Inhalt

VG Regensburg, Urteil v. 27.07.2020 – RN 10A DK 19.302
Titel:

Disziplinarmaßnahme der Dienstentfernung eines Justizvollzugsbeamten wegen Geheimnisverrates

Normenketten:
BayDG Art. 14 Abs. 1, S. 2, Abs. 2, S. 1
BeamtStG § 34 S. 1, S. 3, § 35 S. 2, § 37
StGB § 353b Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Leitsätze:
Ein Justizvollzugsbeamter, der interne Informationen über Gefangene weitergibt und sich dabei wegen Geheimnisverrat nach § 353b StGB strafbar macht, zerstört das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn unwiderruflich und ist aus dem Dienst zu entfernen, wenn er sah oder sehen konnte, dass es sich um besonders sensible, sicherheitsrechtlich relevante Informationen (hier geheime Verlegung eines „Kronzeugen“ aus dem Rockermilieu) handelt, unabhängig von der Höhe der strafrechtlichen Verurteilung. (Rn. 52 – 53)
1. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, zB Kern- oder Nebenpflichtverletzung und besondere Umstände der Tatbegehung, zB Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
2. Durch die Weitergabe von dienstlich erlangten Erkenntnissen an Dritte verstoßen Beamte gegen ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit. Das Gebot der Amtsverschwiegenheit hat eine Hauptpflicht des Beamten zum Gegenstand, die zu den hergebrachten und bei Art. 33 Abs. 5 GG zu berücksichtigenden Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehört. Sie dient der Aufrechterhaltung und dem einwandfreien Funktionieren einer geordneten öffentlichen Verwaltung, die nur dann rechtsstaatlich einwandfrei, zuverlässig und unparteiisch arbeiten kann, wenn Gewähr geleistet ist, dass über dienstliche Vorgänge nach außen grundsätzlich Schweigen bewahrt wird. Je nach der Bedeutung der vertraulich zu behandelnden amtlichen Vorgänge und dem Grad des Verschuldens kann ein Verstoß gegen die Amtsverschwiegenheitspflicht unterschiedliches disziplinarisches Gewicht haben. Bei der vorzunehmenden Abwägung sind die Anzahl der Amtsgeheimnisse, die weitergegeben weitergegeben wurden, sowie die Auswirkungen zu berücksichtigen.  (Rn. 52 – 53) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Geheimnisverrat, Justizvollzugsbeamter, Entfernung aus dem Dienst, Amtsverschwiegenheit, Beamter, Dienstvergehen, Disziplinarverfahren, Kronzeuge, Rockermilieu, Vertrauensverhältnis, schweres Dienstvergehen, Geldstrafe, Geheimhaltungspflicht, Verlust, Vertrauen, vertrauenswürdiges Verhalten, Diskriminierung, vertrauensvolle Zusammenarbeit, Verschwiegenheitspflicht, Dienstgeheimnis, Vertrauensschaden, Strafrahmen, besondere Geheimhaltungspflicht, rechtskräftiges Urteil, Bindung, rechtsmäßige Amtsführung, achtungs- und vertrauenswürdiges Verhalten, volle Hingabe an Beruf
Fundstelle:
BeckRS 2020, 21534

Tenor

I. Gegen die Beklagte wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1
Der Kläger beantragt, die Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
I.
2
Die am …1982 geborene Beklagte war nach Erwerb der mittleren Reife am … als teilzeitbeschäftigte Bürokraft tätig. Sie hat zwei im Jahr 2002 und 2004 geborene Kinder, ist verheiratet und lebt von ihrem Ehegatten getrennt.
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Von …-… war sie Soldatin auf Zeit bei der Deutschen Bundeswehr, zuletzt als Stabsunteroffizier in Besoldungsgruppe A7. Im Auswahlverfahren für den allgemeinen Vollzugsdienst erreichte sie am …2007 mit der Gesamtnote „befriedigend (3,40)“ die Platzziffer … unter 8165 Bewerbern. Mit Wirkung zum 01.10.2008 wurde sie bei dem Kläger unter Berufung des Beamtenverhältnis auf Widerruf zu Obersekretärin im Justizvollzugsdienst ernannt und der JVA S. zur Ausbildung zugeteilt. Mit Wirkung zum 01.06.2010 wurde sie in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen, zur Obersekretärin im Justizvollzugsdienst bei der JVA M. ernannt und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A7 eingewiesen. Die Beklagte hat sich verpflichtet, mindestens 10 Jahre bei der JVA M. Dienst zu leisten. Mit Wirkung zum 01.04.2013 wurde sie in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen. Nach zwischenzeitlicher Abordnung an die JVA L., wurde die Beklagte mit Wirkung zum 01.03.2014 auf ihren Antrag hin an die JVA L. versetzt. Vom 01.10.2013 bis 30.04.2014 war die regelmäßige Arbeitszeit der Beamtin auf 9/10 ermäßigt. Eine dienstliche Zwischenbeurteilung der JVA M. vom 05.03.2014 weist hinsichtlich der einzelnen Beurteilungskriterien Werte zwischen 5 und mehrheitlich 6 auf, die Beamtin erfülle ihre Dienstaufgaben zuverlässig.
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Straf- und disziplinarrechtlich war die Beklagte bislang nicht auffällig.
II.
5
Nachdem innerhalb der JVA L. Vorwürfe gegenüber der Beklagten an den stellvertretenden Leiter der JVA herangetragen worden sind, dass diese sich in diskriminierender Weise gegenüber einem Kollegen äußere, wurde mit Verfügung vom 09.03.2015 vom Dienstvorgesetzten ein Disziplinarverfahren gegen die Beklagte eingeleitet. Dies wurde der Beklagten mitgeteilt. Unter dem gleichen Datum wurde die Generalstaatsanwaltschaft M. als zuständige Disziplinarbehörde um die Übernahme des Verfahrens gebeten. Mit Verfügung vom 21.08.2015 wurde von der Generalstaatsanwaltschaft M. das Disziplinarverfahren übernommen. Dabei wurde der erhobene Vorwurf eines Dienstvergehens konkretisiert und mit Schreiben vom 21.08.2015 der Beamtin mitgeteilt und diese angehört.
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Mit Verfügung vom 08.11.2015 wurde aufgrund strafrechtlicher Ermittlungen, unter anderem auch gegenüber der Beklagten, das Disziplinarverfahren durch die Generalstaatsanwaltschaft M. auf den Verdacht einer Verletzung des Dienstgeheimnisses nach § 353 b StGB ausgeweitet, nachdem der Dienstherr aufgrund eines am 20.08.2015 vollzogenen Durchsuchungsbeschlusses in der JVA L. Kenntnis von einem strafrechtlich relevanten Verdacht gegenüber der Beklagten erhalten hatte. Zugleich wurde das Disziplinarverfahren ausgesetzt bis zum Abschluss des bei der Staatsanwaltschaft D. unter dem Aktenzeichen … geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Die Beklagte wurde hierüber mit Schreiben vom gleichen Datum unterrichtet und ihr Gelegenheit zur Äußerung gegeben.
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Am 20.02.2016 wurde die Beklagte von der Staatsanwaltschaft D. wegen Bestechlichkeit, vorsätzlicher Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht angeklagt, worauf hin der Kläger mit Schreiben vom 22.03.2016 die Beklagte zur beabsichtigten vorläufigen Entfernung aus dem Dienst und dem vorläufigen Einbehalt der Dienstbezüge anhörte. Die Beklagte nahm hierzu unter dem 19.04.2016 über ihren Vertreter Stellung. Am 25.04.2016 verfügte der Kläger die vorläufig Dienstenthebung sowie den vorläufigen Einbehalt der Bezüge in Höhe von 3/10.
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Mit Beschluss vom 22.09.2016 lehnte das Landgericht D. die Übernahme des Strafverfahrens ab und eröffnete das Hauptverfahren vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts D. Mit Urteil des Amtsgerichts D. vom 01.03.2018 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 01.03.2018 (Aktenzeichen …) sprach das Amtsgericht D. die Beklagte der vorsätzlichen Verletzung eines Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht schuldig und verhängte eine Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen. Das Urteil ist seit 06.09.2018 rechtskräftig.
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Daraufhin wurde das Disziplinarverfahren mit Bescheid vom 23.10.2018 fortgesetzt und die Beklagte abschließend angehört. Die Beklagte hat sich über ihren Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 13.11.2018 im Verfahren geäußert.
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Ein aussagekräftiges Persönlichkeitsbild konnte von der JVA L. nicht erstellt werden. Mit Schreiben vom 14.11.2018 teilte der Leiter der JVA L. mit, dass nach einem ausgesprochenen Betretungsverbot ab 27.08.2015 zur Beamtin kein wesentlicher Kontakt mehr bestünde.
III.
11
Am 21.02.2019 hat der Kläger Disziplinarklage beim Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben, welches diese an das zuständige Verwaltungsgericht Regensburg mit Beschluss vom 01.02.2019 verwies.
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Der Kläger wirft der Beklagten folgende Dienstvergehen vor:
„1. Die Beamtin äußerte sich zu im Einzelnen nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten von Anfang des Jahres 2014 bis Februar 2015 jeweils in den Diensträumen der Justizvollzugsanstalt L. mehrfach diskriminierend zum Nachteil von Obersekretär im Justizvollzugsdienst J., gegenüber dem geschädigten Beamten selbst und auch gegenüber Kolleginnen und Kollegen.
So sprach die Beamtin ihren Kollegen J. wiederholt auf dessen vermeintliche Homosexualität mit zumindest den folgenden Äußerungen in verächtlicher Art und Weise an:
- „Du bist doch schwul“
- „Du musst doch schwul sein“
- „Du zupfst Dir die Augenbrauen, also musst Du schwul sein“
- „Solche Hosen tragen doch nur Schwule“
13
Im Stationszimmer FGU1 in der Untersuchungshaftabteilung äußerte die Beamtin gegenüber OS J. und in Anwesenheit von Hauptsekretärin im JVD O.: „Du benimmst Dich doch wie ein Püppchen, bist Du schwul?“
14
Weiter äußerte sie sich in verächtlicher Weise gegenüber OS J. „Du gehst wie ´ne Frau und wackelst immer mit dem Arsch wie ´ne Schwuchtel“ und in dieser Weise über jenen auch gegenüber Dritten. Gegenüber Obersekretär P. äußert die Beamtin, dass Obersekretär J. „doch schwul sei“ und sich jener „schwul wie ein Püppchen“ bewege und mit dem „Hintern wackle“.
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2. Die Beamtin war in der JVA L., … in …, beschäftigt. Dort war K. als Aussteiger der Rockerszene und ehemaliger Präsident der … nach seiner Verhaftung am 13.08.2013 bis zu seiner Verlegung in die JVA O. am 10.12.2013 inhaftiert. Er befand sich in Untersuchungshaft und hatte umfangreiche Angaben zu Delikten der Waffen-, Gewalt- und Drogenkriminalität im Bereich mehrerer Chapter der … gemacht. Er wurde deshalb als Zeuge in einer Vielzahl noch nicht abgeschlossener Ermittlungsverfahren geführt. Aufgrund einer daraus resultierenden Gefährdung seiner Person wurde er in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen.
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Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem 22.12.2013 trat L., Mitglied der …, an die Beamtin heran und wirkte auf diese ein, Informationen über K. während dessen Inhaftierung zu erlangen und ihm diese Informationen mitzuteilen. Die Beamtin hatte sich hierzu bereit erklärt. L. beabsichtigte - wie die Beamtin wusste -diese Informationen weiterzugeben.
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In Erfüllung dieser Vereinbarung mit L. und ohne dienstliche Veranlassung sammelte die Beamtin während ihres Dienstes in der JVA L. bis Dienstschluss am 23.12.2013 um 15:01 Uhr detaillierte Informationen über K. und dessen Inhaftierung.
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Über ihr Mobiltelefon mit der Rufnummer … nahm die Beamtin nach Dienstende sodann am 23.12.2013 um 16:39 Uhr Kontakt zu L. unter dessen Rufnummer … auf und gab jenem die von ihr erlangten Informationen über K. unter Bezugnahme auf die getroffenen Absprachen und unter bewusster Verletzung ihrer dienstlichen Geheimhaltungspflichten als Justizvollzugsbeamtin weiter.
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Insbesondere teilte die Beamtin mit, dass K. „von jetzt auf gleich nach O. verlegt“ wurde. Dies sei in einer „Nacht-und-Nebel-Aktion“ und unter Beteiligung der Kriminalpolizei, welche ihn abgeholt habe, erfolgt. Die Verlegung erfolgte kurzfristig, es habe nicht einmal Zeit zum richtigen Packen bestanden. K. wäre innerhalb der JVA von zwei Mitgefangenen zu trennen gewesen. Die anderen beiden wären aber nicht verlegt worden, nur K. K. hätte angegeben selbst nicht zu wissen, wohin er verlegt werde.
20
Die Beamtin bestätigte in Bezugnahme auf ein gemeinsames Gespräch vom Vortag ihre Vermutungen zu den Hintergründen und Umständen der Verlegung.
21
Gegen Ende des Gesprächs sagte die Beamtin L. zu, noch weitere Informationen zu beschaffen und diese zu übermitteln. L. - der Geschäftsführer der … GmbH - sagte der Beamtin zu den erwiesenen Gefallen beim „nächsten Gerüstpreis“ zu berücksichtigen. Die Beamtin nahm dies zur Kenntnis und bekräftigte ihre geäußerte Absicht weitere Informationen für L. zu beschaffen.
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Am 25.12.2013 um 16:16 Uhr gab L.r die von der Beamtin erhaltenen Informationen telefonisch zumindest teilweise an H1., Mitglied der …, weiter - insbesondere die Verlegung des K. von der JVA L. in die JVA O.“
IV.
23
Dieser Sachverhalt stehe aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilung sowie der Aussagen der Beamten W1., J., H2 …, P. und W2. fest. Die Beamtin habe damit schuldhaft die ihre Verpflichtungen zu Achtung zum vertrauenswürdigen Verhalten, zur rechtmäßigen Amtsführung und zur Amtsverschwiegenheit durch Begehung einer Straftat der Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Einleitungspflicht verletzt, ebenso ihre Pflicht zur vollen Hingabe an den Beruf. Dies stelle ein Dienstvergehen dar. Die herabwürdigenden Äußerungen gegenüber den Kollegen J. würden zudem eine Verletzung der Pflichten zu Achtung zum vertrauenswürdigen Verhalten und zur vollen Hingabe an den Beruf darstellen. Die Diskriminierung und Belästigung eines Kollegen aufgrund dessen sexuelle Neigung sei geeignet eine vertrauensvolle innerdienstliche Zusammenarbeit empfindlich zu stören.
24
Durch Begehung der Straftaten habe die Beamtin gegen die Pflicht zur rechtmäßigen Amtsführung und zur Amtsverschwiegenheit verstoßen. Weiter habe sich die Beamtin in dem Telefonat vom 23.12.2013 mit den Mitangeklagten L. zumindest den Anschein der Bestechlichkeit gegeben.
25
Aufgrund der Schwere des begangenen Dienstvergehen sei die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis auszusprechen.
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Die im Zusammenhang mit dem täglichen Dienst stehende Herabwürdigung eines Kollegen sei eine innerdienstliche Pflichtverletzung. Die Äußerungen seien teilweise vor weiteren Kollegen erfolgt. Die besondere disziplinarrechtliche Bedeutung derartigen Verhaltens sei in der empfindlichen Störung der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern einer Dienststelle zu sehen. Bereits hierbei habe die Beklagte ein beachtliches Dienstvergehen begangen, auch wenn dieses alleine noch nicht die Entfernung aus dem Dienst rechtfertigen würde.
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Hierzu komme vorliegend zudem der strafrechtlich relevante Verstoß gegen die in § 37 Beamtenstatusgesetz normierte Verschwiegenheitspflicht. Dies sei eine Hauptpflicht eines Beamten, die zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehöre. Sie diene der Aufrechterhaltung und dem einwandfreien Funktionieren einer geordneten Verwaltung. Bei einer schweren Verletzung der Verschwiegenheitspflicht werde regelmäßig das Vertrauen des Dienstherren in unheilbarer Weise zerstört. Die Höchstmaßnahme sei auf jeden Fall dann geboten, wenn eine in hohem Grad geheimhaltungsbedürftige Angelegenheit unter erschwerenden Umständen vorsätzlich unbefugt offenbart werde. Dies sei vorliegend der Fall. Der vom Geheimnisverrat Betroffene, der Inhaftierte K., sei Aussteiger der Rockerszene und ehemaliger Präsident der … gewesen. Er habe umfassende Angaben zu Waffen-, Gewalt- und Drogendelikten im Bereich mehrerer Chapter der … gemacht und sei als Zeuge in einer Vielzahl noch nicht abgeschlossener Ermittlungsverfahren geführt worden. Zum Schutz seiner körperlichen Unversehrtheit und seines Lebens sei er während seiner Inhaftierung, insbesondere vor Übergriffen von Mitgefangenen aus dem Rockermilieu bzw. deren Sympathisanten, in eine Vollzugsanstalt eines anderen Bundeslandes verlegt worden und habe sich aus diesen Gründen in einem Zeugenschutzprogramm befunden. In Ausübung ihres Dienstes, jedoch ohne dienstlichen Anlass, habe die Beklagte die beschafften Informationen an ein Mitglied der …, dem vorbestraften L., weitergegeben. Dieser habe zu diesem Zeitpunkt im Verdacht gestanden, an einem bewaffneten Überfall von mehreren Mitgliedern der … aus R. auf eine rivalisierende Rockergruppe in S. und einem dabei begangenen Kapitaldelikt beteiligt gewesen zu sein. Für den Gefangenen seien - wie die Beamtin wusste - Trennungsvermerke hinsichtlich zweier Mitgefangener im Datensystem der JVA eingetragen gewesen. Die der Beklagten bekannten und von ihr weiter gegebenen Umstände der Verlegung (kurzfristig, insbesondere unter Beteiligung der Kriminalpolizei, außerhalb des Bundeslandes, ohne weitere Informationen in der JVA zu den Hintergründen und dem Zielort der Verlegung und unter Umgehung der üblichen Schubregel) hätten eindeutig für ein besonderes Geheimhaltungsinteresse des Dienstherren bezüglich dieser Informationen gesprochen. Darüber habe sich die Beklagte vorsätzlich hinweggesetzt. Dadurch sei durch den Dienstherren ergriffene nicht unerhebliche organisatorischer Aufwand zum Schutz des Inhaftieren unterlaufen worden. Ferner sei der Aufklärungserfolg der zu führenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren insoweit gefährdet worden, als demnach aussagebereiten Aussteiger der Eindruck vermittelt worden sei, der Staat wäre selbst mit einem Zeugenschutzprogramm nicht in der Lage ihn wirksam zu schützen. Die Schwere dieser Pflichtverletzung führe selbst bei isolierter Betrachtung zu einem unwiederbringlichen Vertrauensverlust des Dienstherren, eine weitere Beschäftigung der Beklagten im Strafvollzugsdienst sei deshalb nicht mehr möglich. Zudem habe die Beklagte ausweislich eines von den Ermittlungsbehörden aufgezeichneten Telefonats am 23.12.2013 auch den Anschein der Bestechlichkeit erweckt. Dabei habe der später verurteilte L. der Beklagten die Gewährung von persönlichen Vorteilen in Form eines Preisnachlasses als Gegenleistung für die Beschaffung der Informationen in Aussicht gestellt.
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Besondere Umstände, welches ein Absehen von der angezeigten disziplinarischen Höchstmaßnahme rechtfertigen würden, lägen nicht vor. Zwar werde nicht verkannt, dass die Beamtin zuvor keinen Anlass zu disziplinarischen Maßnahmen gegeben habe und die konkreten Vorhaltungen bereits längere Zeit zurücklägen. Die lange Dauer des Strafverfahrens und die Dauer des dienstrechtlichen Verfahrens sei als Belastung mit zu berücksichtigen. Allerdings könne dies in der Gesamtschau nicht dazu führen, von der Höchstmaßnahme abzusehen.
29
Der Kläger beantragt daher, bezüglich der Beklagten die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis auszusprechen.
30
Die Beklagte tritt der Disziplinarklage entgegen. Was den Vorwurf bezüglich des Tatkomplexes K. anbelange sei festzuhalten, dass der vom Amtsgericht D. festgestellte Sachverhalt zu Grunde zu legen sei. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte nicht gewusst habe, dass Herr K. in einem Zeugenschutzprogramm sich befunden habe, ferner habe sie mit der Informationsweitergabe nur der Zeugin D., einer Freundin von Frau K., behilflich sein wollen, damit diese Einzelheiten über das Verschwinden der befreundeten Familie erfahre. In Folge dessen sei die von der Generalstaatsanwaltschaft gewünschte Sanktion der Entfernung aus dem Dienst, trotz des vorhandenen Verstoßes gegen die Dienstpflichten, unverhältnismäßig.
31
Was die angeblichen Äußerungen gegenüber bzw. über den Kollegen J. anbelange, werde dies von der Beklagten bestritten. Die Beklagte habe Herrn J. nicht wiederholt auf dessen vermeintliche Homosexualität angesprochen. Dafür habe es auch keine Veranlassung gegeben, da zwischen der Beklagten und Herrn J. ein kameradschaftliches Verhältnis bestanden habe. Vielmehr sei vorliegend davon auszugehen, dass Kollegen der Beklagten aus anderen Gründen ggf. ein derartiges Verhalten unterstellen oder nachtragen würden.
32
Ferner treffe der Vorwurf der Klägerseite nicht zu, dass die Beklagte durch ihr Verhalten den Anschein der Bestechlichkeit erweckt habe. Gerade dies ergäbe sich aus den Feststellungen des Strafurteils nicht. Wie das Strafgericht zu Recht festgestellt habe, sei die Bemerkung in dem Telefongespräch, die Information „beim nächsten Gerüstpreis zu berücksichtigen“ lediglich ein Scherz gewesen.
33
Es werde darauf hingewiesen, dass die Beklagte weder straf- noch disziplinarrechtlich bislang in Erscheinung getreten sei, die Dauer des Strafverfahrens, als auch die Dauer des Disziplinarverfahrens bei der Beurteilung des Dienstvergehens mildernd zu berücksichtigen seien. Sowohl das Strafverfahren, als auch das Disziplinarverfahren seien der Beklagten Lehre genug, künftig auf die Einhaltung der beamtenrechtlichen Pflichten besser Acht zu geben. Die Entfernung aus dem Dienst wäre deshalb eine unverhältnismäßige Maßnahme.
34
Das erkennende Gericht habe daher eine erforderliche Disziplinarmaßnahme von Amts wegen festzustellen, wobei die Verhängung einer Maßnahme unterhalb einer Entfernung aus dem Dienst in das Ermessen des Gerichts gestellt werde.
35
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Inhalte der gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Behördenunterlagen sowie die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen. Der Strafakt im Verfahren … wurde zum Verfahren beigezogen.

Entscheidungsgründe

36
Die zulässige Disziplinarklage führt zu der Entscheidung, die Beklagte im Rahmen der disziplinarrechtlichen Maßnahme aus dem Dienst zu entfernen.
37
Gegen die Ordnungsgemäßheit der Disziplinarklage bestehen keine Bedenken. Sie entsprechen den Anforderungen des Art. 50 Abs. 1 BayDG und geben in ausreichender Weise den persönlichen und beruflichen Werdegang der Beamtin, den bisherigen Gang des Disziplinarverfahrens sowie die für die Entscheidung bedeutsamen Tatsachen und Beweismittel in geordneter Darstellung wieder. Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens und der Klageschrift wurden von dem Beklagten nicht geltend gemacht.
38
I. a) Das Gericht legt der disziplinarrechtlichen Würdigung hinsichtlich des vorgehaltenen Dienstvergehens (Disziplinarklageschrift III 2) „vorsätzliche Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht“ die tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichtes D. vom 01.03.2018 (Aktenzeichen …) zugrunde, da tatsächliche Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren im Disziplinarverfahren nach Art. 25 Abs. 1 BayDG als bindend anzusehen sind. Ein Sachverhalt, der ausnahmsweise ein Lösen von rechtskräftigen Feststellungen eines Strafurteils rechtfertigen könnte, liegt nicht vor. Das Amtsgericht D. hat die Beklagte wegen einer vorsätzlichen Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 45 Euro rechtskräftig verurteilt. Danach hat die Beklagte vorsätzlich ohne eigene dienstliche Veranlassung eigene Ermittlungen zum Aufenthalt von Häftling K.(Aussteiger aus der Rockerszene und ehemalige Präsident der …, welcher sich in einem Zeugenschutzprogramm befand) aufgenommen, sich darüber informiert in welche Justizvollzugsanstalt dieser verlegt worden war, und diese Information an einen Dritten weitergegeben (ebenfalls ehemaliges Mitglied der …), unter bewusster Verletzung der ihr als Justizvollzugsbeamtin obliegenden Geheimhaltungspflicht. Ebenso steht für die Kammer fest, dass sich die Beklagte für die Weitergabe dieser Information keine wirtschaftlichen Vorteile versprechen ließ. Auch dies ergibt sich aus den Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts D. vom 01.03.2018.
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b) Hinsichtlich der herabwürdigenden Äußerungen gegenüber und über den Kollegen J., steht der Sachverhalt aufgrund der schriftlichen Zeugenaussagen, sowie der in der mündlichen Verhandlung vernommenen Kollegen der Beklagten als Zeugen zur festen Überzeugung des Gerichts fest. Die Zeugen haben im Kern übereinstimmend schlüssig und glaubhaft den vorgeworfenen Sachverhalt bestätigt. Insbesondere die einvernommenen Zeugen OS im JVD P. und OS im JVD J. haben die in der Disziplinarklage vorgehaltenen Aussagen bestätigt. Die Zeugenaussagen waren dabei geprägt von dem Bemühen sachlich und umfassend auszusagen, ohne einen Belastungseifer an den Tag zu legen. In Anbetracht des inzwischen vergangenen Zeitablaufs und des damit eingeschränkten Erinnerungsvermögens haben sie glaubhaft und überzeugend die Korrektheit ihrer im behördlichen Verfahren getätigten Aussagen und Behauptungen bestätigt.
II.
40
Durch das Verhalten zu Tatvorwurf unter Ia, einer Straftat gemäß § 353b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB, hat die Beklagte vorsätzlich gegen ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit, zur rechtmäßigen Amtsführung, zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten sowie zur völligen Hingabe an den Beruf verstoßen (§§ 37, 35 Satz 2, 34 Satz 3 BeamtStG).
41
Durch das konkret vorgeworfene Verhalten zu Tatvorwurf Ib hat die Beklagte vorsätzlich gegen ihre Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten sowie zur vollen Hingabe an den Beruf verstoßen (§§ 34 Satz 1 und 3 BeamtStG). Einen Verstoß gegen beamtenrechtliche Pflichten etwa dadurch, dass in einem Telefonat zwischen der Beklagten und Herrn L. ein „Entgegenkommen beim Gerüstpreis“ zur Sprache gekommen ist in der Form, dass der Anschein der Bestechlichkeit erweckt worden wäre, sieht die Kammer nicht. Zwar ist eine derartige Aussage im Telefongespräch gefallen, aufgrund des Kontextes (Lachen, keine tatsächlichen wirtschaftlichen Verbindungen) in einem Vieraugengespräch teilt die Kammer die Auffassung des Amtsgerichtes D., dass es sich hierbei um eine „scherzhafte“ Bemerkung gehandelt hat, die als solche auch für Außenstehende so erkennbar gewesen ist bzw. wäre.
III.
42
Die Schwere des Dienstvergehens gebietet die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Das Fehlverhalten der Beklagten wiegt schwer i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BayDG. Sie hat auch unter Berücksichtigung ihres bisher beanstandungslosen dienstlichen Verhaltens das Vertrauen sowohl des Dienstherrn als auch der Allgemeinheit endgültig verloren.
43
1. Beamte sind gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn sie durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben. Die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme ist gemäß Art. 14 Abs. 1 BayDG nach pflichtgemäßen Ermessen, insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (vgl. BVerwG vom 10.12.2015 Az. 2 C 6/14). Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (vgl. BVerfG vom 8.12.2004 Az. 2 BvR 52/02). Eine Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG vom 20.10.2005 Az. 2 C 12.04). Bei der Ausübung des den Gerichten nach Art. 14 Abs. 1 BayDG eröffneten Ermessens, bei dem sie nicht an die Wertungen des Dienstherrn gebunden sind, ist jede Schematisierung zu vermeiden.
44
Das Beamtenverhältnis wird auf Lebenszeit begründet und kann vom Dienstherrn nicht einseitig aufgelöst werden. Pflichtverletzungen des Beamten machen daher Reaktions- und Einwirkungsmöglichkeiten des Dienstherrn erforderlich. Das Disziplinarrecht stellt hierfür Maßnahmen zur Verfügung, um den Beamten im Falle des Dienstvergehens zur Pflichterfüllung anzuhalten oder ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn das notwendige Vertrauen endgültig verloren ist. Nur so können die Integrität des Berufsbeamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden (vgl. z.B. BVerwG vom 10.12.2015 a.a.O.). Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Dabei bewirken schwerwiegende Vorsatzstraftaten generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zur Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt.
45
So hat nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zwingend den Verlust der Beamtenrechte zur Folge. Aus der Höhe der verhängten Strafe hat der Gesetzgeber unwiderleglich auf das Ausmaß der Vertrauensbeeinträchtigung geschlossen. Umgekehrt vermag ein außerdienstliches Verhalten, das keinen Straftatbestand erfüllt, die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht zu rechtfertigen (vgl. z.B. BVerfG vom 8.12.2004 a.a.O.). Da die Schwere des Dienstvergehens maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der in Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung und besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (vgl. BVerwG vom 20.10.2005 a.a.O.).
46
2. Bei den Pflichtverstößen der Beklagten, die kumulativ begangen wurden, handelt es sich um ein schwerwiegendes Dienstvergehen. Liegen mehrere Dienstpflichtverletzungen eines Beamten vor, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass es sich um ein einheitliches Dienstvergehen handelt. Dem Grundsatz der „Einheitlichkeit eines Dienstvergehens“ liegt der Gedanke zugrunde, dass für die disziplinarrechtliche Beurteilung des Verhaltens eines Beamten und für die Entscheidung über das Erfordernis einer erzieherischen Disziplinarmaßnahme oder gar der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht die einzelnen Pflichtverletzungen als Teilaspekte seines Verhaltens, sondern das gesamte innerdienstliche und außerdienstliche Verhalten als Spiegelbild seiner Persönlichkeit maßgebend ist. Erst bei Würdigung der Gesamtpersönlichkeit lässt sich mit der gebotenen Sicherheit beurteilen, ob der Beamte aus dienstlicher Sicht noch erziehbar erscheint und ob hierfür eine bestimmte Disziplinarmaßnahme als notwendig aber auch als ausreichend erscheint oder ob der Beamte für die Allgemeinheit und den Dienstherrn untragbar geworden ist und deshalb seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist (vgl. zum Ganzen BVerwG, U v. 10.12.1991, 1 D 26.91 m. w. Nachw.; juris).
47
Setzt sich ein Dienstvergehen aus verschiedenen Pflichtverletzungen wie hier zusammen, so bemisst sich die Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach dem schwerwiegendsten Pflichtenverstoß. Das ist hier der Geheimnisverrat nach § 353b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB.
48
3. Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, greift das Bundesverwaltungsgericht zunächst bei außerdienstlichen Dienstvergehen auf den Strafrahmen zurück. Die Ausrichtung der grundsätzlichen Zuordnung eines Dienstvergehens zu einer der Disziplinarmaßnahmen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 BayDG am gesetzlich bestimmten Strafrahmen ist nach der neueren Rechtsprechung jedoch auch bei innerdienstlich begangenen Dienstvergehen geboten (vgl. BVerwG vom 10.12.2015 a.a.O.). Auch bei diesen gewährleistet dies eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von Dienstvergehen. Es wird verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen. Die Einschätzung des Parlaments bestimmt, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind.
49
4. Bei einem innerdienstlichen Dienstvergehen - wie hier - kommt dagegen dem ausgeurteilten Strafmaß bei der Bestimmung der konkreten Disziplinarmaßnahme (im Gegensatz zu außerdienstlichen Dienstvergehen in einer zweiten Stufe) weder indizielle noch präjudizielle Bedeutung zu. Denn der Beamte ist nicht wie jeder andere Bürger, sondern in seiner dienstlichen Pflichtenstellung und damit als Garant einer unparteilichen und gesetzestreuen Verwaltung betroffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.08.2018 - 2 B 5.168-, juris, m.w.N.).
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a. Der abgeurteilte Tatvorwurf gegen die Beklagte beinhaltet die vorsätzliche Verletzung eines Dienstgeheimnisses sowie einer besonderen Geheimhaltungspflicht. § 353 b StGB sieht zur Bestrafung eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vor. Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bereits bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (vgl. BVerwG vom 10.12.2015 a.a.O.). Die Höhe der konkreten Verurteilung zu 50 Tagessätzen Geldstrafe bleibt bei dem innerdienstlichen Dienstvergehen dagegen außer Betracht.
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b. Die Ausschöpfung des Orientierungsrahmens kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn dies auch dem Schweregehalt des Dienstvergehens entspricht. Delikte, die angesichts ihrer möglichen Variationsbreite - wie hier ein Geheimnisverrat -der Vorgabe einer Regeldisziplinarmaßnahme nicht zugänglich sind, bedürfen einer sorgsamen Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Die Disziplinargerichte müssen für eine solche Betrachtung und die Ausschöpfung des Orientierungsrahmens unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände offen sein (vgl. z. B. BVerwG vom 23.7.2013 Az. 2 C 63.11).
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c. Durch die Weitergabe von dienstlich erlangten Erkenntnissen an Herrn L. hat die Beklagte gegen ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit verstoßen. Das Gebot der Amtsverschwiegenheit hat eine Hauptpflicht des Beamten zum Gegenstand, die zu den hergebrachten und bei Art. 33 Abs. 5 GG zu berücksichtigenden Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehört (BVerwG, Urteil vom 25.2.1971 - II C 11.70 -, BVerwGE 37, 265-271; jurisBVerwG, Urteil vom 25.2.1971 - II C 11.70 -, BVerwGE 37, 265-271; juris). Sie dient der Aufrechterhaltung und dem einwandfreien Funktionieren einer geordneten öffentlichen Verwaltung, die nur dann rechtstaatlich einwandfrei, zuverlässig und unparteiisch arbeiten kann, wenn Gewähr geleistet ist, dass über dienstliche Vorgänge nach außen grundsätzlich Schweigen bewahrt wird. Je nach der Bedeutung der vertraulich zu behandelnden amtlichen Vorgänge und dem Grad des Verschuldens kann ein Verstoß gegen die Amtsverschwiegenheitspflicht unterschiedliches disziplinarisches Gewicht haben (BVerwG, Urteil vom 18.10.1984 - 1 D 107.83 -, juris BVerwG, Urteil vom 18.10.1984 - 1 D 107.83 -, juris). Bei der vorzunehmenden Abwägung sind die Anzahl der Amtsgeheimnisse, die die Beklagte weitergegeben hat, sowie die Auswirkungen zu berücksichtigen. Gemessen hieran erweist sich der Pflichtverstoß der Beklagten als innerdienstlich und schwerwiegend.
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Allein die Weitergabe von justizinternen und polizeilichen Informationen aus privaten Gründen an einen Freund oder Bekannten der selbst schwerer Straftaten verdächtig ist, stellt bereits ein schweres Dienstvergehen dar. Erschwerend kommt vorliegend hinzu, dass sich die Beklagte diese Informationen zur Weitergabe an einen Dritten bewusst aktiv beschafft hat, und sie nicht nur gelegentlich ihres Dienstbetriebes zur Kenntnis erhalten hat. Ferner handelt es sich um äußerst sensible Informationen im Kernbereich der rechtsstaatlichen Sicherheitsinteressen. Sie betrafen einen Häftling der als Aussteiger aus der Rockerszene -ehemaliger Präsident der … - für mehrere Verfahren als Zeuge vorgesehen war, wegen der damit verbundenen Gefährdung unter Geheimhaltung in ein anderes Gefängnis verlegt, und in das Zeugenschutzprogramm aufgenommen worden ist. Die Information über seinen derzeitigen Aufenthaltsort und die Umstände seiner Verlegung hat die Beklagte an Herrn L. weitergegeben, ebenfalls ein ehemaliges … Mitglied, dieser wiederum an ein weiteres Mitglied der … Die vorsätzliche Weitergabe derartig sensibler Daten nach aktiver Beschaffung an Mitglieder bzw. das Umfeld der Rockergruppe … - die Beklagte wusste, dass Herr L. dem Rockermilieu zuzuordnen war - im Zusammenhang mit Ermittlungen aus dem Bereich der schweren Gewaltkriminalität, stellt alleine bereits ein so schweres Dienstvergehen dar, dass dadurch nach Auffassung der Kammer der Ausspruch der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme gerechtfertigt wäre. Im Hinblick auf die potentiellen Folgen der Weitergabe dieser Informationen (Gefährdung von Leib und Leben des Kronzeugen, Beeinträchtigung und gegebenenfalls Verhinderung strafrechtlicher Ermittlungen im Bereich der schweren Bandenkriminalität in Bezug auf Waffen-, Drogen- und Gewaltdelikte durch Bedrohung oder Beeinflussung von Zeugen, Absprachen von Zeugenaussagen) liegt eine so starke Verletzung der beamtenrechtlichen Kernpflichten im sicherheitsrelevanten Bereich vor, dass sowohl das Vertrauen des Dienstherrn als auch der Öffentlichkeit in die Zuverlässigkeit der Beklagten irreversibel zerstört ist. Der Pflichtverstoß wird auch nicht etwa dadurch abgemildert, dass die Beklagte ausführt sie hätte nicht gewusst, dass der Betroffene in einem Zeugenschutzprogramm ist, bzw. sie wollte nur der Freundin von Frau K. helfen und habe als Herr L. sie gefragt hatte, nur an das Wohl des Kindes gedacht. Die Beklagte hat sich aktiv und vorsätzlich Informationen beschafft und diese dann in einem weiteren aktiven Schritt zielgerichtet weitergegeben. Dabei hat sie in Erfahrung gebracht, dass für den Gefangenen Trennungsvermerke hinsichtlich zweier Mitgefangener im Datensystem der JVA eingetragen gewesen waren, sowie besondere Umstände der Verlegung (kurzfristig, insbesondere unter Beteiligung der Kriminalpolizei, außerhalb des Bundeslandes, ohne weitere Informationen in der JVA zu den Hintergründen und dem Zielort der Verlegung und unter Umgehung der üblichen Schubregel) auffällig waren. Daraus hat sie eindeutig ein besonderes Geheimhaltungsinteresse des Dienstherren bezüglich dieser Informationen entnehmen können und müssen. Darüber hat sich die Beklagte zumindest vorsätzlich und leichtfertig hinweggesetzt, indem sie in dem Telefonat in dem sie die Informationen an Herrn L. weitergab, diese auffälligen Umstände sogar besonders erwähnte. Auch erfolgte dieses Telefonat nach Aussagen der Beklagten etwa 14 Tage nach der Anfrage durch Herrn L. Insoweit hatte die Beklagte genügend Zeit, ihr Verhalten selbst zu hinterfragen. Ein spontanes Verhalten aus dem Impuls heraus jemanden zu helfen, lag damit nicht mehr vor.
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d. Ebenso handelt es sich um ein innerdienstliches Dienstvergehen, dass die Beklagte zu und über ihren Kollegen J. wiederholt im Dienst bezüglich dessen vermeintlicher Homosexualität in verächtlicher Art und Weise sprach. Damit wurde das innerbetriebliche Klima erheblich belastet und die kollegiale Zusammenarbeit erschwert und beeinträchtigt. Die vielfachen systematischen, negativen, ausgrenzenden und verächtlichen Äußerungen über die vermeintliche sexuelle Neigung des Arbeitskollegen widersprechen den Grundsätzen einer kollegialen und vertrauensvollen Zusammenarbeit, sowie eines respektvollen Umgangs mit Kollegen im Rahmen der Ausübung des Dienstes. Aus dem Treueverhältnis folgt das Gebot der Ein- und Unterordnung. Danach ist ein Beamter grundsätzlich verpflichtet, Vorgesetzten, Mitarbeitern und Beamten anderer Behörden gegenüber taktvoll zu begegnen, Rücksicht auf deren Belange zu nehmen und die Atmosphäre vertrauensvoller Zusammenarbeit im öffentlichen Dienst nicht ohne zwingenden Grund zu stören. Neben dem beamtenrechtlichen Pflichtenverstoß zeigt sich hier ein Persönlichkeitsmangel der Beklagten, welcher auch im Hinblick auf die Ausführungen unter III. 4c negativ zu berücksichtigen ist.
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Anerkannte Milderungsgründe (z. B. persönlichkeitsfremdes Augenblicksversagen, Fehlverhalten in einer äußerst schwierigen und überwundenen Lebensphase, erheblich geminderte Schuldfähigkeit) sind für die Kammer nicht ersichtlich.
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In der Summe führen die dargelegten Pflichtverletzungen auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Beklagte bislang straf-und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet ist, sowie der Dauer des Strafund Disziplinarverfahrens, daher zu einem so schweren Dienstvergehen, dass das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in die Beamtin restlos zerstört ist. Infolgedessen gebietet die Schwere des Dienstvergehens die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
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5. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist auch verhältnismäßig. Sie verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung auch die Zwecke der Generalprävention, der Gleichbehandlung und der Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Ist - wie hier - durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels durchgreifender Milderungsgründe das Vertrauen endgültig zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde dem Gebot, seine Aufgaben pflichtgemäß zu erfüllen, Rechnung tragen, erweist sich seine Entfernung aus dem Dienst daher als die erforderliche sowie geeignete Maßnahme, den aufgezeigten Zwecken des Disziplinarrechts Geltung zu verschaffen. Abzuwägen sind dabei das Gewicht des Dienstvergehens und der dadurch eingetretene Vertrauensschaden einerseits und die mit der Verhängung der Höchstmaßnahme für den Beamten einhergehende Belastung andererseits. Ist das Vertrauensverhältnis endgültig zerstört, stellt die Entfernung aus dem Dienst die angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen dar. Die Auflösung des Dienstverhältnisses beruht dann nämlich auf der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem als für alle öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Folge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen.
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Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist auch nicht wegen der damit einhergehenden Härten für die Beklagte unverhältnismäßig. Ein Beamter, der das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn durch sein Verhalten zerstört hat, kann nicht verlangen, dass sein Beamtenverhältnis zur Vermeidung sozialer Härten unverändert beibehalten wird. Er darf dadurch zwar nicht unter das Existenzminimum fallen. Ihn davor zu bewahren, ist jedoch allein Aufgabe der sozialrechtlichen Vorschriften und Leistungen (vgl. BayVGH vom 24.5.2017 Az. 16a D 15.2267 m.w.N.). Ihm steht im Übrigen für die Dauer von sechs Monaten ein Unterhaltsbeitrag gemäß Art. 13 Abs. 2 BayDG zu.
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Die Beklagte erscheint damit im Beamtenverhältnis nicht mehr als tragbar, da sie wegen eines schweren Dienstvergehens das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Im Disziplinarklageverfahren ist daher in der Gesamtschau aller be- und entlastenden Umstände die Verhängung der disziplinarischen Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis angezeigt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG. Gerichtsgebühren werden nicht erhoben, Art. 73 Abs. 1 Satz 1 BayDG.