Titel:
Anspruch auf Aufnahme in Untergruppe der Stadtbachfischer
Normenketten:
ZPO § 3, § 5
BGB § 249, § 826
GG Art. 3 Abs. 2
Schlagworte:
Stadtbach, Fischertag, Teilnahme, Ausschluss, Monopolstellung, Verein
Rechtsmittelinstanz:
LG Memmingen, Endurteil vom 28.07.2021 – 13 S 1372/20
Fundstellen:
BeckRS 2020, 21087
SpuRt 2021, 40
LSK 2020, 21087
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin in die Gruppe der Stadtbachfischer aufzunehmen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte die Klägerin nicht wegen ihres weiblichen Geschlechts von der Teilnahme am jährlichen Ausfischen des Stadtbaches ausschließen darf.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 20 Prozent und der Beklagte 80 Prozent zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.500 Euro. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird bis zum 25.10.2019 auf 3.200 Euro, ab dem 26.10.2019 bis zum 02.08.2020 auf 2.200 Euro und ab dem 03.08.2020 auf 3.900,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin in der Vereinsuntergruppe der Stadtbachfischer aufzunehmen und ob der Beklagte aufgrund ihres weiblichen Geschlechts von der Teilnahme am Ausfischen des Stadtbaches am sogenannten Fischertag ausgeschlossen werden kann.
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Bei dem Beklagten handelt es sich um einen gemeinnützigen Verein, dessen Satzungszweck u.a. die Heimat- und Kulturpflege ist. In der Satzung ist unter § 2 festgehalten: „Der Verein dient der Heimatpflege, Heimatkunde, Kultur und dem Umweltschutz. Der Zweck wird insbesondere verwirklicht durch die Durchführung und festliche Gestaltung des alljährlich stattfindenden Fischertages und der periodisch stattfindenden Festspiele; die Pflege des Stadtbaches und des heimischen Brauchtums sowie die Pflege von Begegnungen, insbesondere mit historischen Bezügen, auf nationaler und internationaler Ebene.“
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Die Klägerin ist seit dem Jahr 1987 Vereinsmitglied dem Beklagten. Insgesamt hat der Beklagte rund 5.000 Mitglieder, darunter 1.500 Frauen Innerhalb des Vereins existieren verschiedenen Gruppierungen. Diese gliedern sich in die Gruppe der Stadtbachfischer, die Fischertagsgruppen, und die Festspielgruppen. Weiterhin existieren insgesamt rund 37 Untergruppierungen. Dabei gehört die Klägerin der Untergruppierung der Bediensteten an.
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Die weiblichen Mitglieder des Vereins haben die Möglichkeit Mitglied in sämtlichen Untergruppierungen des Vereins zu sein. Dabei nehmen die Frauen weibliche wie männliche Rollenbilder wahr und treten dabei beispielsweise auch als Soldat auf und tragen entsprechend männliche mittelalterliche Kostüme. Lediglich eine Mitgliedschaft in der Untergruppe der Stadtbachfischer ist aufgrund von § 8 Abs. 3 der Vereinssatzung männlichen Vereinsmitgliedern vorbehalten. Hierin heißt es: „Zur Wahrung der jahrhundertealten Tradition haben nur männliche Mitglieder des Vereins, die mindestens seit 5 Jahren ihren ersten Wohnsitz in Memmingen haben, unter Beachtung von § 1 Abs. 1 der Ordnung für das Ausfischen des Stadtbaches und die Erlangung der Königswürde das Recht zum Ausfischen des Stadtbaches. Dieses Recht behalten die Mitglieder auch nach Aufgabe des 1. Wohnsitzes in Memmingen. Sie müssen Mitglieder der Gruppe der Stadtbachfischer sein. Ausnahmen können durch den Vorstand genehmigt werden und bedürfen der Schriftform.“ § 8 Abs. 4 sieht die Möglichkeit einer Teilnehmerbegrenzung vor. Weiter kann die Teilnahme von einem, Sachkundenachweis abhängig gemacht werden. Altersbeschränkungen sieht die Satzung keine vor.
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Die Satzungsregelung, welche Frauen von der Teilnahme ausschließt, geht auf das Jahr 1931 zurück. Seitdem hat es mehrere Satzungsänderungen hinsichtlich der Teilnahme am Fischertag gegeben. So wurde beispielsweise, die Zeit, welche man in Memmingen gelebt haben musste von zunächst 10 Jahren, auf 5 Jahre verkürzt. Auch verlor man früher das Recht den Bach auszufischen, wenn man aus Memmingen weggezogen ist. Frauen war die Teilnahme am Fischertag jedoch nie gestattet worden.
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Jährlich im Juli wird durch den Verein der sogenannte Fischertag ausgerichtet. Diese Tradition hat ihren Ursprung in geschichtlichen Geschehnissen aus dem Mittelalter. Durch die Stadt Memmingen fließt seit dem frühen Mittelalter der sogenannte Stadtbach. Dieser musste damals einmal im Jahr saniert und gereinigt werden und wurde zu diesem Zwecke abgelassen. Zuvor wurde der Bach ausgefischt. Dieses Ausfischen entwickelte sich mit der Zeit zu einem Fest der Bürger der Stadt Memmingen. Bis zum Jahr 1919 war Veranstalter dieses Festes die Stadt Memmingen und das Rahmenprogramm wurde von einer bürgerlichen Vereinigung gestaltet. Im Jahr 1919 übertrug die Stadt Memmingen der Beklagten die Durchführung des Fischertages. Im Jahr 1979 recherchierte der Verein zudem, welche Gewänder im Mittelalter getragen wurden, und es wurde Vereinskleidung beschafft, die der mittelalterlichen Kleidung nachempfunden ist. Seit dem Jahr 1980 veranstaltet der Beklagte zudem alle 4 Jahre zusätzlich die 8 Tage andauernden Wallensteinspiele, welche an den dreimonatigen Aufenthalt des Oberbefehlshabers der kaiserlichen Truppen in Memmingen im Jahr 1630 erinnern soll. Hier wird u.a. das Lagerleben, wie es früher war, nachgestellt, das auch durch das Tragen der mittelalterlichen Kleidung zum Ausdruck kommt.
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Der Fischertag selbst wird durch den sogenannten Fischertagsvorabend gegen 18 Uhr eingeläutet. Hier finden über die Stadt Memmingen verteilt Festivitäten statt. Am Morgen des Fischertages findet ein festlicher Umzug zum Stadtbach statt. Nach einem Böllerschuss beginnt das Ausfischen des Baches, welches maximal 45 Minuten dauert. Dabei wird der Bach mit einem Kescher, dem sogenannten „Bären“ leergefischt. Die Fischer tragen dabei jeweils einen Fischerhut, an welchem die Teilnahmeberechtigungskarte befestigt ist. Die restliche Kleidung ist freigestellt. Teilweise wird altertümliche Kleidung teilweise werden Jeans und T-Shirt getragen. Im Anschluss hieran werden die gefangenen Forellen gewogen. Die Person, welche die schwerste Forelle gefangen hat, wird schließlich zum Fischerkönig gekrönt. Dies erfolgt im Rahmen des sogenannten Krönungsfrühschoppens. Nachmittags findet ein Lagerleben statt. Anschließend zieht der Fischerkönig nebst Gefolge aus. Es findet noch eine Bewirtung der Gäste mit Einlagen der verschiedenen Festpielgruppen statt. Die Festivitäten enden am Sonntagvormittag mit der sogenannten Heimatstunde.
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In den letzten Jahren sprach sich die Klägerin mehrfach für eine Satzungsänderung aus, um auch weiblichen Vereinsmitgliedern eine Teilnahme am Ausfischen des Baches zu ermöglichen. Mit Schreiben vom 30.01.2018 stellte die Klägerin den Antrag das Wort „männlich“ in § 8 Abs. 3 der Satzung zu streichen. Ein weiterer Antrag folgte am 30.01.2019. Die Anträge wurden negativ verbeschieden. Schließlich begehrte die Klägerin die Teilnahme am sog. Fischerkurs und die Aufnahme in die Untergruppe der Stadtbachfischer, was von der Beklagten aufgrund der Satzungsregelung zurückgewiesen wurde, die eine entsprechende Aufnahme bzw. Teilnahme nur männlichen Mitgliedern erlaubt. Schließlich erhob die Klägerin Klage.
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Die Klägerin begründet ihre Klage im Wesentlichen damit, dass die Nichtaufnahme in die Untergruppe der Stadtbachfischer und der Ausschluss vom Abfischen des Stadtbaches beim Fischertagsfest einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG sowie gegen Art. 18 AGG darstelle und nicht dem Vereinszweck der Gemeinnützigkeit vereinbar sei. Der Beklagte unterliege zudem einer besonderen Grundrechtsbindung, weil das Ausfischen des Baches eine hoheitliche Tätigkeit darstelle, welche die Stadt Memmingen der Beklagten übertragen habe. Der Beklagte habe hierdurch eine besondere Monopolstellung eingenommen. Das Fest habe eine identitätsprägende Bedeutung für die Stadt, weshalb sich jede Ungleichbehandlung verbiete. Der Traditionsgedanke allein genüge nicht eine Diskriminierung der Klägerin zu rechtfertigen, da schon nicht erwiesen sei, dass Frauen niemals beim Fischen mitgewirkt hätten. Der traditionelle Charakter der Veranstaltung ginge auch nicht durch die Teilnahme von Frauen verloren, da auch andere Traditionsvereine, wie z.B. Schützenvereine Mädchen die Teilnahme an Schießveranstaltungen und am Vereinsleben ermöglichten. Zudem handle es sich beim Ausfischen des Baches um das Hauptereignis des Fischertages, so dass ein Ausschluss hiervon eine wesentliche Beschränkung der Mitgliedsrechte bedeute. Sie habe schließlich nie die Möglichkeit Fischerkönigin zu werden. Ein weiterer Anspruch auf Teilnahme am Fischertag ergebe sich aus Art. 21 GO. Beim Fischertag handle es sich um eine öffentlichrechtliche Veranstaltung zu welcher ihr Zugang gewährt werden müsse.
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Die Klägerin hatte zunächst neben dem Antrag auf Aufnahme in die Untergruppe der Stadbachfischer und neben dem Hilfsantrag auf Feststellung der Nichtigkeit der entsprechenden Vereinssatzungsregelung noch ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000 Euro beantragt. Dieser Antrag wurde jedoch mit Schriftsatz vom 25.10.2019 zurückgenommen. Im Rahmen der Hauptverhandlung kam es zu einer Klageerweiterung um einen weiteren Feststellungsantrag.
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Die Klägerin beantragt zuletzt,
- 1.
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Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin in die Gruppe der Stadtbachfischer aufzunehmen.
- 2.
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Es wird festgestellt, dass der Beklagte die Klägerin nicht wegen ihres weiblichen Geschlechts von der Teilnahme am jährlichen Ausfischen des Stadtbaches ausschließen darf.
- 3.
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Hilfsweise wird beantragt festzustellen, dass § 8 Abs. 3 der Vereinssatzung unwirksam ist, soweit er nur männlichen Mitgliedern den Zugang zur Gruppe der Stadtbachfischer gewährt.
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Der Beklagte beantragt,
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Er ist der Ansicht, das Amtsgericht Memmingen sei sachlich bereits nicht zuständig, da der Streitwert bereits aufgrund der Bedeutung der Angelegenheit für Memmingen mehr als 5.000 Euro betragen müsse. Hinsichtlich der Feststellungsanträge fehle der Klägerseite das Feststellungsinteresse.
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Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Aufnahme in die Gruppe der Stadtbachfischer. Aus dem Grundsatz der Vereinsfreiheit ergebe sich, dass jeder Verein selbst entscheiden könne, welchen Personen er innerhalb des Vereins welche Rechte einräume. Bei der Beklagten handle es sich um einen Geselligkeitsverein, so dass eine Grundrechtsbindung nicht existiere. Auch aus der Übertragung des Rechts den Fischertag auszurichten, ergebe sich keine Grundrechtsbindung, da der Verein rein privatrechtlich organisiert sei und gerade nicht hoheitlich tätig werde. Doch selbst wenn man von einer Grundrechtsbindung ausgehen wolle, sei eine etwaige Diskriminierung gerechtfertigt. Das Ausfischen des Stadtbaches nehme meist nur 20-30 Minuten in Anspruch, während sich das Fischertagsfest über mehr als einen Tag erstrecke, so dass lediglich von einem sehr geringen Eingriff auszugehen sei. Da der Stadtbach sehr übel rieche und dreckig sei, hätten ohnehin viele Mitglieder kein Interesse beim Abfischen mitzuwirken. Es gebe zudem weitere Fischertagsgruppen, bei welchen sich die Klägerin engagieren könne. Auch sei es ihr möglich bei Abfischen zuzusehen oder als „Kübelfrau“ mitzuwirken. Diese halten den Kübel bereit, um die von den Männern gefangenen Fische entgegenzunehmen. Auch habe die Klägerin als Mitglied der Gruppe der Bediensteten im Rahmen der 8-tägigen Wallensteinspiele die Möglichkeit zur aktiven Kulturpflege, sie werde gerade nicht von sämtlichen Aktivitäten oder vom Verein insgesamt ausgeschlossen. Ein entsprechender Grundrechtseingriff sei unter dem Gesichtspunkt der Tradition gerechtfertigt. Das Abfischen des Stadtbaches sei seit jeher nur durch Männer und nicht durch Frauen erfolgt. Ein entsprechendes authentisches Abfischen sei daher nur durch Männer möglich. Auch anderen Vereinen sei es aufgrund ihrer Vereinshoheit gestattet, beispielsweise reine Damen- und Herrenmannschaften zu bilden. Auch dies sei rechtlich bislang nicht beanstandet worden. Ein Verstoß nach § 18 AGG scheide zudem bereits deshalb aus, weil § 18 AGG auf der Beklagte nicht anwendbar sei, da diese keine Monopolstellung innehabe. Es handle sich um einen lokal begrenzten Verein und um eine lokal begrenzte Veranstaltung. Im Übrigen knüpfe § 8 Abs. 3 der Satzung nicht nur an das Geschlecht an und differenziere daher nicht willkürlich. Vielmehr sei z.B. ein langjähriger Erstwohnsitz in Memmingen ebenfalls Voraussetzung für die Teilnahme am Ausfischen, da auch früher lediglich „beheimatete“ Personen dieses Recht innehatten.
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Im Rahmen der Hauptverhandlung am 03.08.2020 wurden beiden Parteien angehört. Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 03.08.2020 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig.
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Der Zivilrechtsweg ist unstreitig eröffnet. Es handelt sich vorliegend um eine privatrechtliche Streitigkeit. Für die Frage, ob eine Streitigkeit vor die ordentlichen Gerichte oder die Verwaltungsgerichte gehört, kommt es nach den §§ 13 GVG, 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO, darauf an, ob die Streitigkeit nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, zivilrechtlich oder öffentlichrechtlich ist. Im vorliegenden Fall begehrt die Klägerin den Zugang zu einer Untergruppe eines privatrechtlich organisierten Vereins. Der Zugang zu den einzelnen Untergruppen des Vereins orientiert sich an der Vereinssatzung und ist damit privatrechtlicher Natur. Die Frage, ob ein privatrechtlich organisierter Verein möglicherweise mittelbar an Grundrechte gebunden ist, ist eine Frage der Begründetheit der Klage und nicht des zulässigen Rechtsweges.
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Das Amtsgericht Memmingen ist sachlich zuständig.
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Der Gesamtstreitwert übersteigt den Betrag von 5.000 Euro nicht. Beim Streit um die Mitgliedschaft in einem Verein mit ideellen Zwecken richtet sich der Streitwert nach § 3, 5 ZPO bzw. § 48 Abs. 2 GKG. Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt. Die einzelnen geltend gemachten Ansprüche sind zu addieren. Dabei sind die Umstände des Einzelfalls zu werten. Die Beklagtenseite stützt ihre Zuständigkeitsrüge darauf, dass andere Gerichte bei Klagen auf Zugang zu einem Verein bereits den Auffangstreitwert von 5.000 Euro angesetzt hätten. Nachdem vorliegend mehrere Klageanträge vorlägen, müsse der Wert des Streitgegenstands über 5.000 Euro liegen. Allein aus dem Umstand, dass Gerichte einen entsprechenden Wert von 5.000 Euro angenommen haben, ergibt sich jedoch keine Bindung des Gerichts. Wie sich aus der von der Beklagtenseite vorgetragenen Rechtsprechung ergibt, wurden für entsprechende Streitigkeiten auch Streitwerte deutlich unter 5.000 Euro angesetzt (AG München, Urteil v. 07.09.2017 - 231 C 4507/17 mit 2.000 Euro). Im Rahmen der Streitwertfestsetzung ist vorliegend zu berücksichtigen, dass es sich hier gerade nicht um eine Klage auf Vereinsmitgliedschaft handelt, sondern lediglich um eine Klage auf Mitgliedschaft in einer Vereinsuntergruppierung. Das Klagbegehren bleibt hinter einem Begehren auf Erwerb einer Vereinsmitgliedschaft zurück. Auf der anderen Seite hat die Frage, ob sie Mitglied in der Untergruppe der Stadtbachfischer sein darf, für die Klägerin, als langjähriges Vereinsmitglied eine entscheidende Bedeutung. Auch handelt es sich bei dem Fischertagsverein um eine Institution in Memmingen. Der Rechtsstreit hat entsprechendes Aufsehen erregt. Das Gericht erachtet bei Berücksichtigung dieser Umstände einen Streitwert für das Klagebegehren auf Aufnahme in die Gruppe der Stadtbachfischer von 2.200 Euro als angemessen. Soweit die Klägerseite auf Feststellung klagt, bleibt der Streitwert regelmäßig hinter dem Streitwert einer Leistungsklage zurück. Das Gericht erachtet daher für den Feststellungsantrag einen Streitwert von 1.700 Euro als angemessen. Soweit der Feststellungsantrag lediglich hilfsweise gestellt wurde gilt § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG. Über den Hilfsantrag war nicht zu entscheiden, da die Klage bereits ohne Hilfsantrag begründet ist. Im Übrigen geht das Gericht von einer wirtschaftlichen Identität des Haupt- und Hilfsantrags aus, so dass sich auch aus diesem Grund der Streitwert nicht erhöht. Streitwerterhöhend war dagegen der geltend gemachte Schadensersatzanspruch zu berücksichtigen, so lange dieser rechtshängig war. Der Streitwert war damit bis zum 25.10.2019 auf 3.200 Euro, ab dem 26.10.2019 bis zum 02.08.2020 auf 2.200 Euro und ab dem 03.08.2020 auf 3.900 Euro festzusetzen.
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Die Klage ist begründet.
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Die Klägerin hat aufgrund des Rechtsgedankens der § 826 i. V. mit § 249 BGB, Art. 3 Abs. 2 GG einen Anspruch auf Aufnahme in die Untergruppe der Stadtbachfischer bei der Beklagten. Die Voraussetzungen für einen Kontrahierungszwang sind gegeben. So ist der Beklagte auch als privatrechtlich organisierter Verein an Grundrechte gebunden. Der Fischertagverein verfügt über eine entsprechende soziale Macht- bzw. Monopolstellung und die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der Aufnahme, das nicht durch einen sachlich gerechtfertigten Grund eingeschränkt wird.
1. Der Beklagte ist auch als privatrechtlicher Verein mittelbar an Grundreche gebunden. Darauf, ob der Beklagte hoheitlich tätig wird, oder rein privatrechtlich handelt, kommt es nicht an.
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Das Grundrecht nach Art. 9 Abs. 1 GG gewährleistet grundsätzlich allen das Recht Vereine und Gesellschaften zu bilden. Dieses Recht gewährt dem Verein auch die Freiheit über die eigene Organisation und den Satzungsinhalt zu bestimmen und letzten Endes auch die Freiheit festzulegen, unter welchen Voraussetzungen eine Person Mitglied im Verein werden kann, oder wie hier an einer Untergruppierung des Vereins teilnehmen kann.
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Gleichzeitig gehört die Vereinsfreiheit aber auch zu den Grundrechten, welche beispielsweise durch eine Beschränkung der Mitgliedschaft die Rechte Dritter eingrenzen. Dem wird durch die Geltung von Grundrechten über privatrechtliche Vorschriften Rechnung getragen. Die Grundrechte Dritter wirken mittelbar durch eine Auslegung der im Privatrecht geltenden Generalklauseln, wie §§ 826, 134, 138 BGB (sog. Mittelbare Drittwirkung, vgl. BGH, NJW 1999, 1326). Hieraus kann sich nach ständiger Rechtsprechung in Anlehnung an § 826 BGB ein Aufnahmezwang ergeben, wenn der Verein im sozialen oder wirtschaftlichen Bereich über eine Monopolstellung verfügt und ein wesentliches Interesse am Erwerb der Mitgliedschaft besteht.
2. Der Beklagte verfügt über eine Monopolstellung.
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Ein Aufnahmeanspruch besteht dann, wenn der Verein über eine überwiegende Machtstellung (Monopolstellung) im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich verfügt und der Bewerber so zur Verfolgung seiner Interessen auf die Mitgliedschaft angewiesen ist (BGH, NJW, 1997, 3368). Dies ist bei der Beklagten der Fall. Der Einwand der Beklagten, sie sei nur auf regionaler Ebene tätig und der Fischertag finde nur in der Memminger Region Beachtung, greift nicht. Auch regionale Vereine können eine überragende Machtstellung besitzen. Entscheidend für eine erhebliche Vormachtstellung ist, ob es an zumutbaren Alternativen fehlt und ob der Verein im regionalen Bereich einzigartig ist (BGH, NJW 1999. 1326).
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Der Fischertagsverein verfügt über eine solche Einzigartigkeit. Der Beklagte ist der einzige Verein, der einen Fischertag in Memmingen ausrichtet. Der Verein regelt exklusiv und selbstständig, wer am Fischertag teilnimmt und wer dabei welche Befugnisse innehat. Fischerkönig kann nur werden, wer Mitglied im Fischertagsverein ist und vom Fischertagsverein zum Ausfischen des Stadtbaches zugelassen wird.
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Der Fischertagsverein nimmt zweifelsohne eine sozial bedeutsame Position in Memmingen und dem Umland ein. Der Beklagte verfügt über rund 5.000 Mitglieder. Der Fischertag lockt jährlich mehrere tausend Besucher an und kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Nach Mitteilung des Vorstandes sei Memmingen ohne Fischertag nur schwer vorstellbar.
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3. Eine mittelbare Grundrechtsbindung ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich bei der Beklagten um einen Geselligkeitsverein handelt. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass reine Geselligkeitsvereinen auch dann keiner Grundrechtsbindung unterliegen, wenn sie in der Region einzigartig sind, jedoch erfüllt der Beklagte die Voraussetzungen eines reinen Geselligkeitsvereins nicht.
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Von einem Geselligkeitsverein spricht man, wenn der Vereinszweck nur oder zumindest vorwiegend die Förderung der Geselligkeit der Mitglieder zum Gegenstand hat. Dies ist bei der Beklagten nicht der Fall. Laut Satzung sind die Vereinszwecke die Heimatpflege, Heimatkunde, Kultur und der Umweltschutz und nicht die reine Geselligkeit innerhalb des Vereins. Der Verein beschränkt seine Tätigkeit nicht auf einen internen kleinen Mitgliederkreis. Die Vereinstätigkeiten besitzen vielmehr erhebliche Außenwirkung. Sowohl der Fischertag als auch die Wallensteinspiele ziehen eine Vielzahl von Zuschauern an. Dabei geht es bei beiden Veranstaltungen unstreitig nicht vorwiegend um die reine Geselligkeit, sondern auch um die Brauchtumspflege in der Stadt Memmingen, welche durch das Tragen historischer Kleidung, entsprechende Festakte und Umzüge nach außen getragen und dem Publikum vermittelt werden soll. Der Vorstand der Beklagten hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgeführt, beim Fischertag würden sich Geschichtliches und Spaß vermischen. Die Tradition spiele jedoch eine wesentliche Rolle.
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4. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der Aufnahme in die Untergruppe der Stadtbachfischer.
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Dieses ergibt sich aus Art. 3 Abs. 2 GG, dem Anspruch auf Gleichberechtigung, welchen der Beklagte aufgrund der mittelbaren Grundrechtsbindung über § 826 BGB zu beachten hat. Ein Verein ist nicht nur hinsichtlich der Aufnahme von Mitgliedern in den Verein an Art. 3 GG gebunden. Jedem Mitglied steht grundsätzlich auch innerhalb des Vereins ein Anspruch auf Gleichbehandlung durch die Vereinsorgane zu und verbietet eine ungerechtfertigte, sachwidrige oder willkürliche Schlechterstellung einzelner Mitglieder (Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, § 2 Rn 55).
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Eine Bindung an Art. 3 Abs. 2 GG und ein entsprechendes berechtigtes Interesse der Klägerin an der Teilhabe an der Gruppe der Stadtbachfischer ergibt sich auch aus der Organisation der Beklagten als gemeinnütziger Verein. Art. 3 Abs. 2 GG ist als spezieller Gleichheitsgrundsatz insbesondere dann von einem Verein zu beachten, wenn er Subventionsempfänger ist (BGHZ NJW 1975, 771). Der Staat gewährt gemeinnützigen Vereinen eine weitgehende Steuerfreiheit bei der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer, sowie eine Ermäßigung bei der Umsatzsteuer. Darüber hinaus kann jeder Bürger, der bestimmten gemeinnützigen Vereinen eine Zuwendung (Spende) macht, diese gemäß den gesetzlichen Bestimmungen bei seiner Einkommensteuer als Sonderausgabe abziehen. Diese Förderung gemeinnütziger Vereine ist mit einer staatlichen Subventionierung vergleichbar. Zwar zahlt der Staat nicht direkt an den Verein, verzichtet aber auf entsprechende Steuereinnahmen beim Verein oder dessen Unterstützer. An dieser Förderung bzw. Subventionierung des Vereins sind männliche wie weibliche Bürger gleichermaßen beteiligt. Da der Staat und damit Männer und Frauen durch die Subventionierung an der Finanzierung des Vereins teilnehmen, erwerben beide Geschlechter gleichermaßen Teilhabeansprüche. Wenn beide Geschlechter aber bei der Finanzierung mitwirken, darf grundsätzlich auch keinem Geschlecht ohne hinreichenden Grund die Teilhabe an der Mitgliedschaft im Verein oder einer Untergruppe verwehrt werden.
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Ein berechtigtes Interesse der Klägerin resultiert zudem aus dem Umstand, dass es ihr ohne entsprechende Aufnahme in die Gruppe der Stadtbachfischer nicht möglich ist, in vollem Umfang am Fischertag teilzunehmen. Die Klägerin verfügt als Vereinsmitglied über verschiedene Möglichkeiten an der Kultur- und Heimatpflege durch den Verein teilzuhaben. Insbesondere im Rahmen der Wallensteinwoche, ist sie als Gruppenleiterin der Bediensten aktiv im Einsatz. Auch besteht die Möglichkeit für die Klägerin in eine andere Fischertagsgruppe einzutreten und dort mitzuwirken, oder aber beim Ausfischen des Stadtbaches den Kübel für die Fische bereitzuhalten. Dennoch sind ihre Möglichkeiten nicht mit den Möglichkeiten eines männlichen Vereinsmitgliedes vergleichbar. In Memmingen gibt es keine vergleichbare Veranstaltung, welche es der Klägerin ermöglicht unter dem Blick der Öffentlichkeit im Stadtbach nach der größten Forelle zu fischen, um schließlich die Fischerkönigswürde zu erlangen. Das Ereignis des Fischertages ist in Memmingen einzigartig. Selbst wenn man darauf abstellt, dass das Ausfischen des Baches nur einen geringen Zeitraum in Anspruch nimmt, kann dieses Ereignis nicht als unbedeutsam betrachtet werden. Bereits aus der Bezeichnung „Fischertag“ ergibt sich, dass das Ausfischen des Baches das Hauptereignis ist. Der vorausgehende Umzug zum Bach läutet das Abfischen ein. Nach dem Fischen findet ein Krönungsfrühschoppen statt, der Fischer wird geehrt und zieht anschließend aus der Stadt aus. Es handelt sich um Rahmenveranstaltungen um das Ausfischen des Stadtbaches. Die jeweiligen Fischerkönige werden chronologisch erfasst und auf der Homepage des Vereins veröffentlicht. Dies zeigt die Bedeutung dieses Fischerkönigstitels für den Verein. Von einer nur unwesentlichen Beeinträchtigung der Klägerin kann vor diesem Hintergrund nicht ausgegangen werden.
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5. Es besteht kein sachlich gerechtfertigter Grund für den Ausschluss von Frauen aus der Untergruppe der Stadtbachfischer.
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Ein Ausschluss von Frauen ist stets dann gerechtfertigt, wenn ein biologischer Grund hierfür vorliegt. Ein solcher Grund ist vorliegend nicht erkennbar. Zwar mag es zutreffen, dass das Ausfischen des Baches eine dreckige und anstrengende Angelegenheit ist, jedoch ist nicht erkennbar, weshalb Frauen nicht in der Lage sein sollen in den Bach zu springen und mit einem „Bären“ nach einer Forelle zu fischen. Bei den Männern existiert keinerlei Altersbeschränkung. Auch Jungen ist es gestattet, in den Bach zu springen. Diese sind körperlich nicht leistungsfähiger als die Klägerin als erwachsene Frau. Der Vorstand der Beklagten hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass der Grund für den Ausschluss der Klägerin nicht sei, dass sie etwas schlechter mache oder könne, der Grund sei die Tradition.
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Der Eingriff ist auch nicht aus Traditionsgründen gerechtfertigt.
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Fehlt es wie vorliegend an zwingenden biologischen Gründen für eine Ungleichbehandlung, lässt sich ein entsprechender Grundrechtseingriff nur mit kollidierendem Verfassungsrecht rechtfertigen. Hier ist eine entsprechende Interessenabwägung vorzunehmen.
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Die Beklagtenseite beruft sich auf ihre Vereinsautonomie gemäß Art. 9 GG und führt an, dass die Tradition einen Ausschluss von Frauen von der Gruppe der Stadtbachfischer rechtfertige.
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Eine Rechtfertigung kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn sich der Vereinszweck auf eine andere Weise nicht erreichen lässt.
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Dies wurde von der Beklagten nicht ausreichend dargetan.
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Die Beklagtenseite führt an, das Fischen sei jeher von Männern ausgeführt worden. Entsprechend müsste die Rolle aus Traditionsgründen auch heute noch von Männern „nachgespielt werden“.
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Dieser Einwand greift vorliegend nicht. Zwar mag es gerechtfertigt sein, dass beim Film oder in der Schauspielerei männliche Rollen regelmäßig mit Männern zu besetzen sind, jedoch ist die Veranstaltung des Fischertages und des Stadtbachausfischens nicht mit einer detailgetreuen Nachbildung früheren Geschehens vergleichbar.
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Im Rahmen des Stadtbachausfischens ist den Fischern die Kleidungswahl freigestellt. Entsprechend „jucken“ Fischer auch in Jeans und T-Shirt in den Bach. Das Erscheinungsbild der Stadtbachfischer entspricht damit nicht dem Erscheinungsbild der Stadtbachfischer im Mittelalter.
43
Der Fischertag aus dem Mittelalter ist nicht mehr mit dem heutigen Fischertag vergleichbar. Während im Mittelalter die Reinigung des Stadtbaches den Hintergrund des Bachausfischens darstellte, stehen heute der Traditionsgedanke sowie der Spaßfaktor gleichermaßen nebeneinander. Dies wurde durch den Vorstand des Fischertages im Rahmen der Hauptverhandlung bestätigt. Aufgrund des Spaßfaktors seien auch bereits andere Personen, die nicht der Satzungsregelung entsprechen, in den Bach gesprungen, wenn auch ohne entsprechende Genehmigung durch den Verein.
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Der Beklagte hat selbst eingeräumt, dass ihre weiblichen Vereinsmitglieder in verschiedenen Untergruppen aktiv sind und dort auch männliche Rollen wahrnehmen. Dabei tragen die Frauen auch häufig Männerkostüme aus dem Mittelalter. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb es Frauen möglich sein soll, beispielsweise einen Soldaten zu spielen, jedoch keinen Fischer. Gründe hierfür wurden von der Beklagten keine dargetan. Allein das Argument, dass dies schon immer so gewesen sei, genügt nicht. Art. 3 Abs. 2 GG enthält nicht nur die Gleichheit von Mann und Frau. In Art. 3 Abs. 2 S. 2 heißt es weiter „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“. Diese Regelung liefe leer, wenn jede aus alter Zeit her vorgefundene gesellschaftliche Wirklichkeit so hingenommen werden müsste und ein Rechtfertigungsgrund für eine Diskriminierung wäre.
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Der Beklagte hat die Zugangsregelungen zum Stadtbachausfischen mehrfach verändert. In der Bekanntmachung vom 12. Juni 1902 (Anlage K 14) heißt es, dass das Ausfischen nur in Memmingen „verbürgerten (beheimateten)“ Personen vorbehalten ist. Diese historische Regelung wurde durch den Beklagten zunächst dadurch aufgeweicht, dass es genügte, seit 10 Jahren Memminger zu sein. Mittlerweile hat der Verein diese Regelung weiter gelockert. Man muss lediglich noch 5 Jahre Memminger sein. Das Recht zum Ausfischen verliert man nicht mehr, wenn man aus Memmingen wegzieht. Dadurch, dass der Verein nunmehr auch „Weggezogene“ zum Ausfischen zulässt, hat er den Teilnehmerkreis im Vergleich zum früheren Ausfischen selbst erheblich erweitert. Es ist männlichen Vereinsmitgliedern, welche nicht in Memmingen verwurzelt und ggf. nach 5 Jahren Aufenthalt wieder aus Memmingen wegziehen, möglich, beim Stadtbachausfischen mitzuwirken, der Klägerin, welche seit über dreißig Jahren Vereinsmitglied ist, jedoch nicht.
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Gemäß § 8 Abs. 3 der Vereinssatzung können von den Beschränkungen, welche für das Abfischen des Stadtbaches gelten, Ausnahmegenehmigungen erteilt werden. Durch diese Regelung bringt der Verein selbst zum Ausdruck, dass er an den Beschränkungen nicht starr festhält, sondern die Heimatpflege auch dann möglich ist und bleibt, wenn die traditionellen Beschränkungen nicht aufrechterhalten werden.
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Aufgrund dieser Umstände überwiegen die Interessen der Klägerin an der Mitgliedschaft in der Untergruppe der Stadtbachfischer die Interessen der Beklagtenseite. Die traditionellen Restriktionen des Fischertagsvereins wurden über die Jahre hinweg aufgeweicht. Der Teilnehmerkreis beim Stadtbachfischen wurde erweitert, Frauen treten nunmehr in nahezu allen Gruppen des Fischertages auf und nehmen sogar anstelle von Männern Männerrollen wahr. Eine Brauchtumspflege ist für den Verein dennoch gemäß seiner Vorstellungen möglich. Es ist nicht ersichtlich, wieso dies nicht mehr möglich sein soll, wenn eine Frau Mitglied einer weiteren Untergruppe des Fischertagvereins wird.
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Die Klägerin hat zudem einen Anspruch auf Aufnahme in die Untergruppe der Stadtbachfischer aufgrund § 18 Abs. 2 AGG.
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Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Vorschriften des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes entsprechend für die Mitgliedschaft oder die Mitwirkung in einer Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören oder die eine überragende Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich innehat, wenn ein grundlegendes Interesse am Erwerb der Mitgliedschaft besteht.
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Aufgrund der obigen Ausführungen ist eine überragende Machtstellung des Beklagten im sozialen Bereich gegeben. Ebenso besteht aufgrund der obigen Erwägungen ein grundlegendes Interesse der Klägerin an der Mitgliedschaft. Eine ausreichende Rechtfertigung des Eingriffs ist nicht gegeben.
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Ein Aufnahmeanspruch aus Art. 21 GO ist dagegen abzulehnen. Es handelt sich um eine öffentlichrechtliche Norm, die einen Träger öffentlicher Gewalt berechtigt und verpflichtet. Entsprechende Ansprüche müssen auf dem Verwaltungsrechtsweg geltend gemacht werden und nicht im Rahmen einer Zivilstreitigkeit.
52
Der Antrag der Klägerin auf Feststellung, dass der Beklagte die Klägerin nicht aufgrund ihres weiblichen Geschlechts von der Teilnahme am jährlichen Ausfischen des Stadtbaches ausschließen darf, ist zulässig und begründet.
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Ein entsprechendes Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO ist entgegen der Ansicht der Beklagtenseite gegeben. Einer positiven Feststellungsklage fehlt nach allgemeiner Meinung das Feststellungsinteresse dann, wenn der Kläger dasselbe Ziel mit einer Klage auf Leistung erreichen kann (BGH NJW 1984, 1118).
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Dies ist der Klägerin vorliegend nicht möglich. Insbesondere sind der Leistungsantrag der Klägerin auf Aufnahme in die Gruppe der Stadtbachfischer und der Feststellungsantrag nicht identisch.
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Allein mit der Klage auf Aufnahme in die Untergruppe der Stadtbachfischer kann die Klägerin nicht erreichen, dass ihr die Teilnahme am Ausfischen des Stadtbaches genehmigt wird bzw. dass sie hiervon nicht länger ausgeschlossen wird. Eine Mitgliedschaft in der Untergruppierung der Stadtbachfischer bedingt nicht automatisch eine Teilnahme am Ausfischen des Stadtbaches.
§ 8 Abs. 3 der Vereinssatzung lautet: „Zur Wahrung der jahrhundertealten Tradition haben nur männliche Mitglieder des Vereins (…) das Recht zum Ausfischen des Stadtbaches. Dieses Recht behalten die Mitglieder auch nach Aufgabe des 1. Wohnsitzes in Memmingen. Sie müssen Mitglieder der Gruppe der Stadtbachfischer sein (..).“
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Um am Ausfischen des Stadtbaches teilnehmen zu können ist damit Voraussetzung männliches Mitglied des Vereins und gleichzeitig der Untergruppe der Stadtbachfischer zu sein. Allein eine Mitgliedschaft in der Gruppe der Stadtbachfischer genügt nach dem Wortlaut der Satzung nicht für eine Teilnahme am Ausfischen.
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Die Klägerin kann ihr Ziel auch nicht durch einen Leistungsantrag auf Gestattung der Teilnahme am Ausfischen des Stadtbaches erreichen. Ein solcher Antrag ist derzeit gar nicht möglich. Gemäß § 8 Abs. 4 der Vereinssatzung kann der Vorstand u.a. aus Platzgründen eine Teilnehmerbegrenzung vornehmen und die Teilnahme am Ausfischen von einem Sachkundenachweis abhängig machen. Es ist weder der Klägerin noch dem Gericht bekannt, wie viele Personen sich beim jeweiligen Fischertag in den nächsten Jahren und Jahrzehnten um ein Ausfischen bewerben werden. Würde man der Klägerin direkt ein Recht zum Ausfischen zusprechen, würde dem Verein die Möglichkeit entzogen werden, bei einem Platzmangel selbst festzulegen, wer Fischen darf und wer nicht. Auch würde die Notwendigkeit eines Sachkundeausweises umgangen. Denkbar ist auch, dass es künftig zu weiteren Satzungsänderungen kommt, diese könnten dann ebenfalls keine Berücksichtigung finden, wenn man der Klägerin ein unbeschränktes Teilnahmerecht zusprechen würde.
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Der Feststellungsantrag der Klägerin ist auch begründet. Wie ausgeführt, kann der Klägerin nicht allein aus Traditionsgründen eine Teilnahme am Ausfischen versagt werden.
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Einer Entscheidung über den Hilfsantrag bedarf es nicht, nachdem die Klage begründet ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 269 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO.