Titel:
Verhalten eines Bundespolizeibeamten bei spontaner Straßenverkehrskontrolle
Normenketten:
BPolG § 65
POG Art. 11 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 5
BDG § 3
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
StGB § 316
Leitsätze:
1. Um ein nachlässiges Gesamtverhalten als in disziplinarrechtlicher Hinsicht pflichtwidrig zu kennzeichnen, bedarf es des Nachweises mehrerer einigermaßen gewichtiger Mängel der Arbeitsweise, die insgesamt über das normale Versagen eines durchschnittlichen Beamten eindeutig hinausgehen und nicht auf bloßes Unvermögen zurückzuführen sind. (Rn. 64) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine nichtschuldhafte Mangelleistung begründet keine Dienstpflichtverletzung. (Rn. 67) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Disziplinarverfügung, Eilzuständigkeit zum Versetzen in den Dienst, Schlechtleistung ist keine Dienstpflichtverletzung, Amtshandlung, Zuständigkeit, erhebliche Gefahr, Disziplinarverfahren, Vollbremsung, Geschwindigkeit, Eilzuständigkeit, Dienstpflichtverletzung, Mangelleistung, Verschulden
Fundstelle:
BeckRS 2020, 19488
Tenor
I. Die Disziplinarverfügung vom 16. August 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2017 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorfahren war notwendig.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen eine Disziplinarverfügung der Beklagten, mit der gegen ihn eine Geldbuße von 600,- Euro festgesetzt wird.
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Der am 25. April 1970 geborene Kläger wurde mit Wirkung vom 1. April 1992 bei der Bundespolizei eingestellt. Am 25. April 1997 erfolgt seine Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit. Seine letzte Beförderung erfolgte am 19. Juli 2005 zum Polizeiobermeister (Bl. 56 der Behördenakte).
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In der letzten Beurteilung von 2014 erhielt der Kläger 7 Punkte.
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Er ist geschieden. Er ist straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet.
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Mit Disziplinarverfügung vom 16. August 2016 sprach die Beklagte gegen den Kläger als Disziplinarmaßnahme eine Geldbuße in Höhe von 600,- Euro aus.
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Nach Abschluss der Ermittlungen stehe folgender Sachverhalt fest. Der Kläger sei am 10. Februar 2015 durch Frau V* … M* … S* … bei der Polizeiinspektion Erding wegen des Verdachts der Nötigung angezeigt worden. Daraufhin sei ein Strafverfahren wegen Nötigung eingeleitet worden. Am 5. November 2015 habe die mündliche Hauptverhandlung stattgefunden.
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In der Nacht vom 9. Februar 2015 auf den 10. Februar 2015 hätte der Kläger die Staatsstraße 2580 mit seinem privaten PKW befahren, als vor ihm ein Fahrzeug mit der Fahrerin Frau S* … mit einem offensichtlich knappen Abstand auf die Flughafentangente aufgefahren sei. Aufgrund dieser Situation habe der Kläger stark abbremsen müssen und nach seiner Aussage auch die Lichthupe betätigt. Nachdem er nach eigener Aussage den Verdacht einer Alkoholfahrt oder Vergleichbares gehabt habe, habe er sich entschlossen, sich im Rahmen der Eilzuständigkeit nach § 65 Abs. 1 BPolG (Bundespolizeigesetz) i.V.m. Art. 11 Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 5 POG (Polizeiorganisationsgesetz) Bayern in den Dienst zu versetzen und die Fahrzeugführerin einer Kontrolle zu unterziehen. Er habe das Fahrzeug der Frau S* … überholt und zum Anhalten gezwungen. Als er ausgestiegen gewesen sei, habe er erkannt, dass Frau S* … wieder das Fahrzeug kurz bewegt habe. Im Zusammenhang mit diesem Sachverhalt habe aufgrund unterschiedlicher Aussagen durch das Gericht nicht eindeutig geklärt werden können, ob er bei der beschriebenen Kontrollsituation seine Schusswaffe einsatzbereit im Holster oder bereits in den Händen gehalten hatte. Feststehe, dass die Gesprächsführung während der Kontrollsituation zunächst sehr emotional und aggressiv abgelaufen sei, wobei durch das Gericht aufgrund unterschiedlicher Aussagen nicht eindeutig nachgewiesen habe werden könne, welche der beteiligten Personen ursächlich für die emotionale Auseinandersetzung gewesen sei. Er habe die Herausgabe von Führerschein und Fahrzeugschein verlangt. Die Daten habe er sich für eine etwaige Anzeige notiert. Eine Datenabfrage sei nicht erfolgt, weil nach seiner Aussage der Akku des Mobiltelefons leer gewesen sei. Er sei mehrere Minuten im Fahrzeug sitzen geblieben und habe dann die Fahrzeugpapiere Frau S* … zurückgegeben. Er hätte Frau S* … mündlich verwarnt wegen eines im Verfahren nicht näher genannten Fehlverhaltens. Ein Tatvorwurf oder eine etwaige Belehrung sei nicht erfolgt. Seine Erkennbarkeit als Polizeibeamter sei erst ab Beginn der Kontrollsituation durch die getragene Uniform gegeben gewesen. Ausgewiesen habe er sich durch seinen Flughafenausweises anstatt seines Dienstausweises. Eine spätere fahndungsmäßige Überprüfung von Frau S* … und ihrem Fahrzeug mit den notierten Daten sowie die Information der zuständigen Landespolizei über den Vorfall bzw. Anzeige seien nicht erfolgt. Durch rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts Erding sei mit Zustimmung des Angeklagten, des Verteidigers und des Vertreters der Staatsanwaltschaft das Verfahren gemäß § 153 Abs. 1 und 2 StPO eingestellt worden. Dies sei mit der Begründung erfolgt, dass nach der durchgeführten Beweisaufnahme eine grundsätzliche Konstellation Aussage gegen Aussage gegeben gewesen sei, ohne dass der Aussage einer der Beteiligten ein durch objektiv Indizien gestützter erhöhter Beweiswert zugekommen sei. Vor diesem Hintergrund der Umstände und der nicht ausschließbar gegebenen Befugnis, die Anhaltung im Verkehr auch außerdienstlich durchzuführen, sei die geringe Schuld festgestellt und damit kein öffentliches Interesse mehr an der Strafverfolgung gesehen worden.
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Am Ende der am 5. November 2015 stattgefundenen mündlichen Hauptverhandlung sei das Verfahren gem. § 153 Abs. 1 und 2 StPO eingestellt worden. Demnach liege kein Maßnahmenverbot gem. § 14 BDG (Bundesdisziplinargesetz) vor.
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Da es sich nicht um ein Urteil, sondern um einen rechtskräftigen Beschluss handele, seien dessen tatsächliche Feststellungen nicht bindend, könnten aber der Entscheidung im Disziplinarverfahren ohne nochmalige Prüfung zu Grunde gelegt werden.
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Er habe sich in seiner Freizeit in den Dienst versetzt und polizeiliche Maßnahmen getroffen. Voraussetzung für die Maßnahme im Rahmen einer Eilzuständigkeit sei das Verfolgen einer Straftat auf frischer Tat oder die Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr. Bei offensichtlichen Vergehen könne nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden werden, ob ein Versetzen in den Dienst im Einzelfall angemessen und erforderlich sei. Dafür müssten die rechtlichen Vorschriften und vorgegebenen Verfahrensabläufe eingehalten und beachtet werden. Seine Aussagen vor Gericht hätten keine eindeutige Zielrichtung gezeigt, was der Grund der Maßnahmen gewesen sei. Im Lauf der Verhandlung habe er von „Alkoholfahrt oder so was“ gesprochen, danach von der Nichterkennbarkeit von Drogen. Bei der abschließenden Anhörung am 25. Juli 2016 habe er anhand einiger Kriterien (Faschingszeit, langsames Auffahren auf die Tangente, unvermitteltes Abbremsen) den Verdacht der Alkoholfahrt genannt. Die Eilzuständigkeit gem. § 65 Abs. 1 BPolG i.V.m. Art. 11 Abs. 3 Nr. 3 und 5 des BayPOG beziehe sich dem Sinn nach auf Delikte, deren Verfolgung keinen Aufschub dulde. Die Eilzuständigkeit sei in seinem ursprünglichen Sinn nicht für Straßenverkehrsdelikte gedacht, sondern für schwere Delikte bzw. konkrete Gefahren für die öffentliche Sicherheit. Daher sei gerade bei Delikten im Straßenverkehr - verbunden mit einer Gefahrenprognose eines Schadenseintritts - eine besondere Sensibilität an den Tag zu legen. Bei einer erkennbaren Fahrt unter erheblichem Alkoholeinfluss oder unter Drogeneinfluss wäre dieses gegeben.
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Frau S* … sei knapp vor ihm auf die Flughafentangente aufgefahren. Zudem habe sie nach ihren Aussagen in der abschließenden Anhörung mindestens ein zweites Mal unvermittelt gebremst. Folglich habe er mehrmals stark abbremsen müssen. Es möge sich um ein Fehlverhalten im Straßenverkehr gehandelt haben, aber um kein objektives Kriterium eines Straftatverdachts des § 316 StGB. Ebenso begründe dieses Verhalten keine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit.
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Der Einsatz in Eilzuständigkeit bedinge einen Kontakt mit der zuständigen Dienststelle der Landespolizei. Dies sei weder im Vorfeld der Maßnahme geschehen noch im Nachgang des außerdienstlichen Einsatzes mit den durch ihn erhobenen Daten. Auch eine fahndungsmäßige Überprüfung von Frau S* … sei nicht erfolgt. Das Argument des nahezu leeren Telefons erscheine nicht glaubwürdig, da eine Information der Landespolizei und gegebenenfalls der Einsatzzentrale der Bundespolizei am Flughafen ohne großen zeitlichen Aufwand oder Energieverbrauch möglich sei. Eine Information der eigenen Dienststelle sei der bei durch ihn beschriebenen offensichtlichen Deliktsqualität obligatorisch. Dies sei unabhängig von einem eher statistischen Zwecken dienenden Vordruck. Erst durch die Anzeige von Frau S* … habe die zuständige Landespolizei und im Folgenden die Bundespolizei Kenntnis von seinem Einsatz erlangt. Er habe nach seiner Aussage in der mündlichen Anhörung während der Kontrolle festgestellt, dass weder Drogen noch Alkohol für Frau S* … Verhalten ursächlich gewesen sein konnten. Die Prüfung dieser Feststellung sei Grund seiner Kontrolle und alleinige Begründung der Not- und Eilzuständigkeit. Dies sei dann als glaubwürdig zu bewerten, wenn gleich zu Beginn der Kontrollsituation Alkohol- oder Drogenkonsum geprüft worden wäre. Dies sei nicht der Fall gewesen. Die Fortsetzung der Kontrollmaßnahme lasse folgern, dass nicht ausschließlich die Bewertung einer Alkohol- oder Drogenfahrt Grundlage der polizeilichen Kontrolle gewesen sei, sondern vor allem der Tatumstand, Frau S* … ihr Fehlverhalten im Straßenverkehr vorzuhalten. Während der Hauptverhandlung habe es unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Legitimation als Polizeibeamter gegeben. Da er mit seinem Privatfahrzeug unterwegs gewesen sei, sei er erst ab einem späteren Zeitpunkt durch seine Uniform als Polizeibeamter zu erkennen gewesen. Definitiv nicht geeignet dafür sei die Beleuchtung im Innenraum des PKW während des Überholvorgangs. Zur Klärung der Gesamtsituation und zur Transparenz der Maßnahme sei eine eindeutige Legitimation durch einen Dienstausweis erforderlich. Bei einer derartigen Kontrollsituation wäre es zwingend erforderlich gewesen, jeden Zweifel an seiner Polizeieigenschaft schnellstmöglich auszuräumen. Da die Diskussion in der Hauptverhandlung zeige, dass Zweifel bestanden hätten, sei seine Polizeieigenschaft nicht durchgehend erkennbar gewesen. Es sei ersichtlich, dass er durch die sich darstellende Situation aufgebracht gewesen sei. Es bleibe allerdings festzustellen, dass auf der Flughafentangente auch außerhalb der Faschingszeit straßenverkehrsrechtliche Verstöße, Abbremsen, unsicheres Fahren - insbesondere beim Einfädeln - an der Tagesordnung seien, was ihm auch bekannt sei, da er die Straße regelmäßig nutze. Er sei dicht auf das vorausfahrende Fahrzeug aufgefahren und habe die Lichthupe betätigt. Er habe das vorausfahrende Fahrzeug überholt und zum Anhalten gezwungen. Er habe das Kontrollgespräch auf emotionale Weise durchgeführt. Nach Aussage von Frau S* … habe er als Erster eine für einen Polizisten nicht angemessene Lautstärke an den Tag gelegt, um Frau S* … zurechtzuweisen. Er habe sich nicht transparent als Polizeibeamter legitimiert. Er habe keine Verbindung zur zuständigen Polizeidienststelle vor bzw. auch nach der Kontrolle aufgenommen. Daher habe er seine Befugnisse im Rahmen der Eilzuständigkeit missbraucht.
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Grundsätzlich sei es vom Dienstherrn anerkannt und sogar gewünscht, wenn Polizeibeamte sich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und insbesondere zur Abwehr konkreter Gefahren in den Dienst versetzten, um polizeiliche Maßnahmen durchzuführen.
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Ab dem Zeitpunkt, an dem er weder den Verdacht auf Alkohol oder Drogenkonsum, noch eine konkrete Gefährdung für die öffentliche Sicherung erkannt habe, sei ihm als erfahrener Polizeibeamten bekannt, dass es sich maximal um eine Bagatellverfehlung im Straßenverkehr, eine Ordnungswidrigkeit gehandelt habe. Gleichwohl sei die Kontrolle durchgeführt worden. Er habe Frau S* … auch einige Zeit in ihrem Fahrzeug sitzen lassen, um sie nach seiner Aussage beruhigen zu lassen. Daher sei davon auszugehen, dass das Verhalten der Frau S* … ihn dermaßen aufgebracht habe, dass es ihm darauf angekommen sei, ihr bewusst ihr Fehlverhalten aufzuzeigen. Dazu habe er seine Stellung als Polizeibeamter benutzt. Dieses Verhalten mindere deutlich das erforderliche Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat. Das Verfahren wegen Nötigung sei vom Amtsgericht Erding wegen geringer Schuld eingestellt worden. Ein eindeutiger Nachweis des Ablaufs der gesamten Kontrollsituation habe nicht geführt werden können. Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben von Frau S* … bestünden nicht, zumal die Zeugin ihn bis zu dem Vorfall nicht gekannt habe und nicht ersichtlich sei, dass sie ein persönliches Interesse daran haben könne, ihn zu Unrecht zu belasten. Auf Grund des nicht erkennbaren Alkohol- und Drogenkonsums, der nachvollziehbaren Erregung von Frau S* … und seiner nicht transparenten Erkennbarkeit als Polizist bestehe kein Grund, an ihren Aussagen zu zweifeln. Seine Aussagen hingegen zeigten sich als widersprüchlich. Seine Einlassungen in der Gerichtsverhandlung und in der mündlichen Verhandlung seien wenig glaubwürdig. Durch das oben beschriebene Verfahren habe er vorsätzlich gegen die Pflicht zur Befolgung von dienstlichen Weisungen und Richtlinien gem. § 62 Abs. 1 BBG (Bundesbeamtengesetz) und gegen die Pflicht zum achtungs- und vertrauensgerechten Verhalten gem. § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG verstoßen und damit ein innerdienstliches Dienstvergehen im Sinne von § 77 Abs. 1 Satz 1 BDG begangen.
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Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme sei zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass er ein langjähriger Angehöriger der Bundespolizei sei und noch nicht gerichtlich oder disziplinarrechtlich vorbelastet sei. Zudem sei er mit der Note über dem Durchschnitt beurteilt. Weiterhin sei zu seinen Gunsten zu berücksichtigten, dass er während des Verfahrens nicht eine von ihm gewünschte Auslandsverwendung antreten habe können. Als belastend zu bewerten sei seine Lebens- und Berufserfahrung. Weiterhin belastend zu bewertend sei, dass er bis zur abschließenden Anhörung keine Einsicht gezeigt habe.
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Am 6. September 2016 wurde gegen die Disziplinarverfügung Widerspruch erhoben.
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Am 7. November 2017 wurde von der Disziplinarbehörde die Zeugin vernommen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2017 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
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Es stehe folgender Sachverhalt auf Grund der Ermittlungen im Disziplinarverfahren fest:
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Auf Höhe der Flughafentangente habe sich vor dem Kläger ein PKW mit geringem Abstand vor den PKW des Klägers auf die Straße eingefädelt. Aus diesem Grund sei der Kläger zum starken Abbremsen gezwungen gewesen, habe noch die Lichthupe bedient und habe sich anschließend mit angeschaltetem Fernlicht mit einem Abstand von lediglich 2 Metern hinter dem Fahrzeug der Zeugin befunden. Diese habe anschließend zwei Mal erfolglos versucht, ihn durch Verringerung der Geschwindigkeit zum Überholen zu veranlassen. Als er dann tatsächlich überholt habe, habe er sie anschließend ausgebremst und sie zum Stehenbleiben auf der einspurigen Fahrbahn genötigt. Ein Seitenstreifen existiere nicht. Als die Zeugin, die sich von einem Psychopathen bedroht wähnte, entkommen und wieder anfahren habe wollen, habe er seine Dienstwaffe gezogen und diese vor dem Fahrzeug auf den Boden gerichtet. Nachdem er seine Waffe wieder in das Holster zurückgeführt habe, sei er an das Fahrerfenster herangetreten, habe der Zeugin lautstark und beleidigend Vorwürfe wegen ihres Fahrverhaltens gemacht (ob sie geisteskrank sei) und habe mit Hinweisen auf seine Polizeibeamteneigenschaft die Herausgabe des Führerscheins und der Fahrzeugpapiere verlangt. Die Dokumente habe er dann mit in seinen Wagen genommen, um diese zu überprüfen, wobei ihm bewusst gewesen sein musste, dass er eine Datenabfrage aufgrund seines leeren Handys nicht möglich gewesen sei. Eine ordnungsgemäße Eröffnung eines Tatvorwurfs bzw. des Grundes der Kontrolle habe darüber hinaus nicht stattgefunden. Dennoch habe die Zeugin eine mündliche Verwarnung erhalten. Erst auf mehrfache Nachfrage der Zeugin habe er sich mittels seines Flughafenausweises ausgewiesen. Anschließend habe der Kläger wieder sein Fahrzeug bestiegen und seine Fahrt fortgesetzt.
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Anders als in der Disziplinarverfügung vom 16. August 2016 werde nunmehr davon ausgegangen, dass der Akku des Handys des Beamten leer gewesen sei und dass beim Auffahren auf die Flughafentangente ein Ausbremsen durch die Zeugin erfolgt sei. Die Behauptung des Beamten, er habe sich aufgrund einer vermuteten Fahruntüchtigkeit bzw. Straßenverkehrsgefährdung und Nötigung seiner Person zur Kontrolle entschieden, sei jedoch unglaubwürdig. Dabei sei sehr wohl berücksichtigt worden, dass einige Aussagen der Zeugin auch nicht immer nachvollziehbar seien. Objektiv gesehen habe keine Eilzuständigkeit vorgelegen. Voraussetzung wäre das Vorliegen einer erheblichen Gefahr gewesen. Der Kläger habe das angeblich durch den Verdacht auf Alkohol oder so was gegeben gesehen. Dies sei eine Schutzbehauptung. Von seiner Seite sei immer wieder vorgetragen worden, dass nach dem knappen Auffahren auf die Tangente noch zwei weitere Male eine Vollbremsung von ihm habe durchgeführt werden müssen. In der Aussage vor Gericht habe er aber gesagt, dass der PKW nicht abrupt gebremst habe, sondern die Geschwindigkeit auf 40 km/h verringert habe. Dass es an dieser Auffahrt immer wieder zu brenzligen Situationen komme, sei in der Dienststelle bekannt. Es sei deshalb zweifelhaft, ob er wirklich eine Notbremsung mit Eingreifen des ABS habe machen müssen. Er habe jedoch dieses erste Ausbremsen als bloße Unachtsamkeit wahrgenommen, sei also entgegen anderer Stellungnahmen gerade nicht von einer Nötigung seiner Person ausgegangen. Nachdem aber die weiteren Abbremsungen nur Verringerungen der Geschwindigkeit gewesen seien, hätte er auf die naheliegende Idee kommen können, dass die Zeugin lediglich gewollt habe, dass er überhole, um seiner Lichthupe bzw. seinem Fernlicht zu entkommen. Eine Straßenverkehrsgefährdung durch die Zeugin könne jedenfalls nicht gesehen werden. Was ebenfalls nicht zu seiner Glaubwürdigkeit beitrage, sei die wahrheitswidrige Behauptung, er habe eine Taschenlampe ergriffen und nicht die Dienstwaffe. Dass die Zeugin in ihrer Panik habe versuchen wollen, zu entkommen und deshalb angesetzt habe, vorbeizufahren, werde nicht verkannt. Ebenso wenig könne widerlegt werden, dass der Beamte sich hierdurch gefährdet gesehen habe. Seine Aussage, er habe nur die Hand an die Waffe gelegt, diese aber nicht gezogen, begründe er folgendermaßen. Die Zeugin habe das Wort Holster benutzt, dass sei für einen Laien unüblich und spreche für ein Zurechtlegen der Aussage. Fakt sei, dass das Wort Holster kein nur für Spezialisten bekannter Fachbegriff sei. Die von der Zeugin angesprochene Waffenhaltung sei die entschlossene Sicherungshaltung lang und werde bereits in der Ausbildung gelehrt. Der Beamte habe die Zeugin gemäß seiner mündlichen Aussage vom 7. November 2017 gefragt, ob sie einverstanden wäre „die Aktion jetzt abzubrechen“. Wieso er dann aber dennoch eine mündliche Verwarnung ausspreche und damit eine Amtshandlung in der Zuständigkeit der Landespolizei ohne Vorliegen einer Eilzuständigkeit vornehme, obwohl er auch keinerlei Hinweise auf eine bestehende Fahruntüchtigkeit festgestellt habe, bleibe offen. Gemäß Art. 11 POG wäre die Unterrichtung der zuständigen Landespolizeidienststelle zwingend erforderlich gewesen. Die Behauptung, das Formblatt nicht zu kennen, sei wiederrum zum einen nicht glaubhaft, da Inhalt des sogenannten Belehrungsordners und mindere zum anderen den Weisungsverstoß nicht. Die Frage eines rechtmäßigen Alternativverhaltens hätte sich indes nur gestellt, wenn überhaupt eine Eilzuständigkeit vorgelegen habe. Selbst wenn dem Verdacht auf Alkohol Glauben zu schenken wäre, wäre die richtige und logische Vorgehensweise gewesen, Vorstellung, Begründung der eigenen Kontrollzuständigkeit, Eröffnung des Vorwurfs/Grund der Kontrolle, Überprüfung Alkoholisierung bzw. Fahrtüchtigkeit und Überprüfung der Fahrzeugpapiere. Der Zeugin sei aufgefallen, dass der Beamte allein und mit seinem Privatwagen unterwegs gewesen sei. Vom Beamten sei ihr lediglich sinngemäß entgegnet worden, dass er sich jederzeit in den Dienst versetzen könne. Auf ihre Frage nach seinem Ausweis sei sie auf später vertröstet worden. Die Pflicht, auf Verlangen seinen Dienstausweis zu zeigen, ergebe sich aus einem Erlass des BMI, der immer noch Gültigkeit habe und dessen Inhalt nicht nur in der Ausbildung gelehrt werde, sondern laufend wieder thematisiert werde. Eine Eröffnung des Vorwurfs/Grund der Kontrolle sei nicht ordnungsgemäß erfolgt, die Frage nach Alkoholisierung oder sonstigen die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigenden Substanzen sei nicht gestellt worden, lediglich emotional vorgebrachte Vorwürfe des Ausbremsens. Eine Überprüfung der Alkoholisierung bzw. der Fahrtüchtigkeit z. B. durch die Bitte, ihn anzuhauchen, sei ebenfalls nicht durchgeführt worden. Der Beamte habe selbst ein Verkehrshindernis hergestellt und damit eine Straßenverkehrsgefährdung begangen. Beide Kfz seien auf der Straße gestanden. Es habe keinen Seitenstreifen gegeben. Es habe also ein Zustand bestanden, der so schnell wie möglich zu beenden gewesen sei. Der Beamte habe außerdem nach seiner eigenen Aussage gewusst, dass sein Handy leer gewesen sei, weil dies der Normalzustand am Ende des Tages sei. Er habe nicht erst in seinem Fahrzeug festgestellt, dass der Akku leer gewesen sei, so dass er die angeblich beabsichtigte Überprüfung der Kfz-Papiere über die Dienststelle nicht mehr habe machen können. Dies habe er bereits vorher gewusst. Genauso habe er auch gewusst, dass er die Landespolizei gar nicht würde verständigen können. In seinem Gedächtnisprotokoll schreibe er auch, er habe der Fahrerin mitgeteilt, dass er „nun die Daten aufschreiben werde“, nicht etwa abfragen, was ebenfalls dafürspreche, dass er gar nicht vorgehabt habe, zu telefonieren und in Wirklichkeit nicht von einer Fahruntüchtigkeit ausgegangen sei, die er angeblich nach Rückkehr zu seinem Auto überprüft haben wollte. Die Antwort auf die Frage des Gerichts, was er getan hätte, wenn sie wirklich alkoholisiert wäre (er hätte sie um ihr Handy gebeten) zeige nicht nur, wie unprofessionell sein Vorgehen und seine (angeblichen) Überlegungen gewesen seien, denn was, wenn sie gar kein funktionierendes Handy dabeigehabt hätte oder es ihm nicht gegeben hätte. Vielmehr lasse sich daraus wiederum schließen, dass er von Anfang an nicht davon ausgegangen sei, sein Handy benutzen zu müssen, sondern dass er vielmehr aus persönlichen, eigennützigen Motiven heraus seinen Ärger über ein unkorrektes Fahrverhalten unter Vorschieben seiner polizeilichen Zuständigkeit durch eine Maßregelung der Fahrerin habe Luft machen wollen.
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Am 17. Januar 2018 ließ der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht München erheben mit dem Antrag aus dem Schriftsatz vom 13. Dezember 2018,
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die Disziplinarverfügung vom 16. August 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2017 aufzuheben sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren für notwendig zu erachten.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, es stehe gerade nicht fest, dass die Zeugin zwei Mal erfolglos versucht habe, den Kläger durch Verringerung ihrer Geschwindigkeit zum Überholen zu veranlassen. Es stehe hier Aussage gegen Aussage. Es sei zudem nicht ersichtlich, warum der Kläger auf die naheliegende Idee habe kommen können, dass die Zeugin lediglich gewollt habe, dass er überholt. Die Gesamtumstände würden völlig ausgeblendet. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass gegen Mitternacht, also zu einem Zeitpunkt, in dem die Verkehrssituation absolut übersichtlich gewesen sei, die Zeugin den Kläger beim Einfahren auf die Staatstraße vollkommen übersehen habe. Auch werde übersehen, dass für den Kläger auf dem Teil der kurzen Fahrtstrecke, in der die Zeugin zwei Mal die Geschwindigkeit erheblich von ca. 80 km/ auf 40 km/h verringert habe, ein Überholvorgang aufgrund der durchgezogenen Linie rechtlich nicht zulässig gewesen sei. Er habe die Zeugin auch nicht zum Stehen bleiben genötigt. Er habe seine Dienstwaffe auch nicht gezogen. Er habe die aufmerksame Sicherungshaltung eingenommen, da er befürchtet habe, dass das Fahrzeug als Waffe gegen ihn eingesetzt werden würde. Er habe keine beleidigenden Vorwürfe gegenüber der Zeugin wegen ihres Fahrverhaltens gemacht. Auch hier stehe Aussage gegen Aussage. Es habe ihm auch nicht bewusst sein müssen, dass eine Datenabfrage aufgrund seines leeren Handys nicht möglich gewesen sei. Wie der Kläger in seinen bisherigen Einlassungen vorgetragen habe, habe er erst zu diesem Zeitpunkt bemerkt, als er mit den Dokumenten der Zeugin wieder an seinem Fahrzeug gewesen sei, dass der Akku seines Handys leer gewesen sein. Es habe eine Eilzuständigkeit vorgelegen. Es sei während der Faschingszeit gegen Mitternacht ein erheblicher Vorfahrtsverstoß durch die Zeugin begangen worden. Hieran anschließend habe innerhalb einer Fahrzeit von ein bis zwei Minuten eine zweimalige erhebliche Verringerung der Geschwindigkeit von 80 km/h auf 40 km/h stattgefunden ohne von außen erkennbaren Grund. Insofern habe der Fahrstil der Zeugin erhebliche Auffälligkeiten gezeigt. Insofern seien sehr wohl objektive Anzeichen vorgelegen, dass hier ein alkoholisierter bzw. unter Betäubungsmitteln stehender Fahrer am Straßenverkehr teilnehme. Dem Beamten werde vorgeworfen, bei der Kontrolle von Frau S* … nicht amtsangemessen aufgetreten zu sein. Dabei werde wiederrum völlig ausgeblendet, dass kurz zuvor, als der Kläger bereits sein Auto verlassen habe, sich das Fahrzeug der Zeugin auf ihn zubewegt habe. In diesem Moment habe er nicht gewusst, wer im Auto saß und habe die berechtigte Befürchtung gehabt, dass durch eine Alkohol- bzw. Betäubungsmitteln beeinflusste Person das Fahrzeug gegen ihn als Waffe verwendet bzw. nicht einschätzbare Handlung vornehme. Insbesondere habe die Zeugin vorab beim Auffahren auf die Staatsstraße die Vorfahrt eklatant missachtet. Insofern habe sich der Beamte für einen Sekundenbruchteil in einer Extremsituation befunden, in der er nicht gewusst habe, inwieweit die Situation eskaliere. Es werde nicht verkannt, dass der Vorfall auch für die Zeugin S* … eine belastende Extremsituation dargestellt habe. Man sollte sich hier jedoch vergegenwärtigen, dass die Zeugin durch ihr extremes Fahrverhalten die Situation leider ausgelöst habe. Schließlich stelle sich die Frage, welcher Vorwurf dem Beamten gemacht worden wäre, wenn tatsächlich ein alkoholisierter bzw. unter Einfluss unter Betäubungsmitteln stehender Fahrer auf die Autobahn gelangt wäre und eine Unfall verursacht habe. Es sei fraglich, ob man hier den Beamten mit der Entschuldigung gehört habe, dass er zwar dies der Landespolizei melden habe wollen, dies aufgrund seines leeren Handyakkus nicht habe tun können.
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Mit Schriftsatz vom 27. März 2019 beantragte die Beklagte,
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Es sei nicht nur naheliegend, dass man diese irritierende und tatsächlich die Fahrsicherheit gefährdende Situation durch Verlangsamung des eigenen Kfz beenden und den Hintermann damit zum Überholen bewegen wolle, sondern auch, dass der Kläger auf diesen Gedanken hätte kommen müssen. Die vorgebliche Rechtfertigung, er hätte aufgrund des Überholverbots nicht eher überholen können, verfange nicht. Das Überholverbot aufgrund der durchgezogenen Linie habe ihn kurz darauf auch nicht am Überholen gehindert. Selbst das geschilderte Verhalten des Klägers wäre trotzdem tatbestandlich eine Nötigung. Die Einlassung des Klägers, er habe die Dienstwaffe nicht gezogen, sei unglaubwürdig. Der Kläger habe sich bei der Schilderung mehrfach in Widersprüche verstrickt. Er habe zunächst wahrheitswidrig behauptet, er hätte eine Taschenlampe in der Hand gehabt, später habe er auch bestritten, dass es die von der Zeugin beschriebene Haltung überhaupt gebe. Die betreffenden Aussagen der Zeugin seien aufgrund der bereits genannten Umständen als glaubhafter eingestuft. Dass ihm der Ladezustand seines Handys bewusst habe sein müssen, ergebe sich aus seiner eigenen Stellungnahme im Anschluss an die Zeugenvernehmung. Der Kläger moniere, dass man sich nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten auseinandergesetzt habe. Zum Ersteren werde auf den Widerspruchverfahrensbescheid verwiesen. Hier sei auf Seite 5 das rechtmäßige Alternativverhalten dargelegt. Bei letzterem erschließe es sich nicht, warum hier um Mitternacht eine höhere Gefahr als auf der Staatsstraße bestehen solle. Die Zeugin sei keine Schlangenlinien gefahren, sondern lediglich mit verringerter Geschwindigkeit. Auf der zweispurigen Autobahn hätte zudem die leichtere Möglichkeit des Überholens bestanden. Auf der einspurigen Staatsstraße sei durch die Blockade der Spur ein riskantes Verkehrshindernis durch den Kläger hervorgerufen worden. Im Gegensatz zur Zeugin seien beim Kläger mehrfach Ungereimtheiten zu Tage getreten. Seine ursprüngliche Version von der Taschenlampe in der Hand spreche dafür, dass er eine harmlose Erklärung dafür gesucht habe, dass er etwas in der Hand gehabt habe. Eine Taschenlampe habe er nicht dabeigehabt. Das Ziehen der Dienstwaffe werde von ihm jedoch bestritten, ebenso, dass es die entschlossene Sicherungshaltung überhaupt gebe. Ebenso wenig nachvollziehbar sei der Versuch, die Zeugin wegen der Verwendung des Wortes „Holster“ als unglaubwürdig darzustellen. In der mündlichen Verhandlung sei von einer Geschwindigkeitsreduzierung von 80 km/h auf 40 km/h die Rede gewesen, die im Laufe des Disziplinarverfahrens zu 3-maligen Ausbremsen und einer Vollbremsung geworden sei. Selbst wenn man seine Behauptung, er wäre von Alkohol oder sowas ausgegangen als Wahr unterstelle, erkläre sich das Verhalten bei und nach Abschluss seiner Überprüfung nicht und stelle für sich alleine eine Dienstrechtsverletzung dar. Die Frage nach Alkohol bzw. Drogenkonsums sei nicht gestellt worden, auch keine Bitte ihn anzuhauchen. Auf Vorhalt habe der Kläger entgegnet, das habe er bereits im Laufe der Auseinandersetzung ausschließen können. Warum also dann auch noch die langwierige Kontrolle der Fahrzeugpapiere. Und warum habe er noch eine mündliche Verwarnung ohne Benennung der Verstöße durchgeführt. Vielmehr habe er in Wirklichkeit aus privatem Interesse und Ausnutzung seiner Erkennbarkeit als Polizeibeamter auf seinem privaten Heimweg die Zeugin maßregeln wollen.
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Mit Schriftsatz vom 12. Juni 2019 führte der Bevollmächtigte des Klägers aus, der Kläger bestreite, dass die Zeugin zwei Mal erfolglos versucht haben solle, ihn durch Verringerung der Geschwindigkeit zum Überholen zu veranlassen. Er habe sie auch nicht zum Stehenbleiben genötigt. Er habe auch seine Dienstwaffe nicht gezogen. Er habe eben so wenig beleidigende Vorwürfe gemacht. Er rüge in diesem Zusammenhang auch, dass das Disziplinarverfahren über sieben Monate gedauert habe. Die Dauer des vorgerichtlichen Disziplinarverfahrens verletze das disziplinarrechtliche Beschleunigungsverbot. Hinsichtlich der Fortsetzung des ausgesetzten Disziplinarverfahrens sei der Kläger nicht belehrt worden. Diese Verfahrensverstöße rüge er hiermit ausdrücklich. Unter den Vorfällen habe der Kläger nachhaltig zu leiden. Seit Beginn des Disziplinarverfahrens werde er am Flughafen regelrecht gemobbt. Seine Bewerbungen auf höhere Dienstposten würden nicht angenommen. Es habe sich folgender Sachverhalt abgespielt: Die Zeugin habe stark abgebremst, weshalb der Kläger die Lichthupe betätigt habe. Daraufhin habe die Zeugin beschleunigt auf etwa 80 km/h und wiederrum scharf abgebremst. Hierdurch sei der Kläger ein zweites Mal zu einer starken Bremsung genötigt worden, weil er auf ca. 40 km/h habe abbremsen müssen. Er habe erneut die Lichthupe betätigt, woraufhin die Zeugin etwa auf 80 km/h beschleunigt habe. Der Kläger sei ihr gefolgt und habe dabei nach seiner Erinnerung den gebotenen Abstand eingehalten. Als sich ein LKW auf der Gegenspur genähert habe, habe die Zeugin erneut stark abgebremst und den Kläger ein drittes Mal zu einer Bremsung genötigt. Bei jeder dieser erzwungenen Abbremsungen habe der Kläger aufgrund der durchgezogenen Linie nicht überholen können. Es sei schlichtweg falsch, dass der Kläger dauerhaft mit Volllicht hinter der Zeugin gefahren sei. Er habe lediglich in der jeweiligen Gefahrensituation eine Lichthube betätigt. Es stimme auch nicht, dass er im Überholverbot überholt hätte. Er habe das Fahrzeug der Zeugin nach Beendigung der durchgezogenen Linie mit angeschalteter Innenraumbeleuchtung überholt, so dass die Zeugin ihn in Uniform habe sehen können. Es sei falsch, dass sich am Anhaltepunkt eine durchgezogene Linie befände. Dies könne man vor Ort ohne weiteres nachvollziehen. Die rechtliche Schlussfolgerung, dass aus der Schilderung des Klägers selbst eine Nötigung resultiere, sei falsch. Der Kläger habe seine Dienstwaffe nicht gezogen. Der Kläger habe wiederholt geäußert, dass er seine Taschenlampe in der linken Hand gehalten habe, seine rechte Hand habe er an der Waffe in der sogenannten Sicherungshaltung gehalten. Nach seiner Erinnerung habe sich die Sache innerhalb von sieben bis acht Minuten abgespielt. Von einer langwierigen Kontrolle könne also nicht die Rede sein. Allerdings habe der Kläger die Daten kontrolliert und aufgeschrieben, was deutlich längere Zeit benötigt habe. Die Zeugin habe im Übrigen auch eingeräumt, dass sie immer wieder abgebremst habe. Dies habe sie allerdings mit Rehen auf der Fahrbahn begründet. Richtig sei, dass der Kläger seinen Namen verdeckt hatte, allerdings aus Unachtsamkeit und keineswegs mit Absicht. Er habe den Ausweis dann ebenfalls anders gehalten, um den Namen nicht zu verdecken und es der Zeugin zu ermöglichen, ihn zu lesen. Es sei richtig, dass man an dieser Stelle der Straße immer mal wieder abbremsen müsse. Dass man aber mehrfach zu einer massiven Vollbremsung genötigt werde, habe der Kläger so noch nicht erlebt. Deshalb habe er sich entschlossen, einzugreifen. Es sei ganz offensichtlich, dass hier eine Verkehrsgefährdung vorgelegen habe.
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Das Gericht hat am 21. Juli 2020 mündlich verhandelt. Es hat in der Verhandlung die Zeugin S* … vernommen. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakte und der Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat Erfolg. Die Disziplinarverfügung vom 16. August 2016 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 12. Dezember 2017 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 3 BDG i.V.m. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
32
Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf.
33
Eine erneute Belehrung bei Fortsetzung des Verfahrens nach einer Aussetzung sieht § 22 BDG nicht vor. § 22 Abs. 2, § 4 BDG sehen ein Beschleunigungsgebot vor. Ein Verstoß hiergegen führt jedoch nicht zu einem Verfahrensfehler.
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Die Vertreter der Beklagten sind der Auffassung, die Aussage der Zeugin sei glaubwürdig, die des Klägers nicht. Daher folgt deren Schlussfolgerung, dass eine Eilzuständigkeit nicht vorlag und der Kläger sich nicht in den Dienst hätte versetzen dürfen. Er habe sich vielmehr über das Verhalten der Zeugin geärgert und habe sie maßregeln wollen. Er habe daher sein Amt missbraucht. Zudem habe er weder die Landespolizei noch die Bundespolizei informiert. Selbst wenn er zulässig in Eilzuständigkeit gehandelt habe, habe er die Kontrolle nicht ordentlich durchgeführt. Er habe sich nicht vorgestellt, seine Kontrollzuständigkeit nicht begründet, den Grund der Kontrolle nicht genannt, die Fahrtüchtigkeit nicht überprüft und die Überprüfung der Fahrzeugpapiere nicht ordentlich durchgeführt.
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Was tatsächlich am 9.2.2015 vorgefallen ist, lässt sich nicht mehr in jeder Einzelheit aufklären.
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Die Zeugin schildert: Sie habe auf die Flughafentangente auffahren wollen und im Rückspiegel gesehen, dass ein Auto komme. Sie habe einen BMW 320 Diesel gehabt, sie sei normal auf die Tangente aufgefahren. Das andere Auto sei ziemlich nah auf sie aufgefahren. Es habe das Fernlicht angemacht. Ihr sei unklar gewesen, ob sie jetzt schneller oder langsamer fahren solle. Das Auto sei weiter hinter ihr mit Fernlicht hergefahren. Letztendlich sei das Auto an ihr vorbeigefahren. Es habe sie letztendlich bis zum Stand ausgebremst. Sie sei dann stehen geblieben, das Auto sei schräg vor ihr stehen geblieben. Der Kläger sei aus dem Auto ausgestiegen. Sie sei in Panik geraten und habe überlegt, ob sie jetzt weiterfahren solle. Er sei vor ihr gestanden und sie sei dann losgerollt. Sie habe überlegt, wie komme ich hier weg. Der Kläger habe aus seinem Holster eine Waffe genommen und mit der Waffe nach schräg unten auf sie gezeigt. Zu diesem Zeitpunkt habe sie nicht erkennen können, dass es sich um einen Polizisten gehandelt habe. Erst später habe sie vermutlich an der Jacke erkannt, dass es ein Polizist sei. Sie habe dann das Fenster heruntergekurbelt. Der Kläger habe sie angeschrien, ob sie geisteskrank sei. Er habe gefragt, warum sie nicht weitergefahren sei. Er habe dann nach Führerschein und Fahrzeugschein gefragt. Er sei mit ihren Papieren zu seinem Auto gegangen. Das Ganze habe etwas gedauert. Währenddessen habe sie sein Kennzeichen aufgeschrieben. Er sei dann zurückgekommen. Sie habe dann seinen Namen wissen wollen. Daraufhin habe er einen Ausweis vorgezeigt, aber den Namen mit seinem Finger verdeckt. Sie habe daraufhin gesagt, ob er den Finger herunternehmen könne. Sie habe sich den Namen gemerkt letztendlich seien sie weitergefahren.
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Der Kläger schildert vor Gericht: Er sei auf der Bundesstraße gefahren. Er sei ca. 95 bis 100 km/h gefahren. Es sei leicht nass gewesen. Er habe das Fahrzeug der Zeugin gesehen. Er habe gedacht, dass er ganz normal an der Ausfahrt vorbeifahren könne. Er habe dann aber eine Vollbremsung machen müssen. Sein Koffer und sein Hut seien durch das Auto geflogen. Er habe die Lichthube und die Hupe betätigt. Sie seien mit max. ca. 40 km/h weitergefahren. Sie hätten dann wieder beschleunigt. Nach ca. 100 bis 150 Metern habe die Zeugin wieder gebremst. Letztendlich habe er 3-mal stärker bremsen müssen. Nach der 1. Vollbremsung sei er geschockt gewesen, aber er habe gedacht, das könne passieren. Nach der nächsten Abbremsung habe er sich gedacht, dass jemand hier ein Auto führe, der dazu nicht in der Lage sei, z.B. wegen Drogen oder Alkohol. Er habe sich daraufhin entschlossen, das Fahrzeug rauszuziehen, da das Fahren unkonzentriert gewesen sei. Es sei Fasching gewesen. Er habe Alkohol oder Drogen vermutet. Er habe deshalb das Fahrzeug überholt und vor der Autobahn rausgezogen. Der Kläger schildert weiter, er habe überholt und dabei die Innenraumbeleuchtung angemacht. Er habe ihr angezeigt, dass sie anhalten solle. Er habe den Warnblinker angehabt und habe rechts an der Straße ca. einen halben Meter im Bankett angehalten. Die Zeugin habe hinter ihm angehalten. Diese sei etwas mehr auf der Straße gestanden. Er sei ausgestiegen. Er habe gehört, dass der Motor lauter werde. Sie sei auf ihn zugerollt. Auf die Frage des Gerichts, was der Kläger gedacht habe, als die Zeugin auf ihn zugefahren sei, gibt er an: „Scheiße, die will mich über den Haufen fahren“. Sie habe eine Lenkbewegung zur Seite gemacht und sei leicht rausgefahren. Er habe daraufhin die Sicherungshaltung eingenommen. Sie sei daraufhin zurückgefahren. Die „Aufmerksame Sicherheitshaltung“ bedeute, er habe die Hand an der Waffe im Holster gehabt. Mit seiner linken Hand habe er nach der Taschenlampe gegriffen. Der Kläger schildert weiter, er habe seine Uniform angehabt, das heißt, er habe seine Hose, sein Hemd und seine Uniformjacke angehabt. Er habe dabei die „Aufmerksame Sicherungshaltung“ innegehabt. Daraufhin sei die Zeugin zurückgefahren. Er habe nicht gewusst, wer sich im Auto befindet. Das Auto habe angehalten. Es sei jetzt auch auf dem Bankett gewesen. Die Zeugin habe die Scheibe heruntergefahren und etwas wie „sie Glatzkopf, sind sie noch normal“ gesagt. Er habe daraufhin gesagt, sie solle realisieren, dass er ein Polizist sei. Sie habe ihn daraufhin weiter beschimpft. Er habe daraufhin gesagt, dass er ihre Papiere sehen wolle. Er habe sie gefragt, warum sie drei Mal scharf gebremst habe. Sie habe daraufhin gesagt, sie habe wegen Rehen gebremst. Er habe darauf erwidert, dass das nicht sein könne, da hier Wildzäune aufgebaut seien. Sie habe daraufhin gesagt, dann sei es ein Hase gewesen. Er sei daraufhin zu seinem Auto gegangen. Er habe die Daten aufschreiben und die Polizei anrufen wollen. Der Akku seines Telefons sei aber leer gewesen. Der Kläger schildert weiter, er habe die Daten aufgeschrieben. Auf seiner Uniform, die nach seiner Auffassung eine normale Uniform sei, stünde an mehreren Stellen Polizei. Die Zeugin sei nun ruhiger und freundlich gewesen. Er habe ihr die Papiere zurückgegeben. Er habe noch ein kurzes Gespräch mit ihr führen wollen. Dabei habe er über ihren 2seitigen Fahrzeugschein mit ihr gesprochen. Sie habe daraufhin gesagt, das Auto gehöre ihrem Mann. Er habe gesagt, er habe sie anzeigen wollen. Da aber das Telefon leer gewesen sei und sie sich entschuldigt gehabt habe, sehe er davon ab. Sie hätten sich freundlich verabschiedet und seien beide auf die Autobahn aufgefahren.
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Die beiden Personen, die den Vorfall erlebten, die Zeugin und der Kläger haben aus ihrer jeweiligen Perspektive im Wesentlichen glaubhaft dargestellt, was aus ihrer Sicht passiert ist. Die Schilderungen stimmen im Wesentlichen auch mit vorherigen Aussagen überein.
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Beide Schilderungen sind in sich aus der jeweiligen Perspektive schlüssig. Was die jeweilig andere Person jeweils dachte, konnte die andere nicht wissen.
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Dies bedeutet, dass beide Wahrnehmungen aus der jeweiligen Perspektive betrachtet, zutreffend sind.
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Das Gericht ist nach den Schilderungen in der öffentlichen Verhandlung und nach den Akten der Auffassung, dass eine Eilzuständigkeit des Klägers bestand, er sich daher in den Dienst versetzen durfte und sein Amt nicht missbraucht hat.
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Nach § 65 Abs. 1 BPolG i.V.m. Art. 11 Abs. 5 Abs. 3 Nr. 3 BayPolG werden Polizeibeamte anderer Länder bzw. des Bundes zum Einschreiten im Bayerischen Staatsgebiet in Eilfällen ermächtigt. Voraussetzung ist das Vorliegen eines Eilfalls. Dieser ist gegeben bei Bestehen einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr, bei Tätigwerden zur Verfolgung von Straftaten auf frischer Tat oder bei Tätigwerden bei Verfolgung und Wiederergreifen Entwichener. Zudem muss die Unmöglichkeit der Aufgabenerfüllung durch die zuständige Polizei bestehen.
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Ob ein Eilfall vorliegt und die zuständige Polizei die erforderlichen Maßnahmen nicht rechtzeitig treffen kann, ist nach allgemeinen polizeilichen Grundsatz aus der ex ante-Sicht des eingesetzten Polizeibeamten des die Amtshandlung vornehmenden Landes zu bewerten. Eine gegenwärtige erhebliche Gefahr besteht dann, wenn die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen oder in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorsteht und Gefahr einem bedeutsamen Rechtsgut droht (Beck OK, Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Möstl/Schwabenbauer, 12. Edition, Art. 11 POG, RdNr. 34 ff.).
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Der Kläger gab glaubwürdig an, dass er aufgrund des mehrfachen Bremsens der Zeugin den Verdacht hatte, dass sie alkoholbedingt oder aufgrund von Drogen nicht in der Lage, das Fahrzeug richtig zu führen:
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Nach der 1. Vollbremsung sei er geschockt gewesen, aber er habe gedacht, das könne passieren. Nach der nächsten Abbremsung habe er sich gedacht, dass jemand hier ein Auto führe, der dazu nicht in der Lage sei, z.B. wegen Drogen oder Alkohol. Er habe sich daraufhin entschlossen, das Fahrzeug rauszuziehen, da das Fahren unkonzentriert gewesen sei. Es sei Fasching gewesen. Er habe Alkohol oder Drogen vermutet.
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Wenn die Zeugin tatsächlich unter Drogen oder Alkohol gestanden wäre, hätte sie bereits eine Straftat nach § 316 StGB begangen.
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Es gab daher Anhaltspunkte, dass eine Straftat vorlag.
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Wie bereits dargestellt, kommt es auf die Sichtweise des Beamten an, ob tatsächlich objektiv eine Straftat begangen wurde, ist unerheblich.
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Hier war zudem zu befürchten, wenn sich sein Verdacht bestätigt hätte, dass andere Teilnehmer im Straßenverkehr geschädigt werden können, wenn die Zeugin aufgrund ihres vermuteten Alkohol- oder Drogenkonsums einen Unfall verursacht hätte.
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Der Kläger hat daher aus seiner Sicht zur Verfolgung von einer Straftat auf frischer Tat und bei Bestehen einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr gehandelt.
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Sein Eingreifen war nach Art. 11 BayPolG zulässig. Er durfte auch die Zeugin anhalten, die Identität und die Papiere der Zeugin überprüfen.
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Nach Art. 11 Abs. 3 Satz 1 BayPolG hätte er jedoch die zuständige Polizeidienststelle unverzüglich unterrichten müssen. Auch hätte er seine eigene Dienststelle unterrichten müssen. Hiergegen hat der Kläger verstoßen. Er sagte zwar, dass dies überflüssig gewesen sei, da er die Zeugin ja nicht mehr anzeigen habe wollen, da er festgestellt habe, dass keine Alkoholfahrt vorgelegen habe. Dies ist jedoch unerheblich.
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Auf S. 2 und S. 3 der Disziplinarverfügung vom 16. August 2016 wird beim ermittelten Sachverhalt angegeben, dass durch das Gericht nicht eindeutig geklärt werden konnte, ob der Kläger die Schusswaffe einsatzbereit im Holster oder bereits in den Händen gehalten hat. Fest stehe, dass die Gesprächsführung während der Kontrollsituation sehr emotional abgelaufen sei, wobei durch das Gericht aufgrund unterschiedlicher Aussagen nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte, welche der beteiligten Personen ursächlich für die emotionale Auseinandersetzung gewesen sei. In der Verfügung wird ihm insoweit kein Fehlverhalten vorgeworfen.
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Unabhängig davon durfte der Kläger im Glauben, dass das Fahrzeug der Zeugin ihn überrollt, aus Notwehr seine Waffe abwehrbereit vor sich halten. Dass in einer für beide extremen Situation das Gespräch emotional geführt wird, ist nachvollziehbar und keinem der Beteiligten vorwerfbar.
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Unklar ist, ob der Kläger die Zeugin verwarnt hat. Deshalb kann dem Kläger insoweit kein Fehlverhalten vorgeworfen werden.
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Hierzu sind die Aussagen widersprüchlich.
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In der Zeugenvernehmung vom 10. Februar 2015 gibt die Zeugin an, er habe gesagt: „Ich wollte Sie eigentlich mündlich verwarnen, aber jetzt zeige ich Sie an“. Im Protokoll vom 15. November 2015 der Sitzung des Amtsgerichts Erding ist vermerkt, „und dann kam er zurück und er wollte mich nur verwarnen“. Die Aussagen sind daher hierzu widersprüchlich.
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Der Kläger mag zwar mit dem Daumen den Namen auf seinem Ausweis verdeckt haben. Dies kann aber versehentlich passiert sein. Der Aufforderung, seinen Finger wegzunehmen, kam er nach.
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Als Fehlverhalten verbleibt daher Folgendes:
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Der Kläger hat weder die Landespolizei noch die Bundespolizei informiert.
61
Der Kläger hat sich auch im Rahmen der Kontrolle nicht korrekt verhalten.
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Er stellte sich der Zeugin nicht vor und eröffnete ihr auch nicht den Grund der Kontrolle. Ebenso wenig überprüfte er ihre Alkoholisierung z.B. durch Anhauchen.
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In diesem Verhalten ist jedoch kein pflichtwidriges Verhalten mit disziplinarrechtlicher Relevanz zu sehen.
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Jeder Beamte ist Schwankungen seiner Arbeitskraft unterworfen und macht gelegentlich Fehler, die eine Verwaltung vernünftigerweise in Kauf nehmen muss. Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Ausübung des Dienstes hat deshalb regelmäßig nur eine im Ganzen durchschnittliche Leistung zum Gegenstand. Um ein nachlässiges Gesamtverhalten als in disziplinarrechtlicher Hinsicht pflichtwidrig zu kennzeichnen, bedarf es des Nachweises mehrerer einigermaßen gewichtiger Mängel der Arbeitsweise, die insgesamt über das normale Versagen eines durchschnittlichen Beamten eindeutig hinausgehen und nicht auf bloßes Unvermögen zurückzuführen sind (BVerwG, U.v. 12.2.1992, Az. 1 D 2/91).
65
Eine solche Häufung von Mängeln kann im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden.
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Vielmehr muss man hier die Gesamtsituation betrachten. Der Kläger hatte den Verdacht, dass die Zeugin alkoholisiert oder unter Drogen Auto fährt und hat sie daraufhin angehalten. Er geriet dadurch in eine Extremsituation, dass sie auf ihn zurollte und er daher zu Recht die Befürchtung hatte, dass sie ihn überfährt. Er befand sich in einer extremen emotionalen Situation. Vermutlich war er erleichtert, als er dann feststellte, dass sich alles als harmlos herausstellte und es sich hier nur um ein Fehlverhalten im Straßenverkehr handelte. Daher hielt er eine Meldung für überflüssig. Aufgrund dieser extremen Situation und der Tatsache, dass er üblicherweise nicht als Streifenpolizist tätig ist, war es nachvollziehbar, dass er sich nicht als Polizist vorgestellt hat und den Grund seiner Kontrolle genannt hat. Das Gleiche gilt auch für die Überprüfung der Alkoholisierung. Er hat hier zwar bei der Kontrolle Fehler gemacht und auch der Landespolizei und seiner eigenen Polizeidienststelle seine Kontrolle nicht mitgeteilt. Es handelt sich jedoch lediglich um Fehler, die die Verwaltung vernünftigerweise in Kauf nehmen muss.
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Eine nichtschuldhafte Mangelleistung begründet keine Dienstpflichtverletzung (BVerwG, B.v. 19.1.2016, Az: 2 B 44/14).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 BDG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig, § 77 Abs. 1 BDG i.V.m. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO, da dem Kläger nicht zugemutet werden konnte, das Vorverfahren allein zu betreiben.