Inhalt

VG München, Urteil v. 20.08.2020 – M 10 K 18.5414
Titel:

Schuldner einer Sondernutzungsgebühr

Normenketten:
BayStrWG Art. 18 Abs. 2a
BayKAG Art. 8 Abs. 4
Leitsatz:
Die Heranziehung auch des mittelbaren Benutzers, der einen faktischen oder wirtschaftlichen Vorteil aus der Sondernutzung hat, ist zu ausufernd und unbestimmt. Eine entsprechende Satzungsregel ist deshalb nichtig. (Rn. 33 – 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Sondernutzungsgebühren, Teilnichtigkeit der Sondernutzungsgebührensatzung, Unbestimmtheit der Regelung des Gebührenschuldners, Faktische oder wirtschaftliche Vorteilsziehung aus der Sondernutzung, Mittelbare Benutzung, Werbung, wirtschaftlicher Vorteil, Äquivalenzprinzip
Fundstelle:
BeckRS 2020, 22574

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 9. Mai 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 26. September 2018 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu Sondernutzungsgebühren durch die Beklagte.
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Die Beklagte erhebt für die Ausübung einer Sondernutzung auf den in ihrer Straßenbaulast stehenden Straßen, Wegen und Plätzen Sondernutzungsgebühren auf Grundlage ihrer Satzung über die Gebühren für Sondernutzungen auf öffentlichen Straßen (Sondernutzungsgebührensatzung - SoNuGebS) vom 25. Juni 2014 in der Fassung der Änderung vom 13. Juli 2015. Gemäß § 7 Abs. 1 SoNuGebS ist Gebührenschuldner der Antragsteller (Nr. 1), der Erlaubnisnehmer (Nr. 2), derjenige, der die Sondernutzung mit oder ohne Erlaubnis ausübt (Nr. 3), sowie derjenige, der faktisch oder wirtschaftlich die Vorteile aus der Sondernutzung zieht (Nr. 4).
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Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung; Gegenstand des Unternehmens ist u.a. ein FKK-Wellness- und Relaxbetrieb in … Im polizeilich festgestellten Zeitraum vom 19. Februar bis 11. März 2016 war im Stadtgebiet der Beklagten auf dem Parkstreifen vor der …straße 130 stadtauswärts ein Anhänger, zunächst mit dem amtlichen Kennzeichen … …, jedenfalls ab der Polizeikontrolle am 1. März 2016 mit dem Kennzeichen … …, ohne Zugfahrzeug abgestellt. Die Anhänger waren an allen Seiten großflächig mit Werbung für den FKK-Wellness- und Relaxbetrieb der Klägerin versehen. Halter beider Anhänger war in diesem Zeitraum die Firma … … GmbH in … Bei einer erneuten polizeilichen Kontrolle am 22. März 2016 war der Anhänger entfernt.
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Im Rahmen des eingeleiteten Ordnungswidrigkeitenverfahrens gab der ehemalige Geschäftsführer der Klägerin unter dem 19. März 2016 an, „den“ Anhänger dort nicht abgestellt zu haben. „Der“ Anhänger gehöre ihm auch nicht. Der gegen den damaligen Geschäftsführer der Klägerin gerichtete Bußgeldbescheid vom 4. April 2016 über 600 EUR ist seit 17. März 2017 bestandskräftig. In einem weiteren, bereits abgeschlossenen Ordnungswidrigkeitenverfahren hat der frühere Geschäftsführer der Klägerin nach Angaben der Beklagten (Bl. 51 Behördenakte) eingeräumt, den Anhänger in Absprache mit der Firma ... GmbH mit Werbung für die Klägerin zu versehen.
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Mit Bescheid vom 9. Mai 2017 setzte die Beklagte auf der Grundlage des § 7 Abs. 1 Nr. 4 SoNuGebS gegenüber der Klägerin Sondernutzungsgebühren in Höhe von 720 EUR wegen der unerlaubten Sondernutzung durch Abstellen des Werbeanhängers mit dem Kennzeichen ... im Zeitraum vom 19. Februar bis 11. März 2016 fest.
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Mit Schreiben vom 19. Mai 2017, das am gleichen Tag bei der Beklagten einging, legte die Klägerin durch ihren Verfahrensbevollmächtigten „Einspruch“ gegen den Bescheid ein, ohne diesen zu begründen. Nach Nichtabhilfe und Vorlage des Widerspruchs an die Widerspruchsbehörde wurde der Widerspruch mit Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 26. September 2018 zurückgewiesen. Auf die Gründe des Bescheids wird Bezug genommen. Das Empfangsbekenntnis über die Zustellung des Widerspruchsbescheids geriet bei der Regierung von Oberbayern nicht in Rücklauf.
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Mit Schriftsatz vom 6. November 2018, eingegangen bei dem Verwaltungsgericht München am gleichen Tag, hat die Klägerin durch ihren Verfahrensbevollmächtigten Klage gegen diesen Bescheid erhoben und beantragt sinngemäß,
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den Sondernutzungsgebührenbescheid vom 9. Mai 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2018 aufzuheben.
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Eine Begründung der Klage erfolgte nicht.
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Mit Schreiben vom 30. Dezember 2019 beantragt die Beklagte,
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die Klage abzuweisen.
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Der Sachverhalt sei im konkreten Fall eindeutig. Es handle sich um einen Anhänger, der nur zu Werbezwecken abgestellt worden sei. Es seien seinerzeit mehrfach Anhänger mit Werbung für die Klägerin im Stadtgebiet abgestellt worden; mehrere Sondernutzungsgebührensowie Bußgeldbescheide seien deswegen ergangen. Es sei für den objektiven Betrachter offensichtlich, dass die Anhänger nicht zur Teilnahme am Straßenverkehr, sondern zu Werbezwecken geparkt worden seien. Sie seien an viel befahrenen Hauptstraßen gestanden. Auch die Werbegestaltung ziele eindeutig darauf ab, an diesen Standorten als Blickfang zu dienen.
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Die Beklagte ergänzte auf gerichtliche Nachfrage bezüglich des Anhängerwechsels im maßgeblichen Zeitraum mit Schriftsatz vom 11. August 2020 ihren Sachvortrag wie folgt: Aus dem beigefügten Polizeibericht bezüglich eines in der … Straße abgestellten Anhängers, der ebenso mit Werbung für den Betrieb der Klägerin versehen war, ergebe sich, dass dem damaligen Geschäftsführer der Klägerin bekannt gewesen sei, dass Ordnungswidrigkeitenverfahren grundsätzlich erst eingeleitet würden, wenn die Anhänger länger als 14 Tage unbewegt an einem Ort stünden. Deshalb hätten die Verantwortlichen die Anhänger vermutlich zwischen den Abstellorten getauscht. Der Werbezweck sei dadurch aber vollumfänglich erhalten geblieben. Nach Aussage eines Vertreters der Firma … … GmbH sei der damalige Geschäftsführer der Klägerin für die Anhänger und die Auswahl der Standorte verantwortlich gewesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die vorgelegte Behördensowie die Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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1. Über die Klage konnte trotz Ausbleibens der Klagepartei in der mündlichen Verhandlung gemäß § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entschieden werden. Die Klägerin ist ausweislich der Postzustellungsurkunde am 25. Juni 2020 ordnungsgemäß zum Termin geladen und auf die Folgen des Ausbleibens hingewiesen worden. Dem Vertagungsantrag des Bevollmächtigten der Klägerin vom 19. August 2020 war nicht stattzugeben, da der Bevollmächtigte seine krankheitsbedingte Verhinderung nicht nachgewiesen hat.
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2. Die Klage ist zulässig und begründet.
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a) Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist davon auszugehen, dass die am 6. November 2018 bei Gericht eingegangene Klage die einmonatige Frist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO gewahrt hat, auch wenn der Widerspruchsbescheid bereits am 27. September 2018 zur Post gegeben worden ist.
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Die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO beginnt mit der gemäß § 73 Abs. 3 Satz 1 VwGO erforderlichen Zustellung des Widerspruchsbescheids. Da die Regierung von Oberbayern vorliegend die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis gewählt hat (§ 73 Abs. 3 Satz 2 VwGO i.V.m. § 5 Abs. 4 Verwaltungszustellungsgesetz - VwZG), das Empfangsbekenntnis aber bei ihr nicht in Rücklauf geraten ist, kann der Nachweis des Zustellungszeitpunkts nicht geführt werden (§ 5 Abs. 7 Satz 1 VwZG).
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Denn die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis setzt - neben der Zustellungsabsicht des Versenders - voraus, dass ein Empfangsbekenntnis erfolgt. Eine Willensäußerung dahingehend, das Schriftstück anzunehmen (Empfangsbereitschaft) ist zwingende Voraussetzung der wirksamen Zustellung gegen Empfangsbekenntnis (vgl. BVerwG, B.v. 30.11.1993 - 7 B 91.93 - BeckRS 1993, 31246422; BayVGH, B.v. 13.8.2014 - 19 CS 14.1196 - BeckRS 2014, 55294 Rn. 19).
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Auch eine anderweitige Bekundung des Zustellungsempfängers, den Widerspruchsbescheid als zugestellt in Empfang zu nehmen, liegt im konkreten Fall nicht vor.
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Der mangelnde Nachweis des Zustellungszeitpunkts, für den die Behörde beweispflichtig ist, geht nach allgemeinen Beweislastregeln zulasten der Beklagten, so dass von einer fristgerechten Klageerhebung auszugehen ist.
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b) Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 9. Mai 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 26. September 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin daher in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Für die mit den angefochtenen Bescheiden erfolgte Heranziehung der Klägerin zu Sondernutzungsgebühren fehlt es bereits an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die der Inanspruchnahme der Klägerin als Gebührenschuldnerin zugrunde liegende Satzungsregelung in § 7 Abs. 1 Nr. 4 SoNuGebS ist nichtig. Zwar führt die Nichtigkeit der Schuldnerbestimmung in § 7 Abs. 1 Nr. 4 SoNuGebS nicht zu einer Gesamtnichtigkeit der Sondernutzungsgebührensatzung der Beklagten, sondern lediglich zu einer Teilnichtigkeit. Da die unwirksame Vorschrift in § 7 Abs. 1 Nr. 4 SoNuGebS für den konkreten Fall aber entscheidungserheblich ist, waren die streitgegenständlichen Bescheide aufzuheben.
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aa) Die Bestimmung des Gebührenschuldners in § 7 Abs. 1 Nr. 4 SoNuGebS ist hier entscheidungserheblich, da vorliegend keine andere Schuldnerbestimmung des § 7 Abs. 1 SoNuGebS eingreift.
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Gemäß § 7 Abs. 1 SoNuGebS ist Gebührenschuldner der Antragsteller (Nr. 1), der Erlaubnisnehmer (Nr. 2), derjenige, der die Sondernutzung mit oder ohne Erlaubnis ausübt (Nr. 3), sowie derjenige, der faktisch oder wirtschaftlich die Vorteile aus der Sondernutzung zieht (Nr. 4).
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(1) Die Klägerin ist weder Antragstellerin noch Erlaubnisnehmerin nach § 7 Abs. 1 Nrn. 1, 2 SoNuGebS, da sie nach Aktenlage weder einen Antrag gestellt hat noch ihr für das Aufstellen der Werbeanhänger eine Sondernutzungserlaubnis erteilt worden ist.
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(2) Die Klägerin hat die Sondernutzung auch nicht im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 3 SoNuGebS ausgeübt.
28
Ausübender ist derjenige, der unmittelbar durch seine Handlung den öffentlichen Verkehrsraum in Anspruch nimmt, z.B. jener, der Gegenstände im öffentlichen Verkehrsraum abstellt (vgl. VG München, U.v. 18.6.2015 - M 10 K 14.3549 - BeckRS 2016, 46416; VG Leipzig, U.v. 1.2.1999 - 6 K 213/97 - juris Rn. 20). Der Begriff des tatsächlichen Ausübens darf nicht zu weit verstanden werden (VG Leipzig, a.a.O., Rn. 19). Bei der Benutzung eines Fahrzeuganhängers als Werbeeinrichtung im öffentlichen Straßenraum ist dies der Halter des Kraftfahrzeuges, da dieser für den Betrieb des Fahrzeuges nach den straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen verantwortlich ist (vgl. VG München, U.v. 10.1.2013 - M 10 K 12.3715 - juris Rn. 30).
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Die Klägerin ist im konkreten Fall nicht als Ausübende der Sondernutzung anzusehen, da sie im maßgeblichen Zeitraum weder Eigentümerin noch Halterin der aufgestellten Anhänger war. Die bloß mittelbare Verantwortlichkeit dahingehend, dass die Klägerin nach Aktenlage die Anhänger mit Werbung versehen und die Standorte im Stadtgebiet der Beklagten ausgewählt hat, reicht für sich genommen nicht aus, um eine unmittelbare Inanspruchnahme des öffentlichen Verkehrsraums annehmen zu können. Für ein in diesem Sinne enges Begriffsverständnis spricht neben dem Wortlaut der Vorschrift in systematischer Hinsicht, dass die Beklagte für die Fälle der mittelbaren Benutzung des Straßenraums gerade die Vorschrift in § 7 Abs. 1 Nr. 4 SoNuGebS eingeführt hat und bei weiter Auslegung der Begrifflichkeit in § 7 Abs. 1 Nr. 3 SoNuGebS kein Anwendungsbereich für § 7 Abs. 1 Nr. 4 SoNuGebS mehr bliebe.
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(3) § 7 Abs. 1 Nr. 4 SoNuGebS ist im konkreten Fall grundsätzlich einschlägig, da nach Aktenlage aufgrund der aufgestellten Anhänger, die den Betrieb der Klägerin bewerben, mehr Kunden in den Betrieb der Klägerin kommen und die Klägerin dadurch wirtschaftliche Vorteile aus der Sondernutzung zieht.
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bb) Die Vorschrift in § 7 Abs. 1 Nr. 4 SoNuGebS ist jedoch unwirksam.
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Sie ist im Zuge der Neufassung der Sondernutzungsgebührensatzung der Beklagten vom 25. Juni 2014, die zum 1. Januar 2015 in Kraft getreten ist, in die Satzung eingefügt worden. Ausweislich der Sitzungsvorlage für den Beschluss des Kreisverwaltungsausschusses der Beklagten vom 8. April 2014 (Nr. 08-14/V 14456) stand der Satzungsgeberin beispielhaft für diese Fallgruppe die Inanspruchnahme eines Bauherrn vor Augen, wenn einer Baufirma die Sondernutzung erlaubt wurde.
33
§ 7 Abs. 1 Nr. 4 SoNuGebS ist nichtig, da die Beklagte durch diese ausufernde und unbestimmte Regelung den Rahmen, der sich bei der satzungsmäßigen Festlegung des Begriffs des Gebührenschuldners aus dem Charakter der Benutzungsgebühr ergibt, überschritten hat.
34
Der Begriff des Gebührenschuldners ist im Gesetz nicht explizit geregelt; eine Definition findet sich weder in Art. 18 Abs. 2a Bayerisches Straßen- und Wegegesetz als der speziellen Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung von Sondernutzungsgebühren noch in Art. 2 oder Art. 8 Kommunalabgabengesetz (KAG), die als allgemeine Regeln zum Kommunalabgabenrecht auch für Sondernutzungsgebühren Anwendung finden. Lediglich Art. 8 Abs. 4 KAG setzt den Begriff des Gebührenschuldners voraus, da hiernach die Gebühren nach dem Ausmaß zu bemessen sind, in dem die Gebührenschuldner die öffentliche Einrichtung oder das kommunale Eigentum benutzen. Hieraus sowie aus dem Gedanken des Entgeltcharakters der Gebühr kann eine Definition des Gebührenschuldners abgeleitet werden. Gebührenschuldner ist demnach der Benutzer der öffentlichen Einrichtung oder des kommunalen Eigentums oder derjenige, der die kommunale Leistung in Anspruch nimmt (vgl. Stadlöder in Schieder/Happ, Bayerisches Kommunalabgabengesetz, Stand: Dezember 2018, Art. 8 KAG Rn. 44 m.w.N.; Thimet in Wuttig/dies., Gemeindliches Satzungsrecht und Unternehmensrecht, Stand: Mai 2020, Teil III, Frage 3, Ziffer 3.1; Hasl-Kleiber in Ecker, Kommunalabgaben in Bayern, Stand: Mai 2020, 57.00, Ziffer 1.1). Innerhalb des Rahmens, der sich aus dem Charakter der Benutzungsgebühr ergibt, hat der Satzungsgeber bei der Ausgestaltung der Gebührenschuldnerbestimmung einen gewissen Regelungsspielraum (Hasl-Kleiber, a.a.O.).
35
Für leitungsgebundene Einrichtungen und auch für Abfallgebühren ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Benutzer nicht nur der unmittelbare Benutzer, sondern beispielsweise bei einem vermieteten oder verpachteten Grundstück auch der Eigentümer oder ähnlich zur Nutzung dinglich Berechtigte als mittelbarer Benutzer sein kann (vgl. nur: BayVGH, B.v. 26.7.2006 - 4 ZB 05.2253 - juris Rn. 14; BayVGH, B.v. 30.3.2006 - 23 ZB 06.394 - juris Rn. 6; s. zum Ganzen auch: Stadlöder a.a.O.).
36
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist im vorliegenden Fall derjenige, der im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 4 SoNuGebS den faktischen oder wirtschaftlichen Vorteil aus der Sondernutzung zieht, nicht (in jedem Fall) als Benutzer der kommunalen Straße und damit als zulässiger Gebührenschuldner anzusehen. Zwar mag es Fälle geben, in denen Vorteilsnehmer in diesem Sinne der unmittelbare Benutzer der kommunalen Straße ist. Aber die Regelung in § 7 Abs. 1 Nr. 4 SoNuGebS erfasst aufgrund ihres weitreichenden Wortlauts gerade auch den mittelbaren Benutzer der Straße. Die Heranziehung auch des mittelbaren Benutzers, der einen faktischen oder wirtschaftlichen Vorteil aus der Sondernutzung hat, ist jedoch zu ausufernd und unbestimmt (in diese Richtung auch bereits: VG München, U.v. 18.6.2015, a.a.O., wobei die Frage mangels Entscheidungserheblichkeit letztlich offengelassen wird; VG Leipzig, a.a.O., Rn. 21, das einen lediglich mittelbaren Nutzen aus der Sondernutzung nicht für ausreichend erachtet).
37
Dafür, dass auch der mittelbare Benutzer in diesem Sinne Gebührenschuldner sein kann, würde zwar im Grundsatz der Entgeltcharakter der Gebühr sprechen. Derjenige, der einen Vorteil aus der Sondernutzung hat, soll gebührenpflichtig sein.
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Aber gerade im Bereich der Eingriffsverwaltung und im Steuer- und Abgabenrecht sind hohe Anforderungen an die Bestimmtheit einer Norm zu stellen. Aus Gründen der Rechtssicherheit muss der Inhalt einer Satzung für diejenigen, für die sie rechtlich relevant sein kann, verständlich sein. Insbesondere müssen die von einer Satzung Betroffenen nicht nur vom Inhalt der Regelung in zumutbarer Weise Kenntnis nehmen können, sondern auch unschwer und eindeutig feststellen können, welchen Inhalt die Satzung hat. Ein Rechtssatz muss demnach so bestimmt sein, dass alle, die er angeht, aus ihm erkennen können, ob und wozu sie verpflichtet sind oder werden, damit sie sich darauf einrichten können (vgl. BayVGH, U.v. 4.3.1988 - 23 B 87.1700 - BeckRS 1988, 07872).
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Dies ist hier gerade nicht mehr der Fall. Die Regelung über die Inanspruchnahme auch des faktischen oder wirtschaftlichen Vorteilsnehmers aus der Sondernutzung in § 7 Abs. 1 Nr. 4 SoNuGebS ist zu unbestimmt. Einen wirtschaftlichen Vorteil erzielt im konkreten Fall nicht nur der Betreiber des beworbenen Betriebs, sondern möglicherweise auch der Hersteller der Werbeanhänger, der aufgrund zu diesem Werbezweck erhöhter Nachfrage mehr Anhänger verkauft, oder auch der Fotograf, der die Fotos für die Werbeanhänger gemacht hat. Falls beispielsweise mit einem Werbeanhänger Werbung für ein Bordell gemacht würde, bestünde möglicherweise auch ein wirtschaftlicher Vorteil für die im Bordell (selbstständig) arbeitenden Prostituierten. Einen faktischen Vorteil hätte bei der Werbung für ein Bordell eventuell auch ein Kunde, der aufgrund der Werbung das Bordell aufsucht. All diese Beispiele zeigen, dass der Personenkreis derjenigen, die faktische oder wirtschaftliche Vorteile aus der Sondernutzung der Straße ziehen, fast beliebig weit ist und ein unbestimmbarer Personenkreis als Gebührenschuldner herangezogen werden könnte. Es ist (insbesondere auch für diese potentiellen Gebührenschuldner) nicht mehr nachvollziehbar, dass und aus welchen Gründen sie als Gebührenschuldner für die Benutzung der Straße zu nicht verkehrlichen Zwecken herangezogen werden können.
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Eine solche ausufernde Regelung lässt sich auch nicht mehr mit dem Äquivalenzprinzip, das der Erhebung der Sondernutzungsgebühren zugrunde liegt, vereinbaren. Sondernutzungsgebühren stellen echte Benutzungsgebühren dar, die als Gegenleistung für die mit der Sondernutzung verbundene Duldung der Beeinträchtigung des öffentlichen Verkehrsraums und des Gemeingebrauchs erhoben werden (BVerwG, U.v. 15.7.1988 - 7 C 5/87 - juris Rn. 14). Aufgrund der Qualifikation als Benutzungsgebühr muss bei ihrer Erhebung also das Nutzen- oder Äquivalenzprinzip als besondere Ausformung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit beachtet werden (BVerwG, U.v. 15.7.1988, a.a.O., Rn. 17). Die oben genannten Beispiele zeigen gerade, dass der Vorteil, der den Personen im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 4 SoNuGebS zugutekommt, sehr weit (von der Leistung) entfernt sein kann und ein fast beliebiger Vorteil über die Sondernutzungsgebühren abgegriffen würde. Die Erhebung einer Sondernutzungsgebühr in diesen Fällen würde nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zu der von der Verwaltung erbrachten Leistung stehen.
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Die vorliegende Konstellation ist auch nicht mit den beschriebenen Fällen der leitungsgebundenen Einrichtungen sowie der Abfallgebühren, in denen die Rechtsprechung eine mittelbare Benutzung für ausreichend erachtet, vergleichbar. Hintergrund der Rechtsprechung in diesen Fällen ist, dass die Gebührenerhebung auch grundstücksbezogen erfolgen kann (vgl. hierzu: Stadlöder, a.a.O.). Ein derartiger zusätzlicher Konnex ist im vorliegenden Fall der lediglich faktischen oder wirtschaftlichen Vorteilsziehung der öffentlichen Straße nicht immer vorhanden, wie der konkrete Rechtsstreit zeigt.
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cc) Die Nichtigkeit von § 7 Abs. 1 Nr. 4 SoNuGebS führt nicht zur Gesamtnichtigkeit der Sondernutzungsgebührensatzung der Beklagten, da die Regelung vom restlichen Satzungsinhalt rechtlich abgrenzbar ist und die Satzung im Übrigen - insbesondere aufgrund der verbleibenden Schuldnerbestimmungen in § 7 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 SoNuGebS - in rechtlich sinnvoller Weise alleine Bestand haben kann.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren war im konkreten Fall nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, weil es dem Geschäftsführer der Klägerin wegen der schwierigen Rechtsfragen des gemeindlichen Gebührenrechts vom Standpunkt einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei nicht zuzumuten war, das Vorverfahren selbst zu führen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung fußt auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Die Berufung wurde nach § 124 Abs. 1 VwGO zugelassen, da die Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzliche Bedeutung hat. Die Klärung der Frage, ob Sondernutzungsgebührenschuldner auch der faktische oder wirtschaftliche Vorteilsnehmer und mithin der mittelbare Benutzer der gemeindlichen Straße sein kann, dient der Weiterentwicklung des Rechts, da sie - soweit ersichtlich - obergerichtlich noch nicht entschieden ist.