Inhalt

VGH München, Beschluss v. 07.09.2020 – 20 NE 20.1981
Titel:

Verpflichtung des Tragens von Mund- und Nasenschutz im Schulunterricht

Normenketten:
IfSG § 28 Abs. 1, § 32
VwGO § 47 Abs. 6
BayIfSMV § 16 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Unterricht stellt eine Maßnahme zur Ermöglichung des Präsenz-Unterrichts dar und ist als betriebliche Regelung als einer gegenüber einer Schließung unterschwellige Maßnahme von der Ermächtigungsgrundlage der §§ 32 Satz 2, 28 Abs. 1 IfSG gedeck. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Verpflichtung für Schülerinnen und Schüler in Bayern, vorübergehend eine Mund-Nase-Bedeckung auch während des Unterrichtes zu tragen, bedarf keiner parlamentarischen Regelung durch den Bundesgesetzgeber. (Rn. 28 – 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Corona-Pandemie, Mund-Nase-Bedeckung im Schulunterricht, notwendige Schutzmaßnahme, Verhältnismäßigkeit einer Norm, Folgenabwägung, einstweilige Anordnung, Mund-Nasen-Bedeckung, Schulunterricht, Bestimmtheit, Parlamentsvorbehalt, Ermessen
Fundstelle:
BeckRS 2020, 21962

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Wert des Verfahrensgegenstands wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
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Mit seinem Eilantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO verfolgt der von seiner Mutter vertretene Antragsteller das Ziel, den Vollzug der Sechsten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 19. Juni 2020 (Aktenzeichen 2126110G 2126-1-10-G, BayMBl. 2020, Nr. 348 - 6. BayIfSMV), zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Sechsten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung und der Einreise-Quarantäneverordnung vom 1. September 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 494) einstweilen auszusetzen, soweit er durch § 16 Abs. 2 Satz 1 der 6. BayIfSMV zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (MNB) im Schulunterricht verpflichtet wird. § 16 Abs. 2 6. BayIfSMV lautet:
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„(2) Auf dem Schulgelände besteht Maskenpflicht. Unbeschadet des § 1 Abs. 2 sind von dieser Pflicht ausgenommen
1.
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Schülerinnen und Schüler
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a) an den Grundschulen und der Grundschulstufe der Förderschulen nach Einnahme ihres Sitzplatzes im jeweiligen Unterrichtsraum,
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b) nach Genehmigung der aufsichtführenden Lehrkraft aus zwingenden pädagogisch-didaktischen oder schulorganisatorischen Gründen sowie
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2. an den Grundschulen und der Grundschulstufe der Förderschulen Lehrkräfte und sonstiges Personal nach Erreichen des jeweiligen Arbeitsplatzes im Unterrichtsraum und im Lehrerzimmer. Wird der Verpflichtung nach den Sätzen 1 und 2 nicht nachgekommen, soll die Schulleiterin oder der Schulleiter die Person des Schulgeländes verweisen; für Schülerinnen und Schüler gilt dies nur ab der Jahrgangsstufe 5.“
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1. Der in Bayern lebende Antragsteller besucht das Gymnasium und hat mit Schriftsatz vom 2. September 2020, beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen am selben Tag, einstweiligen Rechtsschutz nach § 47 Abs. 6 VwGO gegen die o.g. Bestimmungen zum Tragen einer MNB beantragt, soweit er dadurch verpflichtet wird, die MNB auch im Schulunterricht zu tragen. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, durch die angegriffene Norm in seinen Rechten verletzt zu werden.
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Er beantragt,
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§ 16 Abs. 2 Satz 1 6.BayIfSMV (sowie etwaiger inhaltsgleicher Nachfolgefassungen) außer Vollzug zu setzen, soweit hierdurch die Verpflichtung von Schülern zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes im Unterricht begründet wird.
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Zur Begründung lässt er im Wesentlichen vortragen, die Pflicht zur Tragen einer MNB könne nicht (mehr) auf §§ 32,28 IfSG gestützt werden. Der Verordnungsgeber sei seiner Evaluierungspflicht - insbesondere auch was die Berücksichtigung etwaiger kollateraler Schäden der Maßnahme anbetrifft - nicht in hinreichender Weise nachgekommen. Die zur Begründung der Maßnahme im Rahmen von Pressekonferenzen gegebene Kopplung an die 7-Tage-Inzidenz stelle keine taugliche Bewertungsgrundlage dar, wenn die Ermittlung der Infektionszahlen nicht mit Bezug zur Anzahl der Testungen eingesetzt werde. Weiter sei die bayernweite und unterschiedslose Verhängung der Maßnahme ohne Rücksicht auf das jeweilige aktuelle regionale Infektionsgeschehen nicht mit Art. 3 GG vereinbar und unverhältnismäßig. Es bestünden auch grundsätzliche Bedenken, ob zur Begründung der belastenden Maßnahmen weiterhin das Ziel der Vermeidung einer Überlastung des Gesundheitssystems herangezogen werden könne. Trotz Ausweitung der Testungen und in deren Folge der Zunahme der verifizierten Fallzahlen seien keine erhöhten Todesraten zu verzeichnen. Weiterhin sei die Schutzwirkung der MNB fraglich und nicht bewiesen. Schließlich werde infrage gestellt, dass eine auf §§ 32, 28 IfSG gestützte Rechtsverordnung noch eine ausreichende Rechtsgrundlage für längerfristig andauernde/angedachte Maßnahmen bilden könne. Mit zunehmender zeitlicher Dauer der Grundrechtsbeschränkung stiegen deren Eingriffsintensität und damit auch die Anforderungen an die Rechtfertigung ihrer Fortdauer. Es sei auch nicht glaubhaft, dass die Maskenpflicht im Unterricht lediglich für neun Tage angeordnet werde.
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2. Der Antragsgegner tritt dem Eilantrag entgegen und verweist insbesondere auf den Situationsbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) und den Epidemiologischen SARS-CoV-2 Situationsbericht des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL).
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3. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen
II.
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1. Der Eilantrag ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
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Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nach Auffassung des Senats im Ergebnis nicht vor.
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a) Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 ‒ juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 - 4 B 480/19.NE - juris Rn. 9).
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Ergibt demnach die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens im Zeitpunkt der Entscheidung über den Eilantrag nicht (hinreichend) abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, das Hauptsacheverfahren aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, das Normenkontrollverfahren aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung ‒ trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache ‒ dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 ‒ juris Rn. 12).
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b) Nach diesen Maßstäben geht der Senat im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens davon aus, dass die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags in der Hauptsache voraussichtlich nicht gegeben sind (aa). Die zu treffende Folgenabwägung führt darüber hinaus dazu, dass eine Außervollzugsetzung der angegriffenen Normen nicht dringend geboten erscheint (bb).
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aa) Die angegriffenen Bestimmungen zum Bestehen einer Maskenpflicht im Schulunterricht des Klägers nach § 16 Abs. 2 Satz 1 6. BayIfSMV dürften von der Ermächtigungsgrundlage der § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG gedeckt sein.
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Im Hinblick auf die gesetzliche Grundlage der angegriffenen Bestimmungen ist der Senat bereits in mehreren Eilentscheidungen (BayVGH, B.v. 30.3.2020 - 20 NE 20.632 - juris; B.v. 9.4.2020 - 20 NE 20.663 - BeckRS 2020, 5446; 20 NE 20.688 - BeckRS 2020, 5449; 20 NE 20.704 - BeckRS 2020, 5450; B.v. 28.4.2020 - 20 NE 20.849 - BeckRS 2020, 7227) davon ausgegangen, dass die im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Pandemie erlassenen Bestimmungen in § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG grundsätzlich eine ausreichende Rechtsgrundlage finden dürften (vgl. zum Begriff der Schutzmaßnahme insbesondere BayVGH, B.v. 30.3.2020 - 20 CS 20.611 - juris Rn. 9 ff.).
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Nach den in den genannten Entscheidungen dargestellten Maßstäben ist die vom Antragsteller angegriffene Verpflichtung zum Tragen einer MNB im Schulunterricht als Bestandteil des der 6. BayIfSMV in der Fassung der Änderungsverordnung vom 1. September 2020 zugrundeliegenden Gesamtkonzepts zum Schutz vor einer ungehinderten Ausbreitung bzw. zur Kontrolle des Infektionsgeschehens voraussichtlich von der Ermächtigungsgrundlage in § 28 Abs. 1 IfSG gedeckt. Nach § 28 Abs. 1 IfSG trifft die Behörde bei Vorliegen der sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen die notwendigen Schutzmaßnahmen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist, worunter eine Anordnung zum Tragen von Schutzmasken grundsätzlich fallen dürfte (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 7.7.2020 - 20 NE 20.1477 - juris (Gastronomie); B.v. 28.5.2020 - 20 NE 20.1017 - juris Rn. 10 ff.; BayVGH, B.v. 15.5.2020 - 20 NE 20.1102 - juris; vgl. auch VGH BW, B.v. 18.5.2020 - 1 S 1357/20 - juris). Bei Maßnahmen, welche Schulen betreffen, besteht die Besonderheit, dass der Gesetzgeber in § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG ausdrücklich die Schließung von Gemeinschaftseinrichtungen, zu denen Schulen nach § 33 Nr. 3 IfSG gehören, aufgenommen hat. Die Verpflichtung zum Tragen einer MNB im Unterricht stellt in diesem Zusammenhang eine Maßnahme zur Ermöglichung des Präsenz-Unterrichts dar und ist als betriebliche Regelung als einer gegenüber einer Schließung unterschwellige Maßnahme von der Ermächtigungsgrundlage der §§ 32 Satz 2, 28 Abs. 1 IfSG gedeckt (vgl. zum Abstandsgebot in Schulen: BayVGH, B.v. 3.7.2020 - 20 NE 20.1443 - BeckRS 2020, 15472 = juris Rn. 21).
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Weil bei Menschenansammlungen Krankheitserreger besonders leicht übertragen werden können, stellt § 28 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 IfSG klar, dass Anordnungen auch gegenüber Veranstaltungen oder sonstigen Zusammenkünften von Menschen sowie gegenüber Gemeinschaftseinrichtungen ergehen können („Schutzmaßnahmen gegenüber der Allgemeinheit“, BT-Drs 8/2468 S. 27 f.; BR-Drs 566/99 S. 169 f.). Schließlich können (sonstige) Dritte („Nichtstörer“) Adressaten von Maßnahmen sein, beispielsweise um sie vor Ansteckung zu schützen (vgl. § 28 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 IfSG; BT-Drs 8/2468 S. 27; BVerwG, U.v. 22.3.2012 - 3 C 16.11 - BVerwGE 142, 205 - juris Rn 26).
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Notwendige Schutzmaßnahme im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG kann auch die Verpflichtung zum Tragen einer MNB während des Unterrichts sein. Aus den speziellen Vorschriften für Schulen und sonstige Gemeinschaftseinrichtungen in §§ 33 ff. IfSG ergeben sich insoweit keine Beschränkungen. Die Regelungen in §§ 33 ff. IfSG sind nicht abschließend. Das bringt bereits die Überschrift zum 6. Abschnitt zum Ausdruck („Zusätzliche Vorschriften für Schulen und Gemeinschaftseinrichtungen“) und findet Bestätigung in den Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drs 8/2468 S. 29; BVerwG, U.v. 22.3.2012 - 3 C 16.11 - BVerwGE 142, 205 - juris Rn 27).
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Nach dem aktuellen Situationsbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 6. September 2020 gilt Folgendes:
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„Der seit Mitte Juli beobachtete Zuwachs in den übermittelten Fallzahlen hat sich in der letzten Woche stabilisiert und die 7-Tage-Inzidenz ist bundesweit wieder gesunken (s. Abbildung 3). Der R-Wert liegt aktuell um 1. Auffällig ist, dass sich in den letzten Wochen vermehrt jüngere Personen infiziert haben, so dass die 7-Tage-Inzidenz in jüngeren Altersgruppen deutlich höher ist als in älteren Altersgruppen. Bundesweit gibt es Ausbruchgeschehen in verschiedenen Landkreisen, die mit unterschiedlichen Situationen in Zusammenhang stehen, z.B. größeren Feiern im Familien- und Freundeskreis. Hinzu kommt, dass COVID-19-Fälle zu einem großen Anteil unter Reiserückkehrern, insbesondere in den jüngeren Altersgruppen, identifiziert werden. Die aktuelle Entwicklung ist positiv, muss aber weiter sorgfältig beobachtet werden. Der im Moment zu beobachtende Rückgang des Anteils der Verstorbenen unter den berichteten Fällen ist vornehmlich durch den relativ hohen Anteil an jüngeren Menschen unter den neu diagnostizierten Fällen zu erklären, von denen relativ wenige schwer erkranken und versterben. Eine erneute Zunahme der Neuinfektionen muss dennoch vermieden werden. Insbesondere gilt es zu verhindern, dass wie zu Beginn der Pandemie wieder vermehrt ältere und besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen erkranken. Sollten sich wieder vermehrt ältere Menschen infizieren, muss auch mit einem Wiederanstieg der Hospitalisierungen und Todesfälle gerechnet werden. Daher ist es weiterhin notwendig, dass sich die gesamte Bevölkerung im Sinne des Infektionsschutzes engagiert, z.B. indem sie Abstands- und Hygieneregeln konsequent - auch im Freien - einhält, Innenräume lüftet und, wo geboten, eine Mund-Nasen-Bedeckung korrekt trägt. Menschenansammlungen - besonders in Innenräumen - sollten möglichst gemieden und Feiern auf den engsten Familien- und Freundeskreis beschränkt bleiben. (…) Es handelt sich weltweit und in Deutschland um eine dynamische und ernst zu nehmende Situation. Weltweit nimmt die Anzahl der Fälle weiterhin zu. Die Anzahl der neu übermittelten Fälle war in Deutschland von etwa Mitte März bis Anfang Juli rückläufig, danach nahmen die Fallzahlen über einige Wochen zu und haben sich in der letzten Woche stabilisiert. Es kommt weiterhin bundesweit zu größeren und kleineren Ausbruchsgeschehen, insbesondere im Zusammenhang mit Feiern im Familien- und Freundeskreis und bei Gruppenveranstaltungen. Auch Reiserückkehrer, insbesondere in den jüngeren Altersgruppen, haben zu dem Anstieg der Fallzahlen im Juli und August beigetragen. Nach wie vor gibt es keine zugelassenen Impfstoffe und die Therapie schwerer Krankheitsverläufe ist komplex und langwierig. Das Robert Koch-Institut schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland weiterhin als hoch ein, für Risikogruppen als sehr hoch“ (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Sept_2020/2020-09-06-de.pdf? blob=publicationFile).
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Dem Erlass der streitgegenständlichen Regelung steht auch nicht der Parlamentsvorbehalt entgegen. Richtig ist zwar, dass der Senat in seinem Beschluss zur Schließung der Einzelhandelsgeschäfte (BayVGH, B.v. 27.4.2020 - 20 NE 20.793 - juris, Leitsatz 3) ausgeführt hat: „Sollte sich aufgrund der Fortentwicklung der Pandemielage jedoch zeigen, dass die grundrechtsbeeinträchtigenden Maßnahmen nicht mehr nur kurzfristiger Natur sind, sondern längere Zeit fortdauern, erscheint zweifelhaft, ob der Vorbehalt des Gesetzes als wesentlicher Grundsatz einer parlamentarischen Staatsform ohne den Erlass eines Maßnahmegesetzes durch den parlamentarischen Bundesgesetzgeber als Rechtsgrundlage für mittelfristig und langfristig wirkende Maßnahmen gewahrt werden kann.“ An dieser Rechtsprechung wird festgehalten, dabei ist jedoch je nach Maßnahme und Ausmaß der damit verbundenen Grundrechtsrelevanz zu differenzieren. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt:
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„Die Entscheidung wesentlicher Fragen ist vor diesem Hintergrund dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten (vgl. BVerfGE 45, 400 <417 f.>; 47, 46 <78 ff.>; 48, 210 <221>; 49, 89 <126 f.>; 58, 257 <269 ff.>; 61, 260 <275>; 83, 130 <142, 151 f.>; 101, 1 <34>; 108, 282 <311>; 136, 69 <114 Rn. 102>; 139, 19 <45 Rn. 52>). Damit soll gewährleistet werden, dass Entscheidungen von besonderer Tragweite aus einem Verfahren hervorgehen, das der Öffentlichkeit Gelegenheit bietet, ihre Auffassungen auszubilden und zu vertreten, und das die Volksvertretung dazu anhält, Notwendigkeit und Ausmaß von Grundrechtseingriffen in öffentlicher Debatte zu klären. Geboten ist ein Verfahren, das sich durch Transparenz auszeichnet und das die Beteiligung der parlamentarischen Opposition gewährleistet (vgl. BVerfGE 139, 19 <46 Rn. 53>). Wann und inwieweit es einer Regelung durch den Gesetzgeber bedarf, lässt sich nur mit Blick auf den jeweiligen Sachbereich und auf die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes bestimmen. Verfassungsrechtliche Anhaltspunkte sind dabei die tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere Art. 20 Abs. 1 bis 3 GG und die Grundrechte (vgl. BVerfGE 40, 237 <248 ff.>; 49, 89 <127>; 95, 267 <307 f.>; 98, 218 <251>; 136, 69 <114 Rn. 102>; 139, 19 <45 Rn. 52>). „Wesentlich“ bedeutet danach zum einen „wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte“ (vgl. BVerfGE 47, 46 <79>; 98, 218 <251>; 139, 19 <45 Rn. 52>). (…) Der Gesetzgeber ist zum anderen zur Regelung der Fragen verpflichtet, die für Staat und Gesellschaft von erheblicher Bedeutung sind. Die Tatsache, dass eine Frage politisch umstritten ist, führt für sich genommen allerdings noch nicht dazu, dass die entsprechende Regelung auch als „wesentlich“ verstanden werden müsste (vgl. BVerfGE 49, 89 <126>; 98, 218 <251>; 139, 19 <45 f. Rn. 52>).
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(…) Die Qualifikation einer Regelung als „wesentlich“ hat typischerweise ein Verbot der Normdelegation und ein Gebot größerer Regelungsdichte durch den parlamentarischen Gesetzgeber zur Folge (vgl. Brenner, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 7. Aufl. 2018, Art. 80 Rn. 37). Damit werden ergänzende Regelungen durch Rechtsverordnung zwar nicht völlig ausgeschlossen; die wesentlichen Entscheidungen müssen jedoch in einem formellen Gesetz enthalten sein (vgl. BVerfGE 136, 69 <113 ff. Rn. 102 ff.>; sowie insbesondere für den Anwendungsbereich von Art. 103 Abs. 2 GG vgl. BVerfGE 143, 38 <57 f. Rn. 47>). Die Wesentlichkeitsdoktrin enthält insoweit auch Vorgaben für die Frage, in welchem Umfang (vgl. BVerfGE 34, 165 <192 f.>; 49, 89 <127, 129>; 83, 130 <142>; 101, 1 <34>; 139, 19 <47 Rn. 54>) und in welcher Bestimmtheit der Gesetzgeber selbst tätig werden muss (vgl. BVerfGE 83, 130 <152>; 101, 1 <34>; 123, 39 <78>). Das Bestimmtheitsgebot stellt sicher, dass Regierung und Verwaltung im Gesetz steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden und dass die Gerichte eine wirksame Rechtskontrolle durchführen können. Bestimmtheit und Klarheit der Norm erlauben es ferner, dass die betroffenen Bürgerinnen und Bürger sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen können (vgl. BVerfGE 110, 33 <52 ff.>; 113, 348 <375 ff.>; 120, 378 <407 f.>; 133, 277 <336 Rn. 140>; 141, 220 <265 Rn. 94>; 145, 20 <69 Rn. 125>). Der Grad der verfassungsrechtlich gebotenen Bestimmtheit hängt dabei von den Besonderheiten des in Rede stehenden Sachbereichs und von den Umständen ab, die zu der gesetzlichen Regelung geführt haben (vgl. BVerfGE 28, 175 <183>; 131, 268 <307>; 134, 33 <81 f. Rn. 112>; 143, 38 <55 Rn. 41>). Dabei sind die Bedeutung des Regelungsgegenstandes und die Intensität der durch die Regelung oder aufgrund der Regelung erfolgenden Grundrechtseingriffe ebenso zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 86, 288 <311>; 93, 213 <238>; 102, 254 <337>; 131, 88 <123>; 133, 277 <336 f. Rn. 140>; 145, 20 <69 Rn. 125>) wie der Kreis der Anwender und Betroffenen der Norm (vgl. BVerfGE 128, 282 <317 f.>) sowie deren konkretes Bedürfnis, sich auf die Normanwendung einstellen zu können. Keinesfalls reicht der an Regelungsumfang und Detailgrad anzulegende Maßstab so weit, dass der rechtstaatliche Zweck des Bestimmtheitsgebots, die Vorhersehbarkeit der Rechtsordnung zu stärken, in sein Gegenteil verkehrt würde (vgl. auch BVerfGE 49, 89 <137>).“
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Hieraus kann für den vorliegenden Fall abgeleitet werden, dass die Verpflichtung für Schülerinnen und Schüler in Bayern, vorübergehend (nach der erklärten Absicht des Antragsgegners zunächst nur für die ersten neun Schultage des Schuljahres) eine MNB auch während des Unterrichtes zu tragen, keiner parlamentarischen Regelung durch den Bundesgesetzgeber bedarf. Zum einen hält sich der durch die streitgegenständliche Maskenpflicht resultierende Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) der Schüler durch die zeitliche Begrenzung der Maßnahme und die Ausnahmeregelungen in Grenzen. Auch wenn der Antragsteller die beabsichtigte zeitliche Befristung der Trageverpflichtung bezweifelt, ist der erst am 2. September 2020 in Kraft getretene § 16 Abs. 2 6. BayIfSMV lediglich bis 18. September 2020 befristet und soll nicht mehr verlängert werden (so auch der „Rahmen-Hygieneplan zur Umsetzung des Schutz- und Hygienekonzepts für Schulen nach der jeweils geltenden Infektionsschutzmaßnahmenverordnung“ vom 2. September 2020 (Geltung ab dem Schuljahr 2020/2021; Stand: 02.09.2020) des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus (StMUK) in Abstimmung mit dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit
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und Pflege (StMGP); https://www.km.bayern.de/allgemein/meldung/7061/neuer-rahmen-hygieneplan-fuer-schulen-liegt-vor.html). Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Verpflichtung zum Tragen der MNB für bestimmte Schülergruppen und aus zwingenden pädagogisch-didaktischen oder schulorganisatorischen Gründen nach § 16 Abs. 2 Satz 2 6. BayIfSMV und nach den allgemeinen Ausnahmeregeln nach § 1 Abs. 2 6. BayIfSMV nicht gilt. Schließlich ist bei der Beurteilung einzubeziehen, dass die besondere Bedeutung der Schulen als Gemeinschaftseinrichtungen bei der Bekämpfung einer übertragbaren Krankheit nach § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG ihren ausdrücklichen Niederschlag im Wortlaut der Vorschrift gefunden hat.
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Hinsichtlich Art und Umfang der Bekämpfungsmaßnahmen - „Wie“ des Eingreifens - ist der Behörde ein Handlungsermessen eingeräumt. Das behördliche Ermessen wird dadurch beschränkt, dass es sich um „notwendige Schutzmaßnahmen“ handeln muss, nämlich Maßnahmen, die zur Verhinderung der (Weiter-)Verbreitung der Krankheit geboten sind. Darüber hinaus sind dem Ermessen durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2012 - 3 C 16.11 - BVerwGE 142, 205 - juris Rn 26).
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Es spricht Überwiegendes dafür, dass der Verordnungsgeber auf der Rechtsfolgenseite von dem ihm zukommenden Verordnungsermessen in rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht hat. Die Verpflichtung zum Tragen einer MNB während des Unterrichtes ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt verhältnismäßig.
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Die in Bayern zum 8. September 2020 geplante Wiederaufnahme des (angepassten) Regelbetriebs an weiterführenden Schulen, mit der der Antragsgegner dem gesetzlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag nach Art. 1 Abs. 1 BayEUG nachkommt, geht aus Sicht des Verordnungsgebers epidemiologisch mit einer gesteigerten Gefahrensituation einher. Die Verpflichtung, auch während des Unterrichts grundsätzlich eine MNB zu tragen, trägt dem Rechnung. Die Maßnahme dient einem legitimen Zweck und ist zur Verfolgung dieses Zwecks geeignet. Sie soll dazu beitragen, die Weiterverbreitung des SARS-CoV-2-Virus unter den Schülern und Lehrern sowie deren Bezugspersonen außerhalb des Unterrichts zumindest zu reduzieren und hierdurch die Virusausbreitung in der Bevölkerung insgesamt (bis zur Entwicklung von antiviralen Medikamenten oder von Impfstoffen) einzudämmen. Damit wiederum soll die mit einer unkontrollierten Infektionsausbreitung einhergehende Gefahr einer Erkrankung vieler Menschen mit teilweise schwerwiegenden und tödlichen Krankheitsverläufen sowie einer Überforderung des Gesundheitssystems vermieden werden (OVG NRW, B.v. 20.8.2020 - 13 B 1197/20.NE - juris Rn 47; B.v. 27.8.2020 - 13 B 1220/20.NE - juris). Das Infektionsrisiko von Kindern und Jugendlichen sowie deren Relevanz bei der Übertragung des Virus auf andere Personen lässt sich noch nicht abschließend beurteilen. Nach gegenwärtigen Erkenntnissen können sich grundsätzlich auch Kinder und Jugendliche mit dem Coronavirus infizieren und dieses weitergeben. Lediglich für jüngere Kinder unter zehn Jahren gibt es Hinweise, dass sie eine geringere Rolle im Infektionsgeschehen spielen könnten. Sind Kinder und Jugendliche infiziert, zeigen sie häufiger als Erwachsene keine oder nur milde Krankheitssymptome; nur selten weisen sie schwere Symptome auf, und die Letalität ist äußerst gering. Für die Kontrolle des Infektionsgeschehens stellt der oftmals asymptomatische bzw. sehr milde unspezifische Verlauf eine besondere Herausforderung dar, weil sich dadurch Infektionen unbemerkt ausbreiten können (Vgl. Robert Koch-Institut, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Kinder und Jugendliche, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792bodyText16 Stand: 4.9.2020, und Epidemiologisches Bulletin 19/2020, Wiedereröffnung von Bildungseinrichtungen - Überlegungen, Entscheidungsgrundlagen und Voraussetzungen, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/ EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/19_20.pdf? blob=publicationFile, Stand: 7. Mai 2020; Gesellschaft für Virologie e. V., Stellungnahme der Ad-hoc-Kommission SARS-CoV-2 der Gesellschaft für Virologie: SARS-CoV-2-Präventionsmassnahmen bei Schulbeginn nach den Sommerferien, 6. August 2020, abrufbar unter: https://www.g-f-v.org/node/1326). Grundsätzlich kann es auch in Bildungseinrichtungen zur Verbreitung von SARS-CoV-2 kommen, wie z.B. Ausbrüche an Schulen in Frankreich, Südkorea oder Israel gezeigt haben (vgl. Gesellschaft für Virologie e. V., Stellungnahme der Ad-hoc-Kommission SARS-CoV-2 der Gesellschaft für Virologie: SARS-CoV-2-Präventionsmassnahmen bei Schulbeginn nach den Sommerferien, 6. August 2020, abrufbar unter: https://www.g-f-v.org/sites/default/files/Stellungnahme %20GfV_Bildungseinrichtungen_20200806_final_sent.pdf).
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Weiter ist zu berücksichtigen, dass vor Beginn des neuen Schuljahres eine nicht unbeträchtliche Zahl von Schülern und Lehrern von Reisen (auch aus sog. Risikogebieten) zurückgekehrt ist. Ein sehr gewichtiger Teil der derzeit auftretenden Neuinfektionen ist in Bayern auf Reiserückkehrer aus dem Ausland zurückzuführen (Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Epidemiologischer SARS-CoV-2 Situationsbericht vom 2.9.2020, S. 17). Angesichts dieser Risikobewertung lässt weder der Umstand, dass die Infektionszahlen regional unterschiedlich hoch sind noch der Hinweis darauf, dass gegenwärtig Intensivbetten in einem erheblichen Umfang frei sind, auf eine Verminderung oder gar einen Wegfall der Gefährdungssituation schließen (OVG NRW, B.v. 20.8.2020 - 13 B 1197/20.NE - juris Rn 47; B.v. 27.8.2020 - 13 B 1220/20.NE - juris).
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Das Tragen einer MNB ist als Mittel auch grundsätzlich geeignet, die weitere Ausbreitung von COVID-19 zu bekämpfen. Ein Mittel ist bereits dann geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Es ist nicht erforderlich, dass der Erfolg in jedem Einzelfall auch tatsächlich erreicht wird oder jedenfalls erreichbar ist; die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt (BVerfG, B. v. 10.4.1997 - 2 BvL 45/92 - juris, Rn. 61). Von einer entsprechenden Geeignetheit der Verpflichtung zum Tragen einer MNB zur Bekämpfung der Ausbreitung von COVID-19 geht der Senat in ständiger Rechtsprechung aus (vgl. nur BayVGH, B.v. 7.7.2020 - 20 NE 20.1477 - BeckRS 2020, 16176 m.w.N.). Warum dies beim Tragen einer MNB durch Schüler während des Unterrichts anders bewertet werden sollte, ist nicht ersichtlich.
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Die Maßnahme ist auch erforderlich, ein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Erreichung des legitimen Zweckes ist nicht ersichtlich. Aufgrund der besonderen Situation zu Beginn eines neuen Schuljahres mit modifiziertem Regelbetrieb, bei dem die Einhaltung eines Sicherheitsabstandes nicht immer gewährleistet werden kann, und der Tatsache, dass ein Regelbetrieb im Prinzip seit Mitte März 2020 in Bayern nicht mehr stattgefunden hat, spricht viel dafür, dass das Tragen einer MNB im Unterricht durch die Schüler ab der fünften Jahrgangsstufe ein erforderliches Mittel ist, um einen möglichen erheblichen Anstieg der Neuinfektionen mit SARS-CoV-2 zu verhindern oder wenigstens deutlich abzumildern. In dieser Situation dürfte dem Verordnungsgeber aufgrund des Beginnes des Schuljahres mit zahlreichen infektiologisch ins Gewicht fallenden Reiserückkehrern und der immer noch unsicheren epidemiologischen Lage ein Einschätzungsspielraum (vgl. BVerfG, B.v. 13.5.2020 - 1 BvR 1021/20 - juris Rn. 10) zuzugestehen sein. Insoweit wirkt die bayernweite Verpflichtung zum Tragen einer MNB im Unterricht während der ersten neun Unterrichtstage als eine Maßnahme im Rahmen eines Maßnahmebündels. Aufgrund der bekannten Inkubationszeit von bis zu zwei Wochen und dem häufig vom Infizierten unbemerkten Verlauf einer Infektion mit SARS-CoV-2, sowie dem Umstand, dass Infizierte schon ansteckend sind, bevor sie erste Symptome ausweisen, erscheint ein Hygienekonzept ohne die Verpflichtung zum Tragen einer MNB nicht ebenso geeignet. In diesem Zusammenhang bejaht auch die Ad-hoc-Kommission SARS-CoV-2 der Gesellschaft für Virologie unter Hinweis auf neuere wissenschaftliche Erkenntnisse eine zunehmende Evidenz zur Schutzwirkung von Alltagsmasken bei deren konsequentem und korrektem Einsatz und spricht sich vor diesem Hintergrund aus (alleiniger) virologischer Sicht für das konsequente Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen in allen Schuljahrgangsstufen und während des Unterrichts aus (vgl. Gesellschaft für Virologie e. V., Stellungnahme der Ad-hoc-Kommission SARS-CoV-2 der Gesellschaft für Virologie: SARS-CoV-2-Präventionsmassnahmen bei Schulbeginn nach den Sommerferien, 6. August 2020, abrufbar unter: https://www.g-f-v.org/sites/default/files/ Stellungnahme%20GfV_Bildungseinrichtungen_20200806_ final_sent.pdf).
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Die Maßnahme ist auch angemessen. Der beabsichtigte Verordnungszweck steht nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs beim Tragen einer MNB im Unterricht an den ersten neun Schultagen. Die Maßnahme beschränkt das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG). Diese Rechte gelten jedoch nicht unbeschränkt, sondern unterliegen einem Gesetzesvorbehalt und treten derzeit im Ergebnis gegenüber dem mit der Verordnung bezweckten Schutz von Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) sowie dem staatlichen Unterrichtsauftrag zurück. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die betroffenen Schüler, vorbehaltlich etwaiger Ausnahmen zum Eigenschutz oder Schutz vorerkrankter Angehöriger, zwar grundsätzlich der Schulpflicht unterliegen und sich der Maßnahme von daher nicht entziehen können. Diese Konsequenz wird jedoch zumindest partiell dadurch abgemildert, dass regelhaft Ausnahmen von der Pflicht zum Tragen einer MNB im Einzelfall aufgrund pädagogischer und medizinischer Gründe zugelassen sind (OVG NW, B.v. 20.8.2020 - 13 B 1197/20.NE - juris Rn 47; B.v. 27.8.2020 - 13 B 1220/20.NE - juris). Insoweit und ggf. durch eine Befreiung von Schülerinnen und Schülern mit Grunderkrankungen von der Präsenzpflicht (vgl. S. 25 des Rahmen-Hygieneplans) kann beim Vollzug der Tragepflicht den berechtigten Belangen der einzelnen Schülerinnen und Schüler Rechnung getragen werden.
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Soweit die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung darüber hinaus zu Beeinträchtigungen des Schulunterrichts und zu erschwerten Unterrichtsbedingungen führt, weil beispielsweise Wortbeiträge mit höherer Lautstärke vorgetragen werden müssen, die mimische Kommunikation eingeschränkt wird oder die Konzentration der Schüler infolge der Tragedauer leidet, stellt dies die Angemessenheit der Maßnahme nicht durchgreifend in Frage. Dabei ist insbesondere in Rechnung zu stellen, dass die Anordnung zum Tragen einer MNB im Unterricht aus virologischer Sicht einen wesentlichen Beitrag dazu leistet, in der gegenwärtigen pandemischen Lage in Bayern erneute coronabedingte (Teil-)Schließungen von Schulen so weit wie möglich zu vermeiden. Die mit der Verpflichtung einhergehenden Einschränkungen sind insofern in Anbetracht des (auch) mit der Maskenpflicht sicherzustellenden regulären Schulbetriebs und der damit einhergehenden Gewährleistung des Präsenzunterrichts und von Bildungsgerechtigkeit für alle Schülerinnen und Schüler nicht nur hinnehmbar, sondern dienen einem interessengerechten Ausgleich der betroffenen Rechte der Schüler (OVG NW, B. v. 20.8.2020 - 13 B 1197/20.NE - juris Rn. 111).
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Schließlich ist die Verordnung in ihrer zeitlichen Geltung befristet und gilt aktuell nur bis zum 18. September 2020.
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bb) Selbst wenn man schließlich die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollverfahrens als offen betrachten würde, führte eine Folgenabwägung dazu, dass die von dem Antragsteller geltend gemachten Gründe für die einstweilige Außervollzugsetzung die für den weiteren Vollzug der angegriffenen Vorschrift sprechenden Gründe nicht überwiegen. Durch den Vollzug der angegriffenen Bestimmung kommt es - wie oben dargelegt - nicht zu schwerwiegenden Eingriffen in die Grundrechte der betroffenen Personen. Demgegenüber wäre das Gewicht eines rechtswidrigen Eingriffs weniger hoch einzuschätzen als die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Normen. Würde der Vollzug der Bestimmungen ausgesetzt, wäre jedenfalls nicht auszuschließen, dass es - in welchem Umfang auch immer - zu vermehrten Infektionsfällen an den Schulen und darauf folgend in den Familienhaushalten in Bayern kommen könnte. Die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland wird derzeit immer noch insgesamt als hoch eingeschätzt, für Risikogruppen sogar als sehr hoch (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_ Coronavirus/Situationsberichte/Sept_2020/2020-09-03-de.pdf? blob= publicationFile).
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Bei einer Abwägung zeitlich befristeter (vom Verordnungsgeber fortlaufend auf ihre Verhältnismäßigkeit zu evaluierender, vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 - 1 BvQ 31/20 - juris Rn. 16) Eingriffe in das Grundrecht der Normadressaten auf persönliche Freiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) mit dem Grundrecht behandlungsbedürftiger, teilweise lebensbedrohlich erkrankender Personen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG setzt sich der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit durch (ebenso i. Erg.: OVG NRW, B. v. 20.8.2020 - 13 B 1197/20.NE - juris Rn 116; B. v. 27.8.2020 - 13 B 1220/20.NE - juris).
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Da die vom Antragsteller teilweise angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 18. September 2020 außer Kraft tritt (§ 24 6. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit hier nicht angebracht erscheint.
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Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).