Titel:
Rechtsgrundlage zur Bodendeckung zum Vegetationsende
Normenketten:
DelegiertenVO (EU) 723/2017 Art. 1 Abs. 4, Art. 23
AgrarZahlVerpflV § 5 Abs. 6
VO/ EU 1307/2013 Art. 46 Abs. 2
VO (EU) 640/2014 Art. 26 Abs. 2
DirektZahlDurchV § 18 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 4, Art. 31
VO 809/2014 Art. 24 Abs. 4, Art. 41
VwGO § 67 Abs. 4 S. 4, § 154, § 162 Abs. 2, S. 2, § 167
VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 Art. 2 Abs. 2
VO (EU) 1306/2013 Art. 77 Abs. 2 lit. e
Leitsätze:
Für das Erfordernis von mehr als 40% Bodendeckung zum Vegetationsende fehlt es an einer normativen Rechtsgrundlage. (Rn. 26)
1. Nach Art. 2 Abs. 2 VO 2988/95 kann eine verwaltungsrechtliche Sanktion nur verhängt werden, wenn sie in einem Rechtsakt der Gemeinschaften vor dem Zeitpunkt der Unregelmäßigkeit vorgesehen ist. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der unbestimmte Begriff „ordentlicher Bestand“ lässt mehrere Auslegungen zu. Wenn man unter dem Begriff „gepflegt“ oder „ungepflegt“ versteht, so könnte man eine Ackerfläche, auf der die Saat in ordentlichen Reihen und Abständen gesät und aufgegangen ist, als einen ordentlichen Bestand bezeichnen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Werden bei einer Kontrolle Verstöße gegen EU-Recht und darauf gestütztes nationales Recht festgestellt, müssen die Anforderungen an den Inhalt eines Protokolls und auch die Verfahrens- und Mitwirkungsrechte des betroffenen Landwirts eingehalten werden. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ökologische Vorrangfläche, Greeningprämie, Mehr als 40% Bodendeckung zum Vegetationsende, Zwischenfruchtanbau, Sanktion, Bodendeckung, Ackerfläche, Direktzahlungen, Mitwirkungsrechte, Basis-Prämien-Regelung, Ökologiesierungszahlung, ordentlicher Bestand, Vorrangfläche
Fundstelle:
BeckRS 2020, 21549
Tenor
I. Der Beklagte wird verpflichtet, unter Abänderung des Bescheids des AELF A. vom 13.12.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 04.07.2019 und des weiteren Widerspruchsbescheids vom 15.07.2019 dem Kläger die Greeningprämie für das Jahr 2017 auch für die Feldstücke 4 und 12 ungekürzt und unter Aufhebung der Sanktion zu bewilligen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Zuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger möchte erreichen, dass er die mit Bescheid des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten A. vom 13.12.2017 für das Jahr 2017 um die Greeningprämie gekürzte Direktzahlung ungekürzt erhalten kann. Mit diesem Bescheid wurden dem Kläger für das Jahr 2017 Direktzahlungen von insgesamt 4.252,17 EUR zugeteilt, aber aufgrund Nichteinhaltung der Verpflichtung zur Ausweisung einer Flächennutzung im Umweltinteresse (ÖVF) bei der Greeningprämie für 8,165 ha die entsprechenden Zahlungsansprüche abgezogen. Betriebsinhaber, deren Ackerland mehr als 15 ha beträgt, müssen gemäß Art. 46 Abs. 1 VO (EU) Nr.1307/2013 ab 2015 grundsätzlich mindestens 5% der beantragten Ackerfläche als ökologische Vorrangflächen bereitstellen. Der Kläger wies dafür auf dem Feldstück 4 „E.“ mit 2,35 ha und auf dem Feldstück 12 „B.“ ÖVF - mit 1,05 ha „Silomais und Zwischenfrüchte“ im Umfang von 3,40 ha aus, bei einer Gewichtung von 0,3 entsprach dies 1,02 ha anrechenbare ÖVF.
2
Bei einer Vor-Ort-Kontrolle durch den Prüfdienst des AELF A. am 29.11.2017 wurde festgestellt, dass auf den Feldstücken 4 und 12 keine ausreichende Bodendeckung durch Zwischenfrüchte vorhanden sei. Die festgestellte Bodendeckung betrage weniger als 40%.
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Nach den Förderrichtlinien muss die Zwischenfrucht bzw. Grasuntersaat vor Vegetationsende einen ordentlichen Bestand aufweisen. Aus Sicht der EU-Kommission ist dazu erforderlich, dass der Bestand eine Bodendeckung von über 40% aufweist (siehe dazu Merkblatt Mehrfachantrag 2017 Nummer 6.2.3). Am 06.12.2017 erfolgte eine mündliche Anhörung des Klägers. Ein Kontrollbericht lag offenbar nicht vor.
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Mit Bescheid des Amtes A. vom 13.12.2017 wurde dem Kläger daher die Greeningprämie nur gekürzt für eine Fläche von 4,90 ha gewährt.
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Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 21.01.2018 fristgerecht Widerspruch ein. Zur Begründung ließ er vortragen, dass die beiden Gräben, welche die Fläche entwässern sollten, von der Stadt N. nicht ausreichend unterhalten würden. Demzufolge hätte das Wasser nicht ordnungsgemäß abfließen können. Mit Schreiben vom 22.02.2019 ließ der Kläger einen Lieferschein und die dazugehörigen Rechnungen 29.09.2017 für das Zwischenfruchtsaatgut vorlegen. Er argumentierte weiter, dass bei einer Räumung eines der beiden Gräben ein Baustahlgewebe entdeckt worden sei, sodass deshalb ein ordnungsgemäßes Abfließen des Wassers nicht möglich gewesen sei. Das Grundstück des Klägers sei somit rechtswidrig beeinträchtigt worden, deshalb sei von einer Sanktionierung abzusehen. Auch sei die Witterung nicht optimal gewesen. Die Zahl von 40% Bodendeckung sei keine zwingende Vorgabe. Der ordentliche Bestand würde jedenfalls davon abhängen, wie sich die Vegetation konkret im jeweiligen Jahr darstelle. Das Vegetationsende sei jedenfalls nicht der 29.11.2017 gewesen. Ökologische Vorrangflächen müssten 5% des Ackerlandes ausmachen, konkret seien dies 0,82 ha. Aus der Akte sei nicht ersichtlich bzw. lasse sich jedenfalls nicht das Gegenteil erschließen, dass diese Vorgabe nicht eingehalten worden wäre. Die Ausführungen des Amts im Vorlageschreiben an die Widerspruchsbehörde vom 12.07.2018, wonach der Auflagenverstoß ausschließlich auf die vom Landwirt zu vertretende späte Aussaat zurückzuführen sei, sei nicht nachvollziehbar. Das zulässige Zeitfenster für die Zwischenfruchtansaat sei der 16. Juli bis spätestens 1. Oktober. Eine zu späte Aussaat könne nicht vorliegen bzw. nicht sanktioniert werden.
6
Die Staatliche Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wies mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 05.07.2019 und 15.07.2019 die Widersprüche als unbegründet zurück. Nach den Förderbedingungen müsse die Zwischenfrucht bei Vegetationsende eine Bodendeckung von über 40% aufweisen. Es handele sich um eine zwingende Vorgabe, wie sich aus dem Wort „muss“ ergebe. Der Anbau der Zwischenfrucht müsse so rechtzeitig erfolgen, dass die Zwischenfrucht vor Vegetationsende einen ordentlichen Bestand aufweise. Grundsätzlich entscheidend sei allerdings, dass die 2. Bedingung, nämlich der ordentliche Bestand der Zwischenfrucht (Bodendeckung über 40%) bei Vegetationsende erfüllt werde. Der Landwirt habe den Zeitpunkt der Aussaat so zu kalkulieren, dass die Erfüllung auch dieser Bedingung überhaupt möglich ist. Die vorgelegten Saatgutrechnungen lassen erkennen, dass der Kläger das Zwischenfruchtsaatgut erst am 29.09.2017 kaufte. Beim Saatgut handele es sich um die Sorte GreenTip Zwischenfrucht Eco, welche sich aus Ölrettich und Senf zusammensetze. Aus einer Produktinformation lasse sich entnehmen, dass bereits ab Mitte September die kritische Zeit für Zwischenfruchtarten vor dem Winter sei. Es sei von 40-60 Vegetationstagen auszugehen. In Anbetracht dieser Fakten sei bereits der zeitliche Ansatz zu spät erfolgt. Das Vegetationsende habe kein fixes Datum. Als Vegetationsperiode werde in der Regel die Zeitspanne zwischen Beginn und Ende der frostfreien Periode eines Jahres bezeichnet, in der Pflanzen aktiv wachsen. Als Grundlage zur Feststellung dieser Periode diene eine Tagesmitteltemperatur von 5° C. Das Vegetationsende sei regelmäßig der Tag, an dem das erste negative Tagesmittel der Lufttemperatur, also unter 5° C, registriert werde. Nach den Wetteraufzeichnungen der Wetterstation N. aus dem November 2017 trat dieser Zeitpunkt sogar bereits Mitte November 2017 ein. Die Tatsache, dass auf dem Grundstück ein Baustahlgewebe verbaut sei, habe in Bezug auf die Nichteinhaltung der Verpflichtungen keine Auswirkungen. Die Nichteinhaltung gehe ausschließlich zulasten des Klägers. Die Kürzung der Greeningprämie berechne sich nach Art. 26 der Delegiertenverordnung (EU) Nr.640/2014 und setzte sich für das Jahr 2017 aus einer Greening-Flächenkürzung und einer Sanktion zusammen. Die Kürzung der Prämie berechne sich, indem von der erforderlichen ÖVF die beantragte tatsächlich angebaute ÖVF abgezogen werde und diese Verstoßfläche mit 10 multipliziert werde. Das für den Kläger festgestellte maßgebliche Ackerland 2017 habe nach Abgang des Feldstückes 2 mit 0,25 ha und Anpassung des Feldstückes 3 mit 0,39 ha insgesamt 16,24 ha betragen. Damit hätte der Kläger mindestens 0,812 ha, entspricht 5% des Ackerlandes, als ÖVF zur Verfügung stellen müssen. Die von ihm angemeldeten anrechenbaren ÖVF auf den Feldstücken 4 und 12 seien aber aberkannt worden. Daher fehlten ihm die erforderlichen 0,812 ha komplett. Dies ergebe einen Gesamtabzug aufgrund des Greeningsverstoßes in Höhe von 8,12 ha, (0,812 ha x 10).
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Seit dem Antragsjahr 2017 sei für diesen Verstoß eine zusätzliche Sanktion zu verhängen. Die Sanktion berechne sich aus dem Verhältnis des Gesamtabzugs, hier 8,12 ha, zur Greeningfläche nach dem Gesamtabzug, im vorliegenden Fall 16,24 ha - 8,12 ha. Als Sanktionsmaß sei die landwirtschaftliche Fläche von 16,24 ha heranzuziehen. Die abgezogene Greeningfläche betrage 8,12 ha. Dies liege über 50% der landwirtschaftlichen Fläche. Als Sanktionsbegrenzung ist diese Fläche im Antragsjahr 2017 durch den Faktor 5 zu teilen. Es ergebe sich daher eine zusätzliche Abzugsfläche als Sanktion von 16,24 ha/5 = 3,248 ha. Als Gesamtkürzung seien dem Kläger daher von seiner beihilfefähigen Fläche 11,362 ha (8,12 + 3,248 ha) abgezogen worden, sodass eine beihilfefähige Fläche von 4,872 ha verbleibe. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid, der dem Klägervertreter am 09.07.2019 zugestellt worden ist, Bezug genommen. Die Staatliche Führungsakademie hat auch mit Bescheid vom 04.04.2019 den Widerspruch des Klägers bezüglich Direktzahlungskürzungen mit inhaltlich gleicher Begründung zurückgewiesen.
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Der Kläger ließ am 23.07.2019 Klage bei Gericht einreichen und beantragt,
- 1.
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den Bescheid des AELF A. vom 13.12.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 04.07.2019 und des weiteren Widerspruchsbescheids vom 15.07. 2019 aufzuheben, soweit er abgelehnt wurde.
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der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger auf seinen Antrag vom 08.05.2017 hin für das Jahr 2017 Direktzahlungen, ohne Abzüge bei der Greeningprämie bzw. Sanktion wegen Nichteinhaltung von Verpflichtungen zum Erhalt der Greeningprämie, zu gewähren,
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hilfsweise, der Beklagte wird verpflichtet, den Antrag des Klägers vom 08.05.2017 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbeschieden.
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die Zuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen das Vorbringen im Widerspruchsverfahren wiederholt. Ergänzend wird noch vorgetragen, dass das verwendete Saatgut nach den Erläuterungen schnell wachsend sei. Je nach Saatzeit biete der Bestand im nächsten Jahr guten Erosionsschutz.
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Es sei unter Berücksichtigung, dass das Wasser wegen des Betonrohrs nicht ordentlich abfließen könne, ein ordentlicher Bestand vorhanden gewesen. Ein ordnungsgemäßer Abfluss sei immer noch nicht gegeben, wie die vorgelegten Lichtbilder, aufgenommen bei Trockenzeit, Anlage K5, zeigten. Der Betondurchlass sei zu hoch eingebaut worden. Ein Abfluss sei deshalb nicht möglich. Außerdem baue ständig ein Biber im Rohr Biberdämme. Sowohl der Umstand des falschen Einbaus als auch die Biberproblematik sei der Stadt N. bekannt.
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Es werde beantragt, dazu als Zeugen Herrn S., zu laden über die Stadt N., zu vernehmen.
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Das angestaute Wasser drücke großflächig ins Erdreich und vernässe es.
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Es werde beantragt, dazu Augenschein zu nehmen und ein Sachverständigengutachten einzuholen und den Zeugen S. zu vernehmen.
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Nicht nachvollziehbar sei, dass auf dem Feldstück 4 die Aussaat nicht ordnungsgemäß gewesen sei. Die in der Akte befindlichen Lichtbilder, Blatt 50, dürften sich wohl allein auf das Feldstück 12 beziehen. Auf dem Feldstück 4, das Luftlinie ca. 800 m vom Feldstück 12 entfernt liege, sei jedenfalls ein ausreichender Zwischenfruchtbestand vorhanden gewesen. Staunässe sei dort nicht vorhanden. Auch dies zeige, dass rechtzeitig ausgesät worden sei.
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Auch dazu werde Augenschein und Zeugenbeweis sowie Sachverständigengutachten beantragt. Ferner werde beantragt, Herrn F. zu laden über das Amt für Landwirtschaft A2. als Zeugen und Sachverständigen zu vernehmen.
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Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass der Zeuge S. erklärt habe, dass der Betonrohrdurchlass bereits seit mehreren Jahrzehnten unter der südwestlich des Flurstücks 12 verlaufenden Straße verbaut sei. Ferner werde bestritten, dass es aufgrund der Lage des Feldstücks immer wieder zu Überschwemmungen kommen würde und die Gräben regelmäßig geräumt werden.
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Dafür werde beantragt, den Zeugen S. zu vernehmen. Ferner werde beantragt, einen gerichtlichen Augenschein durchzuführen. Darüber hinaus solle ein landwirtschaftlicher Sachverständiger zu diesem Augenschein hinzugezogen werden. Der Beweisantrag werde in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich gestellt werden. Es werde eine Verhandlung vor Ort unter Beiziehung eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen ausdrücklich beantragt.
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Der Beklagte beantragt,
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Zur Begründung wird auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen und ergänzt: Wie eine telefonische Rücksprache bei der Stadt N. am 06.02.2020 ergeben habe, sei der aus Sicht der Klägerseite zu hoch eingebaute Betonrohr-Durchlass bereits seit mehreren Jahrzehnten unter der südwestlich des Feldstückes 12 verlaufenden Straße verbaut. Warum es trotz dieses seit mehreren Jahrzehnten bestehenden Umstandes lediglich bei den im Jahr 2017 angebauten Zwischenfruchtanbau zu Einschränkungen im Aufwuchs gekommen sein soll, bleibe weiterhin ungeklärt. Außerdem liege das Feldstück 12 in einem Überschwemmungsgebiet. Dies sei auch dem Kläger bekannt. Es sei dort immer wieder zu Überschwemmungen gekommen. Deshalb würden die Gräben auch regelmäßig geräumt.
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Lichtbilder des zweiten betroffenen Feldstücks 4 vom Tag der Kontrolle lägen nach aktueller Auskunft nicht vor. Es gebe jedoch keinerlei Anhaltspunkte die objektiven Feststellungen hinsichtlich beider Feldstücke in Zweifel zu ziehen.
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Das Gericht hat den Beklagten aufgefordert, schriftliche Aufzeichnungen und Fotos zu den Feststellungen beim Ortstermin am 29.11.2017 vorzulegen. Es bat um sofortige Nachreichung des Protokolls des Ortstermins.
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Der Beklagte legte daraufhin mit Schriftsatz vom 05.07.2020 nur Erläuterungen zu den Fotos des Feldstückes 12 vor. Ein Kontrollbericht wurde nicht vorgelegt. Ferner legte der Beklagte auch einen Aufsatz zum Thema:“ Zerstörungsfreie Methode zur Schätzung der Biomasse von Zwischenkulturen“ vor.
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Das Gericht bat daraufhin mit Schreiben vom 15.07.2020 um Abhilfe, da offenbar kein Kontrollbericht vorliege und jedenfalls Nachweise für Feldstück 4 nicht erbracht werden können. Außerdem wies es darauf hin, dass möglicherweise nur ein Verstoß geringen Charakters vorliege, weil die Zwischenfruchtflächen durch ihren Bestand im Winter bis zum Februar eine positive ökologische Wirkung im Vergleich zu vegetationslosen Flächen haben und deshalb von einer Sanktion abgesehen werden könnte. Der Beklagte antwortete daraufhin, dass es sich nur um eine Verwaltungskontrolle gehandelt habe, bei der die Vorschriften für eine Vor-Ort-Kontrolle nicht eingehalten werden müssen. Die Kürzungen und Sanktionen ergeben sich aus Titel III, Kapitel 3 der VO(EU) Nr. 1306/2013 und der Delegiertenverordnung 640/2014. Die Abstufung nach Angemessenheit sei bereits durch den EU-Verordnungsgeber vorgenommen worden. Der Rückgriff auf einen geringfügigen Verstoß sei daher nicht möglich. Deshalb werde eine Abhilfe nicht vorgenommen. Das Gericht hat mit Schreiben vom 21.07.2020 darauf hingewiesen, dass es für das Erfordernis von mehr als 40% Bodendeckung bis Vegetationsende wohl an einer normativen Rechtsgrundlage im EU-Recht und im nationalen Recht fehle. Der Beklagte hat daraufhin in der mündlichen Verhandlung das Schreiben der Europäischen Kommission vom 04.05.2015 zu einer Anfrage aus Dänemark vorgelegt.
24
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze der Parteien, auf die Behördenakte und auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass er auf seinen Antrag vom 08.05.2017 hin für das Jahr 2017 Direktzahlungen ohne Kürzungen und Sanktionen für die Greeningprämie erhält. Soweit der Beklagte im angefochtenen Bescheid in Gestalt der beiden Widerspruchsbescheide Kürzungen und Sanktionen vorgenommen hat, waren diese Bescheide rechtswidrig und abzuändern und der Beklagte dazu zu verpflichten, die Greeningprämie für das Jahr 2017 auch für die Feldstücke 4 und 12 ungekürzt und unter Aufhebung der Sanktion zu bewilligen.
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1. Die rechtliche Verpflichtung des Klägers, bei der Teilnahme an der Basis-Prämien-Regelung für seinen Betrieb ein notwendiges Maß an ökologischen Vorrangflächen(ÖVF) ausweisen zu müssen, ergibt sich aus Art. 46 VO(EU) 1307/2013, der die Flächennutzung im Umweltinteresse, Kapitel 3 der Verordnung, betrifft. Beträgt das Ackerland eines Betriebes mehr als 15 ha, wie hier im Falle des Klägers, so müssen die Betriebsinhaber ab dem 01.01.2015 nach Art. 46 Abs. 1 dieser Verordnung eine Fläche, die mindestens 5% des angemeldeten Ackerlandes des Betriebes entspricht, als im Umweltinteresse genutzte Flächen ausweisen. Die rechtliche Grundlage für die Kürzung der ökologischen Vorrangfläche bei einem Verstoß gegen diese Anforderungen ergibt sich aus Art. 26 Abs. 2 VO (EU) 640/2014 in der Fassung des Art. 1 Abs. 4 der Delegiertenverordnung-EU 723/2017 vom 16.02.2017. Ist danach die vorgeschriebene ökologische Vorrangfläche größer als die ermittelte ökologische Vorrangfläche, so wird von der Fläche, anhand deren die Ökologiesierungszahlung gemäß Art. 23 berechnet wird, das Zehnfache der nicht vorgefundenen ökologischen Vorrangfläche abgezogen. Die Voraussetzungen für eine Kürzung sind aber im vorliegenden Fall nicht erfüllt, weil die bei der Kontrolle am 29.11.2017 vorgefundene Fläche als ökologische Vorrangfläche hätte anerkannt werden müssen. Denn die beiden Feldstücke waren unstreitig rechtzeitig mit den zugelassenen Zwischenfruchtsorten angesät worden und ein Bestand war deutlich sichtbar. Der Beklagte durfte diese Fläche wegen des in der Verwaltungsvorschrift aufgestellten Erfordernis eines „ordentlichen Bestands“ bzw. des Erfordernis „von mehr als 40% Bodendeckung zum Vegetationsende“ nicht kürzen. Dafür fehlt die erforderliche normative Grundlage. Nach Art. 2 Abs. 2 VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95, der für alle Bereiche der Gemeinschaftspolitik einen gemeinsamen Rahmen festlegt (so EuGH vom 5.6.2012 - C 489/10 -, juris, Rn. 31), kann eine verwaltungsrechtliche Sanktion nur verhängt werden, wenn sie in einem Rechtsakt der Gemeinschaften vor dem Zeitpunkt der Unregelmäßigkeit vorgesehen ist. Diese liegt aber nicht vor.
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Art. 46 Abs. 2 VO/ EU 1307/2013 bestimmt abschließend und für die Mitgliedstaaten verbindlich, welche Flächen vorbehaltlich der sich aus § 18 Abs. 2 bis 4 Direktzahlungsdurchführungsgesetz ergebenden weiteren Kriterien als ökologische Vorrangflächen anzuerkennen sind. Deutschland hat von der Ermächtigung des Art. 46 Abs. 2 Gebrauch gemacht und die dort aufgeführten Flächen mit Zwischenfruchtanbau als ökologische Vorrangfläche mit dem Gewichtungsfaktor von 0,3 durch § 18 Abs. 2 bis 4 Direktzahlungsdurchführungsgesetz zugelassen. Weitere normative Konkretisierungen erfolgten durch § 31 DirektZahlDurchV und durch § 5 AgrarZahlVerpflV, der Mindestanforderungen an die Bodendeckung aufgestellt. Dazu gehört aber nicht das Erfordernis einer mehr als 40% vorhandenen Bodendeckung zum Vegetationsende oder ein ordentlicher Bestand, wie dies in der Verwaltungsvorschrift gefordert wird. Vielmehr sind nach § 5 Abs. 6 AgrarZahlVerpflV Zwischenfrüchte nur bis zum Ablauf des 15. Februar des auf das Antragsjahr folgenden Jahres auf dem Feld zu belassen. Aus diesen normativen Rechtsgrundlagen ergeben sich abschließend die Voraussetzungen für die Anerkennung von Flächen mit Zwischenfrüchten als ökologische Vorrangfläche. Es dürfen danach nur bestimmte Zwischenfruchtsortenzusammenstellungen verwendet werden, die Aussaat muss spätestens vor dem 1. Oktober erfolgen, Zwischenfrüchte müssen bereits - wie oben ausgeführt - bis zum 15. Februar des folgenden Jahres auf der Fläche belassen werden. Davon können aber die Länder durch Rechtsverordnung abweichen. Grundsätzlich dürfen keine chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel oder Klärschlamm verwendet werden. Diese normativen Anforderungen hat der Kläger aber eingehalten. Deshalb hätten keine Kürzungen erfolgen dürfen. Denn für Kürzungen und Sanktionen bedarf es einer normativen Rechtsgrundlage. Eine solche ist aber - wie oben ausgeführt - nicht vorhanden.
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Zudem sind die Begriffe „ordentlicher Bestand“ und „mehr als 40% Bodendeckung zum Vegetationsende“ zu unbestimmt, um darauf Kürzungen und Sanktionen stützen zu können. Die rechtsstaatlichen Grundsätze der Bestimmtheit und Klarheit von Eingriffs- und Sanktionsbefugnissen erfordern klare und präzise nationale Regeln, die es dem Bürger ermöglichen, vorherzusehen, bei welchen Handlungen und Unterlassungen Kürzungen und kumulative Sanktionen infrage kommen (vgl. dazu EuGH im Urteil vom 20.3.2018 a.a.O. Rn. 51). Der Begriff ordentlicher Bestand lässt mehrere Auslegungen zu. Wenn man unter dem Begriff „gepflegt“ oder „ungepflegt“ versteht, so könnte man eine Ackerfläche, auf der die Saat in ordentlichen Reihen und Abständen gesät und aufgegangen ist, als einen ordentlichen Bestand bezeichnen. Das ist bei der Fläche, die hier durch Fotos abgebildet sind, aber der Fall. Ein Bezug auf eine Bodendeckung ergibt sich aus diesen Begriff nicht.
29
Soweit in der Verwaltungsvorschrift darauf hingewiesen wird, dass aus Sicht der EU-Kommission dazu erforderlich ist, dass der Bestand eine Bodendeckung von über 40% zum Vegetationsende aufweisen muss, so ergibt sich aus dem vorgelegten Schreiben der EU-Kommission vom 04.05.2015 zu einer Anfrage aus Dänemark diese Auffassung nicht. Jedenfalls handelt es sich bei diesen Schreiben der EU-Kommission nicht um eine verbindliche Entscheidung der EU-Kommission, sondern nur um eine Antwort ohne Bindungswirkung. In diesem Schreiben äußert die EU-Kommission sogar Zweifel, dass eine Zwischenfrucht, die bis zum 20. Oktober eine Bodendeckung von 40% erreicht haben muss, den politischen Zweck de EFA Anforderungen erfüllt. Außerdem werden Kontrollschwierigkeiten bei der genauen Bestimmung des Prozentsatzes der Bodendeckung bei einer klassischen Vorortkontrolle (OTSC) gesehen, zum Beispiel, wenn es Unterschiede in der Bodendeckung innerhalb der Parzelle gibt. Außerdem werden bei der Annahme, dass es möglich wäre, den genauen Prozentsatz der Bodendeckung eindeutig zu ermitteln, Schwierigkeiten hinsichtlich der Schlussfolgerungen des OTSC gesehen, da die Prüfergebnisse zu einem sehr frühen Zeitpunkt als schlüssig angesehen werden. Im Falle eines positiven Kontrollergebnisses gebe es keine Garantie dafür, dass die Zwischenfrüchte tatsächlich so lange an Ort und Stelle bleiben, damit die Anforderungen der EFA erfüllt sind, da der Betriebsinhaber die Zwischenfrüchte dort nach der Kontrolle vernichten könnte. Was den Zeitplan der Vor-OrtKontrollen betrifft, müssen der Endtermin für die Zwischenfrüchte, folglich der Zeitplan der Vor-Ort-Kontrollen (OTSC) dem politischen Zweck der zu überprüfenden Anforderungen berücksichtigen und ein angemessenes Maß an Sicherheit hinsichtlich der Schlüssigkeit der Kontrollen bieten. Je später die Vor-Ort-Kontrollen durchgeführt werden, desto höher ist das durch die Kontrollen gebotene Maß an Sicherheit. Idealerweise würde dies am allerletzten Tag stattfinden, an dem die Zwischenfrüchte vorhanden sein sollten. Daraus wird ersichtlich, dass die EU-Kommission einen möglichst späten Kontrolltermin für richtig hält, damit man auch noch das für die Biodiversität und für die Verhinderung der Bodenerosion wichtige Belassen der Zwischenfrüchte auf dem Feld während des Winters kontrollieren kann.
30
Wenn man als Kontrollzeitpunkt das Ende der Vegetationsperiode nimmt, müsste durch Gesetz oder Verordnung definiert werden, was das Ende der Vegetationsperiode ist. Hier gibt es unterschiedliche Ansatzpunkte. Als technischer Richtwert zur Abgrenzung von Vegetations- und Ruheperioden wird zwar häufig eine anhaltende Schwellentemperatur von +5° C angesetzt, unter der Pflanzen normalerweise ihren Wuchs, d. h. die Zellteilung, einstellen. Dieser Richtwert ist aber vage, da nicht das unterschiedliche Wärmebedürfnis verschiedener Arten berücksichtigt wird. Während Mais erst bei +6° C gedeiht, kann Wintergetreide schon ab +2,5° C wachsen und typische Vorfrühlingsblumen können bei Minusgraden zu sprossen beginnen. In England ist es üblich, die Vegetationsperiode anhand von fünf aufeinanderfolgenden Tagen unter 5° C zu bemessen, weil es auch kurzfristig leichtes Tauwetter gibt. Zudem ist der Wechsel zwischen Vegetations- und Ruheperioden maßgeblich durch jahreszeitlich schwankende Niederschlagsmengen sowie die jahreszeitlich schwankenden Stoffwechsel mehr oder weniger geeigneten Temperaturen bedingt (vgl. Wikipedia Vegetationsperiode).
31
Mangels normativer Rechtsgrundlage ist deshalb im streitgegenständlichen Fall die erfolgte Kürzung und auch die Sanktion zu Unrecht erfolgt.
32
2. Unabhängig davon konnte der Beklagte aber im vorliegenden Fall den Beweis nicht führen, dass die beiden Feldstücke zum Vegetationsende keine Bodendeckung von mehr als 40% aufwiesen. Der Beklagte hat entgegen der Anforderungen des Art. 41 ff. der VO (EU) 809/2014 keinerlei schriftliche Aufzeichnungen über die Kontrolle gemacht und nur vier Fotos zu einem Feldstück vorgelegt, bei dem es sich um das Feldstück 12 handeln soll. Auf den Fotos sind aber die Flurstücknummer und das Aufnahmedatum nicht angegeben. Für das andere Feldstück 4 gibt es überhaupt keine Fotos. Wird eine Kontrolle vor Ort physisch durchgeführt, so spricht man von einer Vor-Ort-Kontrolle, wie sich aus Art. 24 Abs. 4 der Verordnung 809/2014 ergibt. Werden bei einer Kontrolle Verstöße gegen EURecht und darauf gestütztes nationales Recht festgestellt, müssen die o. g. Anforderungen an den Inhalt eines Protokolls und auch die Verfahrens- und Mitwirkungsrechte des betroffenen Landwirts eingehalten werden. So hat dieser grundsätzlich das Recht auf Anwesenheit bei den Kontrollen, er müsste seine Anwesenheit bei der Kontrolle durch Unterschrift bezeugen können, Art. 44 Abs. 2 der Verordnung 809/2014, oder der Kontrollbericht müsste ihn unverzüglich zugesandt werden, damit er Gelegenheit hat, den Bericht zu unterzeichnen und Bemerkungen hinzu zu fügen. Dies ist ein Ausgleich dafür, dass sich nachträglich ein Gegenbeweis nicht mehr führen lässt, weil die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht mehr nachweisbar sind.
33
Im vorliegenden Fall liegt kein belastbarer Beweis vor, dass der Kläger die Anforderungen nicht eingehalten hat, da die einzigen Fotos für das Feldstück 12 weder ein Aufnahmedatum noch eine Ortsbezeichnung oder Flurbezeichnung des Feldstückes aufweisen und für das andere Feldstück 4 überhaupt keine Beweise vorliegen. Der Kläger bestreitet im gesamten Prozess substantiiert, dass er die Anforderungen nicht eingehalten hat.
34
3. Unabhängig davon hätte der hier angenommene Verstoß auch nur einen geringfügigen Charakter im Sinne des Art. 77 Abs. 2 Buchst. e der VO (EU) 1306/2013. Verhältnismäßigkeitserwägungen sind auch bei gebundenen Entscheidungen über den Entzug von aus Mitteln der europäischen Gemeinschaft finanzierten Beihilfen anzustellen. Dies ergibt sich aus den gemeinschaftsrechtlichen Rahmenvorgaben für die Behandlung von Unregelmäßigkeiten bei der Gewährung und Verwendung von Beihilfen, wie sie aus der Verordnung EG, Euratom Nr. 2988/95 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaft vom 08.12.1995 folgen, und auf welchen die in Art. 58 VO (EU) 1306/2013 übernommenen Regelungen beruhen, (so auch VG Neustadt Weinstraße 9, U. v. 09.08.2019, Az. 2 K 127/19.NW, juris Rn. 31). Deshalb ist auch Art. 77 Abs. 2 Buchst. e der VO (EU) 1306/2013 anwendbar.
35
Es läge deshalb nur ein Verstoß geringfügigen Charakters vor, weil der Kläger alle Verpflichtungen der oben angeführten Gesetze und Verordnungen eingehalten hat und er insbesondere die Flächen während des Winters noch mit Zwischenfrüchten bis zum vorgeschriebenen Ende stehen ließ. Im Vergleich zu einem Landwirt, der überhaupt keine ökologischen Vorrangflächen zur Verfügung gestellt hat und dafür auch keine Investitionen und Arbeit aufgewandt hat, hat der Kläger Arbeit und Investitionen aufgewandt, und die ausgewiesenen Flächen noch rechtzeitig mit den vorgeschriebenen Fruchtarten angesät. Die vom Kläger geschaffenen Flächen haben eine positive ökologische Wirkung gehabt. Dies kann nicht mit Fällen verglichen werden, bei denen der Landwirt überhaupt keine Arbeit und Investitionen getätigt hat und eine vegetationslose Fläche über den Winter lässt (so Fallkonstellation beim Verwaltungsgericht München, U. v. 15.11.2019 Az. M 32 K 18.508). Deshalb hätte der Verstoß nur geringfügigen Charakter. Eine Sanktion ist deshalb nicht gerechtfertigt.
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Es war daher der Klage im vollen Umfange stattzugeben. Der Beklagte hat gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Zuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren wird gemäß § 162 Abs. 2, S. 2 VwGO für notwendig erklärt.
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Der der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung mit Abwendungsbefugnis beruht § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708,711 ZPO.