Titel:
Anspruch auf Löschung des Eintrags "festgestellter Reichsbürger" in der Verbunddatei INPOL
Normenketten:
BKAG § 2 Abs. 3, § 29 Abs. 2, Abs. 5, § 31 Abs. 2, § 77 Abs. 6
BDSG § 75 Abs. 2
PAG Art. 2 Abs. 1, Art. 32 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Art. 62 Abs. 2
Leitsätze:
1. Auch wenn INPOL beim Bundeskriminalamt eingerichtet ist, bleibt der Datenbesitz und die Datenverantwortlichkeit im Verbundsystem bei den jeweiligen Polizeien des Bundes und der Länder. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Speicherung der personenbezogenen Information „Reichsbürger“ ist als Ausdruck einer staatsfeindlichen weltanschaulichen Überzeugung zulässig, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die betreffende Person „Reichsbürger“ ist. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Weder aus der Erhebung von Schadensersatz- bzw. Entschädigungsklagen in dreistelliger Millionenhöhe noch aus einem teilweise beleidigenden Inhalt von Schreiben an Behörden und Gerichte ergeben sich für sich genommen hinreichende Anhaltspunkte für eine Zugehörigkeit zur Reichsbürgerszene. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Eintragung personenbezogener Daten in die Verbunddatei INPOL, Antrag auf Löschung, Verpflichtungsklage, vorübergehende Löschung des Datensatzes, Passivlegitimation, datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit, personenbezogene Information „festgestellter Reichsbürger“, Zulässigkeit der Erhebung und Speicherung, Aufrechnung, Beamter, Erfolgsaussicht, Eintragung, Einstellung, Prozesskostenhilfe, Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Polizei, INPOL, Löschung, Date, Datensatz, Reichsbürger, Speicherung, Verbunddatei
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 19.11.2019 – Au 8 K 19.127
Fundstelle:
BeckRS 2020, 20623
Tenor
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Mit seiner Berufung wendet sich der Beklagte gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 19. November 2019. Darin wird der Beklagte verpflichtet, die Eintragung des Klägers als „festgestellter Reichsbürger“ im Informationssystem Polizei (INPOL) zu löschen.
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Dem Kläger wurde anlässlich eines Ermittlungsverfahrens bekannt, dass er im INPOL als „festgestellter Reichsbürger“ eingetragen ist. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2018 beantragte er beim Beklagten, diese Eintragung zu löschen.
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Mit Schreiben vom 19. November 2018 antwortete der Beklagte, es gehöre zu den typischen Merkmalen von Reichsbürgern, utopische und völlig unbegründete Forderungen gegenüber staatlichen Einrichtungen geltend zu machen, um deren ordnungsgemäßes Funktionieren zu torpedieren. Vielfach träten diese Personen dabei gegenüber den Bediensteten von Behörden in aggressiver Weise auf, wobei sie häufig vorbrächten, dass die Bundesrepublik Deutschland und ihre Behörden rechtlich nicht existierten und deshalb Maßnahmen ihnen gegenüber nicht zulässig seien. Der Kläger habe am 22. Dezember 2013 einen Mahnbescheid in Höhe von 360 Millionen Euro beim Amtsgericht C. beantragt. Am 28. April 2014 habe er einen Strafentschädigungsanspruch in Höhe von 360 Millionen Euro gestellt. In einem weiteren Mahnverfahren beim Amtsgericht C. habe er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Forderung gegenüber dem Freistaat Bayern in Höhe von 40 Millionen Euro beantragt. Bei einer persönlichen Vorsprache am 26. September 2016 beim Landesamt für Finanzen A. habe er in aggressiver Weise Mitarbeiter dieser Behörde der Lüge bezichtigt und aufgrund seines Verhaltens des Hauses verwiesen werden müssen.
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Am 30. Januar 2019 beantragte der Kläger zur Niederschrift beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, die Löschung seiner INPOL-Daten zu veranlassen und ihm für diese Klage Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Er weise jegliche Zuordnung zu den Reichsbürgern kategorisch zurück. Im Laufe des Verfahrens legte er weitere Unterlagen bezüglich seines Verfahrens auf Schadensersatz beim Landgericht Augsburg vor.
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Mit Beschluss vom 29. Juni 2019 bewilligte das Verwaltungsgericht Augsburg dem Kläger Prozesskostenhilfe und ordnete ihm seinen Prozessbevollmächtigten bei. Die Klage habe hinreichende Erfolgsaussicht, weil ohne nähere Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht abschließend beantwortet werden könne, ob die auf Löschung der polizeilichen Eintragung als „Reichsbürger“ gerichtete beabsichtigte Klage erfolgreich sein werde. Dazu werde in der mündlichen Verhandlung unter Umständen ein Zeuge einzuvernehmen sein.
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Zur Begründung der Klage brachte der Prozessbevollmächtigte des Klägers vor, dass dieser aufgrund des ihm seiner Ansicht nach widerfahrenen Unrechts erhebliche Schadensersatzforderungen gegenüber der öffentlichen Hand geltend mache. Diese habe er in seinen persönlichen Einlassungen im vorliegenden Verfahren erneut bekräftigt. Er habe aber weder jemals die Existenz der Bundesrepublik noch die Hoheitsbefugnis des Finanzamts bestritten. Der Kläger lehne die Rechtsordnung nicht ab, sondern berufe sich gerade auf deren Bestimmungen, insbesondere die des Grundgesetzes sowie des Strafrechts und werfe den Behörden vor, diese nicht einzuhalten. Er habe weder einen sogenannten „gelben Schein“ beantragt noch sei er in entsprechenden Internetforen aktiv oder weise sich mit Fantasiedokumenten aus.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Augsburg am 19. November 2019 wurde Herr S., Leiter des Finanzamtes A., als Zeuge vernommen.
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Mit Urteil vom 19. November 2019 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Beklagten, die Eintragung des Klägers als „festgestellter Reichsbürger“ im Informationssystem Polizei (INPOL) zu löschen. Grundsätzlich seien Verhaltensweisen, die typischerweise der Reichsbürgerbewegung zuzuordnen seien, geeignet, den Arbeitsablauf bei Ämtern und Behörden massiv zu beeinträchtigen und damit eine Gefahr im Sinne von Art. 2 Abs. 1 PAG hervorzurufen. Zu den typischen Verhaltensweisen gegenüber Justizbehörden zähle, diese mit querulatorischen Schreiben, in denen der öffentlichen Verwaltung und Justiz ihre Autorität oder ihre Existenz abgesprochen würde, zu überziehen. Zum Teil verfolgten Reichsbürger damit das Ziel, sich rechtlichen Verpflichtungen, wie zum Beispiel Forderungen des Staates aus Steuer-, Bußgeld- und Verwaltungsverfahren zu entziehen. In umfangreichen Briefen würden zum Beispiel Beamte und Richter belehrt und beleidigt oder gegen sie haltlose Schadensersatzforderungen erhoben. Mit seinen aktenkundigen Verhaltensweisen habe der Kläger mehrere Kriterien, die typischerweise mit der Reichsbürgerbewegung in Verbindung gebracht würden, erfüllt. Es sei somit nicht zu beanstanden, dass der Beklagte den Kläger zum damaligen Zeitpunkt der Reichsbürgerbewegung zugeordnet habe. Im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung lägen jedoch keine Anhaltspunkte mehr dafür vor, dass die Eintragung des Klägers als „festgestellter Reichsbürger“ zur Aufgabenerfüllung noch erforderlich sei. Der letzte Vorfall, der eine Zuordnung des Klägers zur Reichsbürgerbewegung zulasse, habe sich Ende 2016 ereignet. Es möge zutreffen, dass der Kläger in völliger Verkennung der Rechtslage vom Bestehen der von ihm geltend gemachten Millionenforderungen überzeugt sei und dies nach außen hin auch vertrete. Dies reiche jedoch nicht aus, um den Kläger nach wie vor unter der Eintragung „festgestellter Reichsbürger“ im INPOL zu führen.
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Mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2019 beantragte der Beklagte, die Berufung gegen das Urteil vom 19. November 2019 zuzulassen. Im Rahmen der Begründung des Zulassungsantrags teilte er mit, dass das Polizeipräsidium N. den INPOL-Eintrag des Klägers am 5. Dezember 2019 gelöscht habe. Dies beruhe auf einer rechtlichen Fehleinschätzung, da das Urteil des Verwaltungsgerichts noch nicht rechtskräftig geworden sei. Am 28. Januar 2020 sei der Eintrag wiederhergestellt worden.
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Mit Beschluss vom 5. März 2020 ließ der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung zu und bewilligte dem Kläger Prozesskostenhilfe für das Rechtsmittelverfahren.
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Im Berufungsverfahren beantragt der Beklagte,
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das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg vom 19. November 2019 abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts folge ein Anspruch auf Löschung der Eintragung des Klägers als „festgestellter Reichsbürger“ im Informationssystem Polizei nicht aus Art. 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Halbs. 1 PAG. Das Verwaltungsgericht stelle unzutreffend den Bezug zwischen der Zuordnung des Klägers zur Reichsbürgerbewegung und der Aufgabenerfüllung der Polizei lediglich insoweit her, als typische Verhaltensweisen der Reichsbürger geeignet seien, den Arbeitsablauf bei Ämtern und Behörden massiv zu beeinträchtigen. Weiter könne dem Verwaltungsgericht nicht darin gefolgt werden, dass zwar die Zuordnung des Klägers zur Reichsbürgerbewegung im Jahr 2016 nicht zu beanstanden gewesen sei, bereits Ende 2019 aber die bis Ende 2016 geschaffene Tatsachengrundlage offenbar ihr Gewicht wieder so weit verloren habe, dass sie das Fortbestehen der Eintragung zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr rechtfertige. Gerade das Festhalten an den vom Kläger geltend gemachten Millionenforderungen trotz völliger Substanzlosigkeit sei ein klares Indiz für das Fortbestehen einer problematischen inneren Haltung des Klägers. Der Beklagte benötige weiterhin die streitgegenständliche Eintragung des Klägers im INPOL zur Erfüllung seiner Aufgaben. Von den Anhängern der Reichsbürgerideologie gehe potentiell eine erhöhte Gefahr für Dritte aus, insbesondere für Behördenvertreter. Daher bestehe ein Bedürfnis, entsprechende Informationen im INPOL vorzuhalten, um bei Kontakt die erforderlichen Eigensicherungsmaßnahmen zu treffen. Dahinter bleibe der Ansatz des Verwaltungsgerichts weit zurück, das lediglich angenommen habe, dass typische Verhaltensweisen der Reichsbürgerbewegung geeignet sein, den Arbeitsablauf bei Ämtern und Behörden massiv zu beeinträchtigen. Die Funktion entsprechender Eintragungen im INPOL als Basis für die gegebenenfalls lebenswichtige Eigensicherung eingesetzter Beamte erfordere daher auch eine Eintragung, wenn nur niedrigschwellige Anhaltspunkte für eine Zugehörigkeit zur Reichsbürgerideologie vorlägen. Daneben fungiere die Polizei als „single point of contact“ für andere Behörden, welche zum Beispiel im Waffenrecht auf die polizeilichen Erkenntnisse angewiesen seien, um die Zuverlässigkeit eines Antragstellers zu beurteilen. Für solche Auskunftserteilungen nutze die Polizei den Zugriff auf INPOL. In Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht dürften daher die Vorfälle bis Ende 2016 als Grundlage für die streitgegenständliche Eintragung herangezogen werden. Dabei sei zu beachten, dass auf die problematische innere Einstellung eines Reichsbürgers gegenüber staatlichen Behörden als innere Tatsache nur aufgrund von äußeren Verhaltensweisen geschlossen werden könne. Ob und wann solche Verhaltensweisen als Tatsachenbasis gegebenenfalls durch Zeitablauf „verblassen“, also nicht mehr geeignet sein könnten, einen Schluss auf die innere Einstellung des Klägers zu tragen, müsse in einer Gesamtschau der vorliegenden Umstände bewertet werden. Der Kläger habe nicht nur Mahnbescheide gegen den Freistaat Bayern in Höhe von 360 Millionen Euro bzw. 40 Millionen Euro beantragt und vor dem Finanzamt im Jahr 2016 nicht nur geäußert, die Behörde „existiere nicht“, sondern auch versucht, mit den oben genannten Fantasiesummen durch Aufrechnung eine Abwehrkulisse gegenüber Pfändungsversuchen für die Forderung einer anderen Behörde aufzubauen. Diese nachdrücklichen Verhaltensweisen des Klägers verblassten als Tatsachengrundlage nicht derart schnell, dass sie im Jahr 2019 bereits überhaupt keine Rolle mehr spielen könnten. Eine Distanzierung des Klägers von der Reichsbürgerideologie, die dazu führen könne, dass dem Kläger bereits früher wieder vollständig zu trauen sei, erfolge gerade nicht. Darüber hinaus habe der Kläger die reichsbürgertypischen Verhaltensmuster, welche für das Verwaltungsgericht ursprünglich die Zuordnung rechtfertigten, zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 19. November 2019 wiederholt, indem er auch dort an seinen Forderungen gegenüber dem Freistaat Bayern in Millionenhöhe festgehalten habe. Vor der mündlichen Verhandlung habe der Kläger in seiner an das Verwaltungsgericht gerichteten E-Mail vom 8. April 2019 zudem zahlreiche Beamte und Richter mit dem Vorwurf der Rechtsbeugung und anderen straf- oder dienstrechtlichen Vorwürfen überzogen. Das Verwaltungsgericht gehe also erkennbar fehl, wenn es annehme, dass seit Ende 2016 nichts mehr vorgefallen sei, das die Zuordnung des Klägers zur Reichsbürgerbewegung rechtfertigen könne. Dazu sei insbesondere nicht erforderlich, dass der Kläger seine Staatsangehörigkeit zur Bundesrepublik nach außen erkennbar in Abrede stelle oder den sogenannten „gelben Schein“ (Staatsangehörigkeitsausweis) beantragt habe.
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die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
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Zur Begründung bringt er vor, er gehe davon aus, dass durch die vorübergehende Löschung des Eintrags keine Erledigung eingetreten sei, weil infolge des erneuten Eintrags vor Rechtskraft der erstinstanzlichen Entscheidung seine Rechtsbeeinträchtigung unverändert fortbestehe. Die Berufung sei unbegründet. Das Verwaltungsgericht sei unzutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger im Jahr 2016 der Reichsbürgerbewegung habe zugeordnet werden können. Die Geltendmachung unberechtigter, wenn auch möglicherweise irrealer Forderungen mache noch keinen Reichsbürger aus. Ihren Anhängern sei gemeinsam die Ablehnung der Legitimität der Bundesrepublik Deutschland, ihrer staatlichen Organe einschließlich der Gerichte oder gar der Rechtsordnung insgesamt. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger jemals diesen Grundüberzeugungen der Reichsbürgerbewegung auch nur nahegestanden habe. Er habe nicht die Rechtsordnung der Bundesrepublik und die Legitimität ihrer Organe angezweifelt, sondern Behörden vorgeworfen, sich ihm gegenüber nicht an diese Rechtsordnung zu halten. Das Gespräch beim Finanzamt A. im Jahr 2016 sei vollkommen überinterpretiert worden. Nach der Erinnerung des in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen habe der Kläger in „monotoner Art und Weise“ der Pfändung seines Mobiltelefons mit dem Argument widersprochen, dass die Behörde dazu nicht berechtigt sei. Jedenfalls vermöge die Berufungsbegründung in der Sache nicht konkret darzulegen, weshalb es erforderlich sei, den Kläger weiterhin im INPOL als „Reichsbürger“ zu erfassen. Sie liefere insbesondere keine konkreten Aussagen dazu, dass und inwiefern der Kläger dem Weltbild der Reichsbürgerideologie anhänge. Deshalb müsse sich der Kläger weder von den Reichsbürgern distanzieren noch von seinen Forderungen gegenüber der öffentlichen Hand Abstand nehmen. Er sei nach wie vor davon überzeugt, dass er aufgrund einer zu Unrecht erfolgten Inhaftnahme als Bauträger ruiniert worden sei und ihm deswegen Schadensersatzansprüche in der von ihm geltend gemachten Höhe zustünden.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof am 20. Juli 2020 wurde der Leiter des Finanzamtes A. als Zeuge vernommen.
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Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten, die Gerichtsakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 2020 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht Augsburg hat den Beklagten im Ergebnis zu Recht verpflichtet, die Eintragung des Klägers als „festgestellter Reichsbürger“ im Informationssystem Polizei (INPOL) zu löschen. Die darauf gerichtete Verpflichtungsklage des Klägers ist zulässig (1.) und begründet (2.), weil er einen Anspruch auf Löschung dieser personenbezogenen Daten gegenüber dem Beklagten hat und er durch das Unterlassen des entsprechenden Verwaltungsakts (Löschungsverfügung) in seinen Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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1. Der Kläger verfolgt sein Begehren auf Löschung des Eintrags nach erfolgter behördlicher Ablehnung seines Löschungsantrags mit Schreiben des Polizeipräsidiums S. vom 21. November 2018 in zulässiger Weise mit einer Verpflichtungsklage (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 9.6.2010 - 6 C 5.09 - juris Rn. 23). Seine Klage ist nicht durch die am 5. Dezember 2019 vom Polizeipräsidium S. zunächst veranlasste Löschung des INPOL-Eintrags „festgestellter Reichsbürger“ unzulässig geworden, denn das mit der Verpflichtungsklage verfolgte Begehren hat sich durch diese Löschung des streitgegenständlichen Eintrags nicht erledigt. Eine Erledigung läge nur dann vor, wenn das Klageziel - der erstrebte Ausspruch des Gerichts - aus tatsächlichen Gründen nicht mehr erreicht werden könnte (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO,15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 131) oder der erstrebte Verpflichtungsausspruch für den Kläger objektiv sinnlos würde und für ihn mit keinem Nutzen mehr verbunden wäre (Riese in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, § 113 Rn. 113). Das ist hier nicht der Fall, weil der Beklagte die zunächst gelöschte Eintragung am 28. Januar 2020 wiederhergestellt hat, so dass die Weiterverfolgung des Begehrens des Klägers auf Verpflichtung des Beklagten zur (erneuten) Löschung des Datensatzes tatsächlich möglich und nicht sinnlos ist.
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2. Die Verpflichtungsklage ist auch begründet, weil der Kläger einen Anspruch auf Löschung des INPOL-Eintrags „festgestellter Reichsbürger“ hat und er durch das Unterlassen des entsprechenden Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt wird.
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Für die Prüfung des geltend gemachten Verpflichtungsbegehrens ist auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz - hier der mündlichen Verhandlung am 20. Juli 2020 - abzustellen.
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2.1 Passivlegitimiert für den vom Kläger geltend gemachten Löschungsanspruch ist gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der Freistaat Bayern als Träger der Landespolizei und damit der die streitbefangenen Daten eingebenden und die Löschung ablehnenden Stelle. Dies ergibt sich aus Folgendem: Das polizeiliche Informationssystem INPOL ist das gemeinsame, arbeitsteilige, elektronische Informationssystem der Polizeien des Bundes und der Länder zur Unterstützung vollzugspolizeilicher Aufgaben, in dem informationstechnische Einrichtungen des Bundes und der Länder in einem Verbund zusammenwirken. Dieses System wird im Rahmen der Bundesaufgabe des Bundeskriminalamtes nach § 2 Abs. 3 BKAG geführt. Das Bundeskriminalamt ist gemäß § 29 Abs. 1 BKAG Zentralstelle für den polizeilichen Informationsverbund und stellt ein einheitliches Verbundsystem zur Verfügung. Die Daten für dieses Verbundsystem stellen die daran teilnehmenden Behörden zur Verfügung (§ 29 Abs. 2 Satz 2 BKAG; BT-Drs. 18/11163 S. 109). Den Angaben des Beklagten zufolge ist die auf den Kläger bezogene Information „festgestellter Reichsbürger“ in der INPOL-Datei dergestalt abgespeichert, dass dieser Hinweis bei Aufruf der entsprechenden Seite sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene erscheint.
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Auch wenn INPOL beim Bundeskriminalamt eingerichtet ist und von dort den Landespolizeien und der Bundespolizei zur Verfügung gestellt wird, bleibt der Datenbesitz und die Datenverantwortlichkeit im Verbundsystem weiter bei den jeweiligen Polizeien des Bundes und der Länder (BT-Drs. 18/11163 S. 85). Dies folgt aus § 29 Abs. 5 Satz 1 und § 31 Abs. 2 BKAG, wonach im Rahmen des polizeilichen Informationsverbundes die datenschutzrechtliche Verantwortung für die bei der Zentralstelle gespeicherten Daten den Stellen obliegt, die die Daten unmittelbar eingeben, und zur Löschung nur diejenige Stelle befugt ist, die die Daten eingegeben hat (vgl. auch OVG Saarl, U.v. 30.1.2018 - 2 A 269/16 - juris Rn. 32; Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, BKAG, § 29 Rn. 28).
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2.2 Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Löschung des Eintrags „festgestellter Reichsbürger“ im Verbundsystem ist § 77 Abs. 6 Satz 1 BKAG i.V.m. § 75 Abs. 2 BDSG. Zwar bleibt die datenschutzrechtliche Verantwortung für die bei der Zentralstelle gespeicherten Daten, nämlich für die Rechtmäßigkeit der Erhebung, die Zulässigkeit der Eingabe sowie die Richtigkeit und Aktualität der Daten, gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 BKAG bei der Stelle, die die Daten eingegeben hat. Geführt bzw. zur Verfügung gestellt wird die Verbunddatei jedoch vom Bundeskriminalamt als Zentralstelle gemäß § 2 Abs. 3 BKAG. Da sich die Rechtsgrundlage für die Errichtung und Führung der Verbunddatei im BKAG befindet, ist folglich für die Geltendmachung eines Löschungsanspruchs die Verbunddatei betreffend auf die entsprechenden Normen des BKAG zurückzugreifen (vgl. zu § 32 BKAG a.F, jetzt § 77 BVerwG, U.v. 9.6.2010 - 6 C 5.09 - juris Rn. 16; OVG Saarl, U.v. 30.1.2018 - 2 A 269/16 - juris Rn. 33 ff.; vgl. Graulich in Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, BKAG, § 29 Rn. 28).
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2.3 Voraussetzung für einen Anspruch auf Löschung der Daten ist gemäß § 77 Abs. 6 Satz 1 BKAG i.V.m. § 75 Abs. 2 BDSG, dass ihre Verarbeitung unzulässig ist, sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung gelöscht werden müssen oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung des Verantwortlichen für die Daten nicht mehr erforderlich ist. Da die datenschutzrechtliche Verantwortung für die bei der Zentralstelle gespeicherten Daten bei der Stelle liegt, die die Daten eingegeben hat (§ 31 Abs. 2 BKAG), bestimmt sich die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung (Datenerhebung und Datenspeicherung) zum Zwecke der Gefahrenabwehr folglich nach den für die bayerische Landespolizei geltenden Vorschriften des PAG (Art. 30 ff. vgl. Graulich, a.a.O., § 31 Rn. 4).
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Art. 30 Abs. 1 PAG stellt zunächst klar, dass die Regelungen des III. Abschnitts grundsätzlich für alle Datenerhebungen nach dem PAG gelten, unabhängig davon, innerhalb welcher Strukturen die Verarbeitung personenbezogener Daten erfolgt (z. B. in Akten, Dateien oder anderweitigen Informationssystemen). Diese Regelung dient als „Transmissionsriemen“ dem Umstand, dass sich das BKAG in den §§ 13 ff. sowie in § 29 BKAG, mit Relevanz insbesondere auch für den Bund-Länder-Datenverbund, des Begriffs des Informationssystems bedient (vor allem, um damit eine neue, horizontal ausgelegte Daten- und Abrufstruktur zum Ausdruck zu bringen, LT-Drs. 17/20425, S. 48). In Art. 30 Abs. 2 PAG werden die Vorgaben aus Art. 10 der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 (Datenschutzrichtlinie) hinsichtlich der Verarbeitung von Daten, die besonderen Kategorien angehören, implementiert. Besondere Kategorien personenbezogener Daten sind u.a. solche, aus denen die rassische oder ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen. Beim Eintrag „festgestellter Reichsbürger“ handelt es sich um eine solche personenbezogene Information, aus der sich die politische und weltanschauliche Überzeugung der betreffenden Person entnehmen lässt.
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Die Datenerhebung nach Art. 32 PAG und die Datenspeicherung nach Art. 54 PAG setzen jeweils voraus, dass der polizeiliche Aufgabenbereich nach Art. 2 PAG eröffnet ist. Die Polizei kann personenbezogene Daten erheben und speichern, wenn dies zur Gefahrenabwehr erforderlich ist (Art. 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Art. 54 Abs. 1 PAG). Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Art. 2 Abs. 1 PAG umfasst neben der Unverletzlichkeit der Normen der Rechtsordnung die Unversehrtheit von Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre und Vermögen des Einzelnen sowie den Bestand und das Funktionieren des Staates und seiner Einrichtungen (Holzner in BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht, Stand 1.5.2020, Art. 2 PAG Rn. 11 m.w.N.). Dazu gehört auch der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Polizeibeamten sowie der Polizei als Institution. Personen, die ihren Äußerungen oder ihrem sonstigen Verhalten nach erkennbar die Existenz und staatliche Hoheitsgewalt der Bundesrepublik Deutschland oder ihrer Bundesländer und damit die geltende Rechtsordnung offensiv ablehnen oder ignorieren, bieten keine hinreichende Gewähr dafür, dass sie bereit sind, Gesetze und Vorschriften einzuhalten, und bedrohen die Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen. Dies trifft aufgrund ihrer Ideologie auch auf Angehörige der Reichsbürgerszene zu (zur Ideologie der Reichsbürgerbewegung und ihrer Ablehnung der gesamten Rechtsordnung vgl. z.B. BayVGH, B.v. 6.12.2019 - 21 CS 19.759 - juris Rn. 15 ff; B.v. 5.2.2020 - 10 ZB 19.2459 - juris Rn. 7). Deshalb ist die Speicherung der personenbezogenen Information „Reichsbürger“ als Ausdruck einer staatsfeindlichen weltanschaulichen Überzeugung nach Art. 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PAG und Art. 54 Abs. 1 PAG zulässig, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die betreffende Person „Reichsbürger“ ist. Dies ist beim Kläger jedoch nicht der Fall.
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Zur Definition des Reichsbürgers führt das Bundesamt für Verfassungsschutz im Verfassungsschutzbericht 2018 (S. 97) aus: „Reichsbürger und Selbstverwalter sind Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen - unter anderem unter Berufung auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht - die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Sie sprechen den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation ab oder definieren sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Deshalb besteht die Besorgnis, dass sie Verstöße gegen die Rechtsordnung begehen. Neben falschen Deutungen und Behauptungen oder unzulässig verkürzt dargestellten Zitaten versenden Reichsbürger und Selbstverwalter häufig in aggressiver Diktion verfasste Schreiben an staatliche Stellen. Zudem nehmen sie mitunter rechtswidrig hoheitliche Aufgaben und Rechte für sich in Anspruch. Dieses rechtswidrige Beanspruchen hoheitlicher Rechte und Aufgaben, wie etwa die Produktion und der Vertrieb von Fantasieausweisen, die Weigerung, Steuern, Gebühren und Abgaben zu entrichten oder die Einrichtung verschiedener Regierungen und Verwaltungen sind weitere Vorgehensweisen, durch die Reichsbürger und Selbstverwalter in Erscheinung treten“. Nach dem Verfassungsschutzbericht Bayern 2018 (S. 175 ff.) sind „Reichsbürger“ Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Dabei berufen sie sich unter anderem auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht. Den Vertretern des Staates sprechen sie die Legitimation ab oder definieren sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Sie berufen sich in unterschiedlichster Form auf den Fortbestand des Deutschen Reiches. Dabei treten sie zur Verwirklichung ihrer Ziele zum Teil aggressiv gegenüber Behörden und Gerichten auf. Die Reichsbürgerideologie ist geeignet, Personen in ein geschlossenes verschwörungstheoretisches Weltbild zu verstricken, im dem aus Staatsverdrossenheit Staatshass werden kann. Dies kann die Grundlage für Radikalisierungsprozesse sein bis hin zur Gewaltanwendung. Reichsbürger entfalten gegenüber staatlichen Institutionen eine Vielzahl von Aktivitäten, die z.T. Ausdruck ihrer Ideologie sind, aber auch auf die gezielte Lahmlegung der öffentlichen Verwaltung zielen. Dazu zählt u.a. die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises, des sog. „gelben Scheins“.
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Gemessen daran stellen die vom Beklagten für die streitbefangene Eintragung „festgestellter Reichsbürger“ angeführten Anhaltspunkte, nämlich die vom Kläger gegen den Freistaat Bayern erhobenen Schadensersatz- bzw. Entschädigungsklagen in dreistelliger Millionenhöhe, der teilweise beleidigende Inhalt seiner an Behörden und Gerichte gerichteten Schreiben sowie das Gespräch beim Finanzamt der Stadt A. Ende des Jahres 2016, zur Überzeugung des Senats jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür dar, dass der Kläger der Reichsbürgerszene zuzurechnen ist.
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Die Schadensersatz- bzw. Entschädigungsklagen des Klägers mögen einer rechtlichen Grundlage entbehren und auch objektiv nicht nachvollziehbar sein. Die hinter den Klagen stehende Motivation ist jedoch keine staatsfeindliche Gesinnung im oben beschriebenen Sinn, sondern seine (Fehl-)Vorstellung, dass er zu Unrecht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und inhaftiert worden ist und ihm deshalb sowohl ein Entschädigungsanspruch wegen zu Unrecht erlittener Haft als auch ein Schadensersatzanspruch wegen der dadurch erzwungenen Einstellung seiner Tätigkeit als Bauträger zustehen. Seine Klagen haben auch nicht das Ziel, die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung oder der Gerichtsbarkeit zu beeinträchtigen, sondern seine vermeintlich bestehenden Ansprüche und daraus abgeleiteten Folgeansprüche gerichtlich durchzusetzen. Ein ständiges und querulatorisches Insistieren auf rechtlich nicht nachvollziehbaren Forderungen drückt für sich genommen keine staatsfeindliche Haltung aus. Bei den Forderungen handelt sich auch um keine „Fantasieforderung“ zur Einschüchterung oder Bedrohung von staatlichen Funktionsträgern, da der Kläger der festen Überzeugung ist, aufgrund der seiner Auffassung nach zu Unrecht erlittenen Inhaftierung stünden ihm die gegen den Freistaat Bayern geltend gemachten Ansprüche zu. Hintergrund der Forderungen ist eine rechtliche Fehleinschätzung, der aber zumindest ein realer Lebenssachverhalt zugrunde liegt. Auch wenn die Schreiben des Klägers an Behörden und Gerichte teilweise beleidigende Inhalte haben, offenbaren sie lediglich eine fehlende Akzeptanz gerichtlicher Entscheidungen, wenn sie seiner Rechtsauffassung nicht entsprechen, sowie die Verkennung der rechtlichen Grundlagen der geltend gemachten Ansprüche, stellen aber die Rechtsordnung und das Rechtssystem der Bundesrepublik nicht generell in Frage. Zu keiner anderen Beurteilung führt die Aussage des auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vernommenen Zeugen S. über ein Gespräch mit dem Kläger beim Finanzamt A. Der Zeuge hat ausgesagt, dass er sich an den genauen Wortlaut der Äußerung des Klägers, er bestreite die Vollstreckungsbefugnis der Behörde, nicht mehr erinnern könne. Er sei am Ende des Gesprächs aber der Überzeugung gewesen, dass die Mitteilung der um die Vollstreckung nachsuchenden Stelle, der Kläger sei möglicherweise „Reichsbürger“, zutreffe. Der Kläger habe monoton wiederholt, dass er die Vollstreckungsbefugnis bestreite. Letztlich hat der Zeuge aber auch bestätigt, dass in dem Gespräch auch Sachargumente, nämlich die vom Kläger erklärte Aufrechnung und Pfändungsschutzgründe, zur Sprache kamen. Der Kläger sei auch nicht aggressiv aufgetreten. Die vom Beklagten angeführten Anhaltspunkte sind auch bei einer Gesamtwürdigung aller erkennbaren Umstände zur Überzeugung des Senats (§ 108 VwGO) nicht ausreichend, den Kläger als „festgestellten Reichsbürger“ zu bezeichnen bzw. in polizeilichen Dateien zu führen. Der Kläger definiert sich durch seine Aktionen nicht als außerhalb der Rechtsordnung stehend, sondern versucht lediglich uneinsichtig im Rahmen der bestehenden Rechtsordnung illusorische Forderungen mit pseudojuristischen Argumenten durchzusetzen. Dem Gespräch beim Finanzamt misst der Senat keine entscheidende Bedeutung zu, weil der Erwartungshorizont des Zeugen durch die Vorabinformation der um Vollstreckung nachsuchenden Stelle offensichtlich geprägt war und die Äußerung des Klägers, er bestreite die Vollstreckungsbefugnis, daher in die vorgegebene Richtung interpretiert worden sein kann. Bestätigt wird dies auch durch die Aussage des Zeugen, das Gespräch mit dem Kläger sei das einzige mit einer derartigen Vorabinformation gewesen, weil „Reichsbürger“ in der Regel nicht das Gespräch mit dem Finanzamt suchten. Schließlich hat auch das Auftreten des Klägers in der mündlichen Verhandlung keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er die Existenz der Bundesrepublik leugnen oder die bestehende Rechtsordnung nicht anerkennen würde. Vielmehr wurde deutlich, dass ihm nach seiner Überzeugung die behaupteten Schadensersatzsprüche zustehen und er sich in Verkennung der Rechtslage immer weiter in sein gedankliches bzw. argumentatives Konstrukt verstrickt.
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Da der Beklagte somit schon von Anfang an nicht berechtigt war, die personenbezogenen Daten „festgestellter Reichsbürger“ zu erheben und zu speichern, kommt es nicht mehr darauf an, ob die gespeicherten personenbezogenen Daten zur weiteren Aufgabenerfüllung der Polizei noch erforderlich sind und ob sich der Kläger von der Ideologie der Reichsbürger distanziert hat. Ist die vom Beklagten vorgenommene Verarbeitung der personenbezogenen Information rechtswidrig erfolgt, ist der Kläger in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt.
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Dahinstehen kann, ob als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Löschungsanspruch neben § 77 Abs. 6 Satz 1 BKAG i.V.m. § 75 Abs. 2 BDSG auch noch Art. 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PAG heranzuziehen ist, soweit der Eintrag „festgestellter Reichsbürger“ im INPOL auf Ebene der Landespolizei sichtbar ist - wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat. Der Klageantrag ist jedenfalls dahingehend auszulegen, dass der Eintrag „festgestellter Reichsbürger“ aus der INPOL-Datei auf allen Ebenen gelöscht werden soll. Dies wird nach Auffassung des Senats bereits durch Löschung aus der Verbunddatei gemäß § 77 Abs. 6 Satz 1 BKAG i.V.m. § 75 Abs. 2 BDSG erreicht, weil durch die Löschung die betreffenden personenbezogenen Daten vernichtet werden und nicht nur das Zugriffsrecht für die anderen Landespolizeien oder die Bundespolizei entzogen wird. Da die Anspruchsvoraussetzungen für eine Löschung der Daten in § 77 Abs. 6 Satz 1 BKAG i.V.m. § 75 Abs. 2 BDSG und Art. 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PAG identisch sind, hätte ein vom gestellten Klageantrag mitumfasster Antrag auf Löschung nach Art. 62 Abs. 2 Satz 1 PAG ebenfalls Erfolg.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.