Inhalt

OLG Bamberg, Beschluss v. 04.06.2020 – 5 U 72/20
Titel:

Sorgfaltspflichten bei Einreichung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Computerfax

Normenkette:
ZPO § 78, § 130 Nr. 6, § 233, § 236, § 519 Abs. 4
Leitsätze:
1. Soll ein fristgebundener Schriftsatz per Computerfax eingereicht werden, gelten besondere Sorgfaltanforderungen.  (redaktioneller Leitsatz)
2. Fehlt auf einem per Computerfax übermittelten Schriftsatz die Unterschrift, ist im Wiedereinsetzungsantrag anzugeben, wer die Unterschrift eingescannt hat und ob und ggf. von wem der Schriftsatz vor dem Versenden kontrolliert wurde.  (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fristversäumung, Wiedereinsetzung, Sorgfaltspflicht, Computerfax, gescannte Unterschrift
Vorinstanz:
LG Bamberg, Endurteil vom 24.02.2020 – 24 O 419/19
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 26.01.2021 – VI ZB 46/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 22388

Tenor

1. Der Antrag der Klagepartei auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungseinlegungsfrist wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 24.02.2020, Aktenzeichen 24 O 419/19, wird verworfen.
3. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 22.089,79 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
1. Das klageabweisende Urteil des Landgerichts Bamberg vom 24.02.2020 wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 24.02.2020 zugestellt. Die auf den 09.03.2020 datierte Berufung ist am 09.03.2020 als Fax ohne Unterschrift bei dem Oberlandesgericht eingegangen. Mit Verfügung vom 03.04.2020 wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass der Senat eine Verwerfung der Berufung als unzulässig prüft. Ihr wurde eine Frist zur Stellungnahme bis 21.04.2020 eingeräumt. Mit Schriftsatz vom 21.4.2020 trug der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor, dass die Berufungsschrift vom 09.03.2020 mit einer Unterschrift versehen und auch in dieser Form an das Gericht übermittelt worden sei und legte den Schriftsatz als von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin unterzeichnetes Original vor.
2
Am 22.4.2020 beantragte die Klägerin Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungeinlegungsfrist beim Oberlandesgericht. Zur Begründung trug die Klägerin vor, dass die Berufungsschrift vom Prozessbevollmächtigten per Fax versendet wurde. Hierbei sei der e-Fax Service „Interfax“ verwendet worden. Dieser Service sei mit der elektronischen Akte der Klägerin verbunden. Zum Versenden eines Dokument per Fax müsse deshalb nur in der elektronischen Akte bei dem entsprechenden Dokument auf „Versenden/Drucken“ geklickt werden. Dann erscheine ein kleines Fenster, in der der Versand „per Fax“ ausgewählt werden könne. Werde dann auf „Versenden“ geklickt, erscheine ein kleines Fenster „ausgehendes Fax konfigurieren“. Hier können neben dem Absender/Konto (… - Interfax) der Empfänger „Berufungsgericht“ (Fax-Nummer. zzzzzzzz) ausgewählt werden. Bestätigt werde der Vorgang mit dem Klick auf „o. k.“; das Fax werde versendet. Daraufhin erscheine ein neuer Vorgang in der Akte, wodurch dem Versender der Sendevorgang mit einem kleinen Rädchen angezeigt werde. Sobald dieses Rädchen grün ist, sei das Fax ordnungsgemäß versendet worden. Diesen beschriebenen Vorgang habe der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 09.03.2020 ordnungsgemäß durchgeführt. Der erfolgreiche Abschluss des Sendevorgangs sei dem Prozessbevollmächtigten durch das grüne Rädchen bestätigt worden. Aus dem dem Oberlandesgericht vorgelegten Sendebericht (Anlage BK1) werde deutlich, dass der 3-seitige Schriftsatz erfolgreich und vollständig versendet worden sei. Deshalb habe der Prozessbevollmächtigte nicht erkennen können, dass der versendete Schriftsatz ohne Unterschrift und ohne Grußformel auf dem Empfangsgerät ankam. Hiervon habe der Prozessbevollmächtigte erst durch die gerichtliche Verfügung vom 03.04.2020 erfahren. Mit Schriftsatz vom 14.05.2020 teilte der Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit, dass die Unterschrift auf der Berufungsschrift eingescannt worden ist und dass die Einreichung des Berufungsschriftsatzes mittels des e-Fax Service Interfax wie das Einreichen eines Schriftsatzes per Computer Fax zu behandeln sei.
3
2. Die Berufung ist nach §§ 522 Abs. 1, 517, 519 ZPO als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht innerhalb der Monatsfrist ab Zustellung des angegriffenen Urteils eingelegt wurde. Zwingendes Wirksamkeitserfordernis der Berufungseinlegung ist, dass die Berufung nach § 519 Abs. 4, 130 Nr. 6 ZPO vom Prozessbevollmächtigten des Berufungsführers unterzeichnet ist. Eine unterzeichnete Berufung ist unstreitig erst am 21.04.2020 und damit nach Fristablauf beim Oberlandesgericht eingegangen.
4
3. Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungseinlegungsfrist nach § 233 ZPO ist der Klägerin nicht zu gewähren.
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Der zulässige Wiedereinsetzungsantrag ist unbegründet, da die Klägerin nicht ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Berufungseinlegungsfrist gehindert war. Vielmehr beruht die Versäumung der Berufungseinlegungsfrist auf einem Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, das sich die Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann der Klägerin nicht gewährt werden, weil innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass die Berufungseinlegungsfrist ohne Verschulden versäumt worden ist, nicht in der erforderlichen Weise vorgetragen wurden. Es bleibt die Möglichkeit offen, dass die Fristversäumung von der Partei bzw. ihrem Prozessbevollmächtigten verschuldet war (BGH NJW 2005, 2086). Dies geht zulasten der Klagepartei.
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Die Sorgfaltspflicht in Fristsachen verlangt von einem Rechtsanwalt, alles ihm zumutbare zu tun, um die ordnungsgemäße Rechtsmitteleinlegung innerhalb der jeweiligen gesetzlichen Fristen zu gewährleisten. Dazu gehört auch, dass die eingereichten bestimmenden Schriftsätze, wie hier die Berufungseinlegung, vom Rechtsanwalt unterzeichnet sind.
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Wenn die Begründung mit Computerfax eingereicht werden soll, müssen besondere Sorgfaltsanforderungen gelten. Dabei handelt es sich nicht nur um eine rein mechanische Weiterleitung eines Schriftsatzes, denn es reicht nicht aus, das vom Rechtsanwalt unterzeichnete Original durch einfaches Bedienen des Faxgerätes zu übermitteln; vielmehr muss das elektronische Dokument vor Absendung gesondert mit einer eingescannten Unterschrift des Rechtsanwalts, der den Schriftsatz verantwortet, versehen werden. Nur die Unterzeichnung des Schriftsatzes als äußeres Zeichen ermöglicht es nämlich, den Urheber einer schriftlichen Prozesshandlung zu identifizieren und dessen unbedingten und verantwortlichen Einreichungswillen zu dokumentieren sowie zu verhindern, dass über versehentlich eingereichte Entwürfe entschieden wird (Zöller/Greger ZPO, 31. Aufl., § 130 Rn. 8).
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Dem Wiedereinsetzungantrag lässt sich schon nicht entnehmen, wie die Unterschrift auf den Schriftsatz gelangt ist. In dem Antrag werden lediglich der verwendete Faxdienst und die Einzelheiten des Versendungsvorgangs an das Gericht geschildert. Wer die Unterschrift eingescannt hat, d. h. ob der Prozessbevollmächtigte dies selbst getan oder ob er diese Aufgabe einer Kanzleiangestellten überlassen hat, lässt sich dem Wiedereinsetzungvorbringen nicht entnehmen. Aus dem Wiedereinsetzungsvorbringen lässt sich auch nicht entnehmen, ob und gegebenenfalls von wem das Dokument kontrolliert worden ist, ob die Unterschrift tatsächlich eingescannt war oder nicht. Bei einer Kontrolle wäre das Fehlen der eingescannte Unterschrift aufgefallen. Es fehlt somit hinsichtlich der Übermittlung eines Computerfaxes in der Kanzlei des Klägerinvertreters an einem zusammenhängenden Vortrag der wiedereinsetzungsbegründenden Tatsachen (§ 236 Abs. 2 ZPO).
9
Die Nachholung dieser fehlenden Angaben nach Ablauf der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist nicht möglich (BGH NJW 2015, 624).
II.
10
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
11
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.