gewerblichen Tätigkeit haben. Dies ist bei steuerlichen Pflichtverletzungen und bei ungeordneten Vermögensverhältnissen der Fall (BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6/14 - juris; U.v. 2.2.1982 - 1 C 17/79 - BVerwGE 65, 9 ff).
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Indem der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses seinen steuerlichen Zahlungsverpflichtungen sowie seinen steuerlichen Erklärungspflichten nicht nachgekommen ist und ausweislich der Eintragung im Vollstreckungsportal die Vermögensauskunft nicht abgegeben hat, hat er Pflichten verletzt, die für jeden Gewerbetreibenden gelten. Dies rechtfertigt die Annahme, dass er ein entsprechendes Verhalten auch bei Ausübung eines anderen Gewerbes oder anderer gewerblicher Tätigkeiten an den Tag legen würde.
29
b) Die Erstreckung der Gewerbeuntersagung auf andere gewerbliche Tätigkeiten ist auch erforderlich.
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Erforderlich ist die Erstreckung der Gewerbeuntersagung, wenn zu erwarten ist, dass der Gewerbetreibende auf entsprechende andere gewerbliche Tätigkeiten ausweichen wird. Dabei folgt die Wahrscheinlichkeit der anderweitigen Gewerbeausübung schon daraus, dass der Gewerbetreibende trotz Unzuverlässigkeit an seiner gewerblichen Tätigkeit festgehalten hat, wodurch er regelmäßig seinen Willen bekundet hat, sich auf jeden Fall gewerblich zu betätigen. Die erweiterte Gewerbeuntersagung ist unter dem Gesichtspunkt wahrscheinlicher anderweitiger Gewerbeausübung schon dann zulässig, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die es ausschließen, dass der Gewerbetreibende das andere Gewerbe in Zukunft ausübt, eine anderweitige Gewerbeausübung nach Lage der Dinge also ausscheidet (BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6/14 - juris; BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 17/79 - BVerwGE 65, 9 ff). Solche besonderen Umstände sind im vorliegenden Fall weder vorgetragen noch ersichtlich.
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c) Ermessensfehler sind nicht ersichtlich, § 114 Abs. 1 VwGO.
32
Die Erweiterung der Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO steht im Ermessen der Behörde. Ist ein Gewerbetreibender in Bezug auf andere - nicht ausgeübte - gewerbliche Betätigungen unzuverlässig und ist die Untersagung auch hinsichtlich dieser Betätigungen erforderlich, so ist eine Ermessensentscheidung, die von der Möglichkeit der erweiterten Gewerbeuntersagung Gebrauch macht, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht rechtswidrig, wenn der Verwaltungsentscheidung zumindest konkludent die maßgebliche Erwägung entnommen werden kann, die anderweitige Gewerbeausübung sei so wahrscheinlich, dass sich die Untersagung auch darauf erstrecken soll (BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 17/79 - BVerwGE 65, 9 ff). Eine Ermessenserwägung dieser Art lässt sich der angefochtenen Untersagungsverfügung entnehmen.
33
d) Die Erweiterung der Gewerbeuntersagung ist nicht unverhältnismäßig. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Ausschluss eines gewerbeübergreifend unzuverlässigen Gewerbetreibenden aus dem Wirtschaftsverkehr auch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in seiner Ausprägung durch Art. 12 Grundgesetz in Einklang steht. Sind die Voraussetzungen auch der erweiterten Gewerbeuntersagung erfüllt, kann die Untersagung grundsätzlich nicht hinsichtlich der Folgen unverhältnismäßig sein (BVerwG, B.v. 12.1.1993 - 1 B 1/93 - juris). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines extremen Ausnahmefalls sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
34
3. Hinsichtlich der Bemessung der Frist zur Einstellung der Gewerbeausübung und hinsichtlich der Zwangsmittelandrohung bestehen keine rechtlichen Bedenken.
35
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.