Inhalt

VG München, Urteil v. 10.03.2020 – M 5 K 19.4229
Titel:

Ruhestandsversetzung eines Verwaltungsinspektors wegen Dienstunfähigkeit

Normenketten:
BeamtStG § 26, § 27
BayBG Art. 65
Leitsatz:
Maßgeblich für die Beurteilung der Dienstfähigkeit ist allein die Leistungsfähigkeit des Beamten; bestehen erhebliche Leistungseinschränkungen, ist für die Frage der Dienstunfähigkeit unerheblich, worauf diese beruhen (hier: Einwand, dass zur Dienstunfähigkeit führendes Chronisches Fatigue-Syndrom auf Epstein-Barr-Virusinfektion beruhe). (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Versetzung in den Ruhestand, Amtsärztliches Gesundheitszeugnis, Vollständige Dienstunfähigkeit, Chronic fatigue Syndrom (chronisches Müdigkeitssyndrom), Ruhestandsversetzung, Zurruhesetzung, Dienstunfähigkeit, Fatigue, Epstein-Barr
Fundstelle:
BeckRS 2020, 19484

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der am … Juni 1974 geborene Kläger stand bis zu der hier streitgegenständlichen Ruhestandsversetzung als Verwaltungsinspektor (Besoldungsgruppe A 9 + AZ) in Diensten der Beklagten. Mit Wirkung zum … August 2019 wurde der Kläger wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt.
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Nachdem der Kläger seit … April 2017 durchgehend erkrankt war, teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom … Februar 2018 mit, dass sie Zweifel an der Dienstfähigkeit des Klägers habe und daher eine amtsärztliche Untersuchung des Klägers beabsichtige. Der Kläger legte daraufhin ein auf den *. März 2018 datiertes privatärztliches Attest vor, aus dem hervorgeht, dass der Kläger an einer laborchemisch gesicherten aktiven Epstein-Barr-Virus- (EBV) und Cytomegalievirus- (CMV) Infektion leide, die zu einer anhaltenden Schwäche, Müdigkeit und Infektanfälligkeit führe. Daneben liege eine beginnende Depression des Klägers vor. Eine Wiederherstellung des Gesundheitszustandes sei nicht absehbar.
3
Am … Juni 2018 wurde der Kläger von der Amtsärztin Dr. med. A. K., Fachärztin für innere Medizin, Hämatologie und Onkologie, amtsärztlich untersucht; am … August 2018 erfolgte eine Zusatzbegutachtung im nervenärztlichen Fachbereich durch Dr. med. M. K., Fachärztin für Nervenheilkunde, Psychiatrie und Psychotherapie.
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In dem vom Referat für Gesundheit und Umweltschutz erstellten Gesundheitszeugnis vom … August 2018 kommt die Amtsärztin Dr. med. A. K. zu dem Ergebnis, dass eine vollständige und anhaltende Dienstunfähigkeit beim Kläger vorliege, die in einer schwergradigen Erkrankung im nervenärztlichen Fachbereich begründet sei. Die Erkrankung äußere sich in einer deutlich erhöhten Erschöpfbarkeit bei sämtlichen Alltagsaktivitäten. Das Durchhaltevermögen sowie die Dauer des Konzentrationsvermögens seien stark beeinträchtigt. Ein anderes Amt oder eine geringer wertige Tätigkeit könne nicht übertragen werden. Begrenzte Dienstfähigkeit liege nicht vor. Mit Gesundheitszeugnis vom … November 2018 ergänzte die Amtsärztin Dr. med. A. K. das Gutachten vom … August 2018 um die Mitteilung der erfolgten Untersuchungsmethode. Die Untersuchung am … Juni 2018 habe die Erhebung der Krankheitsvorgeschichte und aktueller Beschwerden sowie eine körperliche Untersuchung beinhaltet. Die Zusatzuntersuchung auf nervenärztlichem Fachgebiet habe eine psychiatrische Exploration mit Erhebung der Krankheitsvorgeschichte und aktueller Beschwerden sowie die Erhebung eines psychopathologischen Befundes umfasst. Außerdem seien die vom Kläger eingereichten fachärztlichen bzw. fachtherapeutischen Befundberichte berücksichtigt worden.
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Mit Schreiben vom … Dezember 2018, dem Kläger zugestellt am … Dezember 2018, teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit beabsichtigt sei.
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Mit Schreiben vom … Dezember 2018 erhoben die Prozessbevollmächtigten des Klägers dagegen Einwendungen, die mit Schreiben vom … Mai 2019 begründet wurden. Das Gesundheitszeugnis beruhe auf zeitlich überholten Befunden und berücksichtige nicht, dass der Gesundheitszustand des Klägers auf einer Immunschwäche beruhe. Daher sei zumindest von einer teilweisen Dienstfähigkeit auszugehen, insbesondere, wenn der Dienst im Rahmen eines Homeoffice durchgeführt werden könne. Der Kläger legte dem Schreiben ein privatärztliches Attest vom *. Mai 2019 bei, das dem Kläger ein chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS) attestiert, welches nicht psychosomatisch sei, sondern auf dem Boden eines chronischen EBVInfektes beruhe. Die behandelnde Ärztin erachte die Durchführung der Tätigkeit im Homeoffice als möglich.
7
Mit Schreiben vom … Juni 2019 teilte die Klagepartei mit, dass mit Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom … November 2018 der Kläger einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt wurde und beantragte die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung.
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Mit Schreiben vom … Juni 2019 hörte die Beklagte die Gesamtschwerbehindertenvertretung zu der beabsichtigten vorzeitigen Versetzung des Klägers in den Ruhestand an.
9
Mit Bescheid vom … Juli 2019, dem Kläger zugestellt am … Juli 2019, wurde der Kläger mit Wirkung zum … August 2019 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Der Kläger sei aus amtsärztlicher Sicht vollständig und anhaltend dienstunfähig. Die Auswirkungen der gesundheitlichen Einschränkungen seien von den behandelnden Ärzten in Übereinstimmung mit der Amtsärztin als schwergradig, anhaltend und sehr belastend bestätigt worden. Ein anderes Amt oder eine geringer wertige Tätigkeit könne nicht übertragen werden. Begrenzte Dienstfähigkeit liege nicht vor. Inwiefern mit diesen Feststellungen die von der behandelnden Ärztin des Klägers vorgeschlagene Tätigkeit im Homeoffice vereinbar sein soll, sei völlig offen.
10
Mit Schriftsatz vom 20. August 2019, eingegangen bei Gericht am 21. August 2019, hat der Kläger Klage erhoben und zuletzt beantragt,
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I. den Bescheid der Beklagten vom … Juli 2019 aufzuheben.
II.
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Die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit ab *. August 2019 Dienstbezüge in voller Höhe sowie jeweils ab Fälligkeit Prozesszinsen in gesetzlicher Höhe zu bezahlen.
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Der Bescheid sei rechtswidrig, da er sich allein auf das nunmehr ein Jahr alte Gesundheitszeugnis vom … August 2018 stütze. Es werde nicht auf die geltend gemachten Einwendungen, das vorgelegte Attest vom *. Mai 2019 sowie auf den Antrag auf Einholung einer Auskunft des Gesundheitsamtes eingegangen. Der Bescheid beruhe auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs und sei daher aus formalen Gründen rechtswidrig. Die Frage einer begrenzten Dienstfähigkeit sei ebenso wenig geprüft worden wie die Frage einer Tätigkeit im Homeoffice. Die Beklagte habe dem Kläger durch die Reduzierung der Bezüge einen erheblichen Schaden zugefügt. Der Kläger werde in Kürze einen Bankkredit aufnehmen müssen. Der Kläger mache daher Prozesszinsen geltend. Es obliege der Entscheidung des Klägers, die behaupteten Nachteile einer Tätigkeit im Homeoffice notfalls in Kauf zu nehmen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Ruhestandsversetzung sei formell und materiell rechtmäßig. Der ermittelte Sachverhalt rechtfertige die Feststellung, dass der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung dauerhaft dienstunfähig gewesen sei. Die amtsärztlichen Feststellungen gingen von einer vollständigen und anhaltenden Dienstunfähigkeit des Klägers aus. Die tragenden amtsärztlichen Feststellungen seien überzeugend, widerspruchsfrei und schlüssig dargestellt. Der Kläger dringe mit seinen Einwendungen nicht durch. Die Selbsteinschätzung des Klägers habe keine rechtliche Erheblichkeit. Die Beklagte habe sich mit den klägerischen Einwendungen auseinandergesetzt. Amtsärztliche Feststellungen würden gegenüber privatärztlichen Feststellungen Vorrang genießen. Amtsärztliche Gutachten würden in Bezug auf die getroffene Prognose über die voraussichtliche Entwicklung des Gesundheitszustandes Bindungswirkung für die Beklagte entfalten. Es sei ein nicht zu unterschätzender Nachteil des Arbeitens im privaten Umfeld, dass die Gefahr der Überlastung drohe. Zudem erfordere ein erfolgreiches Arbeiten von zuhause viel Selbstdisziplin und -organisation, Zeitmanagement sowie die Fähigkeit, Prioritäten zu setzen. Die festgestellte chronische Erkrankung des Klägers, die zu anhaltender Schwäche, Müdigkeit und Infektanfälligkeit führe, stehe den Voraussetzungen einer Tätigkeit im Homeoffice deutlich entgegen.
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Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung am 10. März 2020 Beweis erhoben über die Umstände der Dienstfähigkeit des Klägers, insbesondere durch Erläuterung der Gesundheitszeugnisse vom … August 2018 und … November 2018 durch Einvernahme von Dr. med. A. K. und Dr. med. M. K. als sachverständige Zeuginnen.
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Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten sowie insbesondere zum Ergebnis der Beweisaufnahme auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 10. März 2020 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet und hat daher keinen Erfolg.
20
1. Der Bescheid vom …Juli 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Denn der Kläger war zum für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung - des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids vom … Juli 2019 bzw. dessen Zustellung am … Juli 2019 - vollständig dienstunfähig und daher von der Beklagten in den Ruhestand zu versetzen.
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a) Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz - BeamtStG) sind Beamtinnen und Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauerhaft unfähig (dienstunfähig) sind.
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Als dienstunfähig nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG können Beamtinnen und Beamte auch dann angesehen werden, wenn sie infolge einer Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst geleistet haben und keine Aussicht besteht, dass sie innerhalb von weiteren sechs Monaten wieder voll dienstfähig werden, Art. 65 Abs. 1 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG). Bestehen Zweifel über die Dienstfähigkeit, so ist der Beamte oder die Beamtin verpflichtet, sich nach Weisung des oder der Dienstvorgesetzten ärztlich untersuchen und, falls ein Amtsarzt oder eine Amtsärztin dies für erforderlich hält, beobachten zu lassen, Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBG.
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Von der Versetzung in den Ruhestand soll nach § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist. Eine anderweitige Verwendung ist nach § 26 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG möglich, wenn der Beamtin oder dem Beamten ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann. Zur Vermeidung der Versetzung in den Ruhestand kann der Beamtin oder dem Beamten unter Beibehaltung des übertragenen Amtes ohne Zustimmung auch eine geringer wertige Tätigkeit im Bereich desselben Dienstherrn übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich ist und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist, § 26 Abs. 3 BeamtStG.
24
Von der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit soll nach § 27 Abs. 1 BeamtStG abgesehen werden, wenn die Beamtin oder der Beamte unter Beibehaltung des übertragenen Amtes die Dienstpflichten noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen kann (begrenzte Dienstfähigkeit). Die Arbeitszeit ist nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG entsprechend der begrenzten Dienstfähigkeit herabzusetzen. Mit Zustimmung der Beamtin oder des Beamten ist auch eine Verwendung in einer nicht dem Amt entsprechenden Tätigkeit möglich, § 27 Abs. 2 Satz 2 BeamtStG.
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b) Nach diesen Maßgaben ist die Versetzung des Klägers in den Ruhestand durch die Beklagte rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger war zur Überzeugung des Gerichts zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids vollständig dienstunfähig.
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aa) Der Bescheid vom … Juli 2019 stützt sich zunächst rechtlich einwandfrei auf das Gesundheitszeugnis der Amtsärztin Dr. med. A. K. vom … August 2018.
27
Darin wurde dargestellt, dass beim Kläger eine vollständige und anhaltende Dienstunfähigkeit vorliege, welche in einer schwergradigen Erkrankung im nervenärztlichen Fachbereich begründet sei. Die Erkrankung äußere sich in einer deutlich erhöhten Erschöpfbarkeit bei sämtlichen Alltagsaktivitäten. Das Durchhaltevermögen sowie die Dauer des Konzentrationsvermögens seien stark beeinträchtigt. Ein anderes Amt oder eine geringer wertige Tätigkeit könnten nicht übertragen werden. Begrenzte Dienstfähigkeit liege nicht vor.
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Die Beklagte befand diese Aussagen des amtsärztlichen Gutachtens in ihrem Bescheid vom … August 2019 für stichhaltig und stütze ihre Entscheidung darauf.
29
bb) Das Gericht ist aufgrund der Einvernahme der Amtsärztinnen Dr. med. A. K. sowie Dr. med. M. K. als sachverständige Zeuginnen in der mündlichen Verhandlung am 10. März 2020 zu der Überzeugung gelangt, dass das Gesundheitszeugnis vom … August 2018, das dem Kläger vollständige und - zumindest bis zu einer Nachuntersuchung nach Ablauf eines Jahres - anhaltende Dienstunfähigkeit bescheinigte, nachvollziehbar und schlüssig ist. Ebenso ergaben sich zur Überzeugung des Gerichts keine Anhaltspunkte dafür, dass beim Kläger eine anderweitige Verwendung, die Übertragung einer geringer wertigen Tätigkeit oder die Ausübung der Tätigkeit im Homeoffice möglich wäre oder noch begrenzte Dienstfähigkeit gegeben wäre. Das ergibt sich aus Folgendem:
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Die sachverständige Zeugin Dr. med. A. K. hat anschaulich und nachvollziehbar dargelegt, dass sie zu dem Ergebnis des Gesundheitszeugnisses aufgrund des beim Kläger diagnostizierten Chronic fatigue - Syndroms (CFS, chronisches Müdigkeitssyndrom nach ICD-10 der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der Weltgesundheitsorganisation/WHO, dort Nr. G 93.3) sowie einer vorhandenen depressiven Episode mittelgradiger Ausprägung gelangte.
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Die Diagnosen habe sie erst nach einer Zusatzbegutachtung auf nervenärztlichem Fachgebiet durch die im nervenärztlichen, psychiatrischen und psychotherapeutischen Fachgebiet tätige Amtsärztin Dr. med. M. K. gestellt. Bei der amtsärztlichen Untersuchung am … Juni 2018 habe sie gesehen, dass die Beschwerden des Klägers ganz erheblich seien und schon lange andauerten. Allerdings hätten diese Beschwerden nicht auf dem internistischen Fachgebiet gelegen, sodass sie eine Zusatzbegutachtung im nervenärztlichen Fachbereich in Auftrag gegeben habe.
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Das erstellte Zusatzgutachten habe sie durchgesehen und für schlüssig erachtet. Auf dieser Grundlage sei sie zu der Einschätzung gekommen, dass der Kläger dienstunfähig sei. Die Schilderungen im Zusatzgutachten hätten sich mit ihren Einschätzungen der Beschwerden des Klägers gedeckt und hätten auch mit den privatärztlichen Attesten des Klägers in Einklang gestanden.
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Die sachverständige Zeugin erläuterte schlüssig und in sich widerspruchsfrei, dass eine Tätigkeit im Homeoffice keine Möglichkeit sei, von der Dienstfähigkeit des Klägers ausgehen zu können. Sie führte hierzu insbesondere überzeugend aus, dass man auch bei einer Tätigkeit zuhause grundsätzlich die gleiche Leistung erbringen müsse wie im Büro, beim Kläger jedoch eine stark eingeschränkte Leistungsfähigkeit bestehe. Auch Ruhepausen würden nicht zu einer vollen Regeneration führen, d.h. die eingeschränkte Leistungsfähigkeit bleibe bestehen.
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Des Weiteren erläuterte die Amtsärztin schlüssig und in sich widerspruchsfrei, dass das Leistungsbild des Klägers sich bei den Untersuchungen als stark eingeschränkt gezeigt habe und diese Einschränkung unabhängig von den diese begründenden Grunderkrankungen sei. Es sei daher letztlich nicht maßgeblich, worauf die Leistungseinschränkungen beruhten.
35
Die sachverständige Zeugin Dr. med M. K. hat anschaulich und nachvollziehbar dargelegt, dass sie zu dem Ergebnis des Zusatzgutachtens aufgrund der beim Kläger diagnostizierten CFS sowie depressiven Episode mittelgradiger Ausprägung gelangte. Bei einer CFS trete häufig eine depressive Episode mit auf. Beides zusammen begründe die Dienstunfähigkeit, wobei die Diagnose CFS für die Begründung der Dienstunfähigkeit im Vordergrund stehe.
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Diese Diagnosen habe sie nach einer Exploration des Klägers unter Würdigung der vorgelegten Befunde gestellt. Die Schilderungen des Klägers über seine Einschränkungen seien entsprechend schwerwiegend gewesen. So habe er angegeben, dass er nach dem Klinikaufenthalt keine Wiedereingliederung anstrebe, da er dies nicht schaffen könne. An manchen Tagen sei er nicht auf die Beine gekommen.
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Die sachverständige Zeugin erläuterte schlüssig und in sich widerspruchsfrei, dass eine Dienstfähigkeit nicht angenommen werden könne, wenn der Kläger im Homeoffice arbeite. Sie führte hierzu insbesondere überzeugend aus, dass eine solche Arbeitsmöglichkeit für eine gesunde Person eingerichtet werde. Der Kläger habe angegeben, dass er sich relativ unvermittelt hinlegen müsse, wenn er sich erschöpft fühle. Er schlafe dann manchmal fünf Minuten, manchmal 15 Minuten, manchmal eine Stunde oder länger. Das zeige, dass die Arbeit auch nicht im Homeoffice erledigt werden könne. Bei einer CFS seien Patienten sehr schnell erschöpft und auch nach einer längeren Ruhepause nicht erholt. Das entspreche den nervenärztlichen Definitionen.
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Des Weiteren erläuterte die sachverständige Zeugin schlüssig und in sich widerspruchsfrei, dass für ihre Diagnose unerheblich sei, ob der Kläger an einer Epstein-Barr-Virus Infektion erkrankt sei. Das sei für ihre Definition eines neurologisch-psychiatrischen Störungsbildes nicht relevant.
39
Soweit die Klagepartei einwendet, dass die Ruhestandsversetzungsverfügung auf einem überholten bzw. veralteten Gesundheitszeugnis beruhe, ist dem entgegenzuhalten, dass seit der Begutachtung am … August 2018 weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers verbessert habe. Auch aus dem privatärztlichen Attest vom … Mai 2019 geht dies nicht hervor. Darin wird lediglich eine EBV-Infektion als Ursache für die CFS genannt sowie die Frage der Tätigkeit im Homeoffice aufgeworfen. Dieses Attest änderte nichts an der medizinischen Einschätzung der Dienstfähigkeit des Klägers durch die sachverständigen Zeuginnen. Diese haben anschaulich und nachvollziehbar dargelegt, dass die Ursache für die Leistungseinschränkungen nicht relevant sei. Maßgeblich seien allein die vorhandenen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit des Klägers, die zu einer Dienstunfähigkeit geführt haben. Die Leistungseinschränkungen seien mit einer Tätigkeit im Homeoffice nicht vereinbar.
40
c) Auch die gerügte Verletzung rechtlichen Gehörs kann nicht zur Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids führen. Denn unabhängig davon, ob überhaupt eine Verletzung rechtlichen Gehörs vorliegt, konnte dies jedenfalls die Entscheidung in der Sache nicht beeinflussen. Maßgeblich für die Beurteilung der Dienstfähigkeit ist allein die Leistungsfähigkeit des Beamten. Die Amtsärztinnen haben beim Kläger erhebliche Leistungseinschränkungen festgestellt. Worauf diese beruhen ist für die Frage der Dienstunfähigkeit unerheblich. Daher konnte die Einwendung, dass der Gesundheitszustand auf einer EBV-Infektion beruhe, die Entscheidung über die Ruhestandsversetzung nicht beeinflussen.
41
2. Da der streitgegenständliche Bescheid vom … Juli 2019 Bestand hat, hat der Kläger keinen Anspruch auf die Auszahlung seiner vollen Bezüge. Auch die Zahlung von Prozesszinsen (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch/BGB) kommt nicht in Betracht.
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3. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).