Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 21.07.2020 – AN 1 K 19.01555
Titel:

Unzulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage wegen Ablehnung der Gewährung von familienpolitischer Teilzeit 

Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4, § 173 S. 1
BayBG Art. 88 Abs. 1, Art. 89 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 264 Nr. 2
GG Art. 6 Abs. 1
Leitsatz:
Die Versagung der beantragten Bewilligung familienpolitischer Teilzeit führte nicht zu einem vergleichbaren tiefgreifenden Eingriff in das Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz der Ehe und Familie). Art. 89 BayBG regelt abschließend die antragsabhängigen Ansprüche auf Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung wie auch diejenigen auf Urlaub ohne Besoldung aus familiären Gründen. Weitergehende Rechte werden auch durch Art. 6 Abs. 1 GG nicht gewährt. (Rn. 75) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fortsetzungsfeststellungsklage, fehlendes Feststellungsinteresse, Personalrat, dienstliche Belange, Dienstbetrieb, Genehmigung, Arbeitszeit, Beamtenverhältnis, Tiefgreifender Grundrechtseingriff, Ehe und Familie, familienpolitische Teilzeit
Fundstelle:
BeckRS 2020, 21321

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt im vorliegenden Verfahren die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Bescheides der Beklagten vom 23. Mai 2019 und des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 8. August 2019, mit welchen der Antrag des Klägers vom 29. April 2019, ihm familienpolitische Teilzeit mit 25 Wochenstunden im Zeitraum vom 1. April 2019 bis zum 31. Mai 2020 zu gewähren, abgelehnt worden war.
2
Der verheiratete Kläger ist Vater dreier Töchter, geboren … 2012, … 2014 und … 2016.
3
Er wurde … 2016 von der Beklagten unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Verwaltungssekretäranwärter ernannt.
4
Nach erfolgreichem Abschluss der Anstellungsprüfung wurde er … 2018 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Verwaltungssekretär zur Anstellung ernannt.
5
Der Kläger wird im Sachgebiet Liegenschaften der Beklagten eingesetzt.
6
Mit Schreiben vom 11. Juni 2018 beantragte der Kläger, in der Zeit vom 1. Oktober 2018 bis 31. März 2020 seine wöchentliche Arbeitszeit nach Art. 88 Abs. 1 BayBG (Antragsteilzeit) von 40 Stunden pro Woche auf 30 Stunden pro Woche zu ermäßigen.
7
Die Gemeinschaftsversammlung der Beklagten beschloss in ihrer Sitzung am 20. September 2018, dem Antrag des Klägers zunächst für den Zeitraum vom 1. Oktober 2018 bis einschließlich 31. März 2019 stattzugeben. Sollten sich in diesem Zeitraum keinerlei negative Auswirkungen auf den Dienstbetrieb im Sachgebiet Liegenschaften ergeben, verlängere sich die Genehmigung automatisch bis zum 31. März 2020. Die Entscheidung hierüber werde auf den Leiter der Finanzverwaltung übertragen. Sollten sich negative Auswirkungen auf den Dienstbetrieb ergeben, sei der Sachverhalt erneut der Gemeinschaftsverwaltung zur Entscheidung vorzulegen.
8
Der Beschlussvorlage ist zu entnehmen, es sei mit dem Kläger vereinbart worden, die Genehmigung zunächst auf sechs Monate zu befristen.
9
Mit Schreiben vom 25. September 2018 teilte der Gemeinschaftsvorsitzende der Beklagten dem Kläger mit, dem Antrag auf Ermäßigung der Arbeitszeit sei zunächst für den Zeitraum vom 1. Oktober 2018 bis zum 31. März 2019 stattgegeben worden. Sollten sich in dieser Zeit keine negativen Auswirkungen auf den Dienstbetrieb im Sachgebiet Liegenschaften ergeben, verlängere sich die Genehmigung automatisch bis zum 31. März 2020.
10
Vom 10. Oktober 2018 bis zum 9. Dezember 2018 war der Kläger dienstunfähig erkrankt. Vom 10. Dezember 2018 bis zum 4. Januar 2019 erfolgte eine stufenweise Wiedereingliederung in das Berufsleben.
11
Die Gemeinschaftsversammlung der Beklagten beschloss in der Sitzung am 9. April 2019, den Antrag des Klägers auf Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 30 Stunden nach dem 31. März 2019 bis zum 31. März 2020 abzulehnen. In diesem Zeitraum werde einer vorübergehenden wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden zugestimmt.
12
In der Sitzungsvorlage ist ausgeführt, der Kläger habe die Tätigkeiten im Liegenschaftsamt von Herrn … übernommen. Das Liegenschaftsamt sei zweigeteilt. Auch die zweite Mitarbeiterin, Frau …, sei seit August 2018 neu auf dieser Stelle eingestellt worden. Der Kläger habe nur eine sehr kurze und Frau … keine Einarbeitungszeit durch ihre jeweiligen Vorgänger gehabt. Es handle sich um ein sehr umfangreiches Sachgebiet, in dem sehr viele Belange der Mitgliedsgemeinden zusammenliefen. Die beiden Sachbearbeiter müssten eng zusammenarbeiten und über den Ablauf der Arbeiten des anderen informiert sein. Hinzu sei noch eine längere Ausfallzeit des Klägers mit anschließender Wiedereingliederung gekommen.
13
Hierdurch seien natürlich Arbeiten liegengeblieben, was aufzuarbeiten sei. Es sei bereits eine bestimmte Anzahl an Überstunden angefallen. Die Erledigung von Arbeitsaufträgen dauere dadurch entsprechend länger und könnte im Ergebnis effektiver und qualitativer sein. Der weitere Aufbau von Überstunden werde für die Zeit nach dem 31. März 2020 kritisch gesehen (Abfeiern).
14
Demnach stünden einer weiteren vorübergehenden Reduzierung der Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden betriebliche Belange entgegen.
15
Dies sei in einem Gespräch am 26. März 2019 dem Kläger gegenüber offengelegt worden. Eine vorübergehende Arbeitszeit von 35 Wochenstunden wäre anzustreben. Hiermit wäre auch der Kläger letztendlich einverstanden.
16
Mit Schreiben vom 10. April 2019 beteiligte die Beklagte den Personalrat und bat diesen um Zustimmung gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 BayPVG.
17
Mit Schreiben vom 29. April 2019 beantragte der Kläger die Bewilligung familienpolitischer Teilzeit gemäß Art. 89 Abs. 1 Nr. 1 BayBG für den Zeitraum vom 1. April 2019 bis 31. März 2020 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden.
18
Der Personalrat stimmte in seiner Sitzung vom 14. Mai 2019 der Ablehnung der beiden vom Kläger gestellten Anträge zu. Die Beschlüsse wurden dem Leiter der Geschäftsstelle mit zwei Schreiben mit dem Datum „8. Mai 2019“ mitgeteilt.
19
Ein Vorlageschreiben an den Personalrat der Beklagten zum Antrag vom 29. April 2019 befindet sich nicht in der Akte.
20
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 23. Mai 2019 den Antrag des Klägers vom 29. April 2019 ab. Die derzeit genehmigte Teilzeitarbeit mit 35 Stunden in der Woche gelte bis zum 31. März 2020 weiter.
21
In der Begründung des Bescheides ist ausgeführt, im Sachgebiet Liegenschaftsamt sei bis 30. Juni 2018 eine Vollzeitstelle mit 39 Stunden und bis zum 31. August 2018 eine Vollzeitstelle mit 40 Stunden vorhanden gewesen. Momentan sei eine Stelle mit 30 Stunden und eine Stelle mit 35 Stunden besetzt. Eine weitere Reduzierung auf 25 Wochenstunden sei aus dienstlichen Gründen nicht möglich. Zudem sei die kurzfristige Umsetzung nicht durchführbar.
22
Der Kläger sei bereits vom 1. Oktober 2018 bis zum 31. März 2019 in Teilzeit mit 30 Stunden tätig gewesen. Hierdurch hätten sich negative Auswirkungen auf den Dienstbetrieb ergeben. Der Aufgabenumfang habe nicht vollständig bewältigt werden können. Insbesondere seien längere Bearbeitungszeiten und ein Aufbau von Mehrarbeitsstunden entstanden.
23
Eine erneute Reduzierung der Arbeitszeit für den gewünschten Zeitraum könne weder personell noch organisatorisch anderweitig abgedeckt werden. Im Verwaltungsablauf drohten daher schwerwiegende Nachteile und die Funktionsfähigkeit im Liegenschaftsamt wäre gefährdet.
24
Aufgrund der derzeitigen Personalsituation sei es nicht möglich, kurz- und mittelfristig eine ausgeglichene Personalstruktur durch personelle sowie organisatorische Maßnahmen zu erreichen.
25
Es bestünde jedoch eine Bereitschaft, eine Ausnahmeregelung bei der Kernzeit zu vereinbaren, damit der Kläger seine persönlichen familiären Bedürfnisse besser abdecken könne.
26
Die Bevollmächtigten des Klägers legten unter dem 5. Juni 2019 gegen den Bescheid Widerspruch ein und trugen zur Begründung mit Schreiben vom 3. Juli 2019 vor, der Kläger habe einen Anspruch auf Bewilligung einer Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 25 Wochenstunden.
27
Bei dem negativen Tatbestandsmerkmal „zwingende dienstliche Belange“ im Sinne des Art. 89 Abs. 1 BayBG handle es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der grundsätzlich der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliege, ohne dass dem Dienstherrn insoweit ein Beurteilungsspielraum eingeräumt sei. Inhaltlich sei „unter dienstlichen Belangen“ das öffentliche Interesse an einer sachgemäßen und auch reibungslosen Aufgabenerfüllung der Verwaltung zu verstehen. „Dringende“ bzw. „zwingende“ dienstliche Belange seien demgegenüber solche aus dem Dienstbetrieb resultierenden Bedürfnisse, die ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der Verwaltung erforderten, um einen effektiven dienstlichen Betrieb zu gewährleisten.
28
Mit der Regelung in Art. 89 Abs. 1 BayBG werde das Ziel, Beamten und Beamtinnen die Betreuung ihrer Kinder neben ihrer Berufstätigkeit zu ermöglichen oder zu erleichtern, verfolgt. Dieser Zweck habe grundsätzlich höheres Gewicht als die zu berücksichtigenden dienstlichen Belange. Demgemäß könne die Bewilligung einer Teilzeitbeschäftigung nicht aufgrund von Auswirkungen versagt werden, die mit jeder Teilzeitbeschäftigung regelmäßig und generell verbunden seien, wie beispielsweise die Tatsache, dass der betroffene Beamte nicht mehr voll zur Verfügung stehe. Ebenso wenig kämen mit der Teilzeitbeschäftigung verbundene Erschwernisse, wie z.B. die Notwendigkeit einer gewissen Umorganisation als entgegenstehende zwingende Belange in Frage. Die Teilzeitbeschäftigung dürfe nur abgelehnt werden, wenn dadurch schwerwiegende Nachteile für die Verwaltung drohten.
29
Entgegenstehende zwingende Belange bzw. schwerwiegende Nachteile für die Verwaltung seien dem ablehnenden Bescheid vom 23. Mai 2019 nicht zu entnehmen. Die aufgeführten Ablehnungsgründe, wie z.B. nicht durchführbare Umsetzungsmaßnahmen, seien vorliegend nicht zu berücksichtigen. Sachliche Gründe für die Versagung der Teilzeitarbeit seien nicht erkennbar. Dem Antrag des Klägers sei deshalb stattzugeben.
30
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 8. August 2019 zurück.
31
Der Kläger ließ mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 12. August 2019, eingegangen beim Verwaltungsgericht Ansbach am 13. August 2019, Klage erheben und beantragen,
den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 23. Mai 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2019 aufzuheben.
32
Die Begründung bleibe einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten. Zudem wurde die Gewährung von Akteneinsicht beantragt.
33
Mit Schriftsatz vom 11. September 2019 zeigten sich die Bevollmächtigten der Beklagten an und übermittelten die Behördenakte.
34
Mit gerichtlichem Schreiben vom 19. September 2019 wurde die beantragte Akteneinsicht gewährt.
35
Die Klage wurde mit Schriftsatz vom 11. November 2019 begründet. Der Sachvortrag aus dem Widerspruchsverfahren wurde wiederholt und vertieft.
36
Die Bevollmächtigten der Beklagten beantragten mit Schriftsatz vom 31. Januar 2020, eingegangen beim Verwaltungsgericht Ansbach am 6. Februar 2020,
die Klage abzuweisen.
37
Aus den Ausführungen der Beklagten im Ausgangsbescheid und im Widerspruchsbescheid ergäben sich zwingende dienstliche Gründe im Sinne des Art. 89 Abs. 1 BayBG, welche der begehrten weiteren Arbeitszeitreduzierung des Klägers wegen der daraus zwangsläufig resultierenden weiteren Bearbeitungsproblemen und Beeinträchtigungen dienstlicher Belange entgegenstünden. Der Verlauf der Teilzeitphase mit 30 Wochenstunden habe in mehrfacher Hinsicht erwiesen, dass der bestehende Aufgabenumfang mit 30 Wochenstunden nicht bewältigt werden könne und die sachgerechte reibungslose Aufgabenerfüllung im Liegenschaftsamt deutlich beeinträchtigt worden sei. Dies könnten der Leiter der Finanzverwaltung, Herr … …, und der Gemeinschaftsvorsitzende, Herr … …, bezeugen.
38
Mit der Planstelle des Klägers seien hohe Leistungsanforderungen aus diesem Spitzenamt des mittleren Verwaltungsdienstes/2. Qualifikationsebene verbunden.
39
Auch bei erfolgter Berücksichtigung der persönlichen, familiären Interessen des Klägers habe die Verpflichtung der Beklagten, ihre Personalvorhaltung so zu organisieren, dass ein pflichtgemäßer ordnungsgemäßer Gang der Verwaltung gewährleistet sei, Vorrang (Art. 7 Abs. 2 VGemO).
40
Hierauf replizierten die Bevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 26. Februar 2020, auf den Bevollmächtigten der Beklagten unter dem 23. März 2020 erwiderten.
41
Weiter Sachvortrag erfolgte mit Schriftsatz der Bevollmächtigten des Klägers vom 24. Juni 2020.
42
Mit gerichtlichem Schreiben vom 6. Juli 2020 wurde den Beteiligten u.a. Gelegenheit eingeräumt, zu der Frage der Erledigung des Rechtsstreits infolge Zeitablaufs Stellung zu nehmen.
43
Die Bevollmächtigten der Beklagten erwiderten unter dem 10. Juli 2020, die Frage der Erledigung des Rechtsstreits sei für die Beklagte zustimmend zu beantworten.
44
Die beantragte Teilzeitgenehmigung habe den Zeitraum vom 1. April 2019 bis 31. Mai 2020 betroffen, welcher infolge Zeitablaufs verstrichen sei. Ein entsprechender Antrag des Klägers für eine aktuell bevorstehende Zeitspanne liege nicht vor.
45
Auch eine etwaige Projektion des verfahrensgegenständlichen Antrags auf jetzt anstehende Zeit wäre schon deshalb nicht möglich, weil sich der Kläger infolge der Geburt eines weiteren ehelichen Kindes am 25. Juni 2020 in einer aktuell angetretenen „Elternzeit“ vom 22. Juni bis 21. Juli 2020 befinde.
46
Im Ergebnis sei festzustellen, dass sich der Rechtsstreit hinsichtlich des gegenständlichen Klageantrags in der Hauptsache erledigt habe, mit der Kostenfolge gemäß § 161 Abs. 2 VwGO zulasten des Klägers wegen seines rechtlich nicht durchgreifenden, von der Beklagten begründet abgelehnten Antrags.
47
Die Bevollmächtigten des Klägers änderten mit Schriftsatz vom 17. Juli 2020 den bisher gestellten Klageantrag dahingehend, dass nunmehr im Wege einer Fortsetzungsfeststellungsklage beantragt werde, festzustellen, dass der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 23. Mai 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2019 rechtswidrig war.
48
Der Rechtsstreit habe sich durch Zeitablauf erledigt.
49
Der Kläger habe ein berechtigtes Interesse an der beantragten Feststellung der Rechtswidrigkeit der ergangenen Bescheide.
50
Im vorliegenden Fall bestehe die Gefahr, dass die Beklagte im Falle eines erneuten Antrages auf familienpolitische Teilzeit diesen Antrag wiederum ablehne. Für die Annahme eines Feststellungsinteresses reiche dies aus.
51
Darüber hinaus könne ein schutzwürdiges Interesse, das ein berechtigtes Interesse an der Rechtswidrigkeitsfeststellung nach § 195 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog darstelle, auch die Art des Eingriffs in den grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz begründen.
52
Sinn und Zweck der familienpolitischen Teilzeit sei unter anderem eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit und die Erarbeitung von dienstrechtlichen Instrumenten, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch weiter zu verbessern. Nach dem Willen der Bayerischen Staatsregierung solle der öffentliche Dienst in Bayern seine Vorbildfunktion für familienfreundliche Arbeitsbedingungen ausbauen.
53
Danach sei aber auch im Hinblick auf den streitgegenständlichen Bescheid und die daraus resultierende Ablehnung der familienpolitischen Teilzeitbeschäftigung ein Eingriff in das Grundrecht der Ehe und Familie nach Art. 6 GG gegeben. Auch in diesem Zusammenhang sei von einem berechtigten Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Bescheide am 23. Mai 2019 bzw. des Widerspruchsbescheids vom 8. August 2019 auszugehen.
54
Die Bevollmächtigten der Klägerin beantragten mit Schriftsatz vom 20. Juli 2020, die Fortsetzungsfeststellungsklage abzuweisen. und erklärten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.
55
Die von dem Bevollmächtigten des Klägers behauptete Wiederholungsgefahr sei derzeit nicht feststellbar bzw. belegt. Ein allenfalls künftiger Teilzeitantrag des Klägers sei nach den dann bestehenden tatsächlichen Verhältnissen zu beurteilen, insbesondere nach dem neuen Antragsinhalt (Teilzeitumfang) und den dazu im Sinne des Art. 89 Abs. 1 BayBG hinsichtlich eventueller zwingender dienstlicher Belange obwaltenden dienstlichen Gegebenheiten bei der Beklagten.
56
Diese dienstlichen Belange könnten sich dann entsprechend den bisherigen Ablehnungsgründen wiederholen und zu wiederum entgegenstehenden dienstlichen Gründen führen, die dienstlichen Belange der Beklagten könnten sich aber auch in den personellen Umständen, in qualitativer und quantitativer Hinsicht ihres bestehenden Aufgabenumfangs mit gegebenenfalls neuen Aufgabenanfall ändern und zu neuen Entscheidungsgründen der Beklagten für oder gegen eine Teilzeitgewährung führen.
57
Infolge gegenwärtig nicht feststellbaren künftigen Sachverhaltsidentitäten könne eine für das Rechtsschutzinteresse zur Fortsetzungsfeststellungsklage und zu deren Begründung erforderliche, hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr derzeit nicht angenommen werden. Damit gehe die Fortsetzungsfeststellungsklage fehl. Unbehelflich sei hierzu der seitens des Klägers gegebene Hinweis auf § 195 VwGO, da eine solche Bestimmung nicht existiere. Desgleichen erfüllten die Ausführungen des Klägers zu Art. 6 GG das aus einer Wiederholungsgefahr resultierende notwendige Feststellungsinteresse nicht. Die Klage sei deshalb abzuweisen.
58
Die Bevollmächtigten des Klägers erklärten mit Schriftsatz vom 20. Juli 2020 ebenfalls ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und führten aus, die Beklagte trage selbst vor, dass bei einem entsprechenden Antrag des Klägers eine gleichlautende negative Entscheidung getroffen werden könne. Dies reiche aus, um die Wiederholungsgefahr zu begründen. Im Übrigen werde nochmals auf den mit der Ablehnung verbundenen Grundrechtseingriff verwiesen.
59
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

60
Die Fortsetzungsfeststellungsklage, über die die Kammer im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist statthaft.
61
Die ursprünglich erhobene Klage hat sich in der Hauptsache erledigt. Streitgegenstand war der Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2019, im welchem der Antrag des Klägers vom 29. April 2019, ihm familienpolitische Teilzeit im Umfang von 25 Wochenstunden in der Zeit vom 1. April 2019 bis 31. Mai 2020 zu bewilligen, abgelehnt worden war.
62
Eine rückwirkende Bewilligung ist nicht möglich, da hierdurch nachträglich der Arbeitszeitstatus des Klägers verändert würde. Dies ist rechtlich nicht zulässig, da die Folge einer nachträglichen Bewilligung wäre, dass der Kläger in dem genannten Zeitraum im Umfang von zehn Wochenstunden rechtswidrig Mehrarbeit geleistet hätte.
63
Der Rechtsstreit hat sich somit nach Klageerhebung durch Zeitablauf erledigt.
64
In dieser Fallkonstellation findet § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO unmittelbare Anwendung. In der Umstellung des Klageantrags in einen Fortsetzungsfeststellungsantrag liegt gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO keine Klageänderung i.S.v. § 91 VwGO.
65
Die statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage ist jedoch als unzulässig abzuweisen, da der Kläger kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts hat (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).
66
Die Rechtsprechung bejaht ein derartiges Feststellungsinteresse in vier Fallkonstellationen:
1. Konkrete Wiederholungsgefahr
2. Rehabilitationsinteresse
3. Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses
4. Tiefgreifender Grundrechtseingriff
67
Keiner der genannten Fallgestaltungen ist vorliegend erfüllt.
68
Eine Wiederholungsgefahr ist gegeben, wenn die hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein vergleichbarer Verwaltungsakt ergehen wird. Dazu ist nach neuerer Rechtsprechung nicht nur eine konkrete Gefahr erforderlich, sondern müssen darüber hinaus die für die Beurteilung maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände im Wesentlichen unverändert geblieben sein (BVerwG, U.v. 16.5.2013 - 8 C 14/12 - juris).
69
Die Bevollmächtigten der Beklagten weisen zurecht darauf hin, dass diese Voraussetzungen vorliegend nicht erfüllt sind. Im Falle eines erneuten Antrags des Klägers auf Bewilligung familienpolitische Teilzeit nach Art. 89 Abs. 1 BayBG kommt es maßgeblich auf die dann gegebenen tatsächlichen Verhältnisse im Personalbereich der Beklagten, insbesondere in dem Sachgebiet, in welchem der Kläger tätig ist und die zu diesem Zeitpunkt vorhandene Arbeitsbelastung an. Zudem ist auch entscheidungsrelevant, im welchem Umfang der Kläger eine Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit beantragt. Eine tatsächliche Änderung der Verhältnisse ist zudem bereits dadurch eingetreten, dass die ebenfalls nur teilzeitbeschäftigte Kollegin des Klägers, Frau … …, ihren Arbeitsplatz zum 31. Dezember 2019 gekündigt hat und im Wege der Abordnung durch einen Kollegen in Vollzeit ersetzt worden ist.
70
Ein Rehabilitationsinteresse ist gegeben, wenn der Verwaltungsakt diskriminierenden Charakter hatte und sich aus ihm eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen ergab.
71
Die Ablehnung eines Antrags auf Bewilligung familienpolitische Teilzeit mit der Begründung, die Genehmigungsvoraussetzungen lägen nicht vor, weil zwingende dienstliche Belange entgegenstünden, hat keinen diskriminierenden Charakter. Ein solcher ist beispielsweise bei einer publikumswirksamen, polizeilichen Identitätsfeststellung anzunehmen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 113 Rn. 142).
72
Der Kläger macht auch nicht geltend, er benötige die gerichtliche Feststellung zur Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses. Er behauptet auch nicht, dass ihm durch die Ablehnung seines Antrags ein finanziell abzugeltender Schaden entstanden sei.
73
Der Kläger kann auch nicht gelten machen, dass Feststellungsinteresse ergebe sich aus einem mit der Antragsablehnung verbundenen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG.
74
Umstritten ist, wie tief ein Grundrechtseingriff wirken muss, um ein derartiges berechtigtes Interesse zu rechtfertigen. Ausreichend ist nicht jedes Interesse nach Genugtuung, da jeder belastende Verwaltungsakt grundrechtsrelevant wäre. Eine bloße Bezugnahme auf Art. 2 I GG reicht daher nicht aus. Bejaht wurde z.B. ein tiefgreifender Grundrechtseingriff bei Freiheitsentziehung zur Durchsetzung eines Platzverweises durch die Polizei unter Hinweis auf Art. 19 Abs. 4 GG (Kopp/Schenke, 21. Auflage, § 113 Rn. 45). Im Versammlungsrecht besteht ein Feststellungsinteresse, wenn die Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) schwer beeinträchtigt wurde.
75
Die Versagung der beantragten Bewilligung familienpolitischer Teilzeit führte nicht zu einem vergleichbaren tiefgreifenden Eingriff in das Grundrecht des Klägers aus Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz der Ehe und Familie). Art. 89 BayBG regelt abschließend die antragsabhängigen Ansprüche auf Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung wie auch diejenigen auf Urlaub ohne Besoldung aus familiären Gründen. Weitergehende Rechte werden auch durch Art. 6 Abs. 1 GG nicht gewährt (vgl. Schnellenbach/Bodanowitz BeamtenR, § 10 Fürsorge- und Schutzpflicht des Dienstherrn, Rn. 11a, beck-online).
76
Eine Antragsablehnung wegen vom Dienstherren angenommenen Entgegenstehens zwingender dienstliche Belange berührt somit zwar den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG. Es handelt sich jedoch um keinen tiefgreifenden Eingriff in das genannte Grundrecht, sondern um eine mit jeder Ablehnung eines Antrags nach Art. 89 BayBG verbundene Folgewirkung, die kein Feststellungsinteresse zu begründen vermag.
77
Die Klage war daher abzuweisen.
78
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
79
Gründe, die Berufung nach § 124a Abs. 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.