Titel:
Abschiebungsverbot hinsichtlich Kongo (bejaht)
Normenketten:
VwGO § 92, § 113 Abs. 5 S. 1
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
EMRK Art. 3
AsylG § 4
GG Art. 16a Abs. 1
Leitsatz:
Eine Sarkoidose-Erkrankung Stufe/Grad II ist in der Demokratischen Republik Kongo nur bedingt unter erheblichen finanziellen Kosten behandelbar. (Rn. 33 – 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
DR Kongo, teilweise Klagerücknahme, Abschiebungsverbot (bejaht), Sarkoidose-Erkrankung, Stufe II, Anforderungen an ärztliche Atteste, gerichtliche Beweiserhebung, medizinische Versorgung, Aufenthaltsverbot, Abschiebung, Asylanerkennung, Kongo, Klagerücknahme, Nierenbeteiligung, Auswärtiges Amt
Fundstelle:
BeckRS 2020, 19404
Tenor
I. Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.
II. Die Beklagte wird unter Aufhebung der Nrn. 4 bis 6 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 26. April 2018 (Gz.: ...) verpflichtet, dass für den Kläger ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) hinsichtlich der DR K. vorliegt.
III. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu ¾ und die Beklagte zu ¼. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
IV. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt mit seiner Klage zuletzt die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 AufenthG in die DR K..
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Der am ... 1985 in ... (D. R. K.; DR K.) geborene Kläger ist kongolesischer Staatsangehöriger mit Volkszugehörigkeit der Bantus und christlichem Glauben.
3
Seinen Angaben zufolge reiste der Kläger am 29. Dezember 2017 erstmalig mit dem Zug aus Fr. in die Bundesrepublik D. ein, wo er unter dem 1. Februar 2018 Asylerstantrag stellte. Eine Beschränkung des Asylantrages gemäß § 13 Abs. 2 Asylgesetz (AsylG) auf die Zuerkennung internationalen Schutzes (Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz) erfolgte im Verfahren nicht.
4
Die persönliche Anhörung des Klägers beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) erfolgte am 9. Februar 2018. Für das diesbezügliche Vorbringen des Klägers wird auf die über die Anhörung gefertigte Niederschrift des Bundesamts Bezug genommen.
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Mit Bescheid des Bundesamts vom 26. April 2018 (Gz.: ...) wurden die Anträge des Klägers auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abgelehnt (Nrn. 1 und 2 des Bescheides). Nr. 3 des Bescheids bestimmt, dass dem Kläger auch der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wird. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor (Nr. 4). In Nr. 5 wird der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik D. innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde dem Kläger die Abschiebung in die DR K. angedroht. Weiter wurde bestimmt, dass der Kläger auch in einen anderen Staat abgeschoben werden könne, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei. Nr. 6 setzt das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung fest.
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Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Bundesamt u.a. aus, dass beim Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter nicht vorlägen. Der Kläger sei kein Flüchtling i.S.d. § 3 AsylG. Auch die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) lägen nicht vor. Abschiebungsverbote zu Gunsten des Klägers seien ebenfalls nicht gegeben. Eine Abschiebung sei gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG unzulässig, wenn sich dies aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergebe. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse könne nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllen. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in der DR K. führten nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Klägers sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch eine Abschiebung nicht beachtlich. Es drohe dem Kläger auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führe. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von 30 Tagen ergebe sich aus § 38 Abs. 1 AsylG. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot werde nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Diese Befristung sei im vorliegenden Fall angemessen. Anhaltspunkte für eine kürzere Fristfestsetzung aufgrund schutzwürdiger Belange sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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Auf den weiteren Inhalt des Bescheids des Bundesamts vom 26. April 2018 wird ergänzend verwiesen.
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Der vorbezeichnete Bescheid wurde dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 2. Mai 2018 bekanntgegeben.
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Der Kläger hat gegen den vorbezeichneten Bescheid mit Schriftsatz vom 9. Mai 2018 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und zunächst beantragt,
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Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 26. April 2018 (Az.: ...), zugestellt am 2. Mai 2018, verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten i.S.d. Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz (GG) anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 4 AsylG zuzuerkennen.
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Hilfsweise: Die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger den subsidiären Schutz nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 AsylG zuzuerkennen.
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Hilfsweise: Die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen.
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Zur Begründung wurde auf die Anhörung des Klägers beim Bundesamt Bezug genommen.
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Mit weiteren Schriftsätzen vom 18. Februar 2019, 24. September 2019, 9. Dezember 2019, 10. März 2020 und vom 15. Juni 2020 wurden für den Kläger jeweils Arztberichte der ... Klinik ... vorgelegt. Danach leidet der Kläger unter einer Sarkoidose Stufe II (seit Februar 2019 mit Nierenbeteiligung [seit September 2019]). Auf die vorgelegten ärztlichen Befundberichte wird ergänzend verwiesen.
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Die Beklagte hat dem Gericht die einschlägige Verfahrensakte vorgelegt; ein Antrag wurde nicht gestellt.
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Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 14. Juli 2020 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
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Mit Beweisbeschluss vom 15. Juli 2020 hat das Gericht Beweis erhoben über die Frage, ob die beim Kläger vorliegenden Erkrankungen in der DR K. behandelbar sind und mit welchen Kosten für eine weitergehende ärztliche Behandlung zu rechnen ist.
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Das Auswärtige Amt hat unter dem 24. Juli 2020 zu den gerichtlich gestellten Fragen Stellung genommen. Auf die diesbezügliche Ausführung wird ergänzend verwiesen.
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Ein vom Kläger gestellter Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung wurde mit Gerichtsbeschluss vom 22. Juli 2020 abgelehnt. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird verwiesen.
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Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2020 hat der Kläger seine Klage auf die Verpflichtung, zu Gunsten des Klägers ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen, beschränkt. Im Übrigen wurde die Klage zurückgenommen. Weiter hat der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 29. Juli 2020 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
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Die Beklagte hat mit Generalerklärung vom 27. Juni 2017 ebenfalls auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Beklagten vorgelegte Verfahrensakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage des Klägers ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten übereinstimmend auf eine solche verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO). Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 29. Juli 2020 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Die Beklagte hat bereits mit Generalerklärung vom 27. Juni 2017 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.
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1. Soweit die Klage im klägerischen Schriftsatz vom 28. Juli 2020 teilweise zurückgenommen wurde, war das Verfahren nach § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Nach teilweiser Klagerücknahme verbliebener Gegenstand des Verfahrens ist damit nur mehr der Anspruch des Klägers auf Feststellung eines (nationalen) Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
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2. Soweit der Kläger seine Klage im Schriftsatz vom 28. Juli 2020 noch aufrechterhalten hat, ist sie zulässig und begründet.
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Der Bescheid des Bundesamts vom 26. April 2018 ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im schriftlichen Verfahren (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG) insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, als dieser einen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Zielstaats DR K. hat, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
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Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen, wie sie der Kläger hier ausschließlich geltend macht, liegt nach Satz 2 der Regelung nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch eine Abschiebung wesentlich verschlechtern, also zu außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden führen würden, wobei die wesentliche Verschlechterung alsbald nach der Rückkehr in den Zielstaat eintreten müsste (vgl. VG München, B.v. 26.4.2016 - M 16 S7 16.30786 - juris Rn. 16). Dass die medizinische Versorgung im Zielstaat (Nigeria) mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig oder überall gewährleistet ist, ist hierbei nicht erforderlich, § 60 Abs. 7 Satz 3 und 4 AufenthG.
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Der sich auf eine seiner Abschiebung entgegenstehende Erkrankung berufende Ausländer muss diese durch eine qualifizierte, gewissen Mindestanforderungen genügende ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen (vgl. § 60a Abs. 2c Satz 2 und 3 AufenthG). Aus dem vorgelegten Attest muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage die Diagnose gestellt wurde und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen ärztlichen Befunde bestätigt werden. Zudem sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben.
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Es entspricht inzwischen gefestigter Rechtsprechung (vgl. BayVGH, B.v. 9.11.2017 - 21 ZB 17.30468 - juris Rn. 4; B.v. 10.1.2018 - 10 ZB 16.30735 - juris Rn. 8; OVG NW, B.v. 9.10.2017 - 13 A 1807/17A - juris Rn. 19 ff.; OVG LSA, B.v. 28.9.2017 - 2 L 85/17 - juris Rn. 2 ff.), dass die Anforderungen an ein ärztliches Attest gemäß § 60a Abs. 2c AufenthG auf die Substantiierung der Voraussetzungen eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG zu übertragen sind (vgl. BayVGH, B.v. 24.1.2018 - 10 ZB 18.30105 - juris Rn. 7).
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Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat der Kläger hier das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinreichend glaubhaft gemacht. Ausweislich der zuletzt im gerichtlichen Verfahren vorgelegten fachärztlichen Stellungnahme der ... Klinik ... vom 9. Juni 2020 (Gerichtsakte Bl. 33, 34) leidet der Kläger nach wie vor unter einer Sarkoidose Stufe II (ED02/2019) mit Nierenbeteiligung (seit 09/2019). Bereits mit Arztbrief der ...Klinik ... vom 23. Mai 2019 (Gerichtsakte Bl. 20) wurde für den Kläger aufgrund der bei ihm vorliegenden Erkrankung ausgeführt, dass für diesen eine Dauerbehandlung mit immer wiederkehrenden stationären Kontrollen über einen längeren Zeitraum erforderlich ist. Im Verfahren wurde weiter belegt, dass sich der Kläger aufgrund der bei ihm vorliegenden schwerwiegenden Erkrankung regelmäßig in etwa drei bis vier monatigen Abständen einer stationären Kontrolle mit Dauer von ein bis drei Tagen unterziehen muss.
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Nach den im Verfahren mehrfach vorgelegten ärztlichen Attesten steht für das Gericht fest, dass der Kläger an einer Sarkoidose-Erkrankung Stufe II mit Nierenbeteiligung leidet und daher regelmäßiger besonderer medizinischer, auch immer wiederkehrender stationärer, Behandlung bedarf.
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Zwar ist nicht grundsätzlich davon auszugehen, dass die beim Kläger vorliegende Sarkoidose-Erkrankung für sich allein zur Annahme eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geeignet ist. Das Gericht ist jedoch nach der durchgeführten Beweiserhebung der Überzeugung, dass es für den Kläger im Falle einer Rückkehr in den Zielstaat DR K. nicht möglich wäre, die für ihn ärztlich nachgewiesene erforderliche stationäre und medikamentöse Behandlung der Sarkoidose-Erkrankung mit Nierenbeteiligung dauerhaft sicherzustellen.
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Zur allgemeinen medizinischen Versorgung in der DR K. führt das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl - BFA - der Republik Österreich - DR K. - Gesamtaktualisierung vom 8. Mai 2017 (Stand: 9.12.2019) und der Lagebericht des Auswärtigen Amtes (AA) über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der DR K. vom 25. Januar 2019 (Ziffer IV.1.2, S. 20) (Stand: Januar 2019) aus, dass der Großteil der Bevölkerung der DR K. nicht ausreichend versorgt werden kann. UNHCR bezeichnet die Gesundheitsversorgung im gesamten Land als katastrophal. Lediglich für zahlungskräftige Patienten stünden in den großen Städten hinreichend ausgestattet private Krankenhäuser zur Verfügung. Es fehle an Geldern für Medikamente, Ausrüstung und qualifiziertem medizinischem und administrativem Fachpersonal. Die medizinische Versorgung im Land sei mit der in Europa nicht zu vergleichen, sie sei vielfach technisch und apparativ problematisch, die hygienischen Standards seien oft unzureichend. Behandlungen in öffentlichen Krankenhäusern stünden den meisten Menschen des Landes aufgrund der allgemeinen Armut nur selten zur Verfügung. Ca. 95% der Bevölkerung lebe ohne staatliche soziale Sicherungssysteme, auch wenn es solche Systeme gebe. Diese allgemeine Einschätzung des BFA und des AA zur medizinischen Versorgung in der DR K. ist weitestgehend deckungsgleich mit den Ausführungen des AA zu den konkret gestellten beweiserheblichen Fragen des Gerichts im Beschluss vom 15. Juli 2020. Nach Aussage des Auswärtigen Amtes vom 24. Juli 2020 ist die beim Kläger vorhandene Sarkoidose-Erkrankung Stufe/Grad II in der DR K. nur bedingt behandelbar. Zu dem für den Kläger erforderlichen Therapie-Monitoring fehle es v.a. an fachärztlicher Expertise. Ein Monitoring bei fortgeschrittenem Organbefall sei nicht vorhanden. Zwar seien Laboruntersuchungen durchführbar, aber auch dort sei die fachärztliche Betreuung zur Einschätzung der Laborparameter hinsichtlich des Krankheitsverlaufs begrenzt. Die für den Kläger erforderliche allgemein-internistische Behandlung sei nur im Privatsektor in Kinshasa möglich. Hierbei seien höhere Behandlungskosten als in Europa zu erwarten. Für Patienten mit geringem Einkommen bestehe keine Behandlungsmöglichkeit, d.h. keine medizinische Versorgung. Ohne entsprechende Kreditkarte oder Barzahlung werde bereits kein Arzttermin angeboten. Die Kosten für die beim Kläger nach wie vor erforderlichen zwei- bis dreitägigen stationären Aufenthalte im privaten Sektor würden beispielsweise ca. 1.000 EUR plus die Kosten für Labor (200 EUR) und bildgebende Diagnostik (300 EUR) betragen. Diese Behandlungskosten auch für Medikamente trage der jeweilige Patient allein. Für bedürftige Patienten bestehe allenfalls eine medizinische Basis- bzw. Notfallversorgung.
34
Dies zugrunde gelegt geht das Gericht davon aus, dass die für den Kläger nach wie vor erforderliche Dauerbehandlung der Sarkoidose-Erkrankung mit Nierenbeteiligung in der DR K. bereits nicht vorhanden ist bzw. jedenfalls für den Kläger nicht finanzierbar wäre. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger die erforderlichen Kontrolluntersuchungen in einem zeitlichen Abstand von etwa drei bis vier Monaten zu durchlaufen hat. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger über ein Wirtschaftsstudium verfügt oder auch Angehörige in der DR K. noch vorhanden sind, dürfte es bei einer Rückkehr für den Kläger nicht möglich sein, im kurzen Zeitraum bis erste medizinische Untersuchungen für ihn fällig werden, die hierfür erforderlichen Geldmittel zu erwirtschaften bzw. bereitzustellen. Bei einer Rückkehr in die DR K. ist beim Kläger bereits nicht davon auszugehen, dass dieser eine Erwerbstätigkeit unmittelbar aufnehmen kann. Vor seiner Ausreise war der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen zuletzt lediglich für den Parteiapparat tätig. Eine andere berufliche Tätigkeit kann der Kläger mit Ausnahme des wohl vorhandenen Wirtschaftsstudiums nicht vorweisen. Aufgrund der ärztlich belegten komplexen Erkrankung des Klägers von Lunge und Nieren und der medizinischen Versorgungssituation in der DR K. ist von Seiten des Gerichts auszuschließen, dass der Kläger bei einer Rückkehr in der Lage wäre, die für ihn nach wie vor erforderliche qualifizierte medizinische Dauerbehandlung zu organisieren bzw. zu finanzieren.
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3. Nach alledem ist auf der Grundlage der im Verfahren vorgelegten fachärztlichen Stellungnahmen, die auch die erforderliche Aktualität aufweisen, nach Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass der Kläger einen Schutzanspruch i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat, nicht in die DR K. abgeschoben zu werden.
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Ob auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG zu Gunsten des Klägers erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (vgl. BVerwG, U.v. 8.9.2011 - 10 C 14/10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 16).
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Die Gewährung von Abschiebungsschutz hat zur Folge, dass auch die entsprechende Abschiebungsandrohung des streitgegenständlichen Bescheids (Nr. 5) (§ 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG) und das auf 30 Monate festgesetzte Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG (Nr. 6) aufzuheben waren.
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4. Die Kostenentscheidung in dem nach § 83b AsylG gerichtskostenfreien Verfahren beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO, wobei das Gericht zugrunde gelegt hat, dass die erklärte Klagerücknahme des Klägers 3/4 des ursprünglichen Streitgegenstandes betrifft, während der Kläger hinsichtlich der weiter aufrechterhaltenen Klage vollständig obsiegt.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).