Titel:
Rückforderung von überzahltem Familienzuschlag
Normenketten:
BayBesG Art. 15 Abs. 2, Art. 36
BGB § 812, § 1585 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
Leitsätze:
1. Wenn eine Kapitalabfindung zur Ablösung des Unterhalts gezahlt wurde, ist der Betreffende nicht (mehr) zum nachehelichen Unterhalt verpflichtet. Dies hat besoldungsrechtlich zur Folge, dass ein Anspruch auf Gewährung des Familienzuschlags der Stufe 1 erlischt. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Beamter verletzt die besoldungsrechtliche Anzeigepflicht, wenn er es unterlässt, eine besoldungsrelevante Änderung in seinem Bereich - einen Vergleich zur Abgeltung von Unterhaltsansprüchen - anzuzeigen. Er haftet deshalb verschärft und kann sich nicht auf Entreicherung berufen. (Rn. 30 und 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rückforderung überzahlter Bezüge, Familienzuschlag der Stufe 1, Geschiedener Beamter, Unterhaltsverpflichtung durch Zahlung einer Kapitalabfindung erloschen, Verschärfte Haftung, Verletzung der besoldungsrechtlichen Sorgfaltspflichten, Abfindung, Familienzuschlag, Rückforderung, Unterhaltsverpflichtung, Überzahlung, verschärfte Haftung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 10.05.2021 – 3 ZB 20.759
Fundstelle:
BeckRS 2020, 19539
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der am … März 1961 geborene Kläger steht als Polizeihauptkommissar (Besoldungsgruppe A 11) in Diensten des Beklagten.
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Dem Kläger wurde von 1996 bis einschließlich 30. November 2017 der Familienzuschlag der Stufe 1 ausgezahlt. Die Auszahlung erfolgte aufgrund der Angaben des Klägers, gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet zu sein. Das Vorliegen der Voraussetzungen, die zu einer Zahlung des Familienzuschlags der Stufe 1 führen, wurde regelmäßig durch die sog. Erklärung zur Überprüfung des Anspruchs auf familienbezogene Leistungen (FL-Erklärung) abgefragt. Der Kläger gab in den FL-Erklärungen vom … September 2005 sowie vom … Dezember 2007 an, dass er seiner früheren Ehefrau laufend Unterhalt aufgrund einer bestehenden Unterhaltsverpflichtung gewähre. Die FL-Erklärungen enthielten jeweils den Hinweis, dass jede Änderung der Verhältnisse der Bezügestelle unverzüglich mitzuteilen ist sowie, dass die Bezüge zurückzuzahlen sind, die infolge unterlassener, verspäteter oder fehlerhafter Änderungsmitteilungen zu viel ausgezahlt worden sind.
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Im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Kläger und seiner geschiedenen Ehefrau um deren Unterhaltsanspruch schloss der Kläger im Verhandlungstermin vor dem Oberlandesgericht München am 24. März 2011 einen Vergleich (Az. nicht bekannt). Dieser hatte zum Inhalt, dass der Kläger zur Abgeltung des Unterhaltsanspruchs seiner geschiedenen Ehefrau eine einmalige Zahlung in Höhe von 15.000,00 EUR leistet. Ab ... Juni 2011 gewährte der Kläger daraufhin seiner früheren Ehefrau keinen laufenden Unterhalt mehr.
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Dies teilte der Kläger dem Landesamt für Finanzen Dienststelle A. (Landesamt) erstmals in der FL-Erklärung vom ... Oktober 2017 mit. Er gab an, dass er seiner früheren Ehefrau keinen Unterhalt aufgrund einer dieser gegenüber bestehenden Unterhaltsverpflichtung gewähre sowie, dass er der Unterhaltsverpflichtung am … Mai 2011 durch Zahlung einer Abfindung in Höhe von 15.000,00 EUR nachgekommen sei.
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Mit Schreiben vom … Oktober 2017 teilte das Landesamt dem Kläger mit, dass aufgrund seiner Angaben in der FL-Erklärung vom 4. Oktober 2017 die laufende Zahlung des Familienzuschlags der Stufe 1 mit den Bezügemitteilungen für Dezember 2017 eingestellt werde und beabsichtigt sei, die im Zeitraum vom ... Juni 2011 bis … November 2017 entstandene Überzahlung in Höhe von 10.173,66 EUR zurückzufordern.
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Mit Schreiben vom … November 2017 nahm der Kläger hierzu Stellung. Ihm sei bisher nicht bewusst gewesen, dass ihm der Familienzuschlag der Stufe 1 wegen der Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner früheren Ehefrau ausbezahlt worden sei. Er habe in den Unterlagen keine entsprechenden Hinweise der Bezügestelle gefunden. Im Rahmen des Vergleichs vom … März 2011 habe er sich verpflichtet, zur Abgeltung des weiterhin bestehenden Unterhaltsanspruchs eine einmalige Zahlung von 15.000,00 EUR zu leisten. Die geleistete Zahlung entspreche einem monatlichen Unterhalt von 192,00 EUR für die vergangenen Monate seit Abschluss des Vergleichs. Das Geld habe er sich von Privat leihen müssen und zahle es derzeit in monatlichen Raten von 150,00 EUR zurück. Die Überzahlung sei für die normalen Lebenshaltungskosten und die Leistung der Abgeltung für den Unterhalt bzw. Rückzahlung des Kredits verbraucht worden. Der Wegfall des Familienzuschlags werde ihn in finanzielle Schwierigkeiten bringen.
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Mit Bescheid vom … Februar 2018 forderte das Landesamt die Überzahlung für den Zeitraum … Juni 2011 bis … November 2017 in Höhe von 10.173,66 EUR zurück. Aufgrund der Zahlung einer Abfindung in Höhe von 15.000,00 EUR habe die Unterhaltsverpflichtung gegenüber der früheren Ehefrau des Klägers am ... Mai 2011 geendet, daher bestehe der Anspruch auf den Familienzuschlag der Stufe 1 ab dem … Juni 2011 nicht mehr. Die FL-Erklärungen würden den Hinweis enthalten, dass der Beamte verpflichtet sei, jede Änderung der Verhältnisse umgehend der Bezügestelle zu melden. Dieser Verpflichtung sei der Kläger verspätet und erst auf Aufforderung hin nachgekommen. Aus der Unterhaltsverpflichtung Kindern gegenüber folge nicht die Anspruchsberechtigung für den Familienzuschlag der Stufe 1. Aus der Tilgung eines Kredits oder Leistung von Unterhaltszahlungen an den Sohn könne kein Wegfall der Bereicherung folgen. Der Kläger hafte verschärft, da die Überzahlung der Bezüge ausschließlich auf die Verletzung der Informationspflicht zurückzuführen sei. Ein Verschulden der Behörde liege nicht vor.
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Mit Schreiben vom … März 2018 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 27. Februar 2018 ein, der mit Schreiben vom … April 2018 durch die Prozessbevollmächtigte des Klägers begründet wurde. Dem Kläger sei nicht bewusst gewesen, dass mit Abschluss des Vergleichs und dessen Vollzug eine Änderung eingetreten sei, die für seine Gehaltszahlung von Bedeutung sei. Eine Abfindung sei als Unterhaltsleistung anzusehen, sie stelle ein Surrogat für die monatlichen Unterhaltszahlungen dar. Dies lasse sich aus den gesetzlichen Regelungen in anderen Bereichen, beispielsweise bei Ruhestandsbeamten, ersehen. Das sei sachgerecht, denn für den Beamten sei es unerheblich, ob er eine Unterhaltszahlung in laufenden monatlichen Beträgen oder als Einmalzahlung erbringe. Dem Kläger könne keine Bösgläubigkeit unterstellt werden. Er habe in den FL-Erklärungen jeweils zutreffende Angaben gemacht. Der Kläger habe die ihm monatlich ausgezahlten Bezüge in vollem Umfang verbraucht.
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Mit Widerspruchsbescheid vom … Juli 2018 wies das Landesamt den Widerspruch des Klägers zurück. Es habe sich dem Kläger geradezu aufdrängen müssen, dass der Wegfall der Unterhaltsverpflichtung möglicherweise Auswirkungen auf die Zahlung des Familienzuschlags der Stufe 1 haben könne und daher der Bezügestelle gemeldet werden müsse. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger nicht habe erkennen können, dass die Zahlung des Familienzuschlags der Stufe 1 an die Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau gekoppelt sei, da in dem Unterabschnitt für die Anspruchsermittlung von geschiedenen Beamten unter den Punkten 3.1 und 3.2. der FL-Erklärung jeweils explizit auf diese Unterhaltsverpflichtung abgestellt worden sei. Für Beamte im aktiven Dienst sei allein das Bayerische Besoldungsgesetz maßgeblich. Aus besoldungsrechtlicher Sicht sei es gerade nicht so, dass eine Abfindung als Surrogat für eine monatliche Unterhaltsleistung anzusehen sei.
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Mit Schriftsatz vom 17. August 2018, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat die Prozessbevollmächtigte für den Kläger Klage erhoben und beantragt,
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I. den Bescheid des Landesamtes für Finanzen - Dienstelle A. - Bezügestelle Besoldung - Familienkasse - vom … Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom … Juli 2018 aufzuheben.
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II. festzustellen, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren notwendig war.
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Der Rückforderungsbescheid sei rechtswidrig. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zahlung des Familienzuschlags der Stufe 1 seien zumindest bis … Mai 2015 erfüllt gewesen. Auch bei einer Einmalzahlung handle es sich um die Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung. Dies belege die Regelung des § 1585 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Das OLG München habe festgestellt, dass die Unterhaltsverpflichtung des Klägers gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau bestehe. Die gesetzliche Regelung könne nicht durch Verwaltungsvorschriften zu Ungunsten des Klägers eingeschränkt werden. Auch bei Zahlung einer Unterhaltsrente erlösche die Verpflichtung für den jeweils bereits bezahlten Zeitraum. Der Kläger habe darauf vertraut, dass ihm die monatlich ausgezahlten Bezüge zustehen, daher habe er diese Bezüge vollständig verbraucht.
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Mit Schriftsatz vom 20. November 2018 hat das Landesamt für Finanzen für den Beklagten die Bezügeakte vorgelegt und beantragt,
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I. die Klage abzuweisen und
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II. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren für nicht notwendig zu erklären.
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung des Familienzuschlags der Stufe 1 seien dann nicht mehr erfüllt, wenn keine Unterhaltsverpflichtung mehr bestehe. Die Unterhaltsverpflichtung des Klägers sei durch Zahlung einer Abfindung erloschen. Der Familienzuschlag sei nicht zu zahlen, wenn Ansprüche auf laufende Unterhaltszahlungen durch eine Kapitalabfindung abgelöst worden seien. Zweck der Vorschrift sei, wegen der Alimentationspflicht gegenüber der Beamtenfamilie die fortbestehende unterhaltsrechtliche Bindung zwischen den geschiedenen Ehegatten und der dadurch bewirkten erhöhten laufenden Unterhaltsbelastung des Beamten Rechnung zu tragen. Zu den Sorgfaltspflichten des Klägers als Empfänger von Bezügen gehöre es, zugeleitete Bezügemitteilungen auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen und auf Überzahlungen zu achten. Dies gelte insbesondere bei besoldungsrelevanten Änderungen im dienstlichen oder auch im persönlichen Bereich. Versäume der Beamte solche Prüfungen, so habe er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen. Diese Pflicht gehe auch aus den „Allgemeinen Hinweisen“ auf der Rückseite jeder Bezügemitteilung hervor. Darüber hinaus habe der Kläger in den unterschriebenen FL-Erklärungen jeweils ausdrücklich die Verpflichtung übernommen, jede in den vorstehend dargelegten Verhältnissen künftig eintretende Änderung unverzüglich der Bezügestelle mitzuteilen. In der FL-Erklärung werde gerade ausdrücklich danach unterschieden, ob laufend Unterhalt aufgrund einer bestehenden Unterhaltsverpflichtung gewährt werde oder der Unterhaltsverpflichtung durch Zahlung einer Abfindung nachgekommen worden sei. Die Einrede der Bereicherung sei vorliegend ausgeschlossen, da der Kläger verschärft hafte. Der Kläger habe in den von ihm unterschriebenen FL-Erklärungen darin eingewilligt, dass er die Bezüge zurückzahlen müsse, die er infolge unterlassener, verspäteter oder fehlerhafter Änderungsmitteilung zu viel erhalten habe.
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Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 18. Februar 2020 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Der Rückforderungsbescheid des Landesamtes vom … Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom … Juli 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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1. Die Rückforderung zu viel gezahlter Bezüge richtet sich gemäß Art. 15 Abs. 2 Bayerisches Besoldungsgesetz (BayBesG) nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, §§ 812 ff. BGB. Demgemäß hat der Beamte Bezüge, die er ohne Rechtsgrund erhalten hat, an den Dienstherrn zurückzuzahlen.
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Dem Kläger wurde in der Zeit vom ... Juni 2011 bis einschließlich … November 2017 der Familienzuschlag der Stufe 1 in Höhe von insgesamt 10.173,66 EUR ausgezahlt, ohne dass dies dem Kläger rechtlich zustand. Die Voraussetzungen für die Zahlung von Familienzuschlag der Stufe 1 lagen ab dem ... Juni 2011 nicht mehr vor. Denn die Unterhaltsverpflichtung des Klägers gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau ist durch den vor dem Oberlandesgericht München am … März 2011 geschlossenen Vergleich, in dem sich der Kläger verpflichtet hat, zur Abgeltung der weiterhin bestehenden Unterhaltsansprüche seiner geschiedenen Ehefrau eine einmalige Zahlung in Höhe von 15.000,00 EUR zu leisten, erloschen. Der Kläger ist seiner Unterhaltsverpflichtung am … Mai 2011 durch Zahlung der Abfindung nachgekommen.
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Einen Anspruch auf Zahlung des Familienzuschlags der Stufe 1 haben geschiedenen bayerische Beamte gem. Art. 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayBesG dann, wenn sie gegenüber dem früheren Ehegatten aus der letzten Ehe zum Unterhalt verpflichtet sind und diese Unterhaltsverpflichtung mindestens die Höhe des Betrags der Stufe 1 der maßgebenden Besoldungsgruppe erreicht.
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Was unter der gesetzlichen Formulierung „aus der Ehe zum Unterhalt verpflichtet“ zu verstehen ist, richtet sich mangels eigenständiger Regelungen im bayerischen Besoldungsrecht nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts (vgl. BVerwG, U.v. 29.1.1987 - BVerwG 2 C 6.85 - juris Rn. 15; U.v. 12.3.1991 - BVerwG 6 C 51.88 - juris Rn. 25; U.v. 19.9.1991 - BVerwG 2 C 28.90 - juris Rn. 14; U.v. 30.1.2003 - BVerwG 2 C 5.02 - juris Rn.8). Nach der Scheidung kann ein Ehegatte dem anderen nach den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 1569 ff. BGB zum Unterhalt verpflichtet sein, soweit dieser außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (vgl. BVerwG, U.v. 29.1.1987, a. a. O., Rn. 16). Nach der gesetzlichen Bestimmung des § 1585 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB ist der laufende Unterhalt durch Zahlung einer monatlich im Voraus zu entrichtenden Geldrente zu zahlen; statt der Rente kann der Berechtigte auch eine Kapitalabfindung verlangen (§ 1585 Abs. 2 BGB). Wenn eine Kapitalabfindung gezahlt wurde, ist der Betreffende nicht (mehr) nach dem bürgerlichen Recht zum nachehelichen Unterhalt verpflichtet, denn die Zahlung der Kapitalabfindung bringt die Unterhaltspflicht zum Erlöschen. Der Abfindungsvertrag löst die den Unterhalt betreffenden rechtlichen Beziehungen zwischen den geschiedenen Ehegatten vollständig auf, auch wenn dem Abfindungsbetrag eine bestimmte Zahl der abzulösenden monatlichen Unterhaltszahlungen zugrunde liegt (Möller in: Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht, Stand: November 2019, Art. 36 BayBesG, Rn. 22). Dies hat besoldungsrechtlich zur Folge, dass ein Anspruch auf Gewährung des Familienzuschlags der Stufe 1 nach Art. 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayBesG ausscheidet (vgl. BVerwG, U.v. 12.3.1991, a. a. O., Rn. 26 ff.; BVerwG, U.v. 30.1.2003, a. a. O., Rn. 9; vgl. zum Ganzen: OVG Lüneburg, B.v. 15.3.2016 - 5 LA 22/15 - juris Rn. 25). Diese Auslegung ist sowohl mit dem Sinn und Zweck als auch mit dem Wortlaut der Vorschrift vereinbar und dient darüber hinaus der Missbrauchsabwehr.
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a) Der Sinn und Zweck der Gewährung eines Familienzuschlags dient primär nicht der Kompensation einer finanziellen Belastung an sich, vielmehr soll wegen der Alimentationspflicht gegenüber der Beamtenfamilie der fortbestehenden unterhaltsrechtlichen Bindung zwischen den geschiedenen Ehegatten und der dadurch bewirkten erhöhten laufenden Unterhaltsbelastung des Beamten Rechnung getragen werden (vgl. BVerfG, B.v. 10.10.1978 - 2 BvL 10/77 - juris Rn. 37, 42; BVerwG, U.v. 12.3.1991, a. a. O., Rn. 31; OVG NRW, U.v. 26.2.2007 - 1 A 2089/05 - juris Rn. 31 f.). Der Familienzuschlag der Stufe 1 für verheiratete Beamte soll einen pauschalen Beitrag zur Deckung des Mehrbedarfs leisten, der bei verheirateten Beamten (im Verhältnis zu ledigen Beamten) aufgrund des gemeinsamen Hausstandes mit dem Ehegatten anfällt (vgl. BVerwG, U.v. 3.11.2005 - BVerwG 2 C 16.04 - juris Rn. 22). Bei geschiedenen Beamten tritt an die Stelle der Mehraufwendungen aufgrund des gemeinsamen Hausstandes mit dem Ehegatten die nacheheliche Unterhaltsleistung (BVerwG, U.v. 3.11.2005, a. a. O., Rn. 23). Dementsprechend setzt Art. 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayBesG eine fortbestehende unterhaltsrechtliche Bindung voraus, weil andernfalls eine wirtschaftliche Mehrbelastung des geschiedenen Beamten (im Verhältnis zum ledigen Beamten) nicht besteht (OVG Lüneburg, B.v. 15.3.2016 - 5 LA 22/15 - juris Rn. 25). Dass sich die Kapitalabfindung und ein eventueller monatlicher Unterhaltsbeitrag betragsmäßig decken, ändert hieran nichts. Das Bundesverwaltungsgericht sieht diese Auslegung selbst dann als geboten an, wenn für die Kapitalabfindung eine neue Verbindlichkeit eingegangen werden musste oder hierdurch eine höhere wirtschaftliche Belastung durch Wegfall von Kapitalerträgen eintritt (BVerwG, U.v. 3.11.2005, a. a. O.). Aus diesem Grund ist es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung für die Gewährung des Familienzuschlags ebenfalls notwendig, dass die laufende Unterhaltsbelastung mindestens die Höhe des Familienzuschlags der Stufe 1 erreicht, da Art. 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayBesG keine Besserstellung von verheirateten Beamten erreichen will, sondern lediglich die Kompensation der laufenden Unterhaltsbelastung bewirken soll (BVerwG, U.v. 19.9.1991 - 2 C 28/90 - BVerwGE 89, 53-57). Eine Kapitalabfindung wird nominell wohl immer diesen Betrag überschreiten. Daher wäre fraglich, für wie viele Unterhaltsperioden die Kapitalabfindung als gezahlt gelten soll (vgl. VG Ansbach, U.v.11.3.2015 - AN 11 K 14.00768 - juris Rn. 26).
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b) Auch der Wortlaut der Vorschrift trägt diese Auslegung. So ist der Familienzuschlag nur dann zu gewähren, wenn die Unterhaltsverpflichtung mindestens die Höhe des Betrags der Stufe 1 der maßgebenden Besoldungsgruppe erreicht. Aus der Bezugnahme auf die Höhe des Familienzuschlags folgt, dass von einer laufenden Unterhaltsverpflichtung ausgegangen wird. Denn eine Kapitalabfindung wird diesen Betrag wohl immer überschreiten.
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c) Schließlich verhindert diese Auslegung auch missbräuchliche Gestaltungen (Möller in: Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht, Stand: November 2019, Art. 36 BayBesG, Rn. 22). Wie bereits dargelegt wäre im Falle der Kapitalabfindung fraglich, für wie viele Unterhaltsperioden diese als gezahlt gelten soll. Ein allgemeingültiges Abgrenzungskriterium für die Aufteilung der Abfindung fehlt. Insofern bestünden gewisse Manipulationsmöglichkeiten. Zum einen läge es grundsätzlich im Belieben des Beamten festzulegen, welchen Zeitraum an Unterhaltsverpflichtungen er mit Zahlung der Abfindung als „abgegolten“ sehen möchte. Zum anderen könnte er durch eine rechnerische Verkürzung des Zeitfaktors erreichen, dass der der Berechnung zugrunde gelegte Monatsbetrag den anspruchsbegründenden Betrag überhaupt erst erreicht. Es ist davon auszugehen, dass jeder Beamte anführen könnte, dass er anstatt einer Kapitalabfindung auch eine monatliche Unterhaltszahlung hätte vereinbaren können, um auf die nominell gleiche finanzielle Belastung zu kommen. Denn es dürfte dem Regelfall entsprechen, dass sich die Höhe der Kapitalabfindung stets in der Nähe der Summe der periodischen Unterhaltszahlungen für einen bestimmten oder zumindest anvisierten Zeitraum bewegt. Die angenommene Gesamtbelastung der periodischen Unterhaltszahlungen wird also zumeist die Grundlage der Kapitalabfindung sein (VG Ansbach, U.v.11.3.2015 - AN 11 K 14.00768 - juris Rn. 28). Insofern kann das klägerseitige Vorbringen, die Abfindung sei lediglich eine andere Zahlungsmodalität und diese sei bezahlt worden, um die an sich monatlich zu leistende Unterhaltsrente in einem Betrag abzugelten, nicht durchdringen.
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Der Kläger ist seiner Unterhaltsverpflichtung am ... Mai 2011 durch Zahlung einer Abfindung in Höhe von 15.000,00 EUR nachgekommen. Mangels Unterhaltsverpflichtung hatte der Kläger daher ab … Juni 2011 keinen Anspruch auf die Zahlung des Familienzuschlags mehr. Er ist daher zur Herausgabe des Erlangten - namentlich der zu viel gezahlten Bezüge in Höhe von 10.173,66 EUR - verpflichtet.
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2. Es kann dahinstehen, ob der Kläger die zu viel gezahlten Bezüge im Rahmen der normalen Lebensführung verbraucht hat, er also gemäß § 818 Abs. 3 BGB entreichert ist. Denn der Kläger kann sich auf den Einwand der Entreicherung nicht berufen, da er gemäß Art. 15 Abs. 2 Satz 2 BayBesG i.V.m. §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB verschärft haftet. Vorliegend war der Mangel des rechtlichen Grundes der Zahlung so offensichtlich, dass der Kläger ihn hätte erkennen müssen.
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§ 819 Abs. 1 BGB setzt die Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes bei dem Empfang der Leistung voraus. Dem steht gemäß Art. 15 Abs. 2 Satz 2 BayBesG gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen. Letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Empfänger die Überzahlung nur deshalb nicht bemerkt hat, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat oder - mit anderen Worten - er den Fehler etwa durch Nachdenken oder logische Schlussfolgerung hätte erkennen müssen. Zu den Sorgfaltspflichten des Beamten gehört es aufgrund seiner beamtenrechtlichen Treuepflicht in diesem Zusammenhang auch, die Besoldungsmitteilungen bei besoldungsrelevanten Änderungen im dienstlichen oder persönlichen Bereich auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und auf Überzahlungen zu achten. Insbesondere müssen ihm Veränderungen im Dienstverhältnis oder in seinen persönlichen Verhältnissen, bei denen sich die Überlegung aufdrängt, dass sie die ihm zustehenden Dienstbezüge mindern können, Veranlassung geben, sein Augenmerk auch darauf zu richten, ob der Dienstherr die mögliche Verminderung der Dienstbezüge berücksichtigt hat. Der Beamte darf sich insbesondere dann, wenn er ohne erkennbaren Grund höhere Leistungen erhält, nicht ohne weiteres auf die Rechtmäßigkeit der Zahlung verlassen. Offensichtlichkeit im Sinne von Art. 15 Abs. 2 Satz 2 BayBesG liegt vor, wenn dem Beamten aufgrund seiner Kenntnisse auffallen muss, dass die ausgewiesenen Beträge nicht stimmen können. Ihm muss sich aufdrängen, dass die Besoldungsmitteilungen fehlerhaft sind; nicht ausreichend ist, wenn Zweifel bestehen und es einer Nachfrage bedarf. Nicht erforderlich ist hingegen, dass außerdem die konkrete Höhe der Überzahlung offensichtlich ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.2012 - 2 C 4/11 - juris Rn. 10 f. m.w.N.). Unterlässt der Beamte als Empfänger von Bezügen solche Prüfungen oder führt er sie nicht sorgfältig durch, so hat er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen.
30
In Anwendung dieser Grundsätze liegen im Fall des Klägers die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 Satz 2 BayBesG vor. Der Mangel des Rechtsgrundes des ihm im Zeitraum vom … Juni 2011 bis … November 2017 gewährten Familienzuschlags der Stufe 1 war so offensichtlich, dass der Kläger ihn hätte erkennen müssen.
31
Der Kläger hat die einem Beamten obliegende besoldungsrechtliche Anzeige- und Informationspflicht verletzt. Denn der Kläger hat es unterlassen, die besoldungsrelevante Änderung in seinem persönlichen Bereich, nämlich den im Jahr 2011 abgeschlossenen Vergleich, in dem die Zahlung einer Abfindung zur Abgeltung der bestehenden Unterhaltsansprüche seiner geschiedenen Ehefrau vereinbart wurde, dem Landesamt anzuzeigen. Dadurch hat er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders hohem Maße außer Acht gelassen. Die erfolgte Überzahlung der Bezüge ist allein auf die Verletzung dieser Informationspflicht zurückzuführen.
32
Es gehört zu den Sorgfaltspflichten eines Beamten, die Besoldungsmitteilungen bei besoldungsrelevanten Änderungen im dienstlichen oder persönlichen Bereich auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und auf Überzahlungen zu achten. Diese Verpflichtung sowie die Pflicht zur Anzeige von Unstimmigkeiten geht auch aus den „Allgemeinen Hinweisen“ auf der Rückseite jeder Bezügemitteilung hervor. Darüber hinaus hat der Kläger in den von ihm unterschriebenen FL-Erklärungen vom … September 2005 sowie vom … Dezember 2007 ausdrücklich die Verpflichtung übernommen, jede in den vorstehend dargelegten Verhältnissen künftig eintretende Änderung unverzüglich der Bezügestelle mitzuteilen sowie diejenigen Bezüge zurückzuzahlen, die infolge unterlassener, verspäteter oder fehlender Änderungsmitteilung zu viel ausgezahlt wurden. Dass die Vereinbarung einer Abfindungszahlung besoldungsrechtlich relevant ist, konnte der Kläger schon daraus erkennen, dass in den FL-Erklärungen ausdrücklich danach unterschieden wird, ob laufend Unterhalt aufgrund einer bestehenden Unterhaltspflicht gewährt wird oder der Unterhaltsverpflichtung durch Zahlung einer Abfindung nachgekommen worden ist. Diese Frage nach der Unterhaltsverpflichtung ist dem Kläger in jeder FL-Erklärung gestellt worden. Daher hätte der Kläger wissen müssen, dass diese Änderung relevant ist und dem Landesamt daher angezeigt werden muss. Zwar trifft es zu, dass der Kläger in den FL-Erklärungen jeweils zutreffende Angaben gemacht hat. So hat er in der FL-Erklärung vom ... Oktober 2017 schließlich zutreffend angegeben, dass er seiner Unterhaltsverpflichtung durch Zahlung einer Abfindung nachgekommen ist und seiner geschiedenen Ehefrau keinen laufenden Unterhalt aufgrund einer bestehenden Unterhaltsverpflichtung mehr gewährt. Damit ist er jedoch der ihm obliegenden Informationspflicht verspätet und erst auf Aufforderung nachgekommen. Der Kläger hätte diese Änderung unverzüglich nach Abschluss des Vergleichs unaufgefordert mitteilen müssen. Der Einwand des Klägers, er sei davon ausgegangen, den Familienzuschlag aufgrund der Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinem Sohn zu erhalten, kann nicht durchdringen. Zum einen wird in den FL-Erklärungen unter den Nummern 3.1. und 3.2. jeweils explizit auf die Unterhaltsverpflichtung von geschiedenen Beamten abgestellt. Auch in verschiedenen Schreiben mit Bezug auf die FL-Erklärungen wurde explizit auf ehegattenbezogene Leistungen Bezug genommen. Zum anderen ist die Unterhaltsverpflichtung Kindern gegenüber keine Unterhaltsverpflichtung aus der Ehe, sodass die Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 1 Nr. 3 BayBesG nicht gegeben sind. Dies hätte der Kläger auch durch Lektüre des Art. 36 BayBesG erkennen können, aus dem die Anspruchsvoraussetzungen klar hervorgehen.
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3. Die vom Landesamt im Rahmen des angegriffenen Bescheides getroffene Billigkeitsentscheidung nach Art. 15 Abs. 2 Satz 3 BayBesG hält einer rechtlichen Überprüfung stand.
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Nach letztgenannter Vorschrift kann von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise abgesehen werden. Die Entscheidung darüber, ob und inwieweit aus Billigkeitsgründen von der Rückforderung abgesehen wird oder ob Ratenzahlung oder sonstige Erleichterungen zugebilligt werden, steht im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde. Sie hat die Aufgabe, eine allen Umständen des Einzelfalls gerecht werdende, für die Behörde zumutbare, für den Bereicherten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen. Sie soll der besonderen Lage des Einzelfalles Rechnung tragen, die formale Strenge des Besoldungs- und Versorgungsrechts auflockern und Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben sein und sich als sinnvolle Ergänzung des ohnehin von dem gleichen Grundsatz geprägten Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung auswirken. Sie ist vor allem in Fällen der verschärften Haftung von Bedeutung (BVerwG U. v. 27.1.1994 - 2 C 19.92 - a.a.O.; U. v. 26.4.2012 - 2 C 15/12 - IÖD 2012, 175).
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Eine Billigkeitsentscheidung zugunsten des Schuldners modifiziert den Rückzahlungsanspruch und betrifft nicht lediglich die Vollziehung oder Vollstreckung eines Rückforderungsbescheids, sondern den materiellen Bestand des Rückforderungsanspruchs. Sie ist daher zwingend vor der Rückforderung zu treffen. Die Billigkeitsentscheidung ist damit notwendiger und untrennbarer Bestand der Rückforderungsentscheidung (BVerwG U. v. 26.4.2012 - 2 C 15/12 a.a.O.).
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Die vom Landesamt getroffene Billigkeitsentscheidung, wonach die entstandene Überzahlung in Höhe von 10.173,66 EUR in monatlichen Raten von 130,00 EUR ab April 2018 von den Bezügen des Klägers einbehalten wird, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Sie ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil nicht ganz oder teilweise von der Rückforderung abgesehen wurde. Von der Rückforderung ist in der Regel dann teilweise abzusehen, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt. In diesem Fall ist ein Absehen von der Rückforderung in der Größenordnung von 30% des überzahlten Betrages im Regelfall angemessen (BVerwG U. v. 26.4.2012 - 2 C 15/12 a.a.O.). Hier liegt der Grund der Überzahlung jedoch nicht in der überwiegenden behördlichen Verantwortung. Vielmehr hat der Kläger es versäumt, die durch die vereinbarte Kapitalabfindung eingetretene Änderung seiner Verhältnisse unverzüglich dem Landesamt anzuzeigen. Angesichts der absoluten Höhe der monatlichen Rate von 130,00 EUR ist dem Kläger - der nach der Besoldungsgruppe A 11 besoldet wird - zuzumuten, diesen Betrag neben seinen bestehenden Ausgaben und Verpflichtungen aufzubringen.
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4. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Feststellung gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war, erübrigt sich daher. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).