Titel:
Vermittlung von Versicherungsprodukten ohne Nebentätigkeitsgenehmigung als Grund für die fristlose Entlassung eines Soldaten aus der Bundeswehr
Normenkette:
SG § 17 Abs. 2, § 20, § 55 Abs. 5
Leitsätze:
1. Die fristlose Entlassung aus der Bundeswehr (§ 55 Abs. 5 SG) stellt ein Mittel dar, um eine Beeinträchtigung der uneingeschränkten Einsatzbereitschaft zu vermeiden. Diese Gefahr muss gerade als Auswirkung einer Dienstpflichtverletzung des Soldaten drohen, wobei die Verwaltungsgerichte dies aufgrund einer nachträglichen Prognose zu beurteilen haben. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei Dienstpflichtverletzungen außerhalb des militärischen Kernbereichs kann regelmäßig auf eine ernstliche Gefährdung der uneingeschränkten Einsatzbereitschaft geschlossen werden, wenn es sich entweder um Straftaten von erheblichem Gewicht handelt, wenn die Befürchtung besteht, der Soldat werde weitere Dienstpflichtverletzungen begehen (Wiederholungsgefahr) oder es sich bei dem Fehlverhalten um eine Disziplinlosigkeit handelt, die in der Truppe als allgemeine Erscheinung auftritt oder um sich zu greifen droht (Nachahmungsgefahr). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die durch Provisionen abgegoltene Tätigkeit als Tippgeber für Versicherungen wird von der Genehmigungspflicht des § 20 Abs. 1 S. 1 SG erfasst. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob diese Tätigkeit im Dienst oder in der Freizeit sowie in oder außerhalb der Liegenschaften der Bundeswehr ausgeübt wird. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fristlose Entlassung eines Soldaten auf Zeit, Offiziersanwärter, Vermittlung von Versicherungsprodukten ohne Nebentätigkeitsgenehmigung, Tippgeber, Provision, fristlose Entlassung aus der Bundeswehr, Dienstpflichtverletzung, Gewerbeausübung, genehmigungspflichtige Nebentätigkeiten, Tippgeber für Versicherungsprodukte, Einsatzbereitschaft der Bundeswehr
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 09.12.2020 – 6 ZB 20.2302
Fundstelle:
BeckRS 2020, 21049
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen seine fristlose Entlassung aus der Bundeswehr.
2
Der 1990 geborene Kläger stand zuletzt im Rang eines Hauptgefreiten (Besoldungsgruppe A4 BBesO) als Soldat auf Zeit im Dienst der Beklagten. Mit Erklärung vom 23. Januar 2017 verpflichtete sich der Kläger, ab dem 1. April 2017 als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes zunächst für vier Jahre Wehrdienst in der Bundeswehr zu leisten. Daraufhin wurde seine Dienstzeit auf vier Jahre, endend mit dem 31. März 2021, festgesetzt.
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Der Kläger wurde am 3. April 2017 sowie nochmals am 4. Juli 2017 u.a. über das Verbot von Handel und Gewerbeausübung im Bereich der Bundeswehr und über die Genehmigungspflicht von Nebentätigkeiten belehrt (Bl. 51 d. Ermittlungsakte sowie Kap. C.V d. Grundakte). In diesen vom Kläger jeweils unterschriebenen Belehrungen heißt es:
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„Handel und Gewerbeausübung
Im Bereich der Bundeswehr ist jeglicher Handel und Gewerbeausübung (u.a. Warenverkauf, Werbung, Abschluss von Versicherungen) grundsätzlich verboten.
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Nebentätigkeit Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit bedürfen der vorherigen Genehmigung des Disziplinarvorgesetzten, wenn sie eine Nebentätigkeit gegen Entgelt ausüben wollen. (…).“
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Die Beklagte ermittelte im März 2019 gegen den Kläger, weil der Verdacht bestand, er sei entgeltlich im Rahmen von Versicherungsvertragsanbahnungen tätig geworden. Der Zeuge T. G. erklärte hierzu in seiner Vernehmung vom 1. März 2019 zum Tatzeitraum, dass der Kläger ihn bereits im Dezember 2018 auf das Thema Versicherungen angesprochen habe (Bl. 7 d. Ermittlungsakte). Außerdem erklärte der Zeuge T. S. in seiner Vernehmung vom 5. März 2019, dass der Versicherungsmakler P. ihn angerufen habe, um ihn darauf hinzuweisen, dass aktuell Ermittlungen liefen und Befragungen bevorstünden. Der Zeuge T. S. solle, um keine Kameraden anzuschwärzen, erzählen, er habe den Versicherungsmakler P. über das Internet gefunden. Es gehe wahrscheinlich um Ermittlungen gegen einen Kameraden, der für ihn vermittelt habe, um ein „Schneeballsystem“ (Bl. 26 d. Ermittlungsakte). Ähnlich äußerte sich der Zeuge S. G., wobei dieser vom Versicherungsmakler P. darum gebeten worden sei, bei seiner Befragung nicht zu erwähnen, dass der Kläger ihn auf die Versicherungen hingewiesen habe (Bl. 30 d. Ermittlungsakte).
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Mit Bescheid vom 4. Juni 2019, der dem Kläger am selben Tag übergeben wurde, entließ die Beklagte den Kläger gem. § 55 Abs. 5 SG fristlos aus der Bundeswehr. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Disziplinarvorgesetzte des Klägers unter dem 10. April 2019 dessen fristlose Entlassung beantragt habe. Ihm werde zur Last gelegt, entgegen soldaten- und beamtenrechtlicher Pflichten mehrere Kameraden an den Versicherungsmakler P. vermittelt und dafür Provisionen in Höhe von mehreren Hundert Euro erhalten zu haben. Dies stelle eine Verletzung der Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG), zum Gehorsam (§ 11 SG), zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 SG) sowie über die Genehmigung von Nebentätigkeiten (§ 20 SG) dar. Dies stehe fest vor allem aufgrund der eigenen Einlassung des Klägers vom 1. März 2019, in welcher er die Vermittlung gegen ein Entgelt in Höhe von mehreren Hundert Euro eingeräumt habe (Bl. 11 der Ermittlungsakte). Zudem sei der Kläger über die Genehmigungspflicht von Nebentätigkeiten am 3. April 2017 belehrt worden.
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Zuvor war der Kläger mit der Eröffnungs- und Anhörungsniederschrift vom 9. April 2019 von seinem Disziplinarvorgesetzten über seine beabsichtigte Entlassung in Kenntnis gesetzt worden. Die Anhörung der Vertrauensperson lehnte der Kläger ab.
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Gegen den Entlassungsbescheid ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 7. Juni 2019 Beschwerde einlegen und zur Begründung vortragen, dass ihm bisher nicht habe nachgewiesen werden können, dass er als Versicherungsvertreter tätig gewesen sei. Er habe lediglich Kameraden angesprochen und auf einen ihm bekannten Versicherungsvertreter verwiesen. Er habe jedoch niemals persönlich Versicherungen verkauft oder vermittelt oder in Versicherungsfragen beraten. Zudem sei der Kläger nicht, wie die Beklagte behauptet, über die Ausübung von Nebentätigkeiten belehrt worden. Auch sei er sich nicht über die aktuelle Vorschriftenlage im Klaren gewesen und nicht davon ausgegangen, dass die Tätigkeit als Tippgeber unter die Pflicht zur Nebentätigkeitsgenehmigung falle. Vielmehr sei die Weitergabe der Telefonnummern der Kameraden ausschließlich mit deren Einverständnis erfolgt, weil diese an Versicherungsleistungen Interesse bekundet hätten. Die Weitergabe der Telefonnummern an den Versicherungsvertreter werde insoweit eingeräumt. Auch habe er die Kameraden auf die Internetseite des Versicherungsvertreters aufmerksam gemacht. Die Kontaktaufnahme mit den Kameraden sei dann allerdings über den Versicherungsvertreter direkt und nicht über den Kläger erfolgt. Es könne daher von einer ernstlichen Gefährdung der militärischen Ordnung keine Rede sein. Das Disziplinarbuch des Klägers enthalte keinerlei Eintragungen und sein bisheriges Verhalten sei immer einwandfrei gewesen. Zudem hätte dieser Verfehlung auch mit einem Disziplinarverfahren anstelle der Entlassung begegnet werden können.
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Daraufhin erließ die Beklagte am 27. Juli 2019 einen Beschwerdebescheid, der dem Kläger am 31. Juli 2019 zugestellt wurde, und mit welchem die Beschwerde zurückgewiesen wurde. Dabei führte die Beklagte in Ergänzung zum Entlassungsbescheid aus, dass im Rahmen der Ermittlungen insgesamt 10 Zeugen vernommen worden seien (Obergefreiter T. G., Obergefreiter B. K. am 1. März 2019, Obergefreiter M. U., Obergefreiter T. S. am 5. März 2019, Obergefreiter S. G., Obergefreiter B. O., Obergefreiter F. H., Obergefreiter T. R., Obergefreiter J. B. und Obergefreiter J. S. am 7. März 2019). Demnach hätten die Zeugen T. G., T. S., B. O., J. B. und J. S. bestätigt, dass der Kläger seine Kameraden in vermeintlich zufälligen Gesprächen auf das Thema Versicherungen und Finanzen angesprochen und sodann auf den Versicherungsmakler P. hingewiesen habe. Zudem habe er deren Telefonnummern an den Versicherungsmakler weitergegeben. Teilweise hätten sie dann tatsächlich Verträge mit dem Versicherungsmakler P. abgeschlossen. Den Zeugenaussagen sei Glauben zu schenken, weil das Geschehen unabhängig voneinander weitestgehend inhaltsgleich wiedergegeben worden sei und ein eigenes Interesse der Zeugen am Ausgang des Verfahrens nicht ersichtlich sei. Somit könne die Frage dahinstehen, ob der Kläger persönlich Versicherungen verkauft, vermittelt oder in Versicherungsfragen beraten habe, weil er jedenfalls gegen Entgelt den Kontakt zwischen seinen Kameraden und dem Versicherungsmakler P. hergestellt habe. Die Zahlung einer Provision durch den Versicherungsmakler P. habe der Kläger selbst eingeräumt. Es komme insoweit auch nicht darauf an, ob die Weitergabe der Telefonnummern auf eigenen Wunsch der Kameraden erfolgt sei oder nicht, weil sich dadurch am Wesen der Nebentätigkeit nichts ändere. Dies gelte überdies für das Vorbringen, dass die Kontaktaufnahme nur durch den Versicherungsmakler P. oder umgekehrt erfolgt sei. Da der Kläger seiner Dienststelle nach eigener Aussage keine Ausübung einer Nebentätigkeit gemeldet habe und folglich auch keine Genehmigung für eine solche Nebentätigkeit erhalten habe, liege ein Verstoß gegen § 20 Abs. 1 Satz 1 SG vor. Die Nebentätigkeit sei zudem nicht nach § 20 Abs. 6 SG genehmigungsfrei. Darin liege zugleich ein Verstoß gegen die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG), weil sein Verhalten geeignet sei, den Ruf der Bundeswehr zu beeinträchtigen, indem es negative Rückschlüsse auf die Dienstauffassung und Disziplin der Truppe zulasse. Denn § 17 Abs. 2 Satz 1 SG diene der Gewährleistung der personellen und materiellen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr. Soldaten nämlich, die einer ungenehmigten Nebentätigkeit nachgingen, stünden der Bundeswehr nicht vollumfänglich mit ihren geistigen und körperlichen Kapazitäten zur Verfügung, sodass der Dienstbetrieb in erheblichem Maße beeinträchtigt sei. Dieser beeinträchtigte Dienstbetrieb sei geeignet, das Ansehen als einsatzbereite Armee zu beschädigen. Die Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen habe der Kläger verletzt, indem er sein eigenes wirtschaftliches Interesse über das kameradschaftliche Verhältnis gestellt habe. Er habe vorgegeben, aus altruistischen Motiven heraus und zum Wohl seiner Kameraden zu handeln, obwohl er damit eigene Zwecke verfolgt habe. Dieser Vertrauensmissbrauch sei geeignet, die Erfüllung des grundgesetzlichen Auftrags der Streitkräfte und die Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs zu beeinträchtigen, weil das gegenseitige Vertrauen unter Soldaten von essenzieller Bedeutung für die Erfüllung der militärischen Aufgaben sei. Daraus ergebe sich durch sein Verbleiben in der Bundeswehr eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung sowie auch eine Gefährdung des Ansehens der Bundeswehr. Eine solche sei anzunehmen, wenn die Erfüllung des Verteidigungsauftrags infrage gestellt würde. Bei Dienstpflichtverletzungen könne regelmäßig auf eine ernstliche Gefährdung geschlossen werden, wenn es sich entweder um Straftaten von erheblichem Gewicht handele, wenn die begründete Befürchtung bestünde, der Soldat werde weitere Dienstpflichtverletzungen begehen oder es sich um Fehlverhalten oder eine Disziplinlosigkeit handele, die in der Truppe als allgemeine Erscheinung auftrete oder um sich zu greifen drohe. Hier bestehe eine begründete Wiederholungs- und Nachahmungsgefahr. Denn dem Verbleiben des Klägers in der Bundeswehr komme eine negative Vorbildwirkung zu. Da die sogenannte Tippgebertätigkeit innerhalb der Bundeswehr bereits ein weitverbreitetes Phänomen sei, sei von einem gesteigerten Nachahmungspotential auszugehen, zumal mit relativ geringem Aufwand eine nicht unerhebliche finanzielle Einnahmequelle geschaffen werden könne. Der Kläger habe zudem schuldhaft gehandelt, weil er am 3. April 2017 über die Pflicht zur Einholung einer Genehmigung bei Nebentätigkeit belehrt worden sei. Im Übrigen komme es auf die tatsächliche Belehrung nicht an, weil von ihm als Offiziersanwärter ohne weiteres zu erwarten sei, dass er sich über die maßgeblichen Vorschriften selbst in Kenntnis setze. Eine fristlose Entlassung sei daher geboten. Zudem sei zu befürchten, dass der Kläger ohne die fristlose Entlassung aufgrund der durch das vorliegende Dienstvergehen konkretisierten Neigung zur Disziplinlosigkeit weitere derartige Dienstpflichtverletzungen begehen werde. Die Beklagte sei auch nicht dazu verpflichtet, vorrangig eine Disziplinarmaßnahme zu verhängen, weil der Entlassungstatbestand mit seiner Anknüpfung an die ernstliche Gefährdung bereits selbst den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz konkretisiere. Schließlich stehe auch das bisherige einwandfreie Verhalten des Klägers in der Bundeswehr einer Entlassung nicht entgegen, weil es allein auf die in Rede stehende Dienstpflichtverletzung und deren Auswirkungen ankomme.
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Hiergegen ließ der Kläger am 20. August 2019 Klage mit dem Antrag erheben, den Bescheid vom 4. Juni 2019 in Gestalt des Beschwerdebescheides vom 24. Juli 2019 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, den Kläger mit allen Rechten und Pflichten in der Bundeswehr bis zum Ablauf der festgesetzten Dienstzeit am 31. März 2021 einzusetzen.
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Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem Beschwerdeverfahren. Ergänzend lässt er vortragen, dass er weder im Dienst noch in den Liegenschaften der Bundeswehr als Tippgeber tätig gewesen sei. Zudem sei der ausgezahlte Betrag als gering einzuschätzen und unterliege der Stornorückforderung durch den Versicherungsmakler P. für den Fall, dass ein Vertrag rückabgewickelt werde. Auch sei es widersprüchlich, wenn die Beklagte einerseits ausführe, dass der Dienstbetrieb in erheblichem Maße beeinträchtigt worden sei, andererseits jedoch gerade auf den geringen Aufwand der vermittelnden Tätigkeit durch Weitergabe nur von Telefonnummern abgestellt werde. Schließlich wiederholt er den Einwand, er sei nicht über die bestehende Genehmigungspflicht bei Nebentätigkeiten belehrt worden. Im Übrigen sei es dem Kläger nicht zumutbar, die kaum zu überblickende Anzahl an Dienstvorschriften im Bereich der Bundeswehr präsent zu haben. Ferner verweist er darauf, dass er - soweit die Beklagte auf § 12 SG abstelle - gerade den positiven Aspekt der Kameradschaft vor Augen gehabt habe, als er den Tipp hinsichtlich der Versicherungen gegeben habe. Er habe damit weder den Dienstbetrieb gestört, noch die Einsatzbereitschaft der Truppe gefährdet, zumal der Kläger als Hauptgefreiter auch gar keine Vorgesetztenfunktion wahrnehme.
13
Die Beklagte beantragt,
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Sie bezieht sich dabei im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Ausgangssowie im Beschwerdebescheid. Ergänzend führt sie aus, dass es nicht darauf ankomme, ob der ausgezahlte Betrag als gering einzuschätzen sei. Vielmehr genüge jede schuldhafte Dienstpflichtverletzung, wenn durch diese die militärische Ordnung ernstlich gefährdet werde.
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Mit Schriftsatz vom 24. bzw. 29. Juni 2020 haben die Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtssowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
Entscheidungsgründe
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Über die Klage konnte aufgrund der übereinstimmenden Verzichtserklärungen der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg, weil sie unbegründet ist.
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Der angefochtene Bescheid vom 4. Juni 2019 in Gestalt des Beschwerdebescheids vom 24. Juli 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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1. Nach § 55 Abs. 5 SG kann ein Soldat auf Zeit während der ersten vier Dienstjahre fristlos entlassen werden, wenn er seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat und sein Verbleiben in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde. Die Vorschrift soll die personelle und materielle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr gewährleisten. Die fristlose Entlassung stellt ein Mittel dar, um eine Beeinträchtigung der uneingeschränkten Einsatzbereitschaft zu vermeiden. Bereits aus dem Wortlaut des § 55 Abs. 5 SG ergibt sich, dass diese Gefahr gerade als Auswirkung einer Dienstpflichtverletzung des Soldaten drohen muss. Dies ist von den Verwaltungsgerichten aufgrund einer nachträglichen Prognose zu beurteilen (BVerwG, B.v. 16.8.2010 - 2 B 33/10 - juris Rn. 6 m.w.N.; BayVGH, B.v. 28.5.2018 - 6 CS 18.775 - juris Rn. 8).
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Mit dem Erfordernis, dass die Gefährdung der militärischen Ordnung ernstlich sein muss, entscheidet das Gesetz selbst die Frage der Angemessenheit der fristlosen Entlassung im Verhältnis zu dem erstrebten Zweck und konkretisiert so den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zwar können Dienstpflichtverletzungen auch dann eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung herbeiführen, wenn es sich um ein leichteres Fehlverhalten handelt oder mildernde Umstände hinzutreten. Jedoch ist im Rahmen der Gefährdungsprüfung zu berücksichtigen, ob die Gefahr für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr durch eine Disziplinarmaßnahme abgewendet werden kann (BVerwG, B.v. 16.8.2010 - 2 B 33/10 - juris Rn. 7 m.w.N.; BayVGH, B.v. 28.5.2018 - 6 CS 18.775 - juris Rn. 9). Dies hat die Rechtsprechung im Falle von Affekthandlungen bei geringer Vorbildfunktion des Soldaten angenommen, also in Fällen, in denen eine Wiederholungsgefahr typischerweise nicht besteht und die Dienstpflichtverletzung nicht Teilstück einer als allgemeine Erscheinung auftretenden Neigung zur Disziplinlosigkeit zu werten war (BayVGH, B.v. 28.5.2018 - 6 CS 18.775 - juris Rn. 9 mit Hinweis auf BVerwG, U.v. 24.9.1992 - 2 C 17.91 - juris Rn. 15).
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Auf dieser Grundlage haben sich in der Rechtsprechung Fallgruppen herausgebildet, bei denen eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung im Sinne des § 55 Abs. 5 SG regelmäßig anzunehmen ist: Dies gilt vor allem für Dienstpflichtverletzungen im militärischen Kernbereich, die unmittelbar die Einsatzbereitschaft beeinträchtigen. Bei Dienstpflichtverletzungen außerhalb dieses Bereichs kann regelmäßig auf eine ernstliche Gefährdung geschlossen werden, wenn es sich entweder um Straftaten von erheblichem Gewicht handelt, wenn die begründete Befürchtung besteht, der Soldat werde weitere Dienstpflichtverletzungen begehen (Wiederholungsgefahr) oder es sich bei dem Fehlverhalten um eine Disziplinlosigkeit handelt, die in der Truppe als allgemeine Erscheinung auftritt oder um sich zu greifen droht (Nachahmungsgefahr). Jedenfalls die beiden letztgenannten Fallgruppen erfordern eine einzelfallbezogene Würdigung der konkreten Dienstpflichtverletzung, um die Auswirkungen für die Einsatzbereitschaft oder das Ansehen der Bundeswehr beurteilen zu können (BVerwG, B.v. 16.8.2010 - 2 B 33.10 - juris Rn. 8 m.w.N.; BayVGH, B.v. 28.5.2018 - 6 CS 18.775 - juris Rn. 10; B.v. 15.7.2015 - 6 ZB 15.758 - juris Rn. 8).
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2. Gemessen an diesem Maßstab ist die Entlassung des Klägers aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit gerechtfertigt und die Entscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden.
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Der Kläger hat jedenfalls im Zeitraum Oktober bis Dezember 2018 wiederholt gegen Entgelt für den Versicherungsmakler P. bzw. dessen Angebote geworben und damit seine Dienstpflichten, insbesondere das Verbot der Ausübung ungenehmigter Nebentätigkeiten aus § 20 Abs. 1 SG, die Pflicht zu achtungs- und vertrauens-würdigem Verhalten - auch außer Dienst - nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SG, die Pflicht zur Kameradschaft aus § 12 SG sowie die Gehorsamspflicht des § 11 SG schuldhaft verletzt.
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Der Sachverhalt steht fest aufgrund der Einlassungen des Klägers in seiner Vernehmung vom 1. März 2019 (Bl. 11 ff. d. Ermittlungsakte) sowie den Zeugenaussagen der Soldaten T. G. (Bl. 6 ff. d. Ermittlungsakte), T. S. (Bl. 25 ff. d. Ermittlungsakte), B. O. (Bl. 33 ff. d. Ermittlungsakte), J. B. (Bl. 39 ff. d. Ermittlungsakte) und J. S. (Bl. 43 ff. d. Ermittlungsakte).
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In seiner Vernehmung räumte der Kläger ein, mehrere Hundert Euro dafür erhalten zu haben, dass er Kameraden zwecks Abschluss von Versicherungen auf einen ihm bekannten Versicherungsmakler verwiesen hat. Er habe mit den Kameraden das Gespräch über Versicherungen gesucht und diese daraufhin zu Beratungsterminen begleitet. Die Tätigkeit habe er der Dienststelle nicht gemeldet. Diese Einlassungen wurden schließlich auch nochmals im Laufe des gerichtlichen Verfahrens wiederholt (Schriftsatz v. 16.8.2020, vgl. Bl. 1 ff. d. Gerichtsakte). Zudem bestätigte der Kläger im Rahmen des Beschwerdeverfahrens, dass er den maßgeblichen Kontakt zu dem Versicherungsmakler hergestellt habe, indem er diesem die Telefonnummern der Kameraden weitergab (Schriftsatz v. 7.6.2020, vgl. Bl. 2 ff. d. Beschwerdeakte). Auch die im Ermittlungsverfahren als Zeugen vernommenen Soldaten haben teilweise bestätigt, dass sie vom Kläger auf die Versicherungen angesprochen wurden und er ihre Handynummern an den Versicherungsmakler P. weitergegeben habe.
27
Hierdurch hat der Kläger seine aus § 20 Abs. 1 SG folgende Pflicht, die Ausübung einer entgeltlichen bzw. unentgeltlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Nebentätigkeit bis zu ihrer vorherigen Genehmigung zu unterlassen, verletzt (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.2004 - 2 WD 20/03 - juris Rn. 3 f.; BayVGH, B.v. 28.5.2018 - 6 CS 18.775 - juris Rn. 13). Da der Kläger für seine Tätigkeit als Tippgeber Provisionen erhalten hat, kommt die Grundvorschrift des § 20 Abs. 1 Satz 1 SG zur Anwendung, wonach die Ausübung „jeder entgeltlichen Nebentätigkeit“ - mit den in Abs. 6 abschließend aufgeführten und hier nicht einschlägigen Ausnahmen - der vorherigen Genehmigung bedarf. Nebentätigkeit ist jede Tätigkeit innerhalb und außerhalb des öffentlichen Dienstes, die neben der Haupttätigkeit (Hauptverwendung) gegen Entgelt ausgeübt wird. Die vom Kläger ausgeübte, durch Provisionen abgegoltene Tätigkeit als Tippgeber ist von dieser Vorschrift erfasst (BayVGH, B.v. 19.6.2019 - 6 CS 19.940 - juris Rn.11). Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob der Kläger diese Tätigkeit im Dienst oder während seiner Freizeit sowie in oder außerhalb der Liegenschaften der Bundeswehr ausgeübt hat.
28
Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob die so gelagerte Dienstpflichtverletzung anders zu beurteilen wäre, wenn eine vorherige Belehrung über die Nebentätigkeitsbestimmungen unterblieben wäre (vgl. dazu etwa VG Lüneburg, B.v. 12.04.2019 - 8 B 52/19 - juris Rn. 38; VG München, U.v. 11.2.2020 - M 21b K 19.3470 - juris Rn. 29). Denn anders als der Kläger vortragen lässt, ergibt sich aus den Akten, dass er sowohl am 3. April 2017 als auch nochmals am 4. Juli 2017 u.a. über das Verbot von Handel und Gewerbeausübung im Bereich der Bundeswehr und dabei auch über die Pflicht zur Genehmigung von - jedenfalls entgeltlichen - Nebentätigkeiten belehrt wurde (vgl. zur Belehrung BayVGH, B.v. 19.6.2019 - 6 CS 19.940 - juris Rn. 12 f.). Diese Belehrungen hat der Kläger zudem unterschrieben.
29
Der Kläger hat durch die nicht genehmigte Nebentätigkeit auch seine Verpflichtung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SG zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten - auch außer Dienst - verletzt, da sein Verhalten geeignet war, sowohl die Achtung seiner Kameraden als auch das Vertrauen seiner Vorgesetzten erheblich zu beeinträchtigen. Denn ein Soldat, der gesetzeswidrig eine nicht genehmigte Nebentätigkeit innerhalb des Dienstes ausübt, erschüttert seine persönliche und dienstliche Integrität (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.2004 - 2 WD 20/03 - juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 19.6.2019 - 6 CS 19.940 - juris Rn. 14; B.v. 28.5.2018 - 6 CS 18.775 - juris Rn. 14). Dadurch, dass der Kläger den Kontakt zu den Interessenten im Rahmen und unter Ausnutzung seines Dienstverhältnisses als Soldat anbahnte sowie dabei auch die Kontaktdaten von Kameraden bzw. Angehörigen der Bundeswehr an den Versicherungsmakler P. - unbeachtlich einer ihm etwaig erteilten Einwilligung - weitergab, bestand zudem ein Sachzusammenhang zwischen der Tippgebertätigkeit des Klägers und seinem Dienstverhältnis als Soldat, welcher geeignet ist, seine persönliche sowie dienstliche Integrität im vorgenannten Sinne zu erschüttern.
30
Schließlich hat der Kläger mit seinem Verhalten gegenüber seinen Kameraden auch gezeigt, dass er seine eigenen finanziellen Vorteile über die Kameradschaft in der Bundeswehr stellt. Insoweit liegt darin auch ein Verstoß gegen die aus § 12 SG resultierende Pflicht zu gegenseitiger Achtung und Fairness (vgl. dazu VG Lüneburg, B.v. 12.4.2019 - 8 B 52/19 - juris Rn. 34). Hierbei ist besonders zu beachten, dass der vertragliche Rückforderungsvorbehalt im Falle der Kündigung eines vermittelten Vertrags dazu führt, dass auf Seiten des Klägers ein objektives monetäres Interesse daran besteht, dass die Vertragspartner an den abgeschlossenen Verträgen festhalten. Dieses Interesse bezieht sich auf den persönlichen Lebensbereich der jeweiligen Soldaten und ist somit geeignet, das durch § 12 SG geschützte Kameradschaftsverhältnis, das eine militärische Schicksalsgemeinschaft beschreibt (Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 3. Aufl. 2016, § 12 Rn. 6), dadurch zu belasten, dass außerdienstliche Individualinteressen hineingetragen werden. Ein Soldat, der einen aufgrund der Vermittlung des Klägers geschlossenen Vertrag kündigt, begibt sich gegenüber diesem in eine rechtfertigungsbedürftige Position, da er durch die Kündigung dessen Vermögen schmälert. Letztendlich ist auch der Vortrag des Klägers, er habe seine Kameraden lediglich informieren und unterstützen wollen, eine reine Schutzbehauptung oder zumindest nur ein (untergeordneter) Teilaspekt seiner Tätigkeit als Tippgeber in einem „Schneeballsystem“.
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Der Kläger hat weiter gegen die Gehorsamspflicht des § 11 SG verstoßen, weil er über das verletzte Verbot belehrt worden ist (BVerwG, U.v. 28.7.2011 - 2 C 28/10 - BVerwGE 140, 199 - juris Rn. 14; explizit für Nebentätigkeiten auch VG Lüneburg, B.v. 12.04.2019 - 8 B 52/19 - juris Rn. 38).
32
Der Kläger hat auch schuldhaft im Sinne des § 23 Abs. 1 SG gehandelt. Selbst wenn er wirklich geglaubt haben sollte, dass seine Tätigkeit keiner vorherigen Nebentätigkeitsgenehmigung bedürfe, liegt darin kein Schuldausschließungsgrund. Soweit der Kläger in seiner Befragung vom 1. März 2019 angab, keine Kenntnis von der Pflicht zur vorherigen Genehmigung von Nebentätigkeiten gehabt zu haben, könnte darin zwar ein Verbotsirrtum liegen. Dieser kommt aber nur schuldausschließend zum Tragen, wenn der Irrtum unvermeidbar war (vgl. Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 3. Aufl. 2016, § 23 Rn. 30). Vorliegend war ein solcher Irrtum jedoch vermeidbar, weil der Kläger nachweislich am 3. April 2017 sowie am 4. Juli 2017 schriftlich über den Genehmigungsvorbehalt belehrt wurde. Er kann sich somit nicht darauf berufen, nicht von der Notwendigkeit einer vorherigen Genehmigung gewusst zu haben.
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Auch soweit er vorträgt, die Regelungen und Vorschriften im Bereich der Bundeswehr seien nicht sämtlich zu überblicken, ist er jedenfalls über die hier einschlägigen Vorschriften belehrt worden. Dies hätte ihm verdeutlichen müssen, dass es sich dabei um solche, seinen Dienst betreffende, wichtige und daher einzuhaltende Normen handelt. Im Übrigen ist es einem angehenden Offiziersanwärter zuzumuten - zumal nach der Vor- und Ausbildung des Klägers und seinem Alter von 28 Jahren zum Zeitpunkt der maßgeblichen Ereignisse - dass er Umfang sowie Inhalt der Dienstpflicht nach § 20 Abs. 1 SG im weitesten Sinne erfassen kann. Davon ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Regelfall sogar schon aufgrund der Ausbildung des Soldaten auszugehen, wobei im Zweifel von diesem erwartet wird, dass er sich bei seiner Dienststelle rechtzeitig über Umfang und Inhalt seiner Dienstpflichten erkundigt (vgl. etwa BVerwG, U.v. 13.9.2011 - 2 WD 15/10 - juris Rn. 36; vgl. auch BayVGH, U.v. 6.10.1993 - 3 B 93.270 - juris Rn. 17).
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3. Dem Kläger ist zwar nach alldem keine Dienstpflichtverletzung im militärischen Kernbereich anzulasten (BayVGH, B.v. 28.5.2018 - 6 CS 18.775 - juris Rn. 15). Bei einzelfallbezogener Würdigung der konkreten Dienstpflichtverletzungen besteht aber jedenfalls Nachahmungsgefahr, weil es sich bei dem Fehlverhalten um eine Disziplinlosigkeit handelt, die um sich zu greifen droht, und die eine ernstliche Gefahr für die militärische Ordnung und das Ansehen der Bundeswehr darstellt. Dies zeigt sich schon darin, dass es sich, wie dem Gericht aus anderen - nicht veröffentlichten - Fällen bekannt ist (z.B. VG München, U.v. 27.11.2019 - M 21a K 19.754; B.v. 28.3.2019 - M 21 S 18.3695; B.v. 19.3.2018 - M 21 S 17.4261; B.v. 27.3.2018 - M 21 S 17.5898) bei der Tippgebertätigkeit des Klägers um keinen Einzelfall in der Bundeswehr handelt. Hieraus und aus der Häufigkeit ähnlicher Entscheidungen (vgl. nur BayVGH, B.v. 19.6.2019 - 6 CS 19.940 - juris; B.v. 28.5.2018 - 6 CS 18.775 - juris; B.v. 9.4.2019 - 6 ZB 18.2402 - juris; VG Lüneburg, B.v. 12.4.2019 - 8 B 52/19 - juris) ist zu entnehmen, dass es sich um eine Problematik innerhalb der Bundeswehr von nicht zu vernachlässigendem Umfang handelt und es durchaus regelmäßig vorkommt, dass Soldaten ihre Kameraden als Kunden für Versicherungsvermittler/-agenturen zu gewinnen versuchen. Die Beklagte hat insoweit in ihrer Begründung der Entlassung bzw. ihrer Beschwerdeentscheidung nachvollziehbar ausgeführt, dass die Ausübung von nicht genehmigten Nebentätigkeiten geeignet ist, andere Soldaten zur Nachahmung zu verleiten und daher einer Gefährdung der militärischen Ordnung Vorschub leistet. Zu Recht geht die Beklagte folglich davon aus, es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass der Dienstherr die Anbahnung der Vermittlung von Versicherungsleistungen zum persönlichen Vorteil eines Soldaten als Kavaliersdelikt ansehe und dieses daher ohne Folgen für das Dienstverhältnis bliebe (vgl. VG Lüneburg, B.v. 12.4.2019 - 8 B 52/19 - juris Rn. 39). Für die Bundeswehr besteht daher ein wesentliches Interesse daran, den ungenehmigten Nebentätigkeiten (nicht nur im Dienst) entgegenzutreten, um so die Nachahmungsgefahr zu mindern.
35
Im Übrigen belegt die schon per se auf Wiederholung ausgelegte Natur dieser Dienstpflichtverletzungen, aber auch der Umstand ihrer tatsächlich über mehrere Monate fortgesetzten Begehung eine Wiederholungsgefahr durch den Kläger (vgl. VG München, U.v. 27.11.2019 - M 21a K 19.754 - n.v.).
36
Die vom Kläger schuldhaft und fortgesetzt begangenen Dienstpflichtverletzungen sind auch nicht als geringfügig zu bewerten (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 28.4.2004 - 2 WD 20/03 - juris Rn. 9 ff. m.w.N.; OVG MV, B.v. 23.10.1997 - 2 L 32/97 - juris Rn. 25 ff. m.w.N.) oder sonst als einmalige Verfehlungen aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls zu verstehen (vgl. OVG NRW, U.v. 5.12.2012 - 1 A 846/12 - juris Rn. 51 ff. m.w.N.).
37
Die von der Beklagten getroffene Maßnahme ist auch nicht ermessensfehlerhaft.
38
Alleiniger Zweck der fristlosen Entlassung gemäß § 55 Abs. 5 SG ist es, eine - sich bereits aus der Verwirklichung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift ergebende - drohende Gefahr für die Bundeswehr abzuwenden. Die Frage der Angemessenheit des Eingriffs im Verhältnis zu dem bestimmten Zweck ist daher in Gestalt einer Vorabbewertung durch den Gesetzgeber im Wesentlichen bereits durch die Vorschrift selbst - und zwar auf Tatbestandsebene - konkretisiert worden. Für zusätzliche Erwägungen zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist somit nach der Gesetzeskonzeption im Rahmen des § 55 Abs. 5 SG (grundsätzlich) kein Raum (OVG NRW, B.v. 20.1.2005 - 1 B 2009/04 - juris Rn. 34).
39
Dies zugrunde gelegt, ist das Ermessen der zuständigen Behörde, beim Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 55 Abs. 5 SG vom Ausspruch der fristlosen Entlassung absehen zu können, trotz des Wortlauts „kann“ im Sinne einer sog. „intendierten Entscheidung“ auf besondere Ausnahmefälle zu beschränken (vgl. etwa OVG NRW, B.v. 20.1.2005 - 1 B 2009/04 - juris Rn. 34; BayVGH, U.v. 25.7.2001 - 3 B 96.1876 - juris Rn. 58 ff. m.w.N.).
40
Gemessen an diesem Maßstab liegt kein atypischer Sachverhalt vor, der eine andere Betrachtungsweise rechtfertigt. Insbesondere ist die Entlassung nicht etwa deswegen ermessensfehlerhaft, weil die Beklagte keine Umstände zugunsten des Klägers ermittelt hätte. Hierin ist keine Ausnahmekonstellation, die eine andere Entscheidung rechtfertigt, zu erkennen. Nach den Umständen des Falles war die fristlose Entlassung des Klägers als „intendierte Entscheidung“, wie geschehen, auszusprechen.
41
Nachdem sich die fristlose Entlassung des Klägers als rechtmäßig erwiesen hat, bestand auch kein Anspruch gegenüber der Beklagten, ihn mit allen Rechten und Pflichten in der Bundeswehr bis zum Ablauf der festgesetzten Dienstzeit am 31. März 2021 weiterhin einzusetzen, weil das Dienstverhältnis wirksam beendet wurde.
42
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.