Titel:
zur Abwassergebühr bei technisch getrennten Entwässerungseinrichtungen
Normenketten:
BayKAG Art. 8 Abs. 4
BayGO Art. 21 Abs. 2
EWS § 1 Abs. 1, § 11 Abs. 1 S. 2
Leitsatz:
Betreibt die Gemeinde technisch selbständige Einrichtungen, die demselben Zweck dienen (hier: Entwässerung), hat sie ein Wahlrecht, ob sie diese rechtlich einheitlich, also durch einheitliche Gebührensätze, oder getrennt, durch unterschiedliche Gebührensätze, behandelt. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einrichtungseinheit, mehrere technisch selbständige Anlagen innerhalb einer Gemeinde, rechtlich selbständige Anlagen, gerichtlicher Prüfungsumfang bei sog. „normgeberischem Ermessen“, Abwasserbeseitigung, Abwasser, Entwässerungseinrichtung, Gewerbegebiet, bauliche Verbindung, Druckleitung, normgeberisches Ermessen
Fundstelle:
BeckRS 2020, 22198
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Gebührenbescheides für den Verbrauch von Abwasser. Die Kläger sind auf der Verbrauchsstelle … Weg …, … … als Kunden geführt. Bei der Beklagten handelt es sich um einen Eigenbetrieb des Marktes … In § 1 der Entwässerungssatzung für die öffentliche Entwässerungseinrichtung der Gemeinde (Markt …*) (EWS) vom 19. Dezember 2017, in Kraft getreten zum 1. Januar 2018, ist folgendes geregelt:
„1. Die Gemeinde betreibt zwei öffentliche Einrichtungen zur Abwasserbeseitigung (Entwässerungseinrichtung);
a. Einrichtung 1: …, …, …, … Nord, … Waldsiedlung, …, …, Gewerbegebiet … und Am …
b. Einrichtung 2: …, …, …, …, …, …,
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Ferner gibt es eine „Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Gemeinde (Markt …*) vom 19. Dezember 2017 (- BGS/EWS -) für die Einrichtung 1 (Gemeindeteile …, …, …, … Nord, … Waldsiedlung, …, …, Gewerbegebiet … und Am …“ (im Folgenden: BGS-EWS 1). Die Schmutzwassergebühr wird darin auf 2,72 EUR pro m³ Schmutzwasser festgesetzt (§ 11 Abs. 1 Satz 2 BGS-EWS 1).
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Des Weiteren existiert eine „Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Gemeinde (Gemeinde …*) vom 19. Dezember 2017 (- BGS/EWS -) für die Einrichtung 2 (Gemeindeteile …, …, …, …, …, …, … und …“ (im Folgenden: BGS-EWS 2) wonach die Schmutzwassergebühr 5,24 EUR pro m³ Schmutzwasser beträgt, § 11 Abs. 1 Satz 2 BGS-EWS 2.
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Unter dem 17. Januar 2019 erließ die Beklagte gegenüber den Klägern einen mit „Jahresabrechnung/Gebührenbescheid“ bezeichneten Bescheid für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 2018 (Kundennummer: …, Rechnungsnummer: …*). Als Verbrauchsstelle ist angegeben: „… und … …, … Weg …, … …, Abwasser/Haus …“. Die Beklagte berechnet darin unter „Abrechnung Verbrauch“ einen „Gesamtbetrag Verbrauch Abwasser“ in Höhe von 473,34 EUR und unter „Abrechnung Grundpreis“ einen „Verrechnungspreis Abwasser“ in Höhe von 8,00 EUR. Abzüglich bereits beglichener Abschläge in Höhe von 440,00 EUR ergibt sich ein Endbetrag in Höhe von 41,34 EUR. Unter „Abrechnung Verbrauch“ wird im Einzelnen aufgeschlüsselt:
Zeitraum Tage Tarif kWh/LW/ Preis pro Netto Brutto cbm/m³ Einh./Jahr 434,92 434,92
01.01.2018 - 31.12.2018 365 Tage A Kanal … 83 5,24
01.01.2018 - 31.12.2018 365 Tage A Niederschlagsw. 113 0,34 38,42 38,42 Summe Verbrauch: 473,34 473,34 Abrechnung Grundpreis:
01.01.2018 - 31.12.2018 365 Tage A Verrechnungspreis 8,00 8,00 Gesamtbetrag: 481,34 Euro Durch Schriftsatz vom 18. Februar 2019 ließen die Kläger Klage erheben und beantragen,
„Der Bescheid der Beklagten vom 17. Januar 2019, Kundennummer: …, Rechnungsnummer: …, tituliert als „Jahresabrechnung/Gebührenbescheid“ und betreffend die Abwassergebühren für das Anwesen … Weg … in … für den Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 2018, wird aufgehoben.“
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Der Klägervertreter führte insoweit aus, dass mit Bescheid vom 17. Januar 2019, bei den Klägern am 19. Januar 2019 eingegangen, die von den Klägern zu tragenden Abwassergebühren auf 41,34 EUR festgesetzt worden seien.
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Mit Schriftsatz vom 19. März 2020 ließen die Kläger zur Begründung ihrer Klage ausführen, dass die im Bescheid bezifferte Verbrauchsmenge von 83 kWh/LW/cbm/m³ zwar nicht beanstandet werde, dass aber die Ausweisung unterschiedlicher Gebühren für die Einrichtungen 1 und 2 durch die Beklagte rechtswidrig sei und die Ungültigkeit der Gebührenregelung der Satzungen hinsichtlich der Einrichtung 1 und der Einrichtung 2 zur Folge habe. Aus diesem Grund sei eine Heranziehung der Kläger zu den Abwassergebühren in der Höhe, wie im angefochtenen Bescheid festgesetzt, nicht möglich. Unterschiedliche Gebühren innerhalb derselben Gemeinde verstießen gegen das Verbot, wesentlich gleiche Sachverhalte willkürlich ungleich zu behandeln (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 Satz 1 BV). Ein sachlich einleuchtender Grund für eine gesetzliche Differenzierung sei nicht vorhanden. Seiner Verpflichtung zur Ausrichtung der Gebühren nach den nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen absatzfähigen Kosten einschließlich der Kosten für die Ermittlung und Anforderung von einrichtungsbezogenen Abgaben (Art. 8 Abs. 4 KAG) hätte der Markt … auch dadurch nachkommen können, die gesamten Kosten beider Einrichtungen zu addieren und durch die Anzahl der Nutzer beider Einrichtungen zu dividieren.
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Mit Schriftsatz vom 14. Mai 2020, beim Bayer. Verwaltungsgericht Ansbach am 19. Mai 2020 eingegangen, ließ die Beklagte beantragen,
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte für die Abwasserbeseitigung technisch getrennte Einrichtungen betreibe. Eine technische Trennung erlaube die rechtliche Trennung einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Abgabensätze, so dass ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht vorliege.
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Die satzungsrechtliche Festsetzung in der EWS, dass der Markt … für die Abwasserbeseitigung zwei öffentliche Einrichtungen mit den jeweils zugeordneten Ortsteilen betreibe, beruhe auf der technischen Trennung der Abwasserbeseitigung. So würden die Abwässer der Ortsteile, welche die Einrichtung 1 bildeten, über Pumpwerke, ein Vereinigungsbauwerk und eine Druckleitung nach … … gepumpt und in der dortigen Kläranlage gereinigt. Demgegenüber würden die Abwässer der Ortsteile, welche die Einrichtung 2 bildeten, nicht nach … … gepumpt und in der dortigen Kläranlage gereinigt. Vielmehr würden die Abwässer der zur Einrichtung 2 gehörenden Ortsteile …, …, … und … auf eigenen örtlichen Kläranlagen gereinigt. Die Abwässer des Ortsteils …, welcher ebenfalls zur Einrichtung 2 gehöre, würden zur örtlichen Kläranlage … gepumpt und dort gereinigt. Die Abwässer der verbleibenden Ortsteile, die der Einrichtung 2 zugeordnet seien, nämlich …, … und …, würden über Pumpwerke und eine Druckleitung zur Kläranlage des Nachbarorts Markt … geleitet und dort gereinigt.
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Die Abwässer der die Einrichtung 2 bildenden Ortsteile wie die Abwässer der die Einrichtung 1 bildenden Ortsteile zur Kläranlage nach … … zu leiten, sei nicht möglich, weil von den die Einrichtung 2 bildenden Ortsteilen aus, anders als für die die Einrichtung 1 bildenden Ortsteile, keine bauliche Verbindung zur Druckleitung nach … … bestehe. Die durch § 1 Abs. 1 EWS festgesetzte öffentliche Einrichtung zur Abwasserbeseitigung „Einrichtung 1“ bündle mithin die Ortsteile, die durch die gemeinsame Entwässerung zur Kläranlage … … eine technische Einrichtung und damit auch rechtlich eine Einrichtung bilden müssten. Dem gegenüber bündle die eben dort festgesetzte „Einrichtung 2“ die Ortsteile, deren Entwässerung technisch von der Einrichtung 1 getrennt sei, anteilig auch in sich technisch getrennt, nämlich: Die technisch alleinstehende Abwasserbeseitigung …, technisch alleinstehende Abwasserbeseitigung …, technisch alleinstehende Abwasserbeseitigung …, technisch gemeinsame Abwasserbeseitigung … und … und technisch gemeinsame Abwasserbeseitigung …, …, … Auf diese Weise seien sie rechtlich von der Einrichtung 1 getrennt und könnten in sich gebündelt werden.
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Denn gemäß Art. 21 Abs. 2 Satz 1 Gemeindeordnung könnten mehrere technisch selbständige Anlagen einer Gemeinde, welche demselben Zweck dienten, eine Einrichtung oder einzelne selbständige Einrichtungen bilden. Mit Art. 21 Abs. 2 Satz 1 GO sei den Gemeinden der Gestaltungsspielraum eröffnet, mehrere technisch selbständige Anlagen, die demselben Zweck dienten, als rechtlich jeweils selbständige Einrichtung oder als eine einheitliche Einrichtung zu führen. Die Entscheidung über die rechtliche Trennung - bei Vorliegen der Voraussetzungen der technischen Trennung - stehe im Ermessen der Gemeinde, wobei der Gemeinde ein weiter Ermessensspielraum zukomme (unter Hinweis auf BayVGH, U.v. 2.10.2013, 20 N 13.411 RdNr. 16 a.E. - juris).
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Der Markt … habe bei der Ausübung seines Ermessens - bei der satzungsrechtlichen Bestimmung der rechtlichen Trennung der Einrichtungen 1 und 2 - auch nicht willkürlich gehandelt. Denn die rechtliche Trennung sei nicht nur - als rechtliche Voraussetzung - von der technischen Trennung bestimmt gewesen, sondern auch davon, dass für eine Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung ein zulässiger Beitragsmaßstab zu bestimmen sei. Für den „Kernort“ der (politischen) Gemeinde Markt … (Ortsteile, welche die Einrichtung 1 bildeten) bestünden überwiegend qualifizierte Bebauungspläne im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB, während für die „Außenorte“ (Ortsteile, welche die Einrichtung 2 bildeten) keine qualifizierten Bebauungspläne vorlägen bzw. nur für Teilgebiete. Für die BGS-EWS 1 sei deshalb der Beitragsmaßstab „Grundstücksfläche, zulässige Geschossfläche“ bestimmt, für die BGS-EWS 2 der Beitragsmaßstab „Grundstücksfläche, tatsächliche Geschossfläche“, dort jeweils in § 5 Abs. 1 Satz 1.
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Diese für die Ortsteile bzw. Einrichtungen verschiedenen Beitragsmaßstäbe seien bereits mit viel älterem Satzungsrecht festgesetzt worden. Der Beklagtenvertreter legt insoweit auszugsweise verschiedene Beitrags- und Gebührensatzungen für die Entwässerungssatzungen vor (Anlagen A 3, Bl. 82 ff. der Gerichtsakte).
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Sachlicher Grund für die rechtliche Trennung zwischen den Einrichtungen 1 und 2 im aktuellen Satzungsrecht sei deshalb nicht nur die technische Trennung, sondern auch die Fortsetzung der in die Jahrzehnte gehenden Unterscheidung der Beitragsmaßstäbe. Diese Fortsetzung sei aber nicht willkürlich.
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Ferner führt der Beklagtenvertreter aus, dass für die Kalkulation der in den BGS-EWS 1 und 2 bestimmten Schmutzwassergebührensätze (Euro pro m³ Schmutzwasser) und Niederschlagswassergebührensätze (Euro pro m² zu berücksichtigende Fläche) die in …, Sachsen-Anhalt, ansässige Fachfirma … mbH (***) beauftragt gewesen sei. Nach deren Bericht vom 30. September 2016 zu den nach KAG und für den Kalkulationszeitraum 2017 bis 2020 vorgenommenen Schmutzwasser- und Niederschlagswassergebührenkalkulationen seien für die Einrichtung 1 eine Schmutzwassergebühr von 2,72 EUR pro m³ Schmutzwasser und eine Niederschlagswassergebühr von 0,49 EUR pro m² zu berücksichtigende Fläche und für die Einrichtung 2 eine Schmutzwassergebühr von 5,24 EUR pro m³ Schmutzwasser und eine Niederschlagswassergebühr von 0,34 EUR pro m² zu berücksichtigende Fläche ermittelt worden (unter Hinweis auf Bericht der … zur Gebührenkalkulation für die Schmutz- und Niederschlagswassergebühren vom 30.9.2016 auszugsweise in Anlage A 5, Bl. 109 ff. der Gerichtsakte).
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Die Kläger hätten die Verbrauchs-/Berechnungsgrößen (83 m³ Schmutzwasser, 113 m² zu berücksichtigende Fläche) für die Festsetzung der Schmutz- und Niederschlagswassergebühr für den Zeitraum vom 1.1. bis 31.12.2018 im Gebührenbescheid vom 17. Januar 2019 nach den mit der BGS-EWS 2 bestimmten Gebührensätzen nicht bestritten. Die Ermittlung und die Festsetzung der Schmutz- und der Niederschlagswassergebühr im Gebührenbescheid vom 17. Januar 2019 und die ihm zugrundeliegende BGS-EWS 2 seien auch rechtlich nicht zu beanstanden, weshalb der Bescheid rechtmäßig sei.
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In der mündlichen Verhandlung am 29. Juli 2020 wurde der angefochtene Bescheid nach dem Hinweis des Gerichts, dass die mit „Abrechnung Grundpreis“ und „VerrechnungspreisAbwasser“ bezeichnete Position in Höhe von 8,00 EUR keine satzungsrechtliche Grundlage habe, dahingehend abgeändert, dass statt der ursprünglichen 481,34 EUR nur noch 473,34 EUR Gebühren verlangt werden. Insoweit wurde das Verfahren abgetrennt und unter dem gerichtlichen Aktenzeichen AN 19 K 20.01457 durch Beschluss in der mündlichen Verhandlung eingestellt. Im Übrigen führte der Beklagtenvertreter noch aus, dass der Grund für die Satzungsänderung zum 1. Januar 2018 darin gelegen habe, dass die vormals einheitlich erfolgte Abrechnung zu einer Überschreitung des maßgeblichen Schwellenwertes geführt habe. Die Beteiligten bezogen sich auf ihre zuvor im schriftlichen Verfahren gestellten Anträge.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen, wegen der mündlichen Verhandlung auf deren Niederschrift.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet, weil sich der angefochtene Bescheid vom 17. Januar, soweit er noch streitgegenständlich ist, nach Prüfung durch das Gericht als rechtmäßig erweist und die Kläger daher nicht in eigenen Rechten verletzt werden, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die vorliegende Klage war daher abzuweisen.
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Ausweislich des Klageantrages vom 18. Februar 2019 richtet sich die Klage gegen die gesamte durch den angefochtenen Bescheid festgesetzte Summe in Höhe von 481,34 EUR abzüglich des im Bescheid als „Grundpreis“/ „Verrechnungspreis“ bezeichneten Betrages in Höhe von 8 EUR. Diesbezüglich hat die Beklagte den Bescheid nach Hinweis durch das Gericht in der mündlichen Verhandlung aufgehoben, so dass der Rechtsstreit insoweit nach entsprechender Erledigterklärung der Beteiligten abgetrennt und unter dem gerichtlichen Az. AN 19 K 20.01457 durch Beschluss eingestellt worden ist.
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Die Klagesumme beläuft sich mithin auf 473,34 EUR, auch wenn der Klägervertreter den Streitgegenstand unter Berücksichtigung des jährlichen Abschlages in Höhe von 440,00 EUR irrtümlicherweise mit 41,34 EUR beziffert hatte. Denn ausweislich des Klageantrages und des schriftlichen sowie mündlichen Vorbringens der Klagepartei ist die gesamte festgesetzte Gebühr streitig, § 88 VwGO.
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Die hier maßgebliche Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist entgegen dem schriftsätzlichen Vorbringen der Beteiligten nicht in der „Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Gemeinde (Gemeinde …*) vom 30. April 2019 (- BGS/EWS -) für die Einrichtung 2 (Gemeindeteile …, …, …, …, …, …, … und …“ (im Folgenden: BGS-EWS (2) 2019) enthalten, sondern in der - im Wesentlichen gleichlautenden - „Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Gemeinde (Gemeinde …*) vom 19. Dezember 2017 (- BGS/EWS -) für die Einrichtung 2 (Gemeindeteile …, …, …, …, …, …, … und …“ (im Folgenden: BGS-EWS (2) 2018).
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Denn streitgegenständlich ist vorliegend das Veranlagungsjahr vom 1. Januar bis 31. Dezember 2018. Die am 30. April 2019 beschlossene Satzung trat gemäß § 21 BGS-EWS (2) 2019 jedoch erst am 1. Januar 2019 in Kraft und sieht keine Rückwirkung für den davorliegenden Zeitraum vor.
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Nach Mitteilung des Beklagtenvertreters vom 21. Juli 2020 (Bl. 133 der Gerichtsakte) musste die BGS-EWS (2) 2018 neu beschlossen werden, weil die Beiträge pro m² Grundstücksfläche bzw. pro m² Geschossfläche, die auf der Grundlage der Kalkulation 1,04 EUR bzw. 4,30 EUR hätten betragen sollen, im Satzungstext versehentlich vertauscht worden waren. Dieser Schreibfehler, der bereits in der Beschlussvorlage enthalten war, sollte durch die Neufassung korrigiert werden.
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Ob aus dem Schreibfehler im Beitragsteil insoweit eine Nichtigkeit für die BGS-EWS (2) 2018 resultierte, muss an dieser Stelle nicht entschieden werden, weil sich die Nichtigkeit des Beitragsteils jedenfalls nicht auf den Gebührenteil auswirkt und umgekehrt (BayVGH, U.v. 23.11.2004 - 23 N 04.1292 - juris; U.v. 15.5.1997 - 23 B 93.575 - juris).
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Gemäß Art. 8 Kommunalabgabengesetz (KAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. April 1993 können die Gemeinden für die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen Benutzungsgebühren erheben. Von diesem Recht hat der Markt … gemäß Art. 23, 24 GO durch die BGS-EWS (2) 2018 Gebrauch gemacht.
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Satzungsrechtliche Grundlage für die unterschiedliche Abrechnung ist die „Entwässerungssatzung für die öffentliche Entwässerungseinrichtung der Gemeinde (Markt …*) (-EWS-) vom 19. Dezember 2017“, welche gemäß § 21 Abs. 1 am 1. Januar 2018 in Kraft getreten ist. Dort ist in § 1 Abs. 1 der (technisch) getrennte Betrieb der Entwässerungseinrichtung durch die Einrichtungen 1 und 2 beschrieben. Aus dem technisch getrennten Betrieb folgt jedoch keine Verpflichtung der Gemeinde, die Beitrags- und Gebührenerhebung ebenfalls getrennt zu behandeln. Vielmehr hat sie ein echtes Wahlrecht.
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Entgegen dem klägerischen Vorbringen sieht das Gericht die in der hier maßgeblichen BGS-EWS (2) 2018 vorgesehene rechtliche Behandlung der technisch getrennten Entwässerungseinrichtungen durch unterschiedliche Gebührenhöhen gemäß Art. 21 Abs. 2 GO als zulässig an (1.). Zudem liegt kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor, da es sich nicht um eine willkürliche Ungleichbehandlung wesentlich gleicher Sachverhalte handelt (2.).
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1. Inmitten steht die Regelung des Art. 21 Abs. 2 GO in der Fassung vom 13.12.2016. Danach können „mehrere technisch selbständige Anlagen der Gemeinde, die demselben Zweck dienen, eine Einrichtung oder einzelne rechtlich selbständige Einrichtungen bilden“. Satz 2 bestimmt: „Die Gemeinde entscheidet das durch Satzung; trifft sie keine Regelung, liegt nur eine Einrichtung vor.“
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Die darin normierten Voraussetzungen für die rechtliche Trennung durch verschiedene Beitrags- und Gebührensatzungen, wie sie ihren Niederschlag in der BGS-EWS (1) 2018 und BGS-EWS (2) 2018 gefunden haben, liegen vor.
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Denn dass mehrere technisch selbständige Entwässerungseinrichtungen, wie sie der Beklagtenvertreter in seinem Schriftsatz vom 14. Mai 2020 (Bl. 56ff. der Gerichtsakte) substantiiert - und von der Klage unwidersprochen - dargelegt hat, vorhanden sind, ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
32
Die Kläger stellen jedoch in Abrede, dass die rechtliche Trennung trotz der technischen Trennung, also des Betriebs mehrerer technisch selbständiger Entwässerungseinrichtungen, zulässig ist. Allerdings wird dabei verkannt, dass in Art. 21 Abs. 2 GO eindeutig zum Ausdruck kommt, dass die Gemeinde letztlich ein Wahlrecht hat, ob sie technisch selbständige Einrichtungen, wenn sie demselben Zweck dienen - hier der Entwässerung -, rechtlich einheitlich, also durch einheitliche Gebührensätze, oder getrennt, wie vorliegend, durch unterschiedliche Gebührensätze, behandelt.
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Das dabei bestehende sog. normgeberische Ermessen ist nur insoweit gerichtlich überprüfbar, als ein Rechtsirrtum, Willkür oder sachfremde Erwägungen inmitten stehen. Die gerichtliche Prüfungskompetenz ist damit noch eingeschränkter als im Rahmen von § 114 VwGO, dessen Anwendungsbereich auf die gerichtliche Überprüfung von Ermessensverwaltungsakten beschränkt ist (vgl. dazu etwa BayVGH, B.v.13.2.2012, 4 ZB 11.1278, Rn. 5 - juris; B.v.22.2.2016, 20 ZB 15.1733, Rn.3, - juris).
34
Dafür, dass die Entscheidung der Gemeinde für die Aufteilung in zwei „Abrechnungseinheiten“ etwa aufgrund eines Rechtsirrtumes, willkürlich oder getragen von sachfremden Erwägungen ergangen sein soll, wurde vorliegend nichts - hinreichend konkret und substantiiert - vorgetragen und ist für das Gericht nicht einmal ansatzweise ersichtlich. Vielmehr hat der Beklagtenvertreter sowohl schriftsätzlich als auch in der mündlichen Verhandlung detailliert und nachvollziehbar erläutert, aus welchen Gründen die Entwässerungseinrichtungen je nach Ortsteilen technisch getrennt sind und vor allem weshalb sich die Gemeinde für eine rechtliche Trennung der Einheit 1 und 2 entschieden hat. Anhaltspunkte für Rechtsirrtümer, Willkür oder sachfremde Erwägungen ergeben sich daraus bei Weitem nicht.
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Der einzige Einwand, die Gebühren im Bereich der Einrichtung 2 seien aufgrund der geringeren Anzahl von Gebührenschuldnern im Ergebnis höher als im Bereich der Einrichtung 1, mag zwar richtig sein, führt jedoch nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht zu einer schlechterdings unangemessenen Gebührenhöhe für die Kläger und damit etwa willkürlichen Entscheidung der Gemeinde. Auch der vom Kläger persönlich und laienhaft vorgebrachte Einwand, die unterschiedlichen Gebührenhöhen innerhalb derselben Gemeinde seien „ungerecht“, mag zwar auf den ersten Blick verständlich erscheinen, stellt jedoch die normgeberische Entscheidung nicht in einem hier maßgeblichen Sinne in Frage.
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2. Der Klägervertreter verkennt, dass nicht jede Ungleichbehandlung einen Verstoß gegen Art. 3 GG nach sich zieht. Vielmehr ist zunächst die Maßstabsbildung zu berücksichtigen: Die Gemeinde hat letztlich verschiedene Sachverhalte unterschiedlich behandelt, da - gemäß Art. 21 Abs. 2 GO zulässiger - Anknüpfungspunkt der Betrieb mehrerer selbständiger Entwässerungseinrichtungen innerhalb einer Gemeinde ist. Die insoweit unzweifelhaft bestehende Gestaltungsfreiheit der Gemeinde, nämlich aufgrund technischer Gegebenheiten mehrere, voneinander getrennte Entwässerungseinrichtungen zu betreiben, wird durch die Kläger auch nicht in Frage gestellt. Dass eine „Ungleichbehandlung“, wie sie der Klägervertreter annimmt, im Sinne einer unterschiedlichen Behandlung verschiedener Sachverhalte innerhalb derselben Gemeinde zulässig ist, stellt Art. 21 Abs. 2 GO klar; etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf Art. 3 GG mangels Verletzung des Willkürverbotes.
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Weitere Gründe für die Nichtigkeit der Satzung wurden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.
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Nach alledem erweist sich der Bescheid im noch angefochtenen Umfang als rechtmäßig und die Klage demnach als unbegründet, so dass sie mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen war.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.