Titel:
Nicht-Erbringbarkeit von Resturlaub
Normenkette:
BayUrlV § 10
Leitsätze:
1. Bei der Frage, ob Urlaubsabgeltungsansprüche wegen Beendigung des Dienstverhältnisses bestehen können, ist konkret auf dasjenige Beamtenverhältnis abzustellen, aus dem die geltend gemachten Urlaubsansprüche herrühren. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Voraussetzung des Urlaubsabgeltungsanspruchs ist nicht, dass auf die Dienstunfähigkeit unmittelbar eine Versetzung in den Ruhestand deswegen erfolgt. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufsmäßiges Gemeinderatsmitglied, Ablauf der Zeitdauer der Berufung, Abgeltung für auf Grund, Dienstunfähigkeit nicht eingebrachten Mindesturlaub, Verfall des Anspruchs auf Abgeltung (Urlaubsjahre 2014 und 2015), Anspruch auf Abgeltung (Urlaubsjahre 2016 und anteilig 2017), berufsmäßiges Gemeinderatsmitglied, Abgeltung für aufgrund Dienstunfähigkeit nicht eingebrachten Mindesturlaub, Verfall des Anspruchs auf Abgeltung, Anspruch auf Abgeltung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 19535
Tenor
I. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin eine Abgeltung für nicht genommenen Erholungsurlaub aus dem Jahr 2016 im Umfang von 20 Tagen und aus dem Jahr 2017 im Umfang von 7 Tagen in Höhe von insgesamt 7020,39 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit … Dezember 2017 zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin hat 20% und die Beklagte hat 80% der Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt von der Beklagten - ihrer ehemaligen Dienstherrin - die Abgeltung nicht mehr einbringbaren Resturlaubs.
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Die Klägerin stand ursprünglich als Verwaltungsbeamtin in Diensten der Stadt A., zuletzt bis … Februar 2010 als Verwaltungsoberamtsrätin. Anschließend wurde sie von der Gemeinde V. unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit für die Zeit vom … Februar 2010 bis … Februar 2016 zur berufsmäßigen Gemeinderätin ernannt. Allerdings wurde sie sodann von der Beklagten unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit für die Zeit vom … Mai 2011 bis … Mai 2017 zum berufsmäßigen Gemeinderatsmitglied ernannt.
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Mit E-Mails vom … Oktober 2014 und … Oktober 2015 - sowie später noch … Oktober 2016 - wies die Beklagte ihre Beschäftigten auf die bei ihr geltenden Regelungen betreffend Resturlaub bzw. dessen eventueller Übertragung hin.
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Der Klägerin teilte die Beklagte mit Schreiben vom … Januar 2016 mit, dass 15+5 Urlaubstage aus dem Jahr 2014 übertragen würden und bis 31. Dezember 2017 einzubringen seien. Außerdem würden 15+1 Urlaubstage aus dem Jahr 2015 bis … Dezember 2018 übertragen. 30+5 Tage für das Jahr 2016 seien bis … April 2017 anzutreten; diese Frist könne ggf. verlängert werden.
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Vom … März 2016 bis zum Ende ihres Zeitbeamtenverhältnisses bei der Beklagten mit Ablauf des … Mai 2017 war die Klägerin durchgehend dienstunfähig erkrankt.
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Ab dem … Mai 2017 stand die Klägerin nach Ausübung ihres Rückkehrrechts wieder im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit in Diensten der Stadt A.
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Die Klägerin beantragte mit E-Mail an den Bürgermeister der Beklagten vom … Mai 2017 die finanzielle Abgeltung ihres Urlaubsanspruchs für die Jahre 2014 bis 2017 von insgesamt 86 Tagen.
8
Die Beklagte teilte ihr mit Schreiben vom … Juli 2017 mit, dass eine finanzielle Abgeltung ihres Urlaubsanspruchs aus den vergangenen Jahren nicht möglich sei. Sie habe der Stadt A. eine Aufstellung des zu übertragenden Urlaubsanspruchs der Klägerin zukommen lassen.
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Die Stadt A. teilte der Beklagten mit Schreiben vom … August 2017 mit, dass ein Urlaubsanspruch der Klägerin aus ihrem Wahlbeamtenverhältnis zur Beklagten nicht übernommen werden könne. Die Klägerin sei aus einem Beamtenverhältnis eigener Art ausgeschieden und es bestehe keine Regelung bezüglich des Übergangs von nicht erfüllten Urlaubsansprüchen auf den früheren Dienstherrn, der zur Rückübernahme verpflichtet sei.
10
Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom … August 2017 mit, dass eine finanzielle Abgeltung für nicht genommenen Jahresurlaub nur in Fällen erfolgen könne, in denen Beamte bis zum Ende des Beamtenverhältnisses dienstunfähig gewesen und von der Dienstunfähigkeit unmittelbar in den Ruhestand versetzt worden seien. Eine solche Konstellation liege bei der Klägerin nicht vor, weswegen ein Abgeltungsanspruch gegenüber der Beklagten nicht bestehe.
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Die Bevollmächtigten der Klägerin teilten der Beklagten mit Schreiben vom … Oktober 2017 mit, dass sie deren Rechtsauffassung für unzutreffend hielten. Auf den Grund oder den Anlass der Beendigung des Dienstverhältnisses komme es nicht an. Insbesondere sei es nicht erforderlich, dass im Anschluss an das Beamtenverhältnis eine Ruhestandsversetzung erfolge. Die Klägerin sei als berufsmäßiges Gemeinderatsmitglied mit dem Ende der Dienstzeit aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Damit sei auch ein Urlaubsabgeltungsanspruch entstanden. Die Beklagte werde aufgefordert, diesen Anspruch bis spätestens … November 2017 zu erfüllen, andernfalls ohne weitere Vorankündigung der Klageweg beschritten werde.
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Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2017, beim Verwaltungsgericht München eingegangen am 22. Dezember 2017, haben die Bevollmächtigten der Klägerin für diese Klage erhoben und beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 8.587,09 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
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Das Dienstverhältnis der Klägerin als berufsmäßiges Gemeinderatsmitglied bei der Beklagten habe mit Ablauf der Amtszeit zum … Mai 2017 geendet. Das ergebe sich unmittelbar aus dem Gesetz. Danach sei die Klägerin wieder als Laufbahnbeamtin bei ihrer früheren Dienstherrin, der Stadt A., tätig geworden.
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Während der Zeit bei der Beklagten habe die Klägerin mit deren Zustimmung 20 Urlaubstage für das Jahr 2014, 16 Urlaubstage für das Jahr 2015 und 34 Urlaubstage für das Jahr 2016 angespart, die ihr auf ihren Antrag hin von der Beklagten rechtmäßig übertragen worden seien. Auf eine Verfallgrenze von 15 Monaten komme es daher ebenso wenig an wie auf Verjährung. Aufgrund der Dienstunfähigkeit ab dem … März 2016 habe die Klägerin diesen Urlaubsanspruch nicht mehr in natura nehmen können. Die anteiligen Urlaubstage für 2017 kämen noch hinzu; diese würden durch Erfüllung von Urlaubsansprüchen in einem nachfolgenden anderen Beamtenverhältnis nicht mehr tangiert. Die Stadt A. habe der Klägerin für 2017 auch nur anteiligen Urlaub von 19 Tagen gewährt.
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Mit der Klage werde die Urlaubsabgeltung lediglich aus dem Mindestjahresurlaub von 4 Wochen auf der Basis des unionsrechtlichen Abgeltungsanspruchs geltend gemacht. Im Jahr 2014 habe die Klägerin 15 Urlaubstage genommen, sodass ein unionsrechtlicher Mindesturlaub von 5 Tagen verbleibe. Im Jahr 2015 habe die Klägerin 19 Urlaubstage genommen, so dass 1 Tag verbleibe. Im Jahr 2016 habe die Klägerin keinen Urlaubstag genommen, sodass ein unionsrechtlicher Mindesturlaub von 20 Tagen verbleibe. Im Jahr 2017 habe die Klägerin ebenfalls keinen Urlaubstag genommen, sodass der volle anteilige unionsrechtliche Mindesturlaub von 7 Tagen für den Zeitraum von Januar bis April 2017 verbleibe. Insgesamt seien der Klägerin deshalb 33 Urlaubstage unionsrechtlicher Mindesturlaub abzugelten. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verfielen Urlaubsansprüche nicht mehr automatisch. Den Informationsschreiben der Beklagten für die Urlaubsjahre 2014 bis 2015 fehle ein Hinweis auf einen Verfall des Urlaubs am Ende des Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums.
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Vor der Beendigung des Beamtenverhältnisses habe die Klägerin lt. Gehaltsabrechnung für April 2017 eine monatliche Bruttobesoldung in Höhe von 5.633,65 EUR bezogen. Die Klageforderung errechne sich deshalb wie folgt:
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5.633,65 EUR : 4,33 : 5 x 33 = 8.587,09 EUR
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Mit Schriftsatz vom 26. Februar 2018 hat der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,
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Das Dienst- bzw. Beamtenverhältnis der Klägerin im Sinne der Urlaubsverordnung sei nicht beendet, sondern bestehe bei einem anderen Dienstherrn, der Stadt A., fort. Eine Abgeltung im Rahmen bestehender Dienstverhältnisse sei aber ausgeschlossen. Daher komme ein Abgeltungsanspruch gegenüber der Beklagten generell nicht in Betracht, die Klage sei unbegründet.
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Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass bei der Klägerin ein Fall, dass der Beamte krankheitsbedingt Urlaub vor Eintritt in den Ruhestand nicht mehr habe nehmen können, nicht vorgelegen habe.
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Zudem blieben Urlaubsjahre, die bei der Beendigung des Beamtenverhältnisses seit mehr als 15 Monaten abgelaufen seien, unberücksichtigt. Soweit vorliegend überhaupt ein Abgeltungsanspruch gegenüber der Beklagten in Betracht komme, sei danach der Urlaub der Klägerin zumindest für die zurückliegenden Jahre 2014 bis 2016 verfallen. Die Beklagte informiere auch schon seit Jahren jährlich ihre Mitarbeiter in ausreichender Weise über ihre Urlaubsansprüche und dass diese rechtzeitig zu beantragen seien. Vorsorglich berufe sich die Beklagte auf Verjährung und Verwirkung der geltend gemachten Ansprüche. Für 2017 sei anzunehmen, dass die gegenwärtige Dienstherrin der Klägerin, die Stadt A., den gesetzlichen Mindesturlaub der Klägerin erfüllt habe. Ein weiterer Anspruch stehe ihr nicht zu.
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Für die Abgeltung krankheitsbedingt nicht genommenen angesparten Urlaubs fehle es schon an einer Abgeltungsregelung. Hier sei die Ansparung von Urlaub in den Jahren 2014 bis 2016 offensichtlich nicht rechtmäßig gewesen bzw. nicht erfolgt. Die Klägerin könne insoweit auch kein schützenswertes Vertrauen haben.
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Die Klagepartei und die Beklagtenpartei erklärten mit Schriftsätzen vom 6. April 2020 bzw. 8. April 2020 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren durch den Berichterstatter.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten der Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 87a Abs. 2 und 3, § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO), ist teilweise begründet.
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1. Die Klägerin hat - nur - einen Anspruch auf finanzielle Abgeltung des vierwöchigen Mindesturlaubs für das Jahr 2016 (20 Urlaubstage) und des anteiligen Mindesturlaubs für das Jahr 2017 (7 Urlaubstage), den sie krankheitsbedingt vor Ende ihrer Amtszeit als berufsmäßiges Gemeinderatsmitglied der Beklagten mit Ablauf des … Mai 2017 nicht mehr antreten konnte, in Höhe von 7020,39 EUR (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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a) Die Klage ist zulässig, insbesondere hat die Klägerin die finanzielle Abgeltung bei der Beklagten mit E-Mail vom … Mai 2017 beantragt und sie ließ ihre Bevollmächtigten die Beklagte mit Schreiben vom … Oktober 2017 vorgerichtlich zur Erfüllung ihres Urlaubsabgeltungsanspruchs auffordern.
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b) Die Klage - ausdrücklich auf die Abgeltung des Mindesturlaubs beschränkt - ist begründet, was die Urlaubsjahre 2016 und 2017 (bis zum …5.2017) anbelangt. Der Klägerin steht insoweit ein Anspruch auf Abgeltung ihres restlichen Mindesturlaubs gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 Verordnung über den Urlaub der bayerischen Beamten und Richter (Urlaubsverordnung - UrlV) in der ab … Januar 2015 bis … Dezember 2017 geltenden Fassung zu. Hinsichtlich der Urlaubsjahre 2014 (5 Urlaubstage) und 2015 (1 Urlaubstag) ist die Klage unbegründet, weil diese Urlaubsjahre nach § 10 Abs. 3 Satz 3 UrlV sowohl in der ab *. August 2014 als auch in der ab *. Januar 2015 geltenden Fassung unberücksichtigt bleiben.
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aa) Für die Abgeltung von Urlaubsansprüchen ist die jeweils für das Urlaubsjahr geltende Fassung des § 10 UrlV maßgeblich (BayVGH, B.v. 19.2.2019 - 3 BV 16.2630 - juris Rn. 17).
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§ 9 Verordnung über Urlaub, Mutterschutz und Elternzeit der bayerischen Beamten (Bayerische Urlaubs- und Mutterschutzverordnung - UrlMV) vom … November 2017, gültig ab … Januar 2018, mit seiner 24-monatigen Verfallsfrist in Abs. 1 Satz 4 kommt hier daher insgesamt nicht zur Anwendung.
33
Für das Urlaubsjahr 2014 ist nicht § 10 UrlV in der bis … Juli 2014 geltenden Fassung maßgeblich, woraus sich die unmittelbare Anwendung der 18-monatigen Verfallsfrist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ergeben würde (BayVGH, B.v. 19.2.2019 - 3 BV 16.2630 - juris Rn. 12). Solches wäre nur dann der Fall, wenn die Amtszeit der Klägerin vor dem … Juli 2014 geendet hätte. Vielmehr ist für das Urlaubsjahr 2014 § 10 UrlV in der ab ... August 2014 geltenden Fassung - mit einer 15-monatigen Verfallsfrist nach § 10 Abs. 3 Satz 3 UrlV - maßgeblich, weil die Klägerin das volle Kalender- und Urlaubsjahr 2014 in Diensten der Beklagten stand.
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Für die Urlaubsjahre 2015 bis 2017 ist dagegen § 10 UrlV in der ab … Januar 2015 geltenden Fassung maßgeblich, die sich allerdings von der vom ... August 2014 bis … Dezember 2014 geltenden Fassung nur durch den in § 10 Abs. 3 Satz 4 UrlV eingefügten - hier nicht relevanten - 2. Halbsatz unterscheidet. Beiden Fassungen ist die in § 10 Abs. 3 Satz 3 UrlV geregelte 15-monatige Verfallsfrist gemein.
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bb) Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 UrlV in beiden hier maßgeblichen Fassungen ist der Urlaub der einzelnen Urlaubsjahre in dem Umfang abzugelten, in dem der eingebrachte Erholungsurlaub jeweils hinter einem Mindesturlaub von 20 Tagen zurückbleibt, soweit bei der Beendigung des Beamtenverhältnisses die vorherige Einbringung von Erholungsurlaub auf Grund einer Dienstunfähigkeit nicht möglich war.
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(1) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Tatbestandsmerkmal der Beendigung des Beamtenverhältnisses erfüllt.
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Die Klägerin wurde von der Beklagten mit Wirkung vom … Mai 2011 zur berufsmäßigen Gemeinderätin ernannt. Damit wurde die Klägerin kommunale Wahlbeamtin der Beklagten im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 Gesetz über kommunale Wahlbeamte und Wahlbeamtinnen (Kommunal-Wahlbeamten-Gesetz - KWBG). Dieses Beamtenverhältnis auf Zeit (Art. 13 Abs. 1 KWBG) begann mit dem in der Urkunde bestimmten Tag. Es endete mit Ablauf der in der Urkunde bestimmten Zeitdauer der Berufung, also mit Ablauf des … Mai 2017 (Art. 13 Abs. 3 Halbsatz 1 KWBG). Die Klägerin war kraft Gesetz mit dem Ende der Amtszeit entlassen (Art. 15 Abs. 1 Satz 1 KWBG).
38
Dass hinsichtlich einer Urlaubsabgeltung vorliegend nur auf dieses Beamtenverhältnis auf Zeit abzustellen ist, ergibt sich aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 3 Satz 1 UrlV, indem es dort heißt „des Beamtenverhältnisses“ und nicht etwa „eines Beamtenverhältnisses“. Es ist konkret auf dasjenige Beamtenverhältnis abzustellen, aus dem die geltend gemachten Urlaubsansprüche herrühren (BayVGH, U.v. 16.12.2019 - 3 B 17.1814 - juris Rn. 30 - Ansprüche wegen Zuvielarbeit).
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(2) Der Klägerin war es aufgrund ihrer seit *. März 2016 bestehenden Dienstunfähigkeit auch nicht möglich, ihren Erholungsurlaub vor Ende ihrer Amtszeit bei der Beklagten mit Ablauf des … Mai 2017 einzubringen.
40
(3) Dass als quasi weitere Tatbestandsvoraussetzung - wie die Beklagte meint - auf die Dienstunfähigkeit unmittelbar eine Versetzung in den Ruhestand deswegen erfolgt sein muss, findet im Wortlaut des § 10 Abs. 3 Satz 1 UrlV keine Stütze. Mögen die bisher in der Rechtsprechung ergangenen Entscheidungen solche Konstellationen zum Gegenstand gehabt haben, limitiert das nicht den Anwendungsbereich des Abgeltungsanspruchs. Auch dem Urteil des EuGH vom 6.11.2018 (C-684/16) lag nicht solch eine Konstellation zu Grunde, sondern ein Abgeltungsanspruch nach Ablauf mehrerer befristeter Arbeitsverträge.
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cc) Als Rechtsfolge des § 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 UrlV sind der Klägerin an sich 33 Urlaubstage nicht eingebrachter Mindesturlaub für die Urlaubsjahre 2014 bis 2017 abzugelten (5 Urlaubstage für 2014, 1 Urlaubstag für 2015, 20 Urlaubstage für 2016 und 7 anteilige Urlaubstage für 2017).
42
Der anteilige Mindesturlaub von 7 Tagen für das Jahr 2017 errechnet sich nach Maßgabe von § 10 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 3 Abs. 3 Satz 1 und 2, § 4 Abs. 2 Satz 3 UrlV, nachdem die Klägerin von Januar bis inklusive April 2017 noch vier volle Monate in Diensten der Beklagten stand.
43
Eine Urlaubsgewährung durch die neue bzw. ursprüngliche Dienstherrin Stadt A. in 2017 ist dagegen irrelevant, weil das Dienstverhältnis der Klägerin zur Beklagten isoliert für sich zu betrachten ist (s.o. zur Beendigung des Beamtenverhältnisses).
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dd) Allerdings bleiben nach § 10 Abs. 3 Satz 3 UrlV Urlaubsjahre unberücksichtigt, die bei Beendigung des Beamtenverhältnisses seit mehr als 15 Monaten abgelaufen sind. Dass ein Übertragungszeitraum von 15 Monaten ausreichend ist, haben der EuGH (U.v. 22.11.2011 - C-214/19 - juris Rn. 40 ff.), das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, U.v. 31.3.2013 - (2 C 10.12 - juris Rn. 20 ff.) und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH, B.v. 19.2.2019 - 3 BV 16.2630 - juris Rn. 13 ff.) bestätigt.
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(1) Ausgehend vom Ende des Dienstverhältnisses der Klägerin bei der Beklagten mit Ablauf des … Mai 2017 errechnet sich unter Zugrundelegung der Frist von 15 Monaten ein Verfall für Urlaubsjahre vor dem … Februar 2016.
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Die 5 Urlaubstage aus dem Urlaubsjahr 2014 sind daher sogar dann verfallen, wenn man in einer Alternativbetrachtung eine Frist von 18 Monaten (nach der bis Ablauf des …7.2014 geltenden Rechtslage, s.o.) zugrunde legen würde. Denn dann würde sich als maßgeblicher Tag der 14. November 2015 ergeben.
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Der Urlaubstag für das Urlaubsjahr 2015, für das jedenfalls die 15-monatige Frist gilt, ist gleichfalls verfallen.
48
(2) Die Beklagte hat mit der Information ihrer Beschäftigten mit den E-Mails vom … Oktober 2014, vom … Oktober 2015 sowie … Oktober 2016 den Anforderungen einer angemessenen Aufklärung nach der Rechtsprechung des EuGH (U.v. 6.11.2018 - C-684/16 - juris) Genüge getan, sowohl in inhaltlicher als auch zeitlicher Hinsicht.
49
Dass in diesen E-Mails das Wort „Verfall“ im Hinblick auf Urlaubstage nicht explizit vorkommt (wohl aber hinsichtlich Überstunden), ist unschädlich, weil sich aus den Informationen über die Modalitäten einer Übertragung ohne weiteres entnehmen lässt, dass Resturlaub nur begrenzt übertragen werden kann. Dem kann im Umkehrschluss entnommen werden, ab wann Resturlaub verfällt.
50
Die Informationen erfolgten jeweils im Oktober eines Jahres und damit auch ausreichend früh, um die Beschäftigten der Beklagten tatsächlich in die Lage zu versetzen, ihre Urlaubsansprüche wahrzunehmen.
51
(3) Die durch die Beklagte mit Schreiben vom … Januar 2016 mitgeteilte Übertragung von Urlaubstagen steht einem Verfall des Mindesturlaubs für die Jahre 2014 und 2015 nicht entgegen. Dem Wortlaut des § 10 Abs. 3 UrlV lässt sich solches nicht entnehmen. Nach § 11 UrlV angesparter Erholungsurlaub ist auch kein Mindesturlaub (VG Regensburg, U.v. 1.10.2014 - RN 1 K 13.1973 - juris Rn. 67).
52
ee) Damit verbleibt ein Abgeltungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte über 20 Urlaubstage für 2016 und 7 Urlaubstage für 2017.
53
(1) Dagegen kann sich die Beklagte weder auf Verjährung noch auf Verwirkung berufen. Denn der Abgeltungsanspruch entstand überhaupt erst mit Ablauf der Amtszeit der Klägerin am … Mai 2017 (VG Regensburg, U.v. 1.10.2014 - RN 1 K 13.1973 - juris Rn. 65). Die Klägerin hat ihren Anspruch bereits mit E-Mail vom … Mai 2017 geltend gemacht. Sie ließ ihre Bevollmächtigten die Beklagte mit Schreiben vom … Oktober 2017 vorgerichtlich zur Erfüllung ihres Urlaubsabgeltungsanspruchs auffordern. Schließlich erfolgte am … Dezember 2017 die Klageerhebung.
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(2) Die Höhe der für 27 Urlaubstage zustehenden Abgeltung ist in § 10 Abs. 4 Satz 1 und 2 UrlV geregelt. Danach bemisst sie sich nach der in den letzten drei Monaten vor der Beendigung des Beamtenverhältnisses zustehenden Besoldung (Satz 1). Das sind bei der Klägerin 3 mal 5633,65 EUR, in Summe 16.900,95 EUR. Für die Berechnung wird dabei ein Dreizehntel dieses Betrags (1300,07 EUR) durch die Anzahl der individuellen wöchentlichen Arbeitstage (hier: 5) geteilt (260,01 EUR) und mit der Zahl der abzugeltenden Urlaubstage - hier 27 - vervielfacht (Satz 2); das ergibt 7020,39 EUR.
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2. Der Anspruch auf die zugesprochenen Zinsen ab Rechtshängigkeit beruht auf § 291 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist § 291 Satz 1 BGB im öffentlichen Recht entsprechend anwendbar, wenn das einschlägige Fachgesetz keine abweichende Regelung enthält (vgl. BVerwG v. 26.7.2012 - 2 C 29.11 - juris Rn. 47 m.w.N.; BayVGH, B.v. 19.2.2019 - 3 BV 16.2630 - juris Rn. 27).
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3. Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO teilweise stattzugeben. Bei der eingeklagten Abgeltung für 33 Urlaubstage obsiegt die Klägerin mit 27 Urlaubstagen, was rund 80% entspricht (81,82%). Sie selbst hat daher 20% der Kosten des Verfahrens zu tragen.
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4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung (ZPO).