Titel:
Erfolglose Klage auf Genehmigung der Erstaufforstung einer Grundstücksteilfläche
Normenketten:
BayVwVfG Art. 48, Art. 49
BayWaldG Art. 16 Abs. 2
Leitsatz:
Begehrt der Kläger nach Ablauf der Rechtsbehelfsfristen gegen den ursprünglichen Verwaltungsakt dessen Aufhebung oder dessen Teiländerung, ist die Verpflichtungsklage statthaft, wenn der Verwaltungsakt erst nach Eintritt seiner formellen Bestandskraft aufgrund einer nachträglichen Veränderung der Sach- oder Rechtslage rechtswidrig wird. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verpflichtungsklage, Genehmigung der Erstaufforstung einer Grundstücksteilfläche, bestandskräftige Genehmigung der Erstaufforstung des gesamten Grundstücks mit Nebenbestimmungen, keine Änderung der Sach- und Rechtslage, Erstaufforstung, Genehmigung, Grenzabstand, Grundstück, Nachbarschutz, Änderung der Sach- und Rechtslage
Fundstelle:
BeckRS 2020, 19541
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt die Genehmigung der Erstaufforstung für eine Teilfläche des Grundstücks Fl.Nr. 602 der Gemarkung L.
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Mit Bescheid vom 18. Oktober 2011 erteilte das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten K. (AELF) dem Kläger die Erlaubnis zur Erstaufforstung seines Grundstücks Fl.Nr. 602 der Gemarkung L., Stadt K. Mit Förderbescheid vom 24. Oktober 2011 wurde eine beantragte waldbauliche Förderung bewilligt.
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Gegen die dem Bescheid vom 18. Oktober 2011 beigegebenen Auflagen Nrn. 2, 4 und 5 erhob der Kläger im Verfahren W 5 K 11.916 Klage. In der mündlichen Verhandlung vom 19. Juli 2012 erklärte er nach Abgabe verschiedener Erklärungen der Beklagtenseite das Klageverfahren W 5 K 11.916 für erledigt. Die Vertreter des Beklagten hatten u.a. erklärt, bezüglich Nr. 4 des Bescheides vom 18. Oktober 2011 würden Obstbäume (Wildobstbäume) mit einem Abstand von 4 m zur Grundstücksgrenze zu Fl.Nr. 603 der Gemarkung H. geduldet. Die Beklagtenseite stimmte der Erledigterklärung zu. Das Verfahren wurde in der mündlichen Verhandlung eingestellt.
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Da in den Abstandsstreifen nicht nur Wildobst eingebracht wurde, wurde die mit Förderbescheid vom 24. Oktober 2011 bewilligte waldbauliche Förderung aufgrund fehlender Fertigstellung der Maßnahme und wegen Auflagenverstoßes nicht ausgezahlt. Mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 17. Oktober 2013 (W 5 K 13.625) wurde die Klage auf Erteilung der Erlaubnis zur Nachbesserung auf dem Grundstück Fl.Nr. 602 und auf Bewilligung der Förderung für die Nachbesserungsmaßnahme abgelehnt.
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Mit Bescheid des AELF K. vom 10. Februar 2015 wurde der Bewilligungsbescheid vom 24. Oktober 2011 aufgehoben. Die daraufhin erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 12. Mai 2016 (W 5 K 15.659) abgewiesen. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wurde vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 12. November 2019 - 19 ZB 16.1283 abgelehnt.
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Mit Antrag vom 10. August 2019 beantragte der Kläger beim AELF K. die Genehmigung für die Erstaufforstung auf einer Teilfläche von 0,02 ha (angrenzend zur 4 m-Abstandsfläche) des Grundstücks Fl.Nr. 602 der Gemarkung L.
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Mit Schriftsatz (Telefax) vom 28. Dezember 2019 erhob der Kläger am 31. Dezember 2019 Klage. Zur Begründung wurde vorgebracht, für Fl.Nr. 602 in der Gemarkung L. sei am 10. August 2019 auf Empfehlung des Forstamtes eine Teilgenehmigung für die Erstaufforstung eingereicht worden. Trotz Erinnerung am 7. September 2019 sei keine Reaktion gekommen. Es sei Eile geboten, um entsprechende gleiche Wuchsverhältnisse zu erreichen. Da alles im gesetzlichen Rahmen sei, sei eine sofortige Genehmigung zu erteilen.
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Das AELF K., Außenstelle Lohr, erwiderte für den Beklagten mit Schriftsatz vom 23. Januar 2020 im Wesentlichen, dass sich der vom Kläger gestellte Antrag auf „Erstaufforstung“ vom 10. August 2019 (diese sei mit Bescheid vom 18. Oktober 2011 bereits genehmigt) auf die festgesetzte, später modifizierte und jetzt rechtskräftige Abstandsfläche beziehe und nur dem Zweck diene, diese zum Schutz der Nachbargrundstücke festgelegte Auflage auszuhebeln.
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In der mündlichen Verhandlung am 22. Juni 2020 beantragte der Kläger:
Der Beklagte wird verpflichtet, unter Abänderung der Nr. 4 des Bescheides des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten K. vom 18. Oktober 2011, modifiziert durch die Gerichtsverhandlung vom 19. Juli 2012, dem Kläger die Erstaufforstung der an die 4 m-Abstandsfläche angrenzenden 0,02 ha großen Teilfläche der Fl.Nr. 602 der Gemarkung L … zu genehmigen.
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Die Beklagtenvertreter beantragten,
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Der Eilantrag des Klägers auf vorläufige Genehmigung der Erstaufforstung der streitgegenständlichen Teilfläche im Verfahren W 8 E 19.1727 wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 17. Februar 2020 abgelehnt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte der Verfahren W 5 K 11.916, W 8 K 20.319 und des Eilverfahrens W 8 E 19.1727, einschließlich des Eilverfahrens des Sohns des Klägers und W 8 E 20.284) und den beigezogenen Auszug aus der Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat keinen Erfolg, da sie zwar zulässig, aber unbegründet ist.
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Mangels förmlicher Entscheidung über den klägerischen Antrag auf Genehmigung der Erstaufforstung der streitgegenständlichen Teilfläche durch die Behörde handelt es sich hier um eine Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO.
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Mit Bescheid des AELF K. vom 18. Oktober 2011 wurde die Erstaufforstung auf dem Grundstück Fl.Nr. 602 der Gemarkung L. mit Auflagen genehmigt. Eine gegen einzelne Auflagen des Bescheids erhobene Klage im Verfahren W 5 K 11.916 wurde vom Kläger aufgrund verschiedener Modifikationen in der mündlichen Verhandlung dieses Verfahrens vom 19. Juli 2012 für erledigt erklärt. Bezüglich Nr. 4 des Bescheides vom 18. Oktober 2011 würden laut der Erklärung der Vertreter des AELF Obstbäume (Wildobstbäume) mit einem Abstand von 4 m geduldet. Insoweit ist inzwischen Bestandskraft des streitgegenständlichen Bescheids vom 18. Oktober 2011 einschließlich der modifizierten Auflage Nr. 4 zur 4 m-Abstandsfläche eingetreten.
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Begehrt der Kläger nach Ablauf der Rechtsbehelfsfristen gegen den ursprünglichen Verwaltungsakt dessen Aufhebung oder dessen Teiländerung z.B. durch Aufhebung einer Nebenbestimmung durch eine (Teil-)Rücknahme nach Art. 48 BayVwVfG bzw. einen (Teil-)Widerruf nach Art. 49 BayVwVfG, so ist die Verpflichtungsklage statthaft, wenn der Verwaltungsakt erst nach Eintritt seiner formellen Bestandskraft aufgrund einer nachträglichen Veränderung der Sach- oder Rechtslage rechtswidrig wird (Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, § 42 Rn. 39; § 70 Rn. 17).
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Die Klage ist jedoch unbegründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abänderung der Nr. 4 des Bescheids des AELF K. vom 18. Oktober 2011 und Genehmigung der Erstaufforstung der an die 4 m-Abstandsfläche angrenzenden 0,02 ha großen Teilfläche der Fl.Nr. 602 der Gemarkung L. (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Wie bereits im Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 17. Februar 2020 - W 8 E 19.1727 ausgeführt, wurde insoweit keine entscheidungserhebliche Änderung der Sach- oder Rechtslage geltend gemacht.
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Nach Art. 16 Abs. 2 BayWaldG darf die Erlaubnis zur Erstaufforstung nur versagt oder durch Auflagen eingeschränkt werden, wenn die Aufforstung Landschaftsplanungen im Sinn des Art. 4 des BayNatSchG widerspricht, wenn wesentliche Belange der Landeskultur oder des Naturschutzes und der Landschaftspflege gefährdet werden, der Erholungswert der Landschaft beeinträchtigt wird, oder erhebliche Nachteile für die umliegenden Grundstücke zu erwarten sind. Der bei der Erstaufforstung einzuhaltende Grenzabstand kann im Rahmen einer Auflage größer als in den Vorschriften des Gesetzes zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs festgelegt werden, Art. 16 Abs. 3 BayWaldG.
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Die angegriffene Auflage wurde nach den Ausführungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der südwestlichen Grundstückgrenze mit dem Lichteinfall, der Baumhöhe und den Belangen des Nachbarn gerechtfertigt. Diesbezügliche entscheidende Änderungen wurden vom Kläger nicht substantiiert vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere steht das Nachbargrundstück Fl.Nr. 603 der Gemarkung L. (weiterhin) im Eigentum Dritter (vgl. Anlage zur Klageschrift: Antrag des Klägers vom 10. August 2018), deren Belange zu berücksichtigen sind.
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Nach alldem war die Klage abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung des gerichtlichen Verfahrens beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.