Inhalt

VG Regensburg, Beschluss v. 20.02.2020 – RN 2 E 20.209
Titel:

Erfolgreicher Eilantrag mit dem Ziel der Genehmigung der Aufstellung von Wahlplakaten im Format DIN A2

Normenketten:
GG Art. 21 Abs. 1 S. 1
VwGO § 123
BayStrWG Art. 18
Leitsätze:
1. Dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Einräumung einer angemessenen Möglichkeit zur Mitwirkung bei der Wahl durch angemessene Wahlwerbung kommt im demokratischen Rechtsstaat eine große Bedeutung zu, die eine Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren rechtfertigen kann. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Festlegung eines einheitlichen Formats für Wahlplakate kann diesen Anspruch im Einzelfall in nicht gerechtfertigter Weise einschränken. (Rn. 27 – 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, Vorwegnahme der Hauptsache, Wahlsichtwerbung durch politische Parteien, Plakatierung, Vorgabe eines einheitlichen Formates, Wahlsichtwerbung, Sondernutzungserlaubnis, Wahlwerbung, Wahlplakat, einheitliches Format, Kommunalwahl
Fundstelle:
BeckRS 2020, 1942

Tenor

I. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, dem Antragsteller die mit Antrag vom 7.2.2020 beantragte Aufstellung von Plakaten im DIN A 2 Format zu genehmigen.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert beträgt 1.000 Euro.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin, dem Antragsteller die Genehmigung der Plakatierung im Format DIN A2 zum Zwecke der Wahlwerbung für die Kommunalwahl am 15.3.2020 in der Stadt … zu erteilen.
2
Der Antragsteller ist eine Wählervereinigung, die zur Kommunalwahl in Bayern am 15.3.2020 mit einer eigenen Liste zur Stadtratswahl in der Stadt … antritt.
3
Für das Gebiet der Antragsgegnerin existiert eine „Verordnung der Stadt … über das Anbringen von Anschlägen und Plakaten und über die Darstellung durch Bildwerfer“ in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.12.1982 (BayRS 2011-2-I), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.7.1992 (GVBl. S. 152). Die Verordnung datiert vom 25.6.2001.
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Mit E-Mail vom 6.2.2020 erkundigte sich der Antragsteller bei der Antragsgegnerin im Hinblick auf Wahlwerbung. Insbesondere fragte der Antragsteller nach dem Bedarf einer Sondernutzungserlaubnis und ob es sonstige Vorschriften/Satzungen etc. gäbe, die für die Wahlwerbung speziell in … zu beachten seien.
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Mit E-Mail vom 7.2.2020 antwortete die Antragsgegnerin und wies den Antragsteller insbesondere darauf hin, dass der Antragsteller für das Anbringen von DIN A1 Plakaten im Stadtgebiet das beigefügte Formblatt verwenden solle. Bei sog. Großflächenplakaten sei ebenfalls das beigefügte Antragsformular zu verwenden. Hier sei allerdings der jeweilige Standort mittels Übersichtskarte oder Lageplan exakt zu definieren. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass im Anhang die Plakatierungsverordnung der Antragsgegnerin und eine Übersicht, in der das „Sperrgebiet“ für Wahlplakate eingezeichnet sei, zu finden sei. Im beigefügten Formular der Antragsgegnerin „Antrag auf Erlaubnis zur Plakatierung“ ist bei „Art der Plakatierung“ vermerkt „(Format wie A1, A2 oder Großplakat in Bauzaungröße usw.)“.
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Der Antragsteller beantragte mit Datum vom 7.2.2020 die Erlaubnis zur Plakatierung für 650 Plakate der Größe DIN A2 für den Zeitraum vom 10.2.2020 - 20.3.2020.
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Mit E-Mail vom 10.2.2020 wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass man sich bei der Wahlplakatierung auf ein einheitliches Format (DIN A1, hoch) verständigt habe und man daher um eine erneute Antragstellung bitte.
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Der Antragsteller teilte mit E-Mail vom 10.2.2020 der Antragsgegnerin mit, dass man sich nicht an die Absprachen anderer Parteien gebunden fühle, insbesondere da niemand mit ihnen darüber geredet habe. Aus den Dokumenten gehe keine Formatvorlage vor, im Gegenteil sei im Antragsformular auch A2 als Format erwähnt. Man halte daher am Antrag fest. Man habe bereits Plakate bestellt. Wo DIN A1 Plakate möglich seien, seien DIN A2 Plakate erst recht möglich. Sofern es sich um eine rechtsverbindliche Vorschrift handele, werde um Übersendung des entsprechenden Textes und Benennung der Form (Satzung, etc.) gebeten.
9
Mit E-Mail vom 10.2.2020 antwortete die Antragsgegnerin, dass das Antragsformular generell für Plakatierung erstellt worden sei. Im Rahmen der Gleichbehandlung aller Parteien und Wählergruppen würde jedenfalls seit geraumer Zeit das Format DIN A1 (hochkant) als einzig mögliches Format vergeben.
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Mit Bescheid vom 10.2.2020 erteilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Erlaubnis zur Plakatierung im Rahmen der Kommunalwahl am 15.3.2020 im Stadtgebiet … Ziffer 1 des Bescheides lautet:
„Die Erlaubnis gilt ausschließlich für Plakate im Format DIN A1 im Hochformat auf Trägertafeln.“
11
In den Gründen führt die Antragsgegnerin aus, dass um eine möglichst einheitliche Plakatierung aller Parteien zu gewährleisten und somit die Beeinträchtigung für das Stadtbild in Grenzen zu halten, im öffentlichen Straßenraum nur ein Format (DIN A1/Hochformat) zugelassen werde. Auf den Bescheid wird im Übrigen verwiesen.
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Am 11.2.2020 stellte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Regensburg einen Antrag auf einstweilige Anordnung.
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Begründet wurde dieser im Wesentlichen damit, dass zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes eine Vorwegnahme der Hauptsache im Verfahren nach § 123 VwGO zulässig sei, wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und in der Hauptsache nicht mehr zu beseitigen seien. Dies sei bei einem Verfahren, in dem eine politische Partei unmittelbar vor einer Wahl die Verbesserung ihrer Werbemöglichkeiten erstrebe, wegen des drohenden Zeitablaufs regelmäßig der Fall. Die Einschränkung auf ein einziges Format schränke die Möglichkeit des Straßenwahlkampfes mit Plakatwerbung unverhältnismäßig ein. Gem. Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG hätten die politischen Parteien die Aufgabe, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Die Parteien, und bei Kommunalwahlen auch die Wählergruppierungen, könnten diesen Auftrag des Grundgesetztes nur dann wirksam wahrnehmen, wenn sie nicht nur innerparteilich arbeiten würden, sondern auch nach außen tätig und sichtbar würden. Nach außen wirkende Tätigkeiten, wie der Straßenwahlkampf mit Plakatwerbung, fielen daher in den Schutzbereich der Parteifreiheit. Die Wahlkämpfe vor Wahlen seien aufgrund der aus Art. 38 Abs. 1 GG folgenden Wahlfreiheit zufolge grundsätzlich frei und unterlägen de lege lata weder nach Beginn und Dauer noch nach Art und Menge der Wahlwerbung noch im Umfang der dafür aufgewendeten Geldmittel einer gesetzlichen Einschränkung. Es sei zulässig das Aufstellen von Wahlplakaten auf öffentlichen Straßen von einer Sondernutzungserlaubnis nach straßenrechtlichen Vorschriften abhängig zu machen. Im Ermessen müsse die zuständige Behörde Grundrechte und grundrechtsgleiche Rechte beachten, was sich insbesondere im Vorfeld von Wahlen ermessensreduzierend auswirke. Das Aufstellen von Wahlwerbungsplakaten könne daher nur unter engen Voraussetzungen beschränkt oder verboten werden. Denkbar seien insbesondere bauordnungsrechtliche, straßen- und straßenverkehrsrechtliche Vorschriften, die - je nach Größe und Dauer der Plakatwerbung - unterschiedliche Zulässigkeitsvoraussetzungen und Grenzen normierten. Diese Grenzen würden überwiegend auf gefahrabwehrrechtlichen Gründen beruhen. Die Bedeutung der Wahlen für einen demokratischen Staat (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 und Art. 38 Abs. 1 GG) und die Bedeutung der Parteien für solche Wahlen, wie sie sich aus Art. 21 GG und §§ 1 ff. ParteiG ergäbe, schränke das behördliche Ermessen bei der Entscheidung über die Erlaubnis zum Aufstellen von Wahlplakaten durch Parteien in so erheblichem Umfang ein, dass jedenfalls im Regelfall ein Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis bestehe. Des Weiteren weist die Antragstellerseite auf den Grundsatz der Chancengleichheit der Bewerber und das Recht des Bürgers auf Teilhabe an der politischen Willensbildung hin. Diese Grundsätze würden auch für Wählervereinigungen auf kommunaler Ebene gelten. Die Plakatierungsverordnung der Antragsgegnerin treffe keine Vorgaben hinsichtlich der Formate. Es handele sich bei der Ausgestaltung der Erlaubnis um eine Ermessensentscheidung. Für die Begründung würden gefahrenabwehrende Gründe ausscheiden. Begründet werde die Regelung im Bescheid vielmehr damit, dass hiermit die Beeinträchtigungen für das Stadtbild in Grenzen gehalten werden sollen. Die beantragten Plakate seien zu klein und würden damit das Stadtbild beeinträchtigen. Dies sei nicht nachvollziehbar, da kleinere Plakate weniger die Sicht auf die Stadt verstellen würden. Auch seien DIN A2 Plakate offensichtlich zu anderen Anlässen zulässig. Es sei nicht nachvollziehbar, dass bei Wahlwerbung ein Format nicht zugelassen würde, welches aber außerhalb von Wahlen zulässig wäre, wo eine Ablehnung an nicht so enge Voraussetzungen gebunden sei. Das Verbot anderer Formate lasse sich auch nicht mit einer angestrebten Gleichheit der Parteien rechtfertigen. Die Antragsgegnerin habe mit der Verbotszone in der historischen Altstadt bereits einen sehr großen Eingriff vorgenommen. Nun auch für den verbleibenden restlichen Teil der Stadt aus rein ästhetischen Gründen ein einheitliches Format vorzuschreiben, überschreite in der Abwägung eklatant die Grenzen des Zulässigen. Eine Einschränkung der Zulässigkeitsvoraussetzungen für Wahlplakatwerbung sei im Regelfall nur aus gefahrenabwehrrechtlichen Gründen zulässig, bei anderen Gründen wie dem Schutz des Stadtbildes sei die Einschränkung so gering wie möglich zu halten. Hinzukomme, dass bereits jetzt die Wahlplakate unterschiedliche Größen haben würden. Ein DIN A1 Plakat auf Hohlkammer weise eine andere Größe auf als ein DIN A1 Plakat auf Karton. Auch seien Bauzaunplakate zulässig, welche ebenfalls eine andere Größe aufweisen würden. Auf Privatgrund sei wiederum jedes beliebige Format zulässig. Eine einheitliche Wahlwerbung sei nicht gegeben. Als milderes Mittel sei die Festlegung einer Maximalgröße möglich. Ferner hätte die Antragsgegnerin berücksichtigen müssen, dass sie trotz expliziter Nachfrage nicht auch mitgeteilt habe, dass nur DIN A1 zulässig sei und sie ein allgemeines Formular übersandt habe. Es sei nun ein erheblicher finanzieller Schaden entstanden, da die Plakate bereits größtenteils in Druck seien und nicht mehr storniert werden könnten. Zusätzlich würden weitere Kosten entstehen für eine erneute Bestellung in einem anderen Format. Durch diesen erheblichen finanziellen Schaden würde die Möglichkeit des Antragstellers, im Wahlkampf tätig zu werden, erheblich eingeschränkt.
14
Der Antragsteller beantragt sinngemäß:
15
Im Wege der einstweiligen Anordnung wird die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller die Genehmigung der Plakatierung im Format DIN A2 zum Zwecke der Wahlwerbung für die Kommunalwahl am 15.3.2020 in der Stadt … zu erteilen.
16
Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,
den Antrag abzulehnen.
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Begründet wird dies im Wesentlichen damit, dass der Ordnungsausschuss der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 10.12.2013 Vorgaben zur Wahlwerbung im Stadtgebiet gemacht habe. Die demnach von der Verwaltung im Rahmen von Sondernutzungserlaubnissen konsequent zu beachtenden und durchzusetzenden Auflagen würden unter anderem beinhalten:
„2. Die Erlaubnis gilt ausschließlich für Plakate im DIN A1 (Hochformat) auf Trägertafeln.“
18
Die Antragsgegnerin genehmige seit geraumer Zeit Wahlsichtwerbung mittels Plakathängern an Laternenmasten nur im Format DIN A1. Sie legte hierzu diverse Presse und Aktenauszüge vor, die belegen sollen, dass die Antragsgegnerin seit Jahren für eine strikte Einhaltung der Formvorgaben sorge und dies auch gegenüber anderen Parteien stets durchgesetzt habe. Eine Vielzahl unterschiedlicher Formate störe in nicht unerheblichem Maße das Ortsbild. Auch habe man den Antragsteller im Vorfeld auf das DIN A1 Format hingewiesen. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass eine Kommune den Wünschen der Wahlbewerber auf Wahlsichtwerbung nicht uneingeschränkt nachkommen müsse. In welcher Weise sie dem verfassungsrechtlichen Gebot auf Einräumung von Gelegenheit hierzu in einem für die Selbstdarstellung der jeweiligen Partei notwendigen und angemessenen Umfang Rechnung trage, sei ihre Sache. Insbesondere sei sie nicht durch Bundesrecht gehindert, die Straßen während eines angemessenen Zeitraums für freies Plakatieren nur mit bestimmten Auflagen freizugeben, etwa zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit, zur Wahrung des Ortsbildes, zur Vermeidung der Verschmutzung des Straßenraums durch „wildes Plakatieren“ und nicht wieder abgenommene Plakate oder zur Wahrung der Chancengleichheit der Wahlbewerber. Ebenso dürfe sie selbst Plakatflächen in notwendigerweise beschränktem Umfang zur Verfügung stellen. Es müsse aber immer sichergestellt sein, dass die Parteien angemessene und wirksame Wahlwerbemöglichkeiten hätten. Es sei nicht ersichtlich und vom Antragsteller auch nicht dargelegt, inwieweit durch diese Entscheidung in den Anspruch des Antragstellers auf angemessene und wirksame Wahlwerbemöglichkeit eingegriffen werden solle. Insbesondere sei unzutreffend, dass das Stadtbild durch mehrere kleinformatige Wahlplakate weniger oder im selben Maße betroffen sein soll, wie im Format DIN A1. Die Rechtsprechung erkenne grundsätzlich an, dass es den Kommunen unbenommen bleibe, unter Wahrung des Rechts im Übrigen Vorgaben zu Formaten von Wahlplakaten zu Gunsten des Stadtbildes zu treffen. Deutlich mehr falle jedoch der Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Parteien ins Gewicht. Wie der Antragsteller selbst vorgetragen habe, hätten alle anderen Parteien und Wählervereinigungen die Formatvorgaben der Antragsgegnerin eingehalten. In dem Konglomerat aus einförmigen Wahlplakaten steche ein anderes Format in erheblicher Art und Weise hervor und zwar ganz unabhängig davon, ob das einzelne Plakat nun kleiner oder größer sei, als alle anderen Plakate. Damit werde der Blick automatisch auf das Plakat gelenkt, das im Format von den anderen Plakaten abweiche, womit der Antragsteller in ungerechtfertigter Art und Weise gegenüber anderen Parteien und Wählervereinigungen bevorzugt würde. Die Entscheidung sei auch nicht unverhältnismäßig. Der Antragsteller sei auf das Format A1 ausdrücklich hingewiesen worden. Vorgelegt werden ferner diverse Beschlüsse des Ausschusses für Ordnung zum Thema Plakatierverordnung.
19
Wegen der Einzelheiten wird auf die Behörden- und Gerichtsakten verwiesen.
II.
20
Der Antrag ist zulässig und begründet.
21
Der Antrag ist zulässig. Ziel des Antragstellers ist ausweislich seines Vortrags die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis entsprechend seinem Antrag vom 7.2.2020, also für 650 Plakate im Format DIN A2. Es ist zwar zweifelhaft, ob im Bescheid der Antragsgegnerin vom 10.2.2020 die Ablehnung dieses Antrags mit einer Einschränkung auf Format DIN A1 gesehen werden kann, da ausdrücklich das Format DIN A 2 beantragt wurde. Es spricht einiges dafür, dass mit dem Bescheid vom 10.2.2020 ein aliud genehmigt wurde, d.h. eine Erlaubnis, die so nicht beantragt wurde, verbeschieden wurde. Die konkrete Einordnung kann jedoch im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes offenbleiben, da jedenfalls die begehrte Erlaubnis bislang nicht vorliegt und selbst wenn man im Bescheid vom 10.2.2020 eine konkludente Ablehnung sehen würde, diese jedenfalls nicht bestandskräftig ist und mangels Rechtsbehelfsbelehrung:vor Ablauf des begehrten Plakatierzeitraums auch nicht bestandskräftig werden kann. Soweit der Antragsteller die Erteilung der Erlaubnis unter Aufhebung des Bescheides vom 10.2.2020 beantragt hat, kann dies zwar im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes nicht erreicht werden. Der Antrag des nicht anwaltlich vertretenen Antragstellers kann jedoch gem. § 88 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) noch entsprechend ausgelegt werden, dass diesem Begehren neben dem eigentlichen Ziel des Antrags, dem Erhalt der Erlaubnis, keine eigenständige Bedeutung zukommt. Ob eine Erlaubniserteilung im Wege der Abänderung des Bescheides vom 10.2.2020 oder unter Aufhebung dessen erfolgt, bleibt der Antragsgegnerin überlassen.
22
Der Antrag ist auch begründet.
23
Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden, oder drohende Gewalt zu verhindern, oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Erforderlich ist grundsätzlich, dass der Antragsteller die Eilbedürftigkeit - den Anordnungsgrund - und ein subjektiv-öffentliches Recht - den Anordnungsanspruch - glaubhaft macht (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO).
24
Soweit das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers - wie vorliegend - nicht auf eine nur vorläufige Maßnahme zielt, sondern mit der Erteilung der Erlaubnis auf die Vorwegnahme der Hauptsache (vgl. insoweit BVerfG, B.v. 8.9.2014 - 1 BvR 23/14 - juris), ist dies im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn ein Obsiegen in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist und das Abwarten der dortigen Entscheidung für den Antragsteller schwere, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte. Dies ist bei einem Verfahren, in dem eine politische Partei unmittelbar vor einer Wahl die Verbesserung ihrer Werbemöglichkeiten erstrebt, wegen des drohenden Zeitablaufs regelmäßig der Fall (vgl. VG Augsburg, B.v. 1.10.2018 - Au 1 E 18.1617 - juris m.w.N.). Im Hinblick auf den zeitnahen Termin der Kommunalwahl am 15.3.2020 droht dem Antragsteller ein Rechtsverlust durch Zeitverlust. Dem geltend gemachten, verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf Einräumung einer angemessenen Möglichkeit zur Mitwirkung bei der Wahl durch angemessene Wahlwerbung kommt dabei im demokratischen Rechtsstaat eine große Bedeutung zu.
25
Ein Anordnungsgrund ist gegeben, da für den Antragsteller die Möglichkeit und Notwendigkeit der Wahlwerbung nur bis zum Wahltermin am 15.3.2020 besteht und damit eine umgehende Regelung erforderlich ist.
26
Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis gem. Art. 18 Bayerisches Straßen- und Wegegesetz - BayStrWG.
27
Gem. Art. 18 Abs. 1 BayStrWG bedarf der Gebrauch der öffentlichen Straßen über den Gemeingebrauch hinaus (Sondernutzung) der Erlaubnis. Die Antragsgegnerin geht auch zu Recht davon aus, dass das Anbringen von Wahlplakaten des Antragstellers auf öffentlich gewidmeten Flächen eine erlaubnispflichtige Sondernutzung darstellt. Die Sondernutzungserlaubnis steht im Ermessen der Straßenbaubehörde, weshalb grundsätzlich nur ein Anspruch auf ordnungsgemäße Ermessensausübung besteht. Die Ermessensausübung kann durch (verwaltungsinterne) Richtlinien oder Anordnungen für eine gleichmäßige Handhabung allgemein geregelt werden (vgl. Wiget in Siedler/Zeitler, BayStrWG, Werkstand 3.2019, Art. 18 Rn. 26). Der grundsätzlich bestehende Ermessensspielraum bei der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis kann jedoch eingeschränkt bzw. auf Null reduziert sein, so dass ein Anspruch auf die Erteilung der Erlaubnis bestehen kann. Die Bedeutung der Wahlen für einen demokratischen Staat und die Bedeutung der Parteien für solche Wahlen führen zu einer solchen Einschränkung des Ermessens. Nach ständiger Rechtsprechung haben die Parteien einen Anspruch darauf, ihnen eine Wahlsichtwerbung auf öffentlichen Straßen zu ermöglichen. Daraus folgt, dass ihnen im Regelfall - in gewissen Grenzen - ein Anspruch auf die benötigte Sondernutzungserlaubnis zusteht (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.12.1974 - VII C 42.72 -,VG Trier, B.v. 9.5.2014 - 6 L 811/14.TR - juris). Gleiches muss auch für Wählervereinigungen auf kommunaler Ebene gelten, da ihr Wahlvorschlagsrecht und die Chancengleichheit ihrer Kandidaten ebenfalls gewährleistet sein müssen (vgl. BVerfG, U.v. 13.2.2008 - 2 BvK 1/07 -, BVerfGE 120, 82, juris).
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Dies zugrunde gelegt, ist festzustellen, dass auch dem Antragsteller eine angemessene und wirksame Teilnahme am Straßenwahlkampf ermöglicht werden muss. Durch die erteilte Erlaubnis kann der Antragsteller zwar mit einer Plakatierung im DIN A1 im gleichen Umfang wie alle anderen Parteien am Straßenwahlkampf teilnehmen. Allerdings besteht trotz der erteilten Erlaubnis dennoch eine Einschränkung für den Antragsteller, da dieser gerade keine Plakatierung im Format DIN A1, sondern im Format DIN A2 beantragt hat. Auch wenn durchaus anzumerken ist, dass der Druckauftrag für DIN A2 offensichtlich bereits vor Erhalt der Erlaubnis erteilt wurde, hat der Antragsteller insgesamt nachvollziehbar dargelegt, dass bei den gegebenen Umständen die Verweigerung einer Sondernutzungserlaubnis für das Format DIN A2 zu zusätzlichen Kosten und zusätzlichem Aufwand führt und damit, insbesondere im Hinblick auf die Kürze der noch zur Verfügung stehenden Zeit, zu einer Erschwernis der Teilnahme am Wahlkampf. Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, dass der Antragsteller im Vorfeld ausdrücklich auf das Format DIN A1 hingewiesen worden sei, kann dies jedenfalls in eindeutiger Form nach Aktenlage nicht nachvollzogen werden. Der Antragsteller stellte in seiner E-Mail vom 6.2.2010 in Ziffer 1 die Frage, ob er für das Anbringen von Plakaten an Laternen etc. eine Sondernutzungserlaubnis benötige. Er erhielt hierauf die Antwort, dass er für das Anbringen von DIN- A1-Plakaten im Stadtgebiet das beigefügte Formular verwenden solle und eine Nennung der Standorte nicht erforderlich sei. Das beigefügte Formular führte jedoch unter „Art der Plakatierung“ auch das Format DIN A2 auf. Auf die Frage 3 des Antragstellers nach sonstigen Vorschriften/Satzungen etc. die für die Wahlwerbung speziell in … zu beachten seien, wurde ihm die Plakatierverordnung der Stadt … und eine Übersicht, in der das „Sperrgebiet“ für Wahlplakate eingezeichnet sei, übersandt. Ein Hinweis darauf, dass nur DIN A1 Plakate im Hochformat verwendet werden dürfen, erfolgte nicht. Entgegen der Ausführungen im von der Antragsgegnerin übersandten Presseartikel vom 4.8.2013 findet sich eine entsprechende Einschränkung in der Plakatierverordnung jedoch nicht. Ein eindeutiger Hinweis, dass nur Wahlplakate im DIN A1 Format mittels Sondernutzungserlaubnis erlaubt würden, kann den Antworten der Antragsgegnerin damit nicht entnommen werden. Insbesondere spricht die Tatsache, dass diese Vorgabe auf die Frage 3 nicht erwähnt wurde, hiergegen.
29
Zwar ist der Antragsgegnerin zuzugeben, dass sie nur die Möglichkeit einer wirksamen und angemessenen Wahlwerbung der Parteien gewährleisten muss und den Parteien und Antragstellern nicht jegliches Begehr diesbezüglich erlauben muss. Die Gemeinden sind dabei nur insofern eingeengt, als jedenfalls im Ergebnis jeweils angemessene Wahlwerbemöglichkeiten sichergestellt sein müssen, der allgemein in Art. 3 GG sowie speziell für Wahlen und Parteien in Art. 28 Abs. 1 Satz 2, 38 Abs. 1 GG und in § 5 Parteiengesetz (PartG) niedergelegte Gleichheitssatz beachtet und schließlich den sonstigen sich aus Bundesverfassungsrecht ergebenden Rechtsgrundsätzen, wie insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, Rechnung getragen sein muss (vgl. VG Sigmaringen, B.v. 1.9.2017 - 2 K 6606/17 - juris). Damit ist im Hinblick auf die grundgesetzliche Bedeutung der Wahlen und der Beteiligung der Parteien für die Demokratie auch bei Einschränkungen zu fordern, dass diese insbesondere sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig sind.
30
Ausgehend hiervon ergibt sich aufgrund der Besonderheiten der Wahlwerbung und des vorliegenden Einzelfalls trotz der eröffneten Möglichkeit der Plakatierung mit DIN A1 Formaten voraussichtlich ein Anspruch auf Genehmigung der DIN A2 Formate. Die Antragsgegnerin beruft sich vorliegend für die zwingende Verwendung des Format DIN A1 zum einen auf den Schutz des Stadtbildes, zum anderen auf die Chancengleichheit der Parteien. Beide Gründe können die Nichtgenehmigung des Formats DIN A2 jedoch sachlich nicht rechtfertigen.
31
Die Notwendigkeit der Einschränkung auf das Format DIN A1 und die Ablehnung eines kleineren Formates im Hinblick auf das Stadtbild überzeugt nicht. Der Antragsgegnerin kommt es hierbei zwar ersichtlich auf die Einheitlichkeit der Plakate an, so dass das Argument des Antragsstellers, dass ein kleines Format das Stadtbild automatisch weniger als ein doppelt so großes Plakat beeinträchtige, zu kurz gegriffen ist. Dies mag zwar z.B. im Hinblick auf eine Ablenkungswirkung greifen, jedoch nicht im Hinblick auf eine Beeinträchtigung des Stadtbildes. Auch das Argument, dass ein Plakat DIN A1 auf Hohlkammer eine andere Größe aufweise als auf Karton ist im Hinblick auf Sinn und Zweck von DIN Vorgaben, nämlich einheitliche Größen, nicht nachvollziehbar. Allerdings ist die Vorgabe des DIN A1 Formates jedenfalls aufgrund der Tatsache, dass andere Plakate, die nicht der Wahlwerbung dienen, auch in anderen Formaten zugelassen werden, nach der im vorläufigen Rechtsschutz ausreichenden, aber auch erforderlichen summarischen Prüfung voraussichtlich nicht geeignet, eine geringere Beeinträchtigung des Stadtbildes durch eine einheitliche Plakatierung zu gewährleisten. Hinzu kommt, dass auf das Stadtbild nicht nur die Plakate auf gewidmeten Flächen einwirken, sondern auch Plakate auf privaten Flächen, die jedoch ebenfalls auch in anderen Formaten als DIN A1 möglich sind. Des Weiteren besteht die Möglichkeit von Großplakaten, die sich ebenfalls auf das Stadtbild auswirken. Damit ist, auch wenn man die besondere Massivität der Plakatierung im Wahlkampf berücksichtigt, nicht nachvollziehbar, wie mit dem Verbot kleinerer Wahlplakate noch eine weitere Beeinträchtigung des Stadtbildes verhindert werden soll. Ebenfalls zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass die Antragsgegnerin bereits deutliche Einschränkungen zum Schutze ihres historischen Bereichs unternommen hat und es sich damit bei den freigegebenen Gebieten nicht um ein besonders schützenswertes Stadtbild handelt. Dies zugrunde gelegt, liegt im vorgebrachten Schutz des Stadtbildes kein sachlich gerechtfertigter Grund für die Einschränkung.
32
Auch im Hinblick auf die Chancengleichheit kommt das Gericht nach summarischer Prüfung im vorläufigen Rechtsschutz zu dem Schluss, dass dies ebenfalls eine Ablehnung des begehrten DIN A2 Formats nicht rechtfertigt. Anzumerken ist hierbei, dass diese Argumentation, die im Rahmen der Antragserwiderung als Hauptargument vorgebracht wurde, im Bescheid vom 10.2.2020 nicht erwähnt wurde. Dort wurde allein auf eine geringere Beeinträchtigung des Stadtbildes abgestellt. Auch eine Ermessensausübung ist im Bescheid nicht ersichtlich. Soweit die Antragsgegnerin nun vorträgt, dass der Antragsteller durch die Zulassung eines abweichenden Formats besonders auffallen würde und damit einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil hätte, teilt das Gericht diese Einschätzung nicht. Zum einen ist auch hierbei zu berücksichtigen, dass andere Plakate im DIN A2 Format zulässig sind, was eher dazu führen könnte, dass das angestrebte Plakatformat nicht als Wahlplakat erkannt wird. Jedenfalls aber sticht es nicht automatisch als besonders auffälliges Wahlplakat hervor. Ein besonderer Hervorhebungseffekt mag für ein größeres Plakat unter vielen einheitlich kleineren Plakaten anzunehmen sein. Kleinere Plakate unter zahlreichen einheitlich größeren Plakaten sind nicht besonders auffällig, sondern gehen eher in der Masse der einheitlich größeren Plakate unter. Gerade im Straßenverkehr ist es auch die Größe eines Plakats, die die Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Dies zeigt sich z.B. auch in der Großflächigkeit von Werbeanlagen.
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Andere Gründe zur Rechtfertigung der Einschränkung auf das Format DIN A1 wurden weder vorgetragen noch sind sie ersichtlich.
34
Nach alledem kann im Hinblick auf die Bedeutung der Wahlen für eine Demokratie und damit auch der Wichtigkeit der Teilnahme von Parteien und Wählervereinigungen am Wahlkampf derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass der Ablehnung des begehrten Formates DIN A2 ausreichend gewichtige Gründe auf Seiten der Antragsgegnerin gegenüberstanden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Formatvorgabe nach Vortrag der Antragsgegnerin vom Ordnungsausschuss der Antragsgegnerin beschlossen worden sei und diese von daher konsequent zu beachten und durchzusetzen sei. Unabhängig davon, ob die „Auflagen und Hinweise bei der Genehmigung von Wahlplakaten“ Anlage zu TOP 1 ausdrücklich beschlossen wurden, bleibt es dennoch - mangels Niederschlag in gesetzlichen Vorgaben - bei Vorgaben zur Ausübung des Ermessens. Auch soweit solche Vorgaben existieren, ist bei den Vorgaben selbst und auch bei ihrer Anwendung die besondere Bedeutung der Wahlen und der angemessenen Teilnahmemöglichkeiten von Parteien und Wählervereinigungen am Wahlkampf unter Beachtung ihrer Auswirkung auf den jeweiligen Einzelfall zu berücksichtigen.
35
Nach allem war dem Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
36
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 Gerichtskostengsetz (GKG). Das Gericht legte hierbei die vom Antragsteller vorgebrachten 1000 Euro für die nicht mehr stornierbaren Plakate zu Grunde. Im Hinblick auf die begehrte Vorwegnahme der Hauptsache war der Streitwert in voller Höhe in Ansatz zu bringen ist.