Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 29.07.2020 – AN 19 K 19.01375
Titel:

Vorauszahlungsbescheid im Bereich der Verbesserungsbeiträge für öffentliche Entwässerungsanlagen

Normenketten:
BayKAG Art. 5
AO § 163
Leitsatz:
Es entspricht ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung, dass Baubeschränkungen unterliegende Flächen bei der Beitragsbemessung grundsätzlich nicht abgezogen werden dürfen, weil der abgabenrechtliche Vorteil nur dann in beachtlicher Weise berührt wäre, wenn die Festsetzungen des Bebauungsplanes im Hinblick auf das zulässige Maß der baulichen Nutzung nicht mehr verwirklicht werden können. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vorauszahlungsbescheid im Bereich der Verbesserungsbeiträge für öffentliche Entwässerungsanlagen, sog. übergroße Grundstücke in Gebieten mit qualifiziertem Bebauungsplan, keine Beitragsbegrenzung, keine Billigkeitskorrektur, bauliche Nutzung, Bebauung, Bebauungsplan, Gemarkung, Gemeinde, Gemeindegebiet, Innenbereich, Niederschlagswasser, Wirksamkeit, Billigkeitskorrektur, Baubeschränkungen
Fundstelle:
BeckRS 2020, 19877

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Vorauszahlungsbescheids vom 5. November 2018. Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks mit der FlNr. … der Gemarkung … im Gemeindegebiet der Beklagten. Das Grundstück befindet sich im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplanes „Gewerbegebiet am … Weg …“, welcher seit dem 11. Januar 1991 rechtsverbindlich ist und neben Baugrenzen eine Grundflächenzahl von 0,75 festsetzt sowie eine Begrünung von mindestens 25% vorsieht.
2
Gemäß „Satzung für die öffentliche Entwässerungsanlage der Gemeinde … (Entwässerungssatzung - EWS -) vom 1. Juli 2011“ (im Folgenden: EWS 2011) betreibt die Beklagte zur Abwasserbeseitigung eine öffentliche Entwässerungsanlage. Ferner gibt es unter anderem eine „Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Gemeinde … (BGS-EWS) vom 1. Juli 2011“ (im Folgenden BGS-EWS 2011), die „3. Änderungssatzung zur Beitrags- und Gebührensatzung der Gemeinde … zur Entwässerungssatzung vom 25. Juni 2018“ (im Folgenden: BGS-EWS 2018) sowie die „Beitragssatzung für die Verbesserung und Erneuerung der Entwässerungseinrichtung (VES-EWS) der Gemeinde … vom 25. Juni 2018“ (im Folgenden: VES-EWS).
3
Unter dem 5. November 2018 erließ die Beklagte gegenüber dem Kläger einen Vorauszahlungsbescheid für das Grundstück mit der FlNr. … der Gemarkung …, worin ein Verbesserungsbeitrag in Höhe von 67.838,88 EUR festgesetzt wurde. Dieser setzt sich aus einer Grundstücksfläche von 17.890 m², multipliziert mit dem Betrag von 0,32 EUR/m² (= 5.027,80 EUR), sowie aus einer Geschossfläche von 28.624 m², multipliziert mit dem Betrag von 2,17 EUR/m² (= 62.114,08 EUR), zusammen. Ferner wurde festgelegt, dass die Vorauszahlung in drei Raten zur Zahlung fällig ist, wobei sich die erste und die zweite Rate mit jeweils 40% auf 27.135,55 EUR belaufen und die dritte Rate mit 20% auf 13.567,78 EUR.
4
Zur Begründung bezog sich die Beklagte auf die BGS-EWS 2011 sowie die VES-EWS.
5
Mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2018 ließ der Kläger Widerspruch gegen den Vorauszahlungsbescheid vom 5. November 2018 erheben.
6
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Veranlagung der vollen Grundstücksfläche nicht vorteilsgerecht sei. Zwar komme die Tiefenbegrenzungsregelung des § 5 Abs. 1 Satz 1 VES-EWS nicht unmittelbar zur Anwendung, da das veranlagte Grundstück im Geltungsbereich eines rechtsverbindlichen Bebauungsplanes liege. Dessen ungeachtet dürfe der ebenfalls rechtsverbindliche Grünordnungsplan nicht außer Acht gelassen werden. Dieser entziehe eine Fläche von 4.915,20 m² einer baulichen Nutzbarkeit. Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass bei überproportional großen Grundstücksflächen dann eine Billigkeitskorrektur nach § 163 Abgabenordnung vorzunehmen sei, wenn die katastermäßige Grundstücksfläche den Vorteil aus der öffentlichen Entwässerungseinrichtung in keiner Weise abbilde (unter Hinweis auf Wuttig/Thimet, gemeindliches Satzungsrecht und Unternehmensrecht, Teil 3, Frage 27, Ziffer 10.3). So lägen die Dinge auch hier. Von den jeweiligen Gesamtgrundstücksflächen seien die baulich nicht nutzbaren Grünflächen in Abzug zu bringen.
7
In der nicht öffentlichen Sitzung des Hauptausschusses des Gemeinderates der Gemeinde … am 16. Januar 2019 wurde beschlossen, dem Widerspruch nicht abzuhelfen, sondern diesen der Widerspruchsbehörde zur Entscheidung vorzulegen.
8
Nach vorausgegangenen Anhörungsschreiben vom 6. Mai 2019 erließ die Widerspruchsbehörde unter dem 12. Juni 2019 einen Widerspruchsbescheid, mit dem der Widerspruch zurückgewiesen wurde.
9
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Grundstück des Klägers nach den Vorgaben des geltenden Bebauungsplanes und des integrierten Grünordnungsplanes voll ausnutzbar sei. Bei einer festgesetzten Grundflächenzahl von 0,75 und einer vorgegebenen Begrünung von 25% der Grundstücksfläche sowie einer Geschossflächenzahl von 1,6 mit einer maximalen Traufhöhe von 10 m ergebe sich eine zulässige Geschossigkeit von 2,13. Da die Zahl der Geschosse im Bebauungsplan nicht festgesetzt sei, sei hier zumindest teilweise auch eine dreigeschossige Bebauung mit Geschosshöhen von 3,3 m möglich. Eine Reduzierung der beitragspflichtigen Grundstücksfläche auf Grund einer überproportional großen Grundstücksfläche gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) aa) KAG i.V.m. § 163 Abgabenordnung sei nicht anzunehmen. Denn das streitgegenständliche Flurstück sei zu einem Großteil versiegelt und leite das anfallende Niederschlagswasser in die örtliche Entwässerungseinrichtung ein, so dass es auch den grundstücksbezogenen Vorteil aus der Niederschlagswasserbeseitigung wahrnehme. Darüber hinaus könne auch kein überproportionales Grundstücksgrößenverhältnis zu den anderen (in Gewerbegebieten) gelegenen Grundstücken im Gemeindegebiet von … festgestellt werden.
10
Durch bei Gericht am 17. Juli 2019 eingegangenen Schriftsatz ließ der Kläger Klage erheben und durch Schriftsatz vom 11. Februar 2020 beantragen,
den Vorauszahlungsbescheid der Beklagten vom 5. November 2018 und den Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2019 aufzuheben.
11
Zur Begründung wurde im Wesentlichen die Begründung im Widerspruchsverfahren wiederholt und darüber hinaus ausgeführt, dass es daneben auch als vorteilsgerecht anzusehen sei, bei beitragspflichtigen Grundstücken, bei denen die zu veranlagenden Geschossflächen eine Größenordnung von etwa 2.000 m² überschritten, die übersteigende Geschossfläche bei der Berechnung nur zu einem Drittel in die Beitragsberechnung einzubeziehen. Es handle sich dabei ebenfalls um eine vorliegend nach § 163 Abgabenordnung gebotene Billigkeitsregelung, die für alle Grundstücke gleichermaßen Anwendung finden sollte. Diese Billigkeitsregelung stelle eine Maßstabskorrektur auf der Veranlagungsebene dar. Damit werde zum Ausdruck gebracht, dass die sachliche Härte des geringeren Vorteils aus der öffentlichen Wasserversorgung bzw. Abwasserentsorgung schon auf der Veranlagungsebene, also bei der Beitragsfestsetzung, berücksichtigt werde (unter Hinweis auf Wuttig/Thimet, a.a.O., Ziffer 10.2). Der BayVGH habe in einem vergleichbaren Fall entschieden, dass auf Grund eines eingeschränkten Vorteils eine Maßstabskorrektur vorzunehmen und der Bescheid aufzuheben sei (BayVGH, Urteil vom 16.8.2007, Az: 23 BV 07.761). Es handle sich dabei um die Beachtung der Grundzüge der Gleichbehandlung für eine besondere Härte im Einzelfall. Hierfür sei es dem zuständigen Gremium möglich, eine grundsätzliche Entscheidung zur Behandlung der überproportional großen Geschossflächen zu treffen. Der Kläger sei auf Grund der Größe seines Grundstückes daher zu Unrecht benachteiligt.
12
Würde der Äquivalenzgrundsatz von der Beklagten hier eingehalten werden, so ergäbe sich bei der Einzelveranlagung ein deutlich geringerer Verbesserungsbeitrag als der, den die Beklagte in ihrem Vorauszahlungsbescheid vom 5. November 2018 festgelegt habe. Dieser verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und sei damit unwirksam. Von der Gesamtgrundstücksfläche sei daher die baulich nicht nutzbare Grünfläche von 4.915,20 m² in Abzug zu bringen, weshalb sich allenfalls ein Verbesserungsbeitrag in Höhe von 49.200,45 EUR ergebe.
13
Darüber hinaus liege zudem noch immer eine Geschossfläche vor, die 2.000 m² übersteige. Es sei daher nur 1/3 der 2.000 m² überschreitenden Geschossflächen in die Beitragsberechnung mit einzubeziehen, weshalb sich für die Geschossfläche ein Betrag von 17.909,51 EUR (8.253,23 m² x 2,17 EUR/m²) und daher ein Gesamtbetrag in Höhe von lediglich 22.061,45 EUR ergebe.
14
Die Argumentation der Widerspruchsbehörde hinsichtlich der versiegelten Flächen des streitgegenständlichen Grundstückes sei nicht nachvollziehbar. Es handle sich bei ca. 25% der Gesamtfläche um unbebaute Grünflächen. Demnach seien diese auch nicht versiegelt. Eine großflächige Einleitung des anfallenden Niederschlagswassers in die öffentliche Entwässerungseinrichtung falle nicht an.
15
Der Vorauszahlungsbescheid sowie der Widerspruchsbescheid verstießen gegen das Äquivalenzgebot und seien demnach rechtswidrig.
16
Durch Schriftsatz vom 25. Mai 2020 ließ die Beklagte beantragen,
die Klage abzuweisen.
17
In der mündlichen Verhandlung am 29. Juli 2020 wiederholten die Parteien ihre zuvor schriftsätzlich gestellten Anträge.
18
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten - auch im zur gemeinsamen Verhandlung verbundenen Verfahren der Ehefrau des Klägers mit dem gerichtlichen Aktenzeichen AN 19 K 19.01376 -, wegen der mündlichen Verhandlung auf deren Niederschrift Bezug genommen

Entscheidungsgründe

19
Die zulässige Klage ist unbegründet und war daher abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
I.
20
Gegenstand der Klage ist der Bescheid der Beklagten vom 5. November 2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes … vom 12. Juni 2019, § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Angefochten und streitgegenständlich ist damit ein Betrag von 67.838,88 EUR.
21
Der angefochtene Bescheid ist ein Vorauszahlungsbescheid, mit dem ein Verbesserungsbeitrag für die Entwässerungseinrichtung, zu zahlen in drei Raten, gegenüber dem Kläger festgesetzt worden ist.
II.
22
Der Verbesserungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 5. November 2018 erweist sich nach Prüfung durch das erkennende Gericht in formeller und materieller Hinsicht als rechtmäßig.
23
Gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. April 1993 können die Gemeinden zur Deckung ihres Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet.
24
Die Beklagte betreibt eine öffentliche Einrichtung zur Abwasserbeseitigung (Entwässerungseinrichtung) und hat von der ihr in Art. 5 KAG eröffneten Möglichkeit zur Beitragserhebung durch Erlass der „Beitragssatzung für die Verbesserung und Erneuerung der Entwässerungseinrichtung (VES-EWS) der Gemeinde … vom 25.6. 2018“ (VES-EWS) Gebrauch gemacht.
25
Nichtigkeitsgründe formeller oder materieller Art wurden von den Beteiligten weder vorgetragen, noch sind sie für das Gericht ersichtlich, so dass von der Wirksamkeit der Satzung ausgegangen wird.
26
Art. 5 Abs. 5 Satz 1 KAG bestimmt, dass für ein Grundstück, für das eine Beitragspflicht noch nicht oder nicht in vollem Umfang entstanden ist, Vorauszahlungen auf den Beitrag verlangt werden können, wenn mit der Verbesserung der Einrichtung begonnen worden ist. Die Möglichkeit, einen Vorauszahlungsbescheid zu erlassen, ist vorliegend in § 3 Abs. 2 VES-EWS verankert.
27
Mit Beginn der Baumaßnahme, aber vor deren Abschluss, durfte die Beklagte daher eine Vorauszahlung auf die voraussichtlich zu zahlenden Beiträge verlangen, § 3 Abs. 2 VES-EWS.
III.
28
Die Beklagte durfte entgegen der Auffassung des Klägervertreters die gesamte Fläche des Grundstücks von 17.890,00 m² zugrunde legen. Auf die Frage, ab wann bei einem Grundstück von einem „übergroßen“ Grundstück auszugehen ist und wo der Folgerung, dass der Vorteil aus der öffentlichen Einrichtung nicht proportional mit der Größe des Grundstücks steige, sondern vielmehr mit zunehmender Größe abnehme, Rechnung zu tragen wäre (vgl. Wuttig/Thimet, Praxiskommentar, Kommunalabgaben- und Ortsrecht in Bayern, Bd. 1, Teil IV, Art. 5, Abschnitt A, Frage 15, Nr. 2), weil andernfalls ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip zu besorgen wäre, kommt es vorliegend nicht an . Denn eine Begrenzung für sog. übergroße Grundstücke findet aufgrund der anzuwendenden Satzung der Beklagten nicht statt (1.). Auch eine Begrenzung aufgrund der baulichen Beschränkungen durch den Bebauungsplan (Baugrenzen) sowie den Grünordnungsplan kommt nicht in Betracht (2.). Ebenso scheidet eine Korrektur über§ 163 AO aus (3.).
29
1. Ausweislich der VES-EWS findet eine Flächenbegrenzung nur im unbeplanten Innenbereich statt, indem die Grundstücksfläche nur bis zu einer Tiefe von 40m herangezogen wird, § 5 Abs. 1 Satz 2 VES-EWS. Für Gebiete mit Bebauungsplan ist eine derartige Begrenzung hingegen nicht vorgesehen.
30
Die insoweit unterschiedliche Behandlung von übergroßen Grundstücken ist nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, der sich das erkennende Gericht anschließt, nicht nur vertretbar, sondern im Hinblick auf die dem Bebauungsplan immanente Abhängigkeit der zulässigen Nutzung von der Grundstücksgröße („wegen der dort geltenden Grundflächen- und Geschossflächenzahl“) sogar geboten. Eine letztlich sachwidrige Gleichbehandlung würde zur Nichtigkeit einer entsprechenden Regelung führen (vgl. BayVGH, U.v.21.11.2006, 23 B 06.1599 - juris).
31
Aus diesem Grund fehlt es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke und verbietet sich eine Analogie der Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 2 VES-EWS auf Gebiete wie für das streitgegenständliche Grundstück, in denen ein Bebauungsplan das Maß der zulässigen Nutzung regelt.
32
2. Der Auffassung des Klägervertreters, die grünordnerischen Festsetzungen müssten dazu führen, dass 25% des Grundstücks aufgrund der insoweit nicht gegebenen Bebaubarkeit nicht veranlagt werden dürften, folgt das Gericht nicht.
33
Letztlich ist zu berücksichtigen, dass bereits die durch den Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen dazu führen, dass das streitgegenständliche Grundstück nicht in Gänze bebaubar ist. Dies hat jedoch keine Reduzierung des zu veranlagenden Grundstücks zur Folge.
34
Vielmehr durfte die Beklagte bei der Festsetzung des Verbesserungsbeitrages die gesamte Fläche des klägerischen Grundstücks mit 17.890,00 m² zugrunde legen. Denn maßgeblich für die Veranlagung ist das Buchgrundstück und nicht die konkrete tatsächliche und wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks.
35
In diesem Sinne bestimmt § 5 Abs. 1 VES-EWS, dass der Beitrag „nach der Grundstücksfläche und der zulässigen Geschossfläche“ berechnet wird. Dafür, dass Baugrenzen und die daraus folgenden Baubeschränkungen für die außerhalb der Baugrenzen liegenden Bereiche die zugrunde zu legende Grundstücksfläche mindern würden, ergeben sich aus der Satzung der Beklagten keine Anhaltspunkte.
36
Es entspricht vielmehr ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung - auch zum Erschließungsbeitragsrecht (vgl. insoweit BVerwG, U.v. 3.2.1989, 8 C 78/88 - juris) -, dass derartige Baubeschränkungen unterliegende Flächen bei der Beitragsbemessung grundsätzlich nicht abgezogen werden dürfen, weil der abgabenrechtliche Vorteil nur dann in beachtlicher Weise berührt wäre, wenn die Festsetzungen des Bebauungsplanes im Hinblick auf das zulässige Maß der baulichen Nutzung nicht mehr verwirklicht werden können. Eine Einschränkung des Maßes der baulichen Nutzung durch die festgesetzten Baugrenzen ist vorliegend weder dargetan noch ersichtlich.
37
Zum Beitragsrecht bei den leitungsgebundenen Einrichtungen hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof Folgendes formuliert:
„Beitragspflichtige Grundstücke sind grundsätzlich mit ihrer gesamten Grundstücksfläche als das Baugrundstück in seiner bauplanungsrechtlichen Bedeutung zum Beitrag heranzuziehen. Dies gilt auch für Teilflächen bebauter bzw. bebaubarer Grundstücke, die nicht überbaut werden dürfen, weil sie entweder in den sich aus dem Bauordnungsrecht ergebender Abstandsflächen oder außerhalb der durch Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen liegen. Baulinien, Baugrenzen, Abstandsflächen und Vorschriften über Anbauverbote sollen ihrer Zielsetzung nach nicht das Maß der baulichen Nutzung regeln, sondern lediglich auf den Standort der zulässigen baulichen Anlagen Einfluss nehmen. Soweit sich ihre Wirkung darauf beschränkt, sie also das Maß der baulichen Ausnutzbarkeit eines Grundstücks nicht zusätzlich einengen, sind grundsätzlich auch die nicht überbaubaren Flächen ohne weiteres erschlossen und nehmen als Teil der bebaubaren Grundstücke an der Aufwandsverteilung teil (vgl. hierzu Ecker, a.a.O., Nr. 4.1.3.6.2)“, (BayVGH, B.v.15.4.1998 - 23 ZB 98.910 -, juris).
38
Vorliegend beschränkt sich die Wirkung der Baugrenzen erkennbar darauf, eine - geordnete - Umsetzung der grünordnerischen Festsetzungen zu erzielen, da die aufgrund Pflanzgeboten zu setzenden „Hecken und Gehölzriegel“ (Ziffer 12.8 „Umweltschutz“) nahezu deckungsgleich mit den außerhalb der Baugrenzen liegenden Flächen sind.
39
Aus diesem Grund geht die zentrale Argumentation des Klägers, weil 25% des Grundstücks nicht versiegelt werden dürften, müssten diese Flächen beitragsfrei bleiben, fehl. Zum einen ergibt sich aus der obergerichtlichen Rechtsprechung, dass eine Berücksichtigung nicht durch eine Reduzierung der Fläche, sondern allenfalls bei der Frage der „anzuwendenden Verteilungsmaßstäbe“ (BVerwG, a.a.O.) stattfindet. Zum anderen ist das durch den Bebauungsplan festgesetzte Maß der baulichen Nutzung nicht zusätzlich eingeschränkt durch Baugrenzen oder Grünordnung.
40
Der Klage ist zudem entgegen zu halten, dass die Festsetzungen durch Bebauungsplan und Grünordnungsplan eine Bebauung auf dem verbliebenen - immerhin 75% der Grundstücksfläche ausmachenden - Teil überhaupt erst möglich machen. Ein im Maß der baulichen Nutzung vollkommen uneingeschränktes Baurecht und damit eine Versiegelung zu 100% wären im Hinblick auf naturschutzrechtliche Erfordernisse schlichtweg unzulässig und damit nicht realisierbar.
41
Hinzu kommt, dass das grundsätzliche Festhalten am Buchgrundstück ohne Ansehung einzelner Quadratmeter und deren Nutzungsmöglichkeit dem beitragsrechtlichen Grundsatz der Pauschalierung und Typisierung entspricht. Denn wollte man von den Einrichtungsträgern tatsächlich verlangen, jedes Grundstück dahingehend zu untersuchen, ob für jeden einzelnen Quadratmeter eine bauliche Nutzungsmöglichkeit gegeben ist oder nicht, würde dies eine Beitragserhebung unverhältnismäßig erschweren oder gar unmöglich machen. Eine solche „Feinsteuerung“ ist letztlich durch den Geschossflächenmaßstab möglich und gewollt, hingegen nicht beim Maßstab „Grundstücksgröße“.
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Worauf hingegen die in der Klage geforderte „Kappung“ der Geschossfläche auf 2.000 m² gestützt werden soll, wird nicht begründet und ist für das Gericht nicht nachvollziehbar.
43
Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass weder die durch den Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen noch die grünordnerischen Festsetzungen zu einer Reduzierung der zugrunde zu legenden Grundstücksfläche führen können.
44
3. In Einzelfällen, bei denen die satzungsmäßige Flächenbegrenzung wie vorliegend nicht greift, das Veranlagungsergebnis jedoch nicht vorteilsgerecht wäre, kann eine Billigkeitskorrektur über § 163 AO in Betracht zu ziehen sein. Eine solche Entscheidung läge zum einen im - gerichtlich nur im eingeschränkten Umfang gemäß § 114 VwGO überprüfbaren - Ermessen der Gemeinde und ist bei dieser bislang nicht einmal beantragt worden. Allerdings sind auch im gerichtlichen Verfahren keinerlei Gesichtspunkte vorgetragen worden, die eine Korrektur angezeigt erscheinen lassen würden.
45
Nach alledem erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtmäßig, so dass die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen war. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.