Titel:
Verpflichtung zur Vorsprache bei einer Auslandsvertretung
Normenkette:
AufenthG § 82 Abs. 4
Leitsatz:
Wird der Verpflichtung zur Vorsprache an einem bestimmten Tag (§ 82 Abs. 4 S. 1 AufenthG) nicht nachgekommen, erledigt sich die Verpflichtung mit Ablauf des bestimmten Tages. Der Klage gegen die Verpflichtung fehlt es dann an einem Rechtsschutzbedürfnis (ebenso VGH München BeckRS 2007, 29395). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausländerrecht, Verpflichtung zur Vorsprache bei der Auslandsvertretung, Androhung der zwangsweisen Vorführung bei der Auslandsvertretung, Kein Rechtsschutzbedürfnis, Erledigung durch Zeitablauf, Erledigung aufgrund von Durchführung der zwangsweisen Vorführung, Vorsprache, Botschaft, Auslandsvertretung, Vorsprachetermin, Reisedokument, Rechtsschutzbedürfnis, Erledigung, Zeitablauf, zwangsweise Vorführung, Aufenthaltsbeendigung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 22612
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen die vom Beklagten verfügte Verpflichtung zur Vorsprache bei seiner Auslandsvertretung sowie die Androhung der zwangsweisen Vorführung zu einem weiteren Vorsprachetermin.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird zunächst auf den Beschluss vom 17. Januar 2020 Bezug genommen, mit dem der Antrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - (M 10 S 19.6037) sowie der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im hiesigen Klageverfahren abgelehnt worden sind (§ 84 Abs. 1 Satz 3, § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
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Mit Bescheid vom 19. November 2019, zugestellt ausweislich der Postzustellungsurkunde am 22. November 2019, verpflichtete der Beklagte den Kläger, sich zum Zweck der Ausstellung eines Passes, Passersatzes oder eines anderen gültigen Reisedokuments, das ihn zur Rückkehr in sein Heimatland berechtige, nachweislich am 28. November 2019 um 10.30 Uhr zum geplanten Anhörungstermin der kongolesischen Botschaft in der U.-allee ..., ... B., zu begeben und dort bei dem Anhörungstermin ein entsprechendes Reisedokument (Reisepass bzw. Heimreiseschein) zu beantragen (Ziffer 1). Ferner wurde der Kläger verpflichtet, das ausgestellte Reisedokument unverzüglich, spätestens jedoch drei Tage nach Erhalt dem Beklagten zu übergeben (Ziffer 2). Für den Fall, dass der Kläger der Verpflichtung unter Ziffer 1 nicht nachkomme, wurde ihm die zwangsweise Vorführung bei der bezeichneten Auslandsvertretung oder, sollten Vertreter dieses Staates in Bayern oder in einem anderen Bundesland Anhörungstermine abhalten, am Ort des Anhörungstermins statt am Sitz der Landesvertretung zu einem weiteren Termin angedroht (Ziffer 3).
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Der Kläger hat mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 29. November 2019, eingegangen bei dem Verwaltungsgericht München am gleichen Tag, gegen diesen Bescheid Klage erhoben und beantragt,
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Der Bescheid des Beklagten vom 19. November 2019 wird aufgehoben.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass der Kläger die Dokumente, die nach der Internetseite der kongolesischen Botschaft zur Beschaffung eines kongolesischen Passes erforderlich seien, nicht habe. Hieran scheitere die Ausstellung eines entsprechenden Passes.
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Der Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 16. Januar 2020 sinngemäß,
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Zur Begründung wird insbesondere auf den Akteninhalt sowie den angefochtenen Bescheid verwiesen.
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Auf gerichtliche Nachfrage hat der Beklagte mit Schreiben vom 11. Mai 2020 mitgeteilt, dass der Kläger am 23. Januar 2020 zwangsweise bei der kongolesischen Botschaft in B. vorgeführt worden sei und eine Anhörung des Klägers durch eine Botschaftsvertreterin stattgefunden habe.
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Daraufhin hat das Gericht den Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 18. Mai 2020 darauf hingewiesen, dass sich Ziffern 1 und 2 des angefochtenen Bescheids durch Zeitablauf, Ziffer 3 aufgrund der Durchführung der zwangsweisen Vorführung am 23. Januar 2020 erledigt haben dürften. Auf dieses Schreiben sowie das diesbezügliche Erinnerungsschreiben vom 16. Juni 2020 hat die Klagepartei nicht reagiert.
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Die Beteiligten sind mit Schreiben vom 23. Juli 2020, zugestellt jeweils am 27. Juli 2020, zur beabsichtigten Entscheidung des Gerichts durch Gerichtsbescheid angehört worden.
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Mit Beschluss vom 27. August 2020 hat das Gericht den Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, auch im Verfahren M 10 S 19.6037, sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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1. Über die Klage konnte durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden vorher hierzu gehört (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 VwGO).
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2. Die Klage hat keinen Erfolg, da sie unzulässig (geworden) ist.
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a) Im Hinblick auf die Verpflichtung zur Vorsprache bei der kongolesischen Auslandsvertretung (Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids) ist die Klage unzulässig, da das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Bereits bei Klageerhebung am 29. November 2019 hatte sich die Verpflichtung aus Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids, am 28. November 2019 bei der kongolesischen Botschaft vorzusprechen, infolge Zeitablaufs erledigt. Da der Kläger der Verpflichtung zur Vorsprache am 28. November 2019 nicht nachgekommen ist, ist diese Verpflichtung mit Ablauf dieses Tages obsolet geworden (vgl. hierzu: BayVGH, B.v. 12.3.2007 - 24 CS 06.3176 - BeckRS 2007, 29395).
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Zwar hat sich nach einer anderen Auffassung (vgl.: OVG Münster, B.v. 28.11.2006 - 19 B 1789/06 - BeckRS 2006, 27639; BayVGH, U.v. 11.7.2000 - 10 B 99.3200 - NVwZ-Beil. 2001, 4 nur für den Fall, dass der Ausländer per Bescheid verpflichtet wurde, bis zu einem bestimmten Datum bei der Botschaft vorzusprechen) die Verpflichtung zur Vorsprache durch das Verstreichenlassen des bestimmten Termins nicht erledigt, da die Terminsfestlegung lediglich der Bestimmung des Zeitpunkts diene, ab dem die Anordnung zwangsweise durchgesetzt werden könne, nicht aber des Zeitpunkts, ab dem sie nicht mehr befolgt zu werden brauche. Aber selbst wenn man diese Ansicht im konkreten Fall zugrunde legen würde, wäre im für die Beurteilung der Zulässigkeit der Klage maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung Erledigung eingetreten. Denn diese Rechtsprechung geht davon aus, dass die Terminsbestimmung zur Durchsetzung der angedrohten zwangsweisen Vorführung erfolgt ist und die Verpflichtung zur Vorsprache (lediglich) insoweit fortwirkt. Sobald die zwangsweise Vorführung jedoch - wie hier - durchgeführt worden ist, hat sich die Verpflichtung zur Vorsprache jedenfalls erledigt.
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b) Dementsprechend ist ebenso die Klage gegen die Verpflichtung zur Übergabe des ausgestellten Reisedokuments an den Beklagten in Ziffer 2 des angegriffenen Bescheids mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig. Auch insoweit ist der Rechtsstreit infolge Zeitablaufs erledigt. Denn die Verpflichtung in Ziffer 2 knüpft nach ihrem Wortlaut an eine Ausstellung des Reisedokuments am 28. November 2019 und im Hinblick auf den Beginn der dort gesetzten Frist an den Erhalt des Reisedokuments im Nachgang zum Termin am 28. November 2019 an.
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c) Im Hinblick auf die Androhung der zwangsweisen Vorführung nach § 82 Abs. 4 Satz 2 AufenthG in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids ist die Klage ebenso mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Insoweit hat sich aufgrund der Anwendung des dort angedrohten Zwangsmittels, nämlich der zwangsweisen Vorführung des Klägers bei der kongolesischen Botschaft in B. am 23. Januar 2020, der Rechtsstreit erledigt. Da Ziffer 3 des angefochtenen Bescheids nach seinem eindeutigen Wortlaut („wird Ihnen die zwangsweise Vorführung […] zu einem anderen Termin angedroht“) die zwangsweise Vorführung lediglich einmalig, nicht mehrfach erlaubt, kann auch unter diesem Gesichtspunkt ein Fortwirken der Anordnung in Ziffer 3 nicht angenommen werden.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 84 Abs. 1 Satz 3, 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf §§ 84 Abs. 1 Satz 3, 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.