Inhalt

VG Regensburg, Beschluss v. 17.02.2020 – RN 5 S 19.2489
Titel:

Widerruf der Heilpraktikererlaubnis wegen sittlicher Unzuverlässigkeit

Normenketten:
HeilprG § 1, § 2, § 7
HeilprDVO § 2 Abs. 1 lit. f, § 7
VwGO § 80 Abs. 5
GG Art. 12 Abs. 1
Leitsätze:
1. Als sittlich unzuverlässig ist ein Heilpraktiker anzusehen, wenn er keine ausreichende Gewähr dafür bietet, dass er in Zukunft seinen Beruf ordnungsgemäß unter Beachtung aller in Betracht kommenden Vorschriften und Berufspflichten und insbesondere ohne Straftaten zu begehen, ausüben wird, und sich dadurch Gefahren für die Allgemeinheit oder die von ihm behandelten Patienten ergeben. Hierbei sind angesichts der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen. (Rn. 72) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Heilpraktiker gilt insbesondere als sittlich unzuverlässig, wenn er den Patienten im Fall einer schwerwiegenden Erkrankung, die eine ärztliche Behandlung erforderlich macht, in dem Glauben lässt, dass die ärztliche Behandlung durch ihn ersetzt werde (Anschluss an VGH Mannheim BeckRS 2008, 39978). (Rn. 73) (redaktioneller Leitsatz)
3. § 2 Abs. 1 lit. f) HeilprDVO setzt eine strafrechtliche Verurteilung nicht voraus, sondern gestattet und fordert regelmäßig eine von strafrechtlichen Wertungen unabhängige Würdigung des Sachverhalts (Anschluss an BVerfG BeckRS 9998, 48056). (Rn. 77) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein einmaliges Fehlverhalten kann bereits für die Bestimmung der Unzuverlässigkeit grundsätzlich genügen (Anschluss an OVG Lüneburg BeckRS 2010, 55465). (Rn. 89) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Heilpraktikererlaubnis, Widerruf, sittliche Zuverlässigkeit, einstweiligen Rechtsschutz, Gefahrenabwehr, Krebserkrankung, Diagnose, strafrechtliche Verurteilung, einmaliges Fehlverhalten
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 27.05.2020 – 21 CS 20.433
Fundstelle:
BeckRS 2020, 1936

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird festgelegt auf 7.500,00 EUR.

Gründe

1
Der Antragsteller wendet sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen den Widerruf seiner Heilpraktikererlaubnis.
2
Mit Bescheid der Stadt Regensburg vom 16.09.1996 wurde dem Antragsteller die Erlaubnis erteilt, die Heilkunde ohne Bestallung berufsmäßig auszuüben (Heilpraktikererlaubnis).
3
Die Staatsanwaltschaft Regensburg stellte mit Verfügung vom 22.10.2014, Az. 114 Js 5798/14 ein Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller mangels nachweisbarer Kausalität seines Verhaltens für den Eintritt des Todes von Frau B. ein. Eine Mitteilung der Einstellung an das Landratsamt K. erfolgte nicht. Auf die Verfügung wird Bezug genommen.
4
Am 28.07.2015 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage zum Amtsgericht Kelheim und legte dem Antragsteller fahrlässige Tötung zur Last.
5
Am 20.03.2017 erreichte das Landratsamt K. die Anfrage des Journalisten Dr. A. bezüglich des Strafverfahrens des Antragsstellers. Im Rahmen einer internen E-Mail des Landratsamtes K. wurde am 27.03.2017 mitgeteilt, dass das Sachgebiet 3 keine Information der Staatsanwaltschaft bezüglich der Verfahrenseinleitung erhalten habe. Auf den Schriftverkehr wird Bezug genommen.
6
Das Amtsgericht Kelheim verurteilte den Antragsteller am 09.03.2018, Az. 8 Ls 114 Js 5798/14 (2) wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren drei Monaten und verbat ihm für die Dauer von fünf Jahren die Ausübung des Berufs des Heilpraktikers. Im Rahmen der Beweiswürdigung vor dem Amtsgericht wurde die Aussage des Zeugen Dr. A. bewertet. Dieser gab laut Protokoll der mündlichen Verhandlung an, im Jahr 2014 eine Studie zum Beratungsverhalten von 20 Ärzten und Heilpraktikern nach Vorlage eines fingierten, histopathologischen Befundes durchgeführt zu haben. Im Jahr 2017 hätte er diesen fingierten Befund im Rahmen einer Recherche dem Antragsteller vorgelegt. Dieser habe zutreffend erkannt, dass der Tumor bereits in das Gewerbe gewachsen sei und habe dann zunächst auf die mögliche Einholung einer Zweitmeinung in einem Münchener Krankenhaus verwiesen, ferner habe er die Diagnose Brustkrebs aus diesem Befund bestätigt und nach Durchführung einer Untersuchung mittels Biotensor eine Therapie ausschließlich mit seinen Medikamenten und regelmäßige Kontrolluntersuchungen vorgeschlagen. Eine Operation sei fälschlicherweise nach Auffassung des Antragstellers nicht angezeigt gewesen.
7
Auf das Urteil des Amtsgerichts Kelheim sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen. Gegen dieses Urteil des Amtsgerichts Kelheim legten der Antragsteller sowie die Staatsanwaltschaft Regensburg Berufung zum Landgericht Regensburg ein.
8
Der gemeinsame Gutachterausschuss der Regierungen für den Vollzug des Heilpraktikergesetzes sprach sich in seiner Sitzung am 24.10.2018 einstimmig nach eingehender Beratung für den Widerruf der Heilpraktikererlaubnis des Antragstellers aus.
9
Mit Schreiben vom 19.11.2018 teilte das Landratsamt K. dem Antragsteller mit, dass es beabsichtige, dessen Heilpraktikererlaubnis gemäß § 7 Abs. 1 der 1. Durchführungsverordnung zum Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (HeilprDVO) zurückzunehmen. Aus dem Sachverhalt, der dem Strafverfahren zugrunde liege, ergebe sich, dass sich der Antragsteller auch in Zukunft nicht berufspflichtenkonform verhalten werde. Dem Antragsteller wurde eine Frist zur Stellungnahme bis 05.12.2018 gesetzt.
10
Der Antragsteller äußerte sich mit Schreiben vom 04.12.2018, seine Bevollmächtigte mit Schreiben vom 11.12.2018 und vom 08.01.2019. In diesen baten sowohl Antragssteller als auch seine Bevollmächtigte (Schreiben vom 08.01.2019) um ein Abwarten der Entscheidung des Landgerichts. Auf die Stellungnahmen wird im Übrigen Bezug genommen.
11
Das Landgericht Regensburg, 3. Strafkammer, hob mit Urteil vom 19.02.2019, AZ: 3 Ns 114 Js 5798/14 auf die Berufung des Antragstellers das Urteil des Amtsgericht Kelheim vom 09.03.2018 auf und sprach den Antragsteller frei. Die Berufung der Staatsanwaltschaft wurde verworfen. In tatsächlicher Hinsicht wurden in der Berufungshauptverhandlung folgende Feststellungen getroffen:
„[A. B.] ließ, nachdem sie Anfang November 2008 einen auffälligen Befund in ihrer linken Brust gestastet hatte, am 17.11.2008 im Diagnosezentrum … eine körperliche Untersuchung mit Mammografie und Mammasonographie durchführen, wobei eine weitere Mammasonographie am 03.12.2008 vorgenommen wurde. Nachdem diese Untersuchungen kein klares Ergebnis erbracht hatten und aus ärztlicher Sicht eine weitere differenzialdiagnostische Abklärung zwingend notwendig war, erfolgte am 05.12.2008 bei der Patientin eine Magnetresonanztomographie (MR-Mammographie), nach der ärztlicherseits eine weitere histologische Abklärung empfohlen wurde. Daraufhin unterzog sich [A. B.] am 16.12.2008 im LKH … zur Gewinnung eines entsprechenden histopathologischen Befundes einer Feinnadelbiopsie, in deren Rahmen eine dünne Nadel direkt an den auffälligen Gewebebezirk in die Brust gebracht und anschließend mithilfe eines kleinen Apparates und einer Stanzkanüle nacheinander mehrere Gewebezylinder gewonnen wurden. Die MR-Mammografie sowie die Feinnadelbiopsie wurden, nachdem hierfür eine ärztliche Notwendigkeit gesehen wurde, am 30.12.2008 noch einmal durchgeführt. Ferner erfolgten diesem Tag auch noch jeweils eine Computertomografie von Thorax und Abdomen bei der Patientin.
12
Bei [A. B.] wurde dabei ein ausgedehntes intraduktales (innerhalb der Brustdrüsengänge wachsendes) Carzinoma in situ der hochgradigen Stufe NG3 diagnostiziert. Es handelt sich hierbei um die Diagnose einer Krebsvorstufe, bei der mit den angemeldeten Untersuchungsmethoden noch kein invasives, vom Milchgangsystem in tiefere Gewebeschichten erfolgtes Wachstum von Tumoranteilen festgestellt werden kann. Ohne adäquate Therapie entwickelt sich diese Krebsvorstufe zu einem invasiven Karzinom weiter und wird über einen kürzeren oder längeren Zeitraum mit Sicherheit einen tödlichen Verlauf nehmen.
13
Bei der Befundbesprechung, die nach den Untersuchungen, jedoch Tage vor dem 08.01.2009 im Landeskrankenhaus … stattfand, wurde [A. B.] ärztlicherseits das Krankheitsbild eröffnet und sie über die Notwendigkeit einer einfachen Mastektomie (Entfernung der kompletten Brustdrüse) - der nach Stand der Wissenschaft indizierten Therapie dieser Erkrankung - aufgeklärt. [A. B.] erklärte daraufhin, dass sie sich einen solchen Schritt noch überlegen und hierüber eine Zweitmeinung einholen wolle.
14
Nach Beratung im Familienkreis entschloss sie sich, diese Zweitmeinung beim Angeklagten, der im Rahmen seiner Tätigkeit als Heilpraktiker bereits ihren Bruder [E. L.] erfolgreich behandelt hatte, zu erholen. Sie begab sich deshalb am 08.01.2009 zusammen mit ihrem Ehemann [K. B.] zu dessen Praxis in … Im Rahmen des Beratungsgesprächs legte [A. B.] dem Angeklagten verschiedene Krankenunterlagen und Befundberichte über die im November/Dezember 2008 vorgenommen Untersuchungen vor. Vorgelegt wurde dabei insbesondere der [histopathologische] Befund über die am 16.12.2008 bei [A. B.] durchgeführte Feinnadelbiopsie u.a. mit folgendem Inhalt:
15
Mikroskopische Beschreibung: Insgesamt drei Stanzzylinder aus Mammaparenchym, zwei Stanzzylinder sind partiell durchsetzt von einem intraduktalen Karzinom, der Tumor besiedelt terminale Gangsegmente und Drüsenläppchen, zum Teil auch interlobäre mittelweite Ganganschnitte. Das Tumorwachstum ist solid kribriform, die Kernpolymorphie hochgradig, eine Stromainvasion ist vorerst lichtoptisch nicht belegbar.
Diagnose: Mammastanzzylinder mit Anteilen eines duktalen Carzinoma in situ (NG3, high grade). Eine invasive Tumorkomponente ist im vorliegenden Biopsiematerial nicht nachweisbar.
16
Bei der Besprechung am 08.01.2009 erklärte [A. B.] ferner gegenüber dem Angeklagten, dass ihr ärztlicherseits die Entfernung der linken Brust angeraten worden sei und sie zum Krankheitsbild eine Zweitmeinung erholen wolle. Der Angeklagte nahm die mitgebrachten und ihm überlassenen Unterlagen zur Kenntnis und führte bei [A. B.] eine Untersuchung mittels eines sogenannten Biotensors, einer Metallrute, de[r]en Ende als Ring, Drahtspiral[e] oder Kugel ausgeführt ist, durch. Der Angeklagte stellte daraufhin die Diagnose, dass bei [A. B.] keine Krebserkrankung vorliege, sondern lediglich eine Milchdrüsenentzündung, die er mit überwiegend homöopathischer Medikation, die über einen längeren Zeitraum erfolgen müsse, erfolgreich behandeln könne.
17
Im Vertrauen auf die Richtigkeit der Diagnose des Angeklagten und der Wirksamkeit der von ihm empfohlenen Therapie unterzog sich [A. B.] daraufhin der vom Angeklagten vorgeschlagenen Behandlung, die sich bis März 2013 erstreckte. Sie unterließ es in der Folgezeit, die gebotene schulmedizinische Behandlung durchzuführen. Dabei verschlechterte sich der Gesundheitszustand von [A. B.] ab Ende des Jahres 2012. Sie wurde Mitte April 2013 wegen zunehmender Atemnot und Ödemen im Landeskrankenhaus … aufgenommen, wo unter anderem ausgeprägte Metastasen im Brust-, Leber- und im Wirbelsäulenbereich der Patientin festgestellt wurden.
18
A. B. verstarb am 28.04.2013 an den Folgen ihrer Krebserkrankung.
19
Ferner stellte das Landgericht fest, dass der Antragsteller in leichtfertiger Weise gegen die ihm als Heilpraktiker obliegenden Sorgfaltspflichten verstoßen habe. Er habe eine falsche Diagnose gestellt, obwohl anhand der ihm am 08.01.2009 vorgelegten Unterlagen für ihn ohne weiteres erkennbar gewesen sei, dass Frau B. an einer ausgeprägten Krebsvorstufe litt, die aufgrund der damit verbundenen hohen Metastisierungsgefahr dringend der entsprechenden ärztlichen Behandlung bedurft hätte. Er hätte sie darüber aufklären müssen, dass sie sich unverzüglich dieser Behandlung hätte unterziehen müssen, wenn sie eine Chance auf Heilung haben wolle, und er ihr allenfalls unterstützend helfen könne. Da die Kausalität der fehlenden Behandlung für den Tod von Frau B. nicht mit einer zur Verurteilung genügenden Gewissheit festgestellt werden konnte, wurde der Antragsteller freigesprochen.
20
Im Übrigen wird auf das Urteil des Landgerichts Regensburg Bezug genommen.
21
Mit Schreiben vom 09.04.2019 teilte die Vorsitzende des gemeinsamen Gutachterausschusses der Regierungen auf Nachfrage des Landratsamtes mit, dass der Ausschuss seine Entscheidung auf Grundlage des Urteils des Amtsgerichts Kelheim ausschließlich aufgrund des Verhaltens des Antragsstellers getroffen habe, weder seine Motive noch die Kausalität für den Tod einer Patienten hätten für den Gutachterausschuss eine Rolle gespielt.
22
Die Staatsanwaltschaft Regensburg legte Revision gegen das Urteil der 3. Strafkammer des Landgerichts Regenburg ein. Mit Begründung vom 12.11.2019 beantragte sie die Aufhebung des Urteiles sowie die Rückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts Regensburg zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision. Zur Begründung rügte die Staatsanwaltschaft die Verletzung des materiellen Rechts. Das Landgericht habe den Angeklagten zu Unrecht freigesprochen, da es den Grundsatz in dubio pro reo vor einer ausreichenden Würdigung der erhobenen Beweise und damit rechtsfehlerhaft angewendet habe. Auf die Revisionsbegründung wird Bezug genommen.
23
Mit Bescheid vom 02.12.2019, laut Empfangsbekenntnis der Bevollmächtigten des Antragsstellers zugegangen am 09.12.2019, hat das Landratsamt K.gegenüber dem Antragsteller die Erlaubnis zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung widerrufen (Ziffer 1). Des Weiteren hat es ihn verpflichtet, die Urkunde über seine Heilpraktikererlaubnis einschließlich aller in seinem Besitz befindlichen Ausfertigungen dem Landratsamt K. innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Bescheides herauszugeben (Ziffer 2) sowie die sofortige Vollziehung von Ziffer 1 und Ziffer 2 angeordnet (Ziffer 3). Ferner hat das Landratsamt ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 EUR fällig gestellt, falls der Antragsteller die Urkunde samt Ausfertigungen nicht bis zu dem in Ziffer 2 genannten Zeitpunkt herausgibt (Ziffer 4) und dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens (Gebühr 150,00 EUR, Auslagen für den Gutachterausschuss 319,05 EUR) auferlegt (Ziffer 5).
24
Zur Begründung führt der Bescheid im Wesentlichen aus, dass dem Antragsteller die sittliche Zuverlässigkeit fehle, um den Beruf des Heilpraktikers in Zukunft ohne Gefahren für die Allgemeinheit und die von ihm behandelten Patienten auszuüben. Der Widerruf erweise sich auch unter Berücksichtigung von Art. 12 Abs. 1 GG als rechtmäßig. Die negative Prognoseentscheidung setze für den Widerruf der Heilpraktikererlaubnis keine (rechtskräftige) strafrechtliche Verurteilung voraus. Für das Landratsamt seien keine Anhaltspunkte erkennbar, die auf eine lückenhafte, denkgesetzwidrige oder sonstige mit rechtlichen oder methodischen Makeln behaftete Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts durch das Amtsgericht Kelheim und das Landgericht Regensburg hindeuteten. Dass das Vorliegen einer strafbegründenden Kausalität unterschiedlich beurteilt worden sei, sei verwaltungsrechtlich nicht ausschlaggebend. Der Erlaubniswiderruf sei bereits aufgrund des vor dem Tod von Frau B. liegenden Verhaltens des Antragstellers geboten. Es fehle dem Antragsteller an der sittlichen Zuverlässigkeit, um den Beruf des Heilpraktikers in Zukunft ohne Gefahr für die Allgemeinheit und die von ihm behandelten Patienten auszuüben, weil er gröblich gegen grundlegende Sorgfalts- und Berufspflichten verstoßen habe. Der Umstand, dass sich Frau B. bewusst gegen eine schulmedizinische Therapie entschieden habe, entlaste ihn nicht. Vielmehr stehe die Behandlung durch einen Heilpraktiker der Behandlung eines Arztes therapeutisch nicht gleich, dessen Tätigkeit müsse daher in besonderer Weise an Gesundheitsgefahren orientiert sein, die sich aus dem Versäumen ärztlicher Hilfe ergeben könnten. Zu den Sorgfaltspflichten, die einem Heilpraktiker oblägen, gehöre auch, dass er im Einzelfall jeweils selbstkritisch prüfe, ob seine Fähigkeiten oder Kenntnisse ausreichten, um eine ausreichende Diagnose zu stellen und eine sachgemäße Heilbehandlung einzuleiten. Wenn nicht, müsse er den Eingriff unterlassen. Als sittlich unzuverlässig sei ein Heilpraktiker daher anzusehen, wenn er zu notwendigen ärztlichen Behandlungen nicht beitrage, diese verhindere oder verzögere. Der Antragsteller sei von Frau B. bereits im ersten gemeinsamen Beratungsgespräch über die bei ihr diagnostizierte Brustkrebsvorstufe und die angeratene Brustentfernung informiert worden. Auf Grundlage wissenschaftlich nicht belastbarer Diagnosemethoden (Biotensor, isolierte Betrachtung der Tumormarker) habe er in der Folge nicht nur eine Fehldiagnose gestellt, sondern sich dazu noch über einen ihm bekannten, schulmedizinisch fundierten Befund hinweggesetzt. Er habe während des gesamten Behandlungszeitraumes von Januar 2009 bis März 2013 - völlig unkritisch - an seiner Vorgehensweise festgehalten. Aus dem in jeder Hinsicht unkritischen Vorgehen des Antragstellers bei der Behandlung von Frau B. sei zu schließen, dass es dem Antragsteller - gerade im Anbetracht seiner jahrelangen Berufserfahrung seit 1996 - im Hinblick auf seine künftige Berufsausübung an der charakterlichen Eignung für einen verantwortungsvollen Umgang mit Patienten fehle. Es bestehe daher die ernsthafte Besorgnis, dass der Antragsteller auch in Zukunft einer schulmedizinisch gebotenen Behandlung im Wege stehe. Es begegne auch keinen rechtlichen Bedenken, für eine negative Zukunftsprognose auf einen einmaligen Behandlungsfehler abzustellen. Davon abgesehen könne im Fall des Antragstellers nicht von einem einmaligen Fehlverhalten die Rede sein, der Antragsteller habe bereits seit Januar 2009 von einer möglichen Krebserkrankung gewusst und Frau B. über vier Jahre lang in regelmäßigen Zeitabständen behandelt, ohne zu irgendeinem Zeitpunkt auf die Notwendigkeit ärztlichen Rates hinzuweisen. Das Absehen von strafrechtlichen Berufsverboten sei für die Entscheidung unbeachtlich, da diese anderen Zwecken dienten als der Widerruf nach § 7 Abs. 1 HeilprGDV. Die Anordnung sei auch verhältnismäßig. Die vom Antragsteller abgegebene Zusage, künftig keine Krebspatienten mehr behandeln zu wollen, sei für die Verwaltungsbehörden rechtlich und praktisch nicht nachprüfbar. Ferner bestünden die Gefahren, die sich für andere, ebenfalls schwer erkrankte Patienten ergeben, unverändert fort.
25
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtfertige sich aus einem besonderen und überwiegenden öffentlichen Interesse an dem sofortigen Widerruf der erteilten Heilpraktikererlaubnis. Angesichts der Schwere der festgestellten Verstöße und der hohen Gefahr für die Rechtsgüter hilfesuchender Patienten seien an die Wahrscheinlichkeitsprognose für einen neuen Schadenseintritt keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Bei Aufschub des Vollzuges würden der Allgemeinheit und den vom Antragsteller behandelten Patienten die konkrete Gefahr drohen, durch Vorenthaltung gebotener ärztlicher Behandlung erhebliche, womöglich lebensgefährliche Gesundheitsschäden zu erleiden. Dabei werde nicht verkannt, dass seit dem Tod von Frau B. inzwischen über sechs Jahre vergangen seien. Es sei vielmehr abgewartet worden, ob im Rahmen des Strafverfahrens in der Berufung Erkenntnisse zutage gefördert würden, die eine andere Entscheidung als den sofortigen Erlaubniswiderruf rechtfertigten. Das durch das Amtsgericht Kelheim festgestellte Nachtatverhalten spreche auch für eine konkrete Gefährdung. Aus den inhaltlich nicht zu beanstandenden Aussagen des Zeugen Dr. A. ergebe sich, dass der Antragsteller erneut unterlassen habe, auf die Einholung einer Zweitmeinung zu bestehen. Die Bedrohung des Antragstellers in seiner wirtschaftlichen Existenz sei nicht näher begründet. Der einzige Einwand beschränke sich auf den Hinweis, der Antragsteller verfüge über kein Vermögen. Es erscheine fernliegend, dass der Antragsteller im Alter von 69 Jahren bei beinahe 25-jähriger Berufstätigkeit als Heilpraktiker über keinerlei finanzielle Absicherungen für die Zeit seines Ruhestandes verfüge.
26
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Begründung des Bescheides Bezug genommen.
27
Mit Schriftsatz vom 13.12.2019, bei Gericht eingegangen am selben Tag, hat die Bevollmächtigte des Antragstellers Klage und Antrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erhoben. Die Klage wird unter dem Aktenzeichen RN 5 K 19.2490 geführt.
28
Der Antragsteller lässt unter anderem ausführen, dass er zur Anordnung des Sofortvollzuges nicht ordnungsgemäß angehört worden sei, dies führe zu ihrer formellen Rechtswidrigkeit. Auch handele es sich bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Erlaubnis und der Einziehung der Urkunden um einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit der Berufsausübung und Berufswahl. Diese können nur zulässig sein, wenn ein Berufsverbot schon vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich sei. Dem könne durch die eidesstattliche Versicherung des Antragstellers entgegengetreten werden, in Zukunft keine Krebspatienten mehr zu behandeln. Zudem sei das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller zunächst im Jahr 2014 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Es sei nur auf das vehemente Betreiben der Nebenkläger hin wieder aufgenommen worden. Der Antragsteller sei im Berufungsverfahren freigesprochen worden. Es könne nicht zu seinem Nachteil gereichen, dass er sich nicht gegen die negativen Feststellungen des Berufungsurteils wenden könne. Frau B. habe außerdem eine schulmedizinische Behandlung abgelehnt. Bezüglich des wiederholten Pflichtenverstoßes werde der unmittelbaren und mittelbaren Verwertung der Aussagen des Zeugen Dr. A. widersprochen, sowie darauf hingewiesen, dass aus dem erstinstanzlichen Urteil des Amtsgerichts Kelheim keine negativen Schlüsse gezogen werden dürften, da Gutachter Prof. Dr. Dr. E. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden sei. Der Antragsteller benötige seine Heilpraktikertätigkeit dringend zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes; seine Rente reiche nur für Kaltmiete und Krankenversicherung. Auch sei bereits durch das erstinstanzliche AG Kelheim wegen des besonderen Verfahrensablaufes kein vorläufiges Berufsverbot gem. § 132a StPO verhängt worden. Der Antragsteller habe aufgrund seines Freispruches nicht mit allen seinen Beweisanträgen gehört werden können. So sei der Hausarzt von Frau B. nicht dazu gehört worden, ob sie die schulmedizinische Behandlung abgelehnt habe. Dem Antragsteller konnte ferner nicht der elementare Arztbrief vom 16.01.2009, in dem explizit zur Brustoperation geraten wurde, bei der ersten Behandlung am 08.01.2009 vorgelegt worden sein.
29
Ferner lässt der Antragsteller mit Schriftsatz vom 16.12.2019 ausführen, dass wegen des Freispruches weder eine schwere strafrechtliche noch schwere sittliche Verfehlung vorlägen. Der Antragsteller habe keine Kenntnis von der schweren Erkrankung von Frau B. gehabt. Der Gesundheitszustand von Frau B. habe sich aufgrund seiner homöopathischen Behandlung zunächst gebessert. Eine Fehldiagnose könne nicht mit positiver Kenntnis gleichgesetzt werden. Auch habe der Antragsteller Frau B. nicht von einer medizinischen Therapie abgeraten, sondern ihr zugesagt, sie bei Auftreten eines Krebsverdachtes an einen Arzt zu verweisen. Ferner habe die Frau B. bereits vor dem Aufsuchen des Antragstellers eine schulmedizinische Diagnose erhalten. Sie habe kein Vertrauen in die Schulmedizin gehabt, die Verweigerung einer entsprechenden Behandlung könne nicht einseitig auf die mögliche Fehldiagnose des Antragstellers zurückgeführt werden. Dies sei nicht mit einem Fall zu vergleichen, in dem der Patient nur die Diagnose des Heilpraktikers kenne. Aufgrund der Zusicherung, in Zukunft keine Krebspatienten mehr zu behandeln, bestehe die charakterliche Gewähr für die künftige ordnungsgemäße Ausübung der Heilkunde. Die mögliche Gefährdung fremder Rechtsgüter sei rein spekulativer Natur. Der Antragsteller habe bei seiner Tätigkeit immer ethische Grundsätze beachtet, bei Frau B. handele es sich um einen bedauerlichen Einzelfall.
30
Mit Stellungnahme vom 06.01.2020 führte der Antragsteller aus, dass er es für eine Gemeinheit halte, ihm nach sieben Jahren Prozessdauer plötzlich Unzuverlässigkeit zu unterstellen. Er sei vom Landgericht Regensburg freigesprochen worden. Das Landratsamt könne nicht ohne Anhörung seine Existenz vernichten, er betreibe die Praxis seit 24 Jahren und sei auf deren Einnahmen angewiesen. Die Aussagen von Dr. A., der ihn in betrügerischer Absicht aufgesucht habe, seien vom Landgericht nicht anerkannt worden und die Aussagen und Gutachten von Prof. Dr. Dr. E. seien wegen Befangenheit durch das Gericht abgelehnt worden. Beide würden nun gegen ihn verwendet.
31
Mit Schriftsatz vom 15.01.2020 führte die Vertreterin des Antragstellers ferner aus, dem Antragsteller seien unvollständige Unterlagen vorgelegt worden. Frau B. sei wegen eines Stoßes von der Leiter zu ihm gekommen. Im Rahmen des Komplexes Dr. A. sei dem Antragsteller eine Falle gestellt worden. Als Arzt habe dieser überlegenes Wissen gegenüber dem Antragsteller gehabt. Der vereinbarte Folgetermin in diesem Zusammenhang sei nicht wahrgenommen worden.
32
Der Antragsteller führt in einer Stellungnahme vom 27.01.2020 aus, dass er den Ausführungen und Annahmen in Verbindungen mit den Unterstellungen und Falschaussagen widerspreche. Frau B. sei von ihm im Laufe der Behandlung auf eine ärztliche Behandlung hingewiesen worden, diese habe sie ausdrücklich abgelehnt. Das könne ihm nicht angelastet werden, da es sich hierbei um ihre freie Entscheidung gehandelt habe. Er halte es für sehr fragwürdig, die Aussagen von Dr. A., als wahr anzunehmen, vor allem, weil er die Patientin in dessen Begleitung ausdrücklich zur Abklärung des Befundes in das Rotkreuzkrankenhaus nach München verwiesen habe. Auch die Annahme, er sei eine Gefahr für die Bevölkerung, sei widersinnig. Nach einem derartigen Verfahren sei man besonders vorsichtig und überprüfe jeden Befund mehrfach, das sei auch in der Vergangenheit nicht anders gewesen. Ihm als Apotheker und Heilpraktiker mangelnde Sorgfalt zu unterstellen, halte er ebenfalls für fragwürdig, es sei seine absolute Sorgfaltspflicht, als solcher alles genauestens zu überprüfen. Die Androhung des Erlaubnisentzuges aus 2018 sei bei ihm nicht angekommen, auch der Entzug der Erlaubnis sei ihm nicht persönlich zugestellt worden. Er verpflichte sich, nach Wiedererteilung seiner Heilpraktikererlaubnis ein computergesteuertes Diagnosegerät mit Druck anzuschaffen, um alle Vorgänge zu dokumentieren. Ferner habe er eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, in Zukunft keine Krebspatienten mehr zu behandeln.
33
Die Bevollmächtigte des Antragstellers führte mit Schriftsatz vom 28.01.2020 aus, dass in dem Sitzungsprotokoll der Verhandlung vor dem Amtsgericht Kelheim zu der Einlassung von Dr. A. vermerkt worden sei, dass der Antragsteller einen Kontrolltermin angeboten habe, der nicht wahrgenommen worden sei. Aus dem ersten Besuch könnten keine negativen Schlüsse gezogen werden. Auch habe der Antragsteller darauf damals erklärt, dass er - wenn er so etwas vorgelegt bekommen habe - die Betroffenen ans Krankenhaus weitergeleitet habe.
34
Mit Schriftsatz vom 04.02.2020 bemängelte die Bevollmächtigte des Antragstellers, dass der Antragsgegner immer wieder Feststellungen aus dem erstinstanzlichen Verfahren sowie aus der staatsanwaltschaftlichen Revisionsbegründung miteinbeziehe.
35
Der Antragsteller selbst legt mit Stellungnahme vom 11.02.2020 nochmals dar, dass sich der Antragsgegner zu Unrecht auf die Aussagen des Zeugen Dr. A. berufe. Er wiederhole, dass er vom Landgericht freigesprochen worden sei und in der Folge noch sorgfältiger gearbeitet habe. Es habe während seiner ganzen Berufstätigkeit nie Beanstandungen gegeben. Das zusätzliche Diagnosegerät wolle er sich nur zur schriftlichen Dokumentation anschaffen. Er sei durch die Unterstützung von Familie und Freunden in der Lage gewesen, seine finanzielle Situation stabil zu halten. Dies sei auf Dauer nicht möglich, die Schließung seiner Praxis sei sein Ruin.
36
Der weitere Prozessvertreter des Antragstellers trägt mit Schriftsatz vom 13.02.2020 vor, dass das Landratsamt mehr und mehr den Boden sachlicher Argumentation verlasse und sich immer mehr im Bereich der Spekulation bewege. Weiter bezieht er sich auf § 35 Abs. 3 GewO, der auch die Frage der Zuverlässigkeit und die Untersagung mangels Zuverlässigkeit betreffe. In beiden Fällen habe das Landratsamt eine Prognoseentscheidung zu treffen. Dem Bescheid hafte der Makel pauschaler Verallgemeinerungen und verallgemeinernder Unterstellungen an. Das Landratsamt beziehe sich nur auf einen Vorfall. Es ließen nur konkrete, festgestellte Tatsachen eine entsprechende Prognose zu, gegen die entscheidende Bedeutung des Sachverhaltes spreche schon der seitdem vergangene Zeitraum von über zehn Jahren. Der Antragsteller habe weder in dieser Zeit noch zuvor seine eigene an die Stelle einer ärztlichen Diagnose gestellt. Weder habe es in den 24 Jahren seiner Heilpraktikertätigkeit noch während seiner Tätigkeit als Apotheker (19 Jahre) Beschwerden gegeben. Es falle vor diesem Hintergrund schwer, nachzuvollziehen, wie das Landratsamt trotz Freispruch und behördlicher Beweislast die Unzuverlässigkeit aus irgendwelchen Feststellungen im Strafverfahren ableiten wolle. Dabei wäre nicht einmal eine Verurteilung hinreichend für das Verdikt der Unzuverlässigkeit, sondern es gehe immer nur um den zugrundeliegenden Nebensachverhalt. Das Verwaltungsgericht müsse selbst prüfen, welcher Sachverhalt zugrunde gelegen habe und ob die Tatsachen eine Verneinung der Zuverlässigkeit rechtfertigten. Dies habe noch mehr in umgekehrten Fall zu gelten, in dem keine Verurteilung vorliege.
37
Der Antragsteller lässt mit der Klage beantragen,
1.
Der Bescheid des Landratsamtes K. vom 02.12.2019 wird aufgehoben.
2.
Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
38
Weiterhin lässt der Antragsteller im gegenständlichen Verfahren folgende Anträge stellen:
1. Die aufschiebende Wirkung vorstehender Klage des Antragstellers gegen Ziffer 1 und 2 des Bescheides des Landratsamtes K. vom 02.12.2019 wird wiederhergestellt.
2. Die aufschiebende Wirkung vorstehender Klage des Antragstellers gegen Ziffer 4 des Bescheides des Landratsamtes K. vom 02.12.2019 wird angeordnet.
3. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
39
Mit Schriftsatz vom 20.12.2019 beantragt der Antragsgegner
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
40
Für den Sachverhalt, der dem Verwaltungsverfahren zugrunde gelegt worden sei, sei es unerheblich, dass der Freispruch für den Antragstellers keine prozessuale Beschwer entfalte. Die Verwaltungsbehörden seien berechtigt, tatsächliche Feststellungen eines Strafurteils für die Beurteilung der berufsrechtlichen Unzuverlässigkeit zugrunde zu legen. Die Feststellungen des Amtsgerichts Kelheim seien im Verwaltungsverfahren verwertbar. Es obliege dem Betroffenen, bereits im Strafprozess alle zu seiner Entlastung in Betracht kommenden Tatsachen vorzubringen. Die Beweisverwertung stünde nur insoweit in Frage, als das Amtsgericht Kelheim seine tatsächlichen Feststellungen ausschließlich auf das Gutachten von Prof. Dr. Dr. E. stütze. Dessen Befangenheit schlage nicht auf die übrigen Tatsachenfeststellungen durch. Auch die Aussagen von Dr. A. seien im Verwaltungsverfahren vollständig verwertbar. Die Pflichtverletzungen würden ferner durch das Berufungsurteil des Landgerichts Regensburg belegt.
41
Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit sei ausführlich begründet und einzelfallbezogen. Eine vorherige Anhörung sei nicht erforderlich. Der Einwand, der Hausarzt von Frau B. sei im Strafprozess nicht gehört worden, läge neben der Sache. Hierdurch würde allenfalls belegt, dass Frau B. schulmedizinische Behandlungen abgelehnt habe, dies berühre nicht die Pflicht des Antragstellers zum Hinweis auf die Einholung ärztlichen Rates. Auch ohne Kenntnis von dem Arztbrief hätte der Antragsteller die ihm frühzeitig vorliegenden Erkenntnisse zur Krankheitsgeschichte zum Anlass nehmen müssen, seinen durchgehend unkritischen Therapieansatz durch eine zweite Meinung abzusichern. Der einseitige Verzicht des Antragstellers auf die Behandlung von Krebspatienten sei nicht so effektiv wie der sofortiger Vollzug, da er weder nachprüfbar sei, noch würden andere lebensgefährliche Krankheitsbilder erfasst. Auch werde vernachlässigt, dass der Antragsteller nicht in der Lage gewesen sei, ein lebensbedrohliches Krankheitsbild mit ärztlichem Behandlungsbedarf zu erkennen. Das Interesse des Antragstellers an der Berufsausübung habe bis zur Hauptsacheentscheidung zurückzustehen.
42
Ergänzend führt der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 10.01.2020 aus, dass der Rückschluss auf ein künftiges Fehlverhalten auf stark belastenden Anknüpfungstatsachen beruhe. Die vom Antragsteller dargelegten Beispiele aus der Rechtsprechung schlössen nicht die Möglichkeit aus, die sittliche Unzuverlässigkeit eines Heilpraktikers bereits dann anzunehmen, wenn ein nachträgliches Hinwirken auf eine schulmedizinische notwendige Behandlung unterlassen werde. Klarzustellen sei ferner, dass die Prognoseentscheidung nicht maßgeblich darauf abstelle, ob der Antragsteller den bestehenden Krebsverdacht fälschlich anders beurteilt habe. Es sei dem Antragsteller anzulasten, dass er sich überhaupt an einer abschließenden Diagnose versucht und anhand invalider Methoden den (fehlerhaften) Schluss gezogen habe, eine Krebserkrankung sei mit sicherer Gewissheit auszuschließen gewesen. Diese erhebliche Überschreitung seiner eigenen Fähigkeiten und Pflichten sei durch die beschwichtigenden Äußerungen gegenüber Frau B. weiter vertieft worden. Ausschlaggebend für die Annahme sittlicher Unzuverlässigkeit sei daher nicht die Fehldiagnose als solche, sondern das offensichtliche fehlende Bewusstsein des Antragstellers für die eigenen diagnostischen und therapeutischen Grenzen.
43
Weiterhin führt das Landratsamt mit Schriftsatz vom 16.01.2020 aus, dass der Widerruf nicht willkürlich ergangen sei, sondern eine gebundene Entscheidung darstelle. Auch sei der Antragsteller mit Schreiben vom 19.11.2018 zu einem möglichen Erlaubniswiderruf angehört worden und habe sich zu diesem sowohl selbst als auch über seine Bevollmächtigte geäußert. Anders als das retrospektive Strafverfahren beurteile das Verwaltungsverfahren künftige Sachverhaltsentwicklungen unter den Gesichtspunkten der Gefahrenabwehr und des Gesundheitsschutzes. Im Verwaltungsverfahren komme es auf die Kausalität von Behandlungsfehlern für den Tod von Frau B. nicht an. Durch die Ablehnung schulmedizinischer Behandlungen durch Frau B. werde er nicht von seiner Berufspflicht frei, aktiv und nachdrücklich auf eine schulmedizinische, notwendige ärztliche Konsultation hinzuwirken. Auch könne bereits eine einmalige Unzuverlässigkeit ausreichen, um den Schluss auf eine berufsrechtliche Unzuverlässigkeit zu begründen. Eine solche läge jedoch wegen der jahrelangen Behandlung nicht vor. Es komme daher weder auf die Wahrnehmung der Behandlung durch andere Patienten noch auf den langjähriger Praxisbetrieb ohne Beanstandung an.
44
Ferner führt der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 24.01.2020 aus, dass der Antragsteller nicht durchgreifend einwenden könne, ihm seien im Fall B. unvollständige Unterlagen vorgelegt worden. Das Landgericht Regensburg habe, genauso wie das Amtsgericht Kelheim, entgegenstehende Feststellungen getroffen. Es ergebe sich daraus zweifelsfrei, dass der Antragsteller frühzeitig und detailliert über den Verdacht einer lebensgefährlichen Krebserkrankung von Frau B. im Bilde gewesen sei. Der Einwand, Frau B. haben den Antragsteller nicht wegen ihrer Krebserkrankung, sondern wegen einer Sturzverletzung aufgesucht, sei vom Landgericht Regensburg aufgegriffen und verworfen worden. Auch leuchte es nicht ein, dass die einem Heilpraktiker obliegenden Aufklärungspflichten beim Vorliegen ärztlicher Krankheitsdiagnosen schlechter ausgeprägt sein sollten als in Fällen, in denen ein Patient überhaupt keine Angaben zu seiner Krankheitsgeschichte mache. Hätten fachlich höher qualifizierte Ärzte konkrete Vordiagnosen gestellt und lege der Patient diese vor, sei eher von erhöhten als verringerten Aufklärungspflichten auszugehen, weil bereits fachlich belastbare Hinweise auf ein bestimmtes Krankheitsbild und schulmedizinische indizierte Therapien vorhanden seien.
45
Das Landratsamt K. teilte mit Schreiben vom 24.01.2020 mit, dass ihm auf telefonische Nachfrage am 20.01.2020 mitgeteilt wurde, dass die Nebenklage ihre Revision zurückgenommen habe.
46
Mit Schriftsatz vom 05.02.2020 betonte es, dass es die Aussagen des Zeugen Dr. A. für im Verwaltungsverfahren verwertbar halte. Es erschließe sich nicht, warum die Vereinbarung eines Folgetermins entlastend sei. Auch halte es den Vortrag, der Erlaubnisentzug werde den Ruin des Antragstellers bedeuten, für substanzlos, nachdem dieser ein Diagnosegerät für 27.000,00 EUR anschaffen wolle.
47
Ferner legte es am 12.02.2020 dar, dass - auch wenn die Revisionsbegründung nicht in Rechtskraft erwachse - diese dazu diene, die tatrichterlichen Feststellungen zu untermauern und unterstreiche, dass die Behandlung des Antragstellers vermutlich den Tod von Frau B. verursacht habe. Das Landratsamt sei auch nicht gehindert, Erkenntnisse aus einem Strafprozess einer eigenen Prüfung zu unterziehen.
48
Auf die Gerichtsakten des einstweiligen Rechtsschutzes sowie des Hauptsacheverfahrens, insbesondere die Schriftsätze der Parteien, und die Behördenakten, die dem Gericht vorlagen, wird Bezug genommen.
I.
49
Die Anträge auf Wiederherstellung und Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Ziffern 1, 2 und 4 des Bescheides des Landratsamtes vom 02.12.2019 haben keinen Erfolg. Sie sind zulässig, aber unbegründet.
50
1. a) Die Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gem. § 80 Abs. 5 VwGO des Antragstellers gegen die Ziffern 1 und 2 des Bescheides des Landratsamtes K. vom 02.12.2019 sind statthaft. Es handelt sich bei der Hauptsache um eine Anfechtungsklagen, die keine aufschiebende Wirkung entfalten, §§ 123 Abs. 5, 80 Abs. 5 VwGO. Die Ziffern 1 und 2 des Bescheides sind aufgrund der Klageerhebung am 13.12.2019 nicht bestandskräftig geworden, das Landratsamt hat in Ziffer 3 des Bescheides die sofortige Vollziehung des Bescheides angeordnet.
51
b) Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gem. § 80 Abs. 5 VwGO gegen Ziffer 4 des Bescheides vom 02.12.2019 ist ebenfalls statthaft. Gem. Art. 21a Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) haben Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung keine aufschiebende Wirkung.
52
2. Die Anträge sind jedoch unbegründet. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1 und 2 des Bescheides ist formell rechtmäßig. Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers für die Ziffern 1, 2 und 4.
53
Die Anfechtungsklagen in der Hauptsache haben nach der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen, summarischen Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg, darüber hinaus besteht das aufgrund des gesonderten Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG durch den sofortigen Vollzug notwendige besondere Vollzugsinteresse.
54
a) Die Vollziehungsanordnung ist formell rechtmäßig.
55
aa) Für die formelle Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung ist es unschädlich, dass der Antragsteller zu dieser nicht gesondert angehört wurde. Eine gesonderte Anhörung zur Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit gem. Art. 28 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) ist nicht erforderlich. Es handelt sich bei der Anordnung des Sofortvollzuges nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des allgemeinen Verwaltungsrechts oder des verwaltungsgerichtlichen Verfahrensrechts. Die Anordnung setzt einen Verwaltungsakt voraus und regelt nur dessen Vollziehung (BVerwG, Urteil vom 12.05.1966 - II C 197.62, Rn. 40, juris).
56
bb) Das Landratsamt hat die Anordnung des Sofortvollzuges ferner gem. § 80 Abs. 3 VwGO ordnungsgemäß begründet. Die Begründung stellt auf den konkreten Einzelfall ab, es handelt sich nicht um eine formelhafte schriftliche Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 80 Rn. 84).
57
Die Begründung soll den Betroffenen in die Lage versetzen, seine Rechte wirksam wahrzunehmen sowie der Behörde den Ausnahmecharakter vor Augen führen und sie veranlassen, genau zu überprüfen, ob und warum ausnahmsweise der Grundsatz der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsrechtsbehelfe durchbrochen werden soll. Die Behörde muss konkret die Gründe angeben, die dafür sprechen, dass die sofortige Vollziehung aufgrund erheblicher öffentlicher Interessen notwendig ist und warum die Interessen des Betroffenen zurückstehen müssen. Es genügt nicht, dass die Behörde auf die Gesichtspunkte, die den Grundverwaltungsakt selbst rechtfertigen, abstellt.
58
Der Antragsgegner hat im streitgegenständlichen Bescheid in Punkt 5. unter anderem ausgeführt, dass bei Aufschub des Vollzugs der Allgemeinheit und den von dem Antragsteller behandelten Patienten die konkrete Gefahr drohe, durch Vorenthaltung ärztlicher Behandlungen erhebliche Gesundheitsschäden zu erleiden. Der Antragsgegner hat dabei die konkret betroffenen, widerstreitenden Interessen gegeneinander abgewogen. Es kommt hier nicht darauf an, ob die materiellen Verbotsvoraussetzungen tatsächlich gegeben sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.04.1995 - 1 VR 9/94, NJW 1995, 2505).
59
b) Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.
60
Im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung. Dabei wägt es das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes gegen das Interesse des Antragsstellers an der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage ab. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache nach summarischer Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg haben wird; bei offensichtlichem Erfolg der Hauptsache bei summarischer Prüfung überwiegt in der Regel das Aussetzungsinteresse (vgl. Eyermann/Hoppe, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 89 ff.; Kopp/Schenke, 24. Aufl. 2018, § 80 Rn. 152 ff.). Weder liegt es im öffentlichen Interesse, einen offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakt sofort zu vollziehen, noch dass ein unzulässiger oder unbegründeter Rechtsbehelf die sofortige Vollziehung verhindert (VG Würzburg, Beschluss vom 14.07.2014 - W 6 S 14.485, juris, Rn. 57).
61
aa) Die Anordnung des Widerrufes der Heilpraktikererlaubnis in Ziffer 1 des Bescheides ist nach der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen, summarischen Prüfung rechtmäßig. Ermächtigungsgrundlage für den Widerruf der Heilpraktikererlaubnis ist § 7 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 lit. f) HeilprGDV.
62
(1) Der Bescheid ist in Ziffer 1 nach summarischer Prüfung formell rechtmäßig.
63
(a) Der Antragsteller wurde ordnungsgemäß gem. Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG angehört. Er hat sich zum Schreiben des Landratsamtes vom 19.11.2019 mit Schreiben vom 04.12.2019 geäußert.
64
(b) Der Gutachterausschuss wurde gem. § 7 Abs. 4 HeilprDVO am 24.10.2018 angehört.
65
Die Anhörung ist nach summarischer Prüfung nicht deshalb fehlerhaft, weil der Ausschuss auf Grundlage des Urteil des Amtsgerichts Kelheim angehört wurde. Laut Angabe der Vorsitzenden des Gutachterausschusses wurde das Verhalten des Antragstellers der Entscheidung über den Widerruf zugrunde gelegt, nicht seine Motive oder dessen Kausalität für den Tod der Patientin. Bezüglich der festgestellten Tatsachen zum Verhalten des Antragstellers entsprechen sich die Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts Kelheim und des Landgerichts Regensburg in den wesentlichen Punkten. So haben sie insbesondere festgestellt, dass der Antragsteller die Diagnose des Karzinoms verkannte und Frau B. nicht zu einer schulmedizinischen Behandlung drängte.
66
Ferner würde es auch gem. Art. 46 BayVwVfG an einer Beeinflussung der Sachentscheidung durch eine unterbliebene Anhörung fehlen. Es handelt sich beim Widerruf der Heilpraktikererlaubnis um einen gebundenen Verwaltungsakt ohne Ermessen der Behörde (vgl. Spickhoff/Schelling, 3. Aufl. 2018, Heilpraktikergesetz-DVO § 7 Rn. 7).
67
(c) Der Bescheid wurde dem Antragsteller wirksam bekanntgegeben, Art. 43 Abs. 1 S. 1 BayVwVfG. Er wurde gem. Art. 8 Abs. 1 S. 1 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) seiner Bevollmächtigten zugestellt.
68
(2) Der Bescheid ist in Ziffer 1 nach summarischer Prüfung auch materiell rechtmäßig.
69
(a) Gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (HeilprG) bedarf, wer die Heilkunde, ohne als Arzt bestallt zu sein, ausüben will, der Erlaubnis. Dabei ist Ausübung der Heilkunde gem. § 1 Abs. 2 HeilprG jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden beim Menschen. Die Heilpraktikererlaubnis wurde dem Antragsteller im Jahr 1996 durch die Stadt Regensburg ausgestellt.
70
(b) Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 HeilprGDV ist die Erlaubnis durch die höhere Verwaltungsbehörde zurückzunehmen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten oder bekannt werden, die eine Versagung der Erlaubnis nach § 2 Abs. 1 HeilprGDV rechtfertigen würden. Gemäß § 2 Abs. 1 lit. f) HeilprGDV wird die Erlaubnis nicht erteilt, wenn sich aus Tatsachen ergibt, dass dem Antragsteller die sittliche Zuverlässigkeit fehlt, insbesondere, wenn schwere strafrechtliche oder sittliche Verfehlungen vorliegen.
71
(aa) Der Antragsteller ist nach der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen, summarischen Prüfung sittlich unzuverlässig im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. f) HeilprGDV. Es handelt sich bei der sittlichen Unzuverlässigkeit um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der vollumfänglich der gerichtlichen Kontrolle unterliegt (BVerwG, Urteil vom 24.01.1957 - I C 194.54, juris, Rn. 11).
72
(i) Als sittlich unzuverlässig ist ein Heilpraktiker anzusehen, wenn er keine ausreichende Gewähr dafür bietet, dass er in Zukunft seinen Beruf ordnungsgemäß unter Beachtung aller in Betracht kommenden Vorschriften und Berufspflichten und insbesondere ohne Straftaten zu begehen, ausüben wird, und sich dadurch Gefahren für die Allgemeinheit oder die von ihm behandelten Patienten ergeben. Hierbei sind angesichts der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen (OVG NRW, Beschluss vom 25.02.1998 - 13 B 500/97 -, Rn. 11, juris; BayVGH, Beschluss vom 03.11.1995 - 7 CS 95.3110, NVwZ-RR 1997, 151 m.w.N.; Spickhoff/Schelling, 3. Aufl. 2018, Heilpraktikergesetz-DVO § 7 Rn. 3).
73
Ein Heilpraktiker gilt insbesondere als sittlich unzuverlässig, wenn er den Patienten im Fall einer schwerwiegenden Erkrankung, die eine ärztliche Behandlung erforderlich macht, in dem Glauben lässt, dass die ärztliche Behandlung durch ihn ersetzt werde (VGH BaWü, Beschluss vom 02.10.2008 - 9 S 1782/08, Rn. 10, juris; Spickhoff/Schelling, 3. Aufl. 2018, Heilpraktikergesetz-DVO § 7 Rn. 3). Ein Patient, der einen Heilpraktiker aufsucht, wird in vielen Fällen einen Arzt für entbehrlich halten, da ein Teil ärztlicher Funktionen durch den Heilpraktiker übernommen werden darf. Ein Heilpraktiker steht jedoch einem Arzt nicht gleich. Seine Tätigkeit muss sich daher insbesondere an Gesundheitsgefahren orientieren, die sich aus dem Versäumnis ärztlicher Hilfe ergeben können. Er muss daher stets die Gefahren im Auge behalten, die sich daraus ergeben können, dass seine Patienten medizinisch gebotene Hilfe nicht oder nicht rechtzeitig in Anspruch nehmen (OVG Lüneburg, Beschluss vom 26.10.2010, 8 ME 181/10, Rn. 9, juris; VGH BaWü, Beschluss vom 02.10.2008 - 9 S 1782/08, Rn. 9, juris).
74
Der Antragsteller hat seine Berufspflichten in erheblicher Weise verletzt. So hat er entgegen der ihm dargelegten Diagnose die Krebserkrankung von Frau B. verkannt, und stattdessen eine Brustdrüsenentzündung diagnostiziert. Nach den Feststellungen des Landgericht Regensburg suchte Frau B. den Antragsteller auf, um nach ihrer Diagnose mit dem „intraduktalen Carzinoma in situ“ eine Zweitmeinung bezüglich der durch die Ärzte des Diagnosezentrum … gestellten Diagnose der Brustkrebsvorstufe sowie der Behandlung mittels Mastektomie einzuholen. Frau B. legte dem Antragsteller den histopathologischen Befund vor und erklärte ihm, dass ihr ärztlicherseits zu einer Entfernung der Brust geraten worden sei. Der Antragsteller führte eine Diagnose mittels Biotensor durch, und kam zu dem Ergebnis, dass Frau B. keinen Krebs habe und sich der von ihm diagnostizierte Milchstau mit homöopathischen Mitteln behandeln lasse. Dabei hätte er anhand der ihm am 08.01.2009 vorgelegten Unterlagen ohne weiteres erkennen können, dass Frau B. an einer ausgeprägten Krebsvorstufe litt, und dringend entsprechender ärztlicher Behandlung bedurft hätte. Im Vertrauen auf die Diagnose des Antragstellers unterzog sich Frau B. dessen Behandlung und unterließ die gebotene schulmedizinische Behandlung.
75
Der Antragsteller traf nach den Feststellungen des Landgerichts Regensburg nach Einsatz seiner eigenen Diagnoseinstrumente eine falsche Diagnose, obwohl er aufgrund der ihm vorgelegten Unterlagen hätte erkennen müssen, dass Frau B. an einer ausgeprägten Krebsvorstufe litt. Ferner konnte Frau B. aus dem folgenden Verhalten des Antragstellers schließen, dass eine über seine hinausgehende, ärztliche Behandlung nicht erforderlich war.
76
Der Vortrag des Antragstellers, Frau B. habe traditionelle Behandlungsmöglichkeiten der Schulmedizin abgelehnt, mag dabei nicht die Pflichtverletzung des Antragstellers auszuräumen. So besteht das Risiko für Patienten von Heilpraktikern gerade darin, dass sie davon ausgehen, dass deren Behandlung ausreichend ist. Bei einer Verweigerungshaltung des Patienten ist eher umso mehr auf eine schulmedizinische Behandlung hinzudrängen (OVG Lüneburg, Beschluss vom 26.10.2010 - 8 ME 181/10, Rn. 15, juris).
77
Der Antragsteller kann sich nicht darauf berufen, dass er wegen der Vorfälle nicht strafrechtlich verurteilt worden ist. § 2 Abs. 1 lit. f) HeilprDVO setzt eine strafrechtliche Verurteilung nicht voraus, sondern gestattet und fordert regelmäßig eine von strafrechtlichen Wertungen unabhängige Würdigung des Sachverhalts (BVerfG, Kammerbeschluss vom 16.01.1991 - 1 BvR 1326/90, Rn. 21, juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 26.10.2010 - 8 ME 181/10 -, Rn. 18, juris). Die Pflichtverletzung ergibt sich hier aus dem Verhalten des Antragstellers selbst. Der Freispruch gründet dagegen in der nicht nachweisbaren Kausalität zwischen seiner Pflichtverletzung und dem Tod von Frau B. Die Pflichtverletzung hat das Landgericht jedoch festgestellt.
78
(ii) Diese tatsächlichen Feststellungen des Landgerichtes Regensburg sind im verwaltungsgerichtlichen Verfahren verwertbar.
79
Zwar gibt es keine ausdrückliche gesetzliche Regelung, nach der die tatsächlichen Feststellungen des Urteils im Strafverfahrens für das verwaltungsgerichtliche Verfahren bindend sind (OVG Lüneburg, Beschluss vom 13.01.2009 - 8 LA 88/08, juris, Rn. 5). Die tatsächlichen Feststellungen, die in einem rechtskräftigen Strafurteil enthalten sind, dürfen jedoch - gerade im Ordnungsrecht - regelmäßig zur Grundlage einer behördlichen oder gerichtlichen Beurteilung gemacht werden, soweit sich nicht gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Feststellungen ergeben (vgl. zum Strafbefehl BVerwG, Urteil vom 26.09.2002 - 3 C 37/01, NJW 2003, 913, 916). In einem Strafverfahren bestehen regelmäßig weitergehende Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhaltes als in einem Verwaltungsverfahren, dem rechtskräftigen Strafurteil kommt eine materielle Richtigkeitsgewähr zu und die Feststellungen können für die Entscheidung über den Widerruf der Heilpraktikerlaubnis grundsätzlich zugrunde gelegt werden (zur ärztlichen Approbation OVG Lüneburg, Beschluss vom 13.01.2009 - 8 LA 88/08, juris, Rn. 7).
80
Das Urteil des Landgerichts Regensburg ist zwar aufgrund der Revisionseinlegung der Staatsanwaltschaft Regensburg noch nicht im Ganzen rechtskräftig geworden. Die tatsächlichen Feststellungen sind jedoch nicht von dem Revisionsantrag auf Aufhebung des Urteils erfasst. Die Staatsanwaltschaft hat nicht über die Aufhebung des Urteiles und die Rückverweisung zur Neuverhandlung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Regensburg hinaus die Aufhebung der tatsächlichen Feststellungen beantragt. Die tatsächlichen Feststellungen des Urteils sind damit nicht länger angreifbar. Die Nebenklage hat ihre Revision zurückgenommen.
81
Ein Abweichen von den Feststellungen des Landgericht Regensburg ist hier nicht geboten.
82
Dies wäre anders, wenn gewichtige Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit sprechen, etwa, wenn Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 359 StPO gegeben sind, die maßgeblichen und tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts erkennbar auf einem Irrtum beruhen oder die Behörde oder die Verwaltungsgerichte ausnahmsweise in der Lage sind, eine für ihre Entscheidung erhebliche, aber strittige Tatsache besser als das Strafgericht aufzuklären (BVerwG, Beschluss vom 10.03.1997 - 6 B 72/96 -, Rn. 9, juris m. w. N.; VG Regensburg, Urteil vom 12.07.2016, RO 5 K 15.1168; Beschluss vom 28.10.2019, RN 5 S 19.1784). Werden die tatsächlichen Feststellungen eines Strafurteiles angegriffen, so dürften Verwaltungsbehörde und Verwaltungsgericht in der Regel nicht in der Lage und ohne schwerwiegende Anhaltspunkte auch nicht dazu angehalten sein, das gesamte Verfahren noch einmal in vollem Umfang aufzurollen, wenn das Urteil auf nach einer Hauptverhandlung mit umfangreicher Beweiserhebung und Beweiswürdigung zustande gekommen ist und sich keine konkrete Aussicht bietet, auf diese Weise andere und besser abgesicherte Erkenntnisse zu gewinnen. Vielmehr ist es Sache des Betroffenen, bereits im Strafprozess seine Einwendungen gegen die seiner Meinung nach fehlerhaften Feststellungen im Strafurteil im Strafprozess mit den hierfür vorgesehenen Rechtsbehelfen geltend zu machen. Tut er dies nicht, so muss er den Sachverhalt, der der gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegt, im Verwaltungsverfahren gegen sich gelten lassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.03.1997 - 6 B 72/96, juris, Rn. 9 f. m. w. N.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 13.01.2009 - 8 LA 88/08, juris, Rn. 8).
83
Der Antragsteller macht geltend, dass der Hausarzt von Frau B. nicht dazu angehört worden sei, dass Frau B. medizinische Behandlungen ablehnte. Dabei handelt es sich aber nicht um einen Anhaltspunkt, der so schwerwiegend wäre, dass sie ein neues Aufrollen des strafgerichtlichen Verfahrens im Verwaltungsprozess, insbesondere im einstweiligen Rechtsschutz, rechtfertigen würden. So wäre die beharrliche Verweigerung schulmedizinischer Behandlung vielmehr ein besonderer Grund gewesen, beharrlich auf diese hinzuwirken.
84
Auch die Darlegungen des Antragstellers, dass Frau B. ihn wegen eines Sturzes aufgesucht habe, sowie dass ihm die Befundunterlagen nicht vollständig vorgelegt worden seien, sind nicht geeignet, diese Feststellungen zu entkräften.
85
Das Landgericht hat sich im Rahmen seiner Beweiswürdigung mit diesem Vortrag auseinandergesetzt. Ferner behandelte der Antragsteller Frau B. in der Folge wegen des von ihm diagnostizierten Milchstaus.
86
Es ist auch nicht erforderlich, dass dem Antragsteller die vollständigen Unterlagen vorlagen, um seine Pflichtverletzung zu bejahen. Das Urteil des Landgericht Regensburg nimmt in der Beweiswürdigung zu der Frage, auf Grundlage welcher Unterlagen der Antragsteller das „Carcinoma in situ“ hätte erkennen müssen, gerade nicht auf den Arztbrief vom 16.01.2009, sondern auf diverse andere Befunde des Diagnosezentrum …, des LKH … und des LKH …, die vor dem 08.01.2009 datieren, Bezug. Das wörtliche Zitat im Urteil des Landgerichts entstammt dabei nicht dem Arztbrief vom 16.01.2009.
87
Bei den tatsächlichen Feststellungen des Amtsgericht Kelheim handelt es sich dagegen um keine taugliche Grundlage im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Anders als die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts Regensburg sind diese durch die eingelegte Berufung nicht in Rechtskraft erwachsen.
88
(iii) Aus dieser Pflichtverletzung ergibt sich auch die fehlende Gewährleistung der ordnungsgemäßen Behandlung in Zukunft. Es lässt sich nicht ausschließen, dass der Antragsteller in Zukunft fahrlässig falsche Diagnosen stellt und schwerwiegende Krankheiten verkennt.
89
Im Rahmen der Zukunftsprognose kann sich der Antragsteller nicht darauf berufen, dass sein Fehlverhalten nur einen einzigen Behandlungsfall betrifft und er im Übrigen seine Tätigkeit ohne Beanstandung ausgeübt habe. Ein einmaliges Fehlverhalten kann bereits für die Bestimmung der Unzuverlässigkeit grundsätzlich genügen (OVG Lüneburg, Beschluss vom 26.10.2010, 8 Me 181/10, Rn. 20, juris). Darüber hinaus ist bei einer Behandlung über mehrere Jahre nicht von einem einmaligen Fehlverhalten auszugehen (OVG Lüneburg, Beschluss vom 26.10.2010, 8 Me 181/10, Rn. 20, juris; VGH BaWü, Beschluss vom 02.10.2008, Rn. 12, juris; BVerwG, Beschluss vom 04.08.1993 - 3 B 5/93, Rn. 3, juris). Der Antragsteller behandelte Frau B. im Zeitraum von Januar 2009 bis zu ihrem Tod im Jahr 2013. Er wies jedoch nicht auf die - mindestens zusätzliche notwendige - ärztliche Behandlung hin und nahm auch die Verschlechterung des Gesundheitszustandes ab Ende 2012 nicht zum Anlass, auf eine schulmedizinische Diagnose und Behandlung hinzuwirken.
90
Keine konkreten Schlussfolgerungen lassen sich dagegen bei summarischer Prüfung - unabhängig von Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit und den zugrundeliegenden Ereignissen - aus der Aussage des Zeugen Dr. A. vor dem Amtsgericht Kelheim ziehen.
91
Die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgericht Kelheim sind anders als die des Landgerichts Regensburg nicht in Rechtskraft erwachsen. Den Verwaltungsbehörden und den Gerichten ist es aber nicht verwehrt, die im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und im strafgerichtlichen Verfahren gewonnenen Erkenntnisse und Beweismittel einer eigenständigen Überprüfung etwa im Hinblick darauf zu unterziehen, ob sich daraus hinreichende Schlussfolgerungen für das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Widerruf der einer Heilpraktikererlaubnis ziehen lassen (OVG NRW, Beschluss vom 25.02.1998 - 13 B 500/97, Rn. 9, juris; vgl. zum Widerruf einer tierärztlichen Approbation i.Z.m. einer Einstellung nach § 153a Abs. 2 StPO BVerfG, Kammerbeschluss vom 16.01.1991 - 1 BvR 1326/90, Rn. 21, juris). Auch ist der Gegenstand der Aussage des Zeugen Dr. A. nicht Teil der vor dem Landgericht angeklagten prozessualen Tat.
92
Aus der Aussage ergibt sich allerdings nur, dass der Antragsteller nach Vorlage des Befundes auf die Notwendigkeit der Einholung einer Zweitmeinung verwies, aber nicht auf diese drängte und nach einer eigenen Diagnose zunächst eine Behandlung mit seinen eigenen Medikamenten vorschlug. Es lassen sich aus diesem Verhalten keine Rückschlüsse auf ein mögliches Verhalten während einer folgenden Behandlung ziehen.
93
(bb) Der Widerruf der Heilpraktikererlaubnis ist verhältnismäßig. Mit dem Schutz der Gesundheit der Patienten und der Volksgesundheit dient er einem legitimen Zweck, er ist ferner auch geeignet, diesen Zweck zu erreichen.
94
Ein milderes, gleich wirksames Mittel ist nicht ersichtlich. So ist die Selbstverpflichtung des Antragstellers, keine Krebspatienten mehr zu behandeln, nicht genauso wirksam. Zum einen kann das Landratsamt diese als freiwillige Verpflichtung nicht durchsetzen, es ist nur eine freiwillige, einseitige Verzichtserklärung des Antragstellers. Zum anderen erfasst sie keine vergleichbaren, ähnlich schwerwiegenden Erkrankungen, bei denen bei nicht ordnungsgemäßer Behandlung ein vergleichbares Risiko besteht.
95
(b) Es besteht ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Erlaubniswiderrufes.
96
(aa) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Heilpraktikerlaubnis des Antragstellers ist vor Rechtskraft der Hauptsache als präventive Maßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich.
97
Die Abweichung von der gesetzlich grundsätzlich vorgesehenen aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfes gegen den Widerruf der Erlaubnis (§ 80 Abs. 1 VwGO) stellt einen selbständigen und über die Wirkung der Grundverfügung hinausgehenden Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG dar. Sie hat zur Folge, dass dem Betroffenen die berufliche Betätigung schon vor der Entscheidung in der Hauptsache untersagt wird (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.12.2007 - 1 BvR 2157/07, Rn. 20, juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 09.05.2018 - 7 L 261/18, Rn. 34, juris).
98
Die sofortige Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes bewirkt ein vorläufiges Berufsverbot, und greift damit als subjektive Berufsausübungsschranke schwerwiegend in das Grundrecht des Antragstellers des Art. 12 Abs. 1 GG ein. Das Interesse an der sofortigen Vollziehung setzt daher voraus, dass auf Grundlage einer Gesamtwürdigung der konkreten Umstände festgestellt wird, dass der Sofortvollzug vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens als präventive Maßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.10.2003 - 1 BvR 1594/03, NJW 2003, 3618, 3619 m.w.N.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 26.10.2010 - 8 ME 181/10, Rn. 3, juris).
99
Notwendig hierfür sind strenge Voraussetzungen zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter und die strenge Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.12.2007 - 1 BvR 2157/07, Rn. 22, juris). Dabei sind nur Gründe ausreichend, die in angemessenem Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen und es ausschließen, bis zur Rechtskraft des Hauptverfahrens abzuwarten. Dies hängt von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles und insbesondere davon ab, ob die weitere Berufstätigkeit konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.12.2007 - 1 BvR 2157/07, Rn. 22, juris).
100
Bedrohtes Rechtsgut der Allgemeinheit ist hier die Gesundheit der Patienten des Antragstellers. Übt der Antragsteller bis Abschluss des Hauptsacheverfahrens seine Tätigkeit als Heilpraktiker weiter aus, so besteht die konkrete Gefahr, dass er schwere Krankheiten seiner Patienten nicht erkennt oder nicht mit der gebotenen Dringlichkeit darauf hinweist, sich - zumindest ergänzend - schulmedizinischen Behandlungen zu unterziehen. Irreversible Gesundheitsschäden können dabei durch eine nicht rechtzeitige Weiterverweisung an Ärzte oder den nicht erfolgenden, beharrlichen Verweis auf eine schulmedizinische Behandlung entstehen. Dieses Risiko besteht insbesondere, da sich der Antragsteller auch darauf beruft, dass Frau B. eine schulmedizinische Behandlung abgelehnt hat. Entgegen der Annahme des Antragstellers besteht bei der Ablehnung zwingend notwendiger, schulmedizinischer Behandlung eine besondere Verpflichtung des Heilpraktikers, seinen Patienten auf diese hinzuweisen (OVG Lüneburg, Beschluss vom 26.10.2010 - 8 ME 181/10, Rn. 15, juris).
101
Diese konkrete Gefahr kann auch nicht durch die Selbstverpflichtung des Antragstellers, keine Krebspatienten mehr zu behandeln, entschärft werden. So besteht zum einen die Gefahr, das auch durch andere, schwere Krankheiten schwerste Gesundheitsschädigungen entstehen. Zum anderen hat der Antragsteller nach eigenen Angaben bei Frau B. das Karzinom weder in der Anfangsphase noch bei Fortschreiten der Erkrankung erkannt, sondern hielt an seiner ursprünglichen Diagnose fest.
102
Das besondere Interesse lässt sich auch nicht durch den Vortrag des Antragstellers beseitigen, dass es in seiner Heilpraktikertätigkeit nie zu Beanstandungen gekommen sei und auch in seiner Zeit als Apotheker keine Vorkommnisse gegeben habe. Die Gefahr für die Gesundheit der Patienten ergibt sich hier bereits aus dem einzelnen, sich über mehrere Jahre ziehenden Behandlungsfall der Frau B.
103
Ferner ist es auch nicht dadurch entfallen, dass zwischen der ersten Behandlung von Frau B. im Jahr 2009 und der Untersagung durch das Landratsamt über zehn Jahre lagen. So erlangte das Landratsamt K. ausweislich des internen Schriftverkehres wohl erst im März 2017 Kenntnis von dem streitgegenständlichen Sachverhalt. Von der ersten Verfahrenseinstellung im Jahr 2014 wurde es jedenfalls ausweislich der Verfügung nicht benachrichtigt. In der Folgezeit wurde der Abschluss des Strafverfahrens abgewartet; nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils baten im Rahmen der Anhörung sowohl der Antragsteller als auch seine Bevollmächtigte ausdrücklich um das Abwarten des rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens. Der Antragsgegner ist dieser Bitte nachgekommen.
104
(bb) Die Anordnung des Sofortvollzuges ist nicht unverhältnismäßig. So überwiegen die Nachteile für den Antragsteller durch den sofortigen Vollzug hier nicht die Nachteile für die Allgemeinheit durch die Aussetzung desselbigen.
105
Bei der Folgenabwägung sind konkrete Nachteile für die Allgemeinheit bei Aufschub des Vollzuges, wenn sich der Widerruf nachträglich als rechtmäßig erweist, gegen die konkreten Folgen des Sofortvollzuges für den Betroffenen, konkret seinen Beruf als Heilpraktiker nicht ausüben zu können, wenn sich der Widerruf nachträglich als rechtswidrig erweisen sollte, gegenüber zu stellen.
106
Bedrohtes Rechtsgut der Allgemeinheit ist hier die körperliche Unversehrtheit der Patienten des Antragstellers. Übt der Antragsteller weiterhin bis Abschluss des Hauptsacheverfahrens seine Tätigkeit als Heilpraktiker aus, so besteht die Gefahr von gegebenenfalls irreparablen Gesundheitsschädigungen seiner Patienten durch nicht diagnostizierte Krankheiten oder nicht angeratene Behandlungen (vergleiche soeben).
107
Demgegenüber stehen bei Anordnung des sofortigen Vollzuges die wirtschaftlichen Einbußen, die der Antragsteller durch die sofortige Einstellung seiner Heilpraktikertätigkeit erleidet.
108
So trägt der Antragsteller vor, dass er auf die Einnahmen aus seiner Praxis angewiesen ist, da er mit seiner Rente lediglich die Kaltmiete und die Krankenversicherung decken könne. Rücklagen oder ähnliches seien nicht vorhanden.
109
Bei Abwägung der Folgen überwiegen die Rechtsgüter der Allgemeinheit. Der Lebensunterhalt des Antragstellers ist durch seine Rente - wenn auch auf geringem Niveau - zumindest gesichert (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 26.10.2010, 8 ME 181/10, juris, Rn. 35). Die - möglicherweise irreversiblen - Folgen für die Gesundheit der Patienten des Antragstellers überwiegen diese.
110
bb) Die Anordnung der Herausgabe der Urkunde über die Erlaubnis zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung samt Ausfertigungen in Ziffer 2 des Bescheides ist ebenfalls nach summarischer Prüfung rechtmäßig.
111
Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung der Herausgabe der Urkunde ist Art. 52 S. 1 BayVwVfG. Nach diesem kann die Behörde bei einem unanfechtbar widerrufenen oder aus anderem Grund nicht (mehr) wirksamem Verwaltungsakt die aufgrund dieses Verwaltungsaktes erteilten Urkunden, die zum Nachweis der Rechte aus dem Verwaltungsakt oder zu deren Ausübung bestimmt sind, zurückverlangen. Die Heilpraktikererlaubnis ist aufgrund des sofort vollziehbaren, voraussichtlich rechtmäßigen Widerrufs nicht mehr wirksam. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Die Aufforderung zur Rückgabe von Urkunden dient dazu, den Rechtsschein einer noch bestehenden Erlaubnis zu beseitigen.
112
cc) Die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 4 des Bescheides begegnet ebenfalls bei summarischer Prüfung keinen rechtlichen Bedenken.
113
Sie findet ihre Grundlage in den Art. 31, 36 VwZVG. Ziffer 2 des Bescheides ist vollstreckbar, die Anfechtungsklage entfaltet aufgrund der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit gem. Art. 19 Abs. 2 VwZVG keine aufschiebende Wirkung. Der Bescheid wurde der Bevollmächtigten des Antragsstellers gem. Art. 36 Abs. 7 S. 1, Art. 5, 8 Abs. 1 S. 2 VwZVG gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Das Zwangsgeld befindet sich mit 250,00 EUR innerhalb des Rahmens nach Art. 31 Abs. 2 VwZVG. Bezüglich der Höhe sind keine Ermessensfehler erkennbar.
II.
114
Die Kostenentscheidung gründet auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Antragsteller hat als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
115
Die Höhe des Streitwertes von 7.500,00 EUR folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG. Für Klageverfahren, die den Widerruf einer Heilpraktikererlaubnis zum Gegenstand haben, legt das Gericht nach Ziffer 14.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit einen Streitwert von 15.000,00 EUR zugrunde. Es handelt sich um eine Berufsberechtigung. Im einstweiligen Rechtsschutz ist dieser Streitwert nach Nr. 1.5 des Streitwertkataloges zu halbieren.