Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 12.08.2020 – AN 9 K 19.01506
Titel:

Keine Baugenehmigung für Werbeanlage. Das Vorhaben überschreitet die Baulinie und führt zu einer störenden Häufung.

Normenketten:
BayBO Art. 8 S. 2, 3
BauGB § 30 Abs. 1
BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2
Leitsätze:
1. Der Standort der Werbeanlage liegt so, dass ein erheblicher Teil der geplanten Werbeanlage nach Norden über die Baulinie hinausreicht. Damit wird aber die wirksam festgesetzte Baulinie überschritten, sodass das geplante Bauvorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig ist. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch wenn ein Teil der vorhandenen Werbeanlagen keine Baugenehmigung besitzt, stellen diese als langjähriger Altbestand, dessen Beseitigung die Beklagte weder bisher betrieben hat noch derzeit betreibt, einen für die störende Häufung heranzuziehenden Bestand an vorhandenen Werbeanlagen dar. Durch das Bauvorhaben, eine erhöht und beleuchtet dominierende neue Werbeanlage würde das Blickfeld des Betrachters allein von Werbung dominiert, während die Bebauung und Begrünung in den Hintergrund träte.(Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Werbeanlage, Baulinie, störende Häufung, Baugenehmigung, Bebauungsplan, gewerbliche Nutzung, Ortsbild, City-Star-Board auf Monofuß
Fundstelle:
BeckRS 2020, 21337

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt die Erteilung der Baugenehmigung für eine Werbeanlage.
2
Am 16. August 2018 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erteilung der Baugenehmigung für ein beleuchtetes, einseitiges City-Star-Board auf Monofuß, auf dem Grundstück … …, FlNr. …, Gemarkung … in … Die Großflächen-Werbetafel im Euro-Format soll dabei auf einem 2,50 m hohen Monofuß westlich des Wohngebäudes errichtet werden. Nach einer Änderung des Standorts im Verlauf des Baugenehmigungsverfahrens soll die Werbeanlage zuletzt in einem Abstand von 10 m zur westlichen Außenwand des Wohngebäudes parallel zu dieser und in einem Abstand von 3 m von der Straßenfläche senkrecht zu dieser gemessen aufgestellt werden, wobei die beleuchtete Seite nach Westen gerichtet ist.
3
Das Baugrundstück ist mit einem Wohngebäude nördlich an der … angrenzend bebaut sowie mit verschiedenen Hütten bzw. Nebengebäuden im südlichen Bereich. Der westliche Teil des Grundstücks, der annähernd dreieckige Form besitzt, ist zwischen dem Wohngebäude und der … sowie der Grundstücksgrenze im Süden begrünt bzw. gärtnerisch genutzt.
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Die Werbeanlage soll in Form einer beleuchteten Großflächen-Werbetafel im Euro-Format auf einem 2,50 m hohen Monofuß errichtet werden.
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Das Baugrundstück liegt im Bereich des einfachen Bebauungsplans Nr. …, der für den Bereich nördlich und südlich der … eine im Wesentlichen parallel zu dieser verlaufende Baulinie festsetzt.
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Mit planungsrechtlichen Stellungnahmen vom 23. Oktober 2018, 14. Februar 2019 und 21. Juni 2019 verweigerte die Beklagte jeweils die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens und führte zur Begründung an, für das Vorhaben gelte ein einfacher Bebauungsplan, der eine straßenbegleitende Baulinie vorsehe, so dass bauliche Anlagen entlang ihres Verlaufs zur errichten seien. Die beantragte Werbeanlage stehe aber senkrecht dazu. Außerdem stelle das Vorhaben eine an dieser Stelle störende gewerbliche Nutzung dar, füge sich durch die geplante grelle Beleuchtung bei Nacht nicht in die Umgebung ein und dominiere zusätzlich durch die Situierung auf Höhe der Obergeschosse das Straßenbild. Auch werde die gegenüberliegende Wohnnutzung negativ beeinträchtigt und empfindlich gestört. Eine Befreiung von der festgesetzten Baulinie sei nicht beantragt worden und könnte auch nicht erteilt werden.
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Mit Schreiben der Beklagten vom 29. Oktober 2018 und 4. März 2019 wurde die Klägerin zur geplanten Ablehnung des Bauantrags angehört, wobei auch auf einen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Nr. 3 der Werbeanlagensatzung hingewiesen wurde sowie auf einen Verstoß gegen Art. 8 BayBO, weil das Straßen- und Ortsbild verunstaltet sowie eine störende Häufung entstehen würde.
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Die Klägerin äußerte sich mit Schriftsätzen vom 5. November 2018 und 6. September 2019 und trat den Einwendungen der Beklagten entgegen.
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Mit Bescheid der Beklagten vom 5. Juli 2019 wurde der Bauantrag abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, das Vorhaben stelle eine an dieser Stelle störende gewerbliche Nutzung dar, füge sich durch die geplante grelle Beleuchtung selbst bei Nacht nicht in die Umgebung ein und dominiere zusätzlich durch die Situierung auf Höhe der Obergeschosse das Straßenbild, was durch die Drehung entgegengesetzt zur Baulinie verstärkt werde. Eine Befreiung von dieser Baulinie sei deshalb städtebaulich nicht vertretbar. Durch die Beleuchtung werde auch die gegenüberliegende Wohnnutzung negativ beeinträchtigt und empfindlich gestört, ebenso das Ortsbild, zumal sich bereits eine erhebliche Anzahl von Werbeanlagen für Fremdwerbung dort befänden. Auch verstoße die Werbeanlage gegen § 2 Abs. 1 Nr. 3 WaS, da sie in unzulässiger Weise in einer Vorgartenzone errichtet werden solle und eine ausnahmsweise Zulassung nicht möglich sei. Auch wiederspreche das Vorhaben Art. 8 Satz 2 und 3 BayBO, weil das Straßen- und Ortsbild verunstaltet und eine störende Häufung entstehen würde.
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Mit am 5. August 2019 bei Gericht eingegangem Schreiben erhob die Klägerin Klage gegen den am 9. Juli 2019 zugestellten Ablehnungsbescheid mit dem Antrag,
die Beklagte unter Aufhebung des Versagungsbescheids zu verpflichten,
die beantragte Baugenehmigung zu erteilen.
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Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 10. September 2019 im Wesentlichen ausgeführt, die Werbeanlage füge sich hinsichtlich Art und Maß der baulichen Nutzung in die Umgebung ein, daran ändere auch die Beleuchtung nichts, ebenso wie die erhöhte Anbringung, da erheblich größere bauliche Anlagen in der Umgebung vorhanden seien. Eine Verunstaltung werde durch die Werbeanlage nicht entstehen, auch angesichts der in der Umgebung vorhandenen Bebauung. Die Beklagte habe weder eine störende Häufung noch eine sonstige Verunstaltung überzeugend dargestellt. Auch ein Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Nr. 3 WaS sei nicht erkennbar, da es sich hier nicht um einen Vorgarten, sondern um einen rückwärtigen Gartenbereich handle.
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Die Beklagte beantragte mit Schreiben vom 8. Oktober 2019,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, wegen der Versagungsgründe werde zunächst auf den angefochtenen Bescheid verwiesen. Das Vorhaben halte die hier geltende Baulinie nicht ein, die Voraussetzungen für eine Befreiung lägen nicht vor, da die Grundzüge der Planung berührt würden. Es liege ein Verstoß gegen § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO vor, da die in der Nähe befindliche Wohnnutzung empfindlich gestört werde, insbesondere aufgrund der erhöhten Anbringung und der Beleuchtung. Auch liege ein Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Nr. 3 WaS vor, es handle sich hier um eine straßenbegleitende Begrünung, nicht aber um einen rückwärtigen Gartenbereich. Auch werde das Straßen- und Ortsbild im Sinne des Art. 8 Satz 2 BayBO verunstaltet, der Bereich unmittelbar am Baugrundstück sei wesentlich geprägt durch die vorhandenen Grünflächen. Durch die quergestellte, nach hinten versetzte und erhöhte beleuchtete Werbeanlage würde dieser Bereich empfindlich gestört. Auch liege ein Verstoß gegen Art. 8 Satz 3 BayBO vor, da gleichzeitig im Gesichtsfeld des Betrachters mehrere unterschiedliche Werbeanlagen vorhanden seien, sei neben einer Häufung auch von einer Störung auszugehen, zumal die geplante Werbeanlage quer zur Fahrbahn auf einem Monofuß errichtet werden solle und damit den Rahmen der bisher vorhandenen, am Fahrbahnrand entlang der Straßenführung angebrachten, Werbeanlagen überschreite.
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Mit Beschluss der Kammer vom 9. Juli 2020 wurde das Verfahren dem Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
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Am 11. August 2020 nahm der Einzelrichter das Baugrundstück und die nähere Umgebung in Augenschein und führte vor Ort die mündliche Verhandlung durch.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten, hinsichtlich der Beweisaufnahme und der mündlichen Verhandlung auf die Niederschrift sowie die gefertigten Lichtbilder verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Klage ist unbegründet, da der angefochtene Ablehnungsbescheid vom 5. Juli 2019 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt, diese hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung.
19
Die geplante Werbeanlage ist bauplanerisch unzulässig, da sie die vom einfachen Bebauungsplan Nr. … festgesetzte wirksame Baulinie entlang der … nicht einhält und ein Anspruch auf Befreiung von dieser Festsetzung nicht besteht.
20
Mit dem Bebauungsplan Nr. … wurde eine Baulinie jeweils beidseits der … festgesetzt, Einwände gegen die Wirksamkeit dieser Festsetzung sind weder ersichtlich noch wurden solche erhoben. Die Baulinie, die im Bereich des Baugrundstücks zunächst parallel zur … entlang der nördlichen Gebäudewand verläuft, knickt auf Höhe der nordwestlichen Gebäudeecke nach Südwesten ab und verläuft dann etwa ab dem westlichen Ende des Baugrundstücks wieder nach Westen. Der geplante Standort der Werbeanlage liegt so, dass ein erheblicher Teil der geplanten Werbeanlage nach Norden über die Baulinie hinausreicht. Damit wird aber die wirksam festgesetzte Baulinie überschritten, sodass das geplante Bauvorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig ist. Eine Befreiung von den Festsetzungen der Baulinie wurde von der Beklagten zurecht verweigert, da die hier festgesetzte Baulinie nördlich und südlich der … ersichtlich die Bebauung entlang dieser Straße bestimmt und damit zu den Grundzügen der Planung gehört.
21
Das Vorhaben verstößt aber auch gegen Bauordnungsrecht, da im Fall seiner Verwirklichung hier eine störende Häufung im Sinne des Art. 8 Satz 3 BayBO geschaffen würde. Zwar ist die … gesäumt von zahlreichen Werbeanlagen, die allerdings in der näheren Umgebung um das Baugrundstück herum jeweils auf Straßenhöhe, unbeleuchtet und parallel zur Fahrbahn errichtet wurden. Auch wenn ein Teil dieser vorhandenen Werbeanlagen keine Baugenehmigung besitzt, stellen diese als langjähriger Altbestand, dessen Beseitigung die Beklagte weder bisher betrieben hat noch derzeit betreibt, einen für die störende Häufung heranzuziehenden Bestand an vorhandenen Werbeanlagen dar. Davon sind von Westen auf der … kommend insbesondere für die von der Werbung angesprochenen, motorisierten Verkehrsteilnehmer, die beiden Tafeln auf Seite des Baugrundstücks westlich des Wohngebäudes sowie die beiden Tafeln an dem gegenüberliegenden zweigeschossigen Zwischenbau gleichzeitig mit der geplanten City-Star-Anlage im Blickfeld.
22
Die bisher zwar von Werbeanlagen gesäumte, aber nicht überlastete … im hier maßgeblichen Bereich des Baugrundstücks und westlich davon verträgt aber eine weitere, quer zur Straße aufgestellte, auf einem 2,50 m hohen Standfuß errichtete und beleuchtete Werbeanlage in diesem Bereich nicht, ohne dass aus der zuvor schon vorhandenen Häufung an Werbeanlagen eine Störung würde. Denn durch die hinzutretende, erhöht und beleuchtet dominierende neue Werbeanlage würde das Blickfeld des Betrachters allein von Werbung dominiert, während die Bebauung und Begrünung in den Hintergrund träte. Dies gilt schon im Hinblick auf den beim Augenschein festgestellten Bestand an Werbeanlagen, wobei offenbleibt, ob die westlich des Baugrundstücks früher vorhandene, nach Angaben der Beklagten baurechtlich genehmigte Großflächen-Megalightanlage zulässigerweise aufgrund der Baugenehmigung wieder errichtet werden dürfte.
23
Da somit das Vorhaben bauplanungsrechtlich und bauordnungsrechtlich unzulässig ist, kam es auf die weiteren Ablehnungsgründe nicht an.
24
Damit war die Klage abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO.
26
Der Streitwert wurde gemäß § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. der langjährigen Rechtsprechung der Kammer festgesetzt.