Titel:
Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren für Eigentümer außerhalb des Plangebietes
Normenketten:
VwGO § 47
BauGB § 1 Abs. 7
Leitsatz:
Für Eigentümer eines außerhalb des Plangebietes liegenden Grundstücks kann die Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren aus dem in § 1 Abs. 7 BauGB normierten bauplanungsrechtlichen Abwägungsgebot folgen. Dieses Abwägungsgebot hat drittschützenden Charakter hinsichtlich solcher privaten Belange, die für die Abwägung erheblich sind und verleiht Privaten ein subjektives Recht darauf, dass ihre im Bebauungsplanverfahren betroffenen Belange in der Abwägung ihrem Gewicht entsprechend „abgearbeitet“ werden. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Normenkontrollverfahren, Antragsbefugnis, Bebauungsplan, Abwägungsgebot, Erschließungskosten, Eigentümer eines außerhalb des Plangebietes liegenden Grundstücks
Fundstelle:
BeckRS 2020, 20647
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Antragsteller (Eigentümer des Wohngrundstücks FlNr. …1) wenden sich gegen den (wiederholt und zuletzt) am 17. August 2018 von der Antragsgegnerin öffentlich bekannt gemachten Bebauungsplan Amberg 129 „Am Eichenhain“, der (teilweise) den bisher bestehenden Bebauungsplan AM 8A „Am Galgenberg“ vom 4. Juli 1970 (in Gestalt seiner 1. Änderung vom 28.11.1986) ersetzt.
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Die Antragsteller begründen ihre am 31. Mai 2019 bei Gericht eingegangene Normenkontrollklage dahin, der Bebauungsplan verstoße gegen das Abwägungsgebot, das „Erforderlichkeitsprinzip“ und den Gleichheitssatz. Die Antragsteller würden als „Altanlieger“ - ohne in den „Genuss eigenen Baurechts“ durch den Bebauungsplan zu kommen - mit erheblichen Abgaben (Erschließungsbeiträgen) belastet, obwohl bereits in der Vergangenheit Erschließungsbeiträge geleistet worden seien. Die Erschließung sei im geplanten Ausmaß zudem nicht erforderlich.
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Die Antragsteller beantragen,
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den Bebauungsplan Amberg 129 „Am Eichenhain“ für unwirksam zu erklären.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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Wegen der Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte und die Normaufstellungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg.
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1. Der Antrag ist unzulässig, weil es den Antragstellern an der Antragsbefugnis fehlt.
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a) Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch den Bebauungsplan oder dessen Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Auch wenn die Antragsteller - wie vorliegend der Fall - nicht Eigentümer eines von Festsetzungen des Bebauungsplans betroffenen Grundstücks im Plangebiet, sondern lediglich Eigentümer eines außerhalb des Plangebiets liegenden Grundstücks sind, kann für sie die Antragsbefugnis aus dem in § 1 Abs. 7 BauGB normierten bauplanungsrechtlichen Abwägungsgebot folgen. Dieses Abwägungsgebot hat drittschützenden Charakter hinsichtlich solcher privaten Belange, die für die Abwägung erheblich sind und verleiht damit Privaten ein subjektives Recht darauf, dass ihre im Bebauungsplanverfahren betroffenen Belange in der Abwägung ihrem Gewicht entsprechend „abgearbeitet“ werden. Sind keine abwägungserheblichen Interessen der Antragsteller betroffen, scheidet eine Verletzung des Rechts auf fehlerfreie Abwägung und damit eine Antragsbefugnis für sie von vorneherein aus. Für die Prüfung der Antragsbefugnis kommt es dabei grundsätzlich auf die Darlegungen der Antragsteller im Normenkontrollverfahren an. Die Antragsteller müssen hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass sie durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in ihren Rechten verletzt werden. Tragen die Antragsteller demgegenüber keine Tatsachen vor, die die Missachtung eines abwägungserheblichen Belangs als möglich erscheinen lassen, ist die Antragsbefugnis zu verneinen (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 25.6.2020 - 15 N 19.2132 - juris Rn. 15 m.w.N.). So liegt der Fall hier.
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b) Die von den Antragstellern befürchtete Belastung mit Erschließungsbeiträgen für die erstmalige (endgültige) Herstellung der im Plangebiet liegenden Erschließungsanlage (Ortsstraße) „Am Eichenhain“ kann deren Antragsbefugnis nicht begründen. Auch wenn nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts die Kosten zur Verwirklichung eines Bebauungsplans (einschließlich der Erschließungskosten) grundsätzlich „zumindest in groben Zügen abwägend zu bedenken sind“ (vgl. BVerwG, B.v. 30.8.2016 - 4 BN 10/16 - ZfBR 2017, 64 = juris Rn. 12 ff. m.w.N.), ist vorliegend zu berücksichtigen, dass bereits der bestehende Bebauungsplan (AM 8A „Am Galgenberg“ vom 4.7.1970) die Erschließung der Anliegergrundstücke (zu denen auch das Grundstück der Antragsteller gehört) durch die Ortsstraße „Am Eichenhain“ geregelt hat und damit ursächlich für die Entstehung der Erschließungsbeitragspflicht (bei endgültiger Herstellung der Erschließungsanlage) ist. An der schon im Bebauungsplan vom 4. Juli 1970 vorgesehenen Erschließung der Anliegergrundstücke durch die Ortsstraße „Am Eichenhain“ haben weder die 1. Änderung jenes Bebauungsplans (vom 28.11.1986) noch der streitgegenständliche Bebauungsplan etwas geändert. Die Antragsgegnerin hat ferner - obwohl die Erschließungsstraße „Am Eichenhain“ auch nach Ansicht der Antragsgegnerin noch nicht „vollständig“ fertiggestellt war und dementsprechend „noch nicht vollständig abgerechnet werden“ konnte - in Bezug auf das Grundstück der Antragsteller in der Vergangenheit schon „vorläufig“ Erschließungsbeiträge für eine „Teileinrichtung“ dieser Straße unter Berufung auf ein in der damaligen Erschließungsbeitragsatzung vorgesehenes „Recht der Kostenspaltung“ festgesetzt (vgl. hierzu z.B. die von den Antragstellern vorgelegten Bescheide der Antragsgegnerin vom 21.11.1973 und vom 30.5.1968). Dabei kommt es vorliegend nicht darauf an, ob die Erschließungsbeiträge seinerzeit zu Recht erhoben worden sind und welche Erschließungsbeiträge (in welcher Höhe) gegenüber den Antragstellern in Bezug auf deren Grundstück nun künftig noch erhoben werden können. Denn die grundsätzliche Beitragspflicht des Grundstücks der Antragsteller ist für diese Erschließungsstraße bereits mit Inkrafttreten des Bebauungsplans vom 4. Juli 1970 und nicht etwa erst durch den streitgegenständlichen Bebauungsplan entstanden. Die Antragsgegnerin hat im streitgegenständlichen Bebauungsplan diese Erschließungsstraße nur deshalb (wiederholt) in den streitgegenständlichen Bebauungsplan aufgenommen, weil sie aufgrund eines erst kürzlich erfolgten Erwerbs der benötigten Grundstücksflächen einen „Lückenschluss“ der bisher nicht vollständig befahrbaren Ortsstraße vollziehen und damit diese Erschließungsanlage (erstmals) endgültig herstellen konnte. Sie hat bei dieser Gelegenheit auch lediglich geringfügige Änderungen gegenüber der bisher geltenden Planung vorgenommen („lediglich einen einseitigen Gehweg im Süden und lediglich ein Schrammbord im Norden“ sowie „3 Längsparkmöglichkeiten“ statt „5 senkrechten Parkplätzen“; vgl. Beschlussvorlage der Verwaltung vom 19.10.2015 zur Begründung der Notwendigkeit der Maßnahme für die Sitzung des Bauausschusses am 11.11.2015), um damit jeweils „das Einschneiden in das Gelände so gering wie möglich zu halten“ und die Erschließungsmaßnahme zu reduzieren (vgl. dieselbe Beschlussvorlage vom 19.10.2015). Für die Antragsteller ergibt sich damit aus der (wiederholten) Festsetzung der Ortsstraße „Am Eichenhain“ im streitgegenständlichen Bebauungsplan keine für sie nachteilige Änderung der Sach- und Rechtslage, die eine erneute oder zusätzliche Betroffenheit ihrer Interessen und damit deren gebotene Berücksichtigung in der Abwägung der betroffenen privaten und öffentlichen Belange durch die Antragsgegnerin zur Folge gehabt hätte.
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c) Die Erschließungsbeitragspflicht trifft das Grundstück der Antragsteller - ebenso wie die Grundstücke anderer Anlieger -, weil dieses auf der Grundlage des bisherigen Bebauungsplans und der darin geregelten Erschließung durch die Ortsstraße „Am Eichenhain“ seit Jahrzehnten baulich genutzt werden kann. Eine Ungleichbehandlung der Antragsteller im Verhältnis zu anderen Anliegern liegt darin ersichtlich nicht. Ebenso wenig ist das Vorbringen der Antragsteller näher substantiiert, die Erschließung sei „im geplanten Ausmaß“ nicht erforderlich. Auch sonstige Belange der Antragsteller, die von der Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Abwägung hätten berücksichtigt werden sollen, sind ebenso wenig zu erkennen. Die von den Antragstellern in Bezug auf den Buchenweg (Festsetzung als öffentliche Verkehrsfläche) vorgebrachten Bedenken begründen eine Antragsbefugnis schon deshalb nicht, weil es sich beim Buchenweg um eine von der Straße „Am Eichenhain“ unabhängige und gesondert abzurechnende eigenständige Erschließungsanlage handelt. Belange der Antragsteller werden hierdurch nicht berührt. Nach alledem lässt das Vorbringen der Antragsteller es nicht als möglich erscheinen, dass deren Belange im Rahmen der Abwägung fehlerhaft behandelt worden sein könnten.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 ff. ZPO.
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3. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).