Titel:
Keine nachträgliche Erteilung einer zweckentfremdungsrechtlichen Genehmigung für den Abriss eines Wohnhauses
Normenketten:
ZeS § 4 Abs. 1 Nr. 5, § 5 Abs. 3, § 7 Abs. 3
ZwEWG Art. 2 Abs. 1 Nr. 2
Leitsätze:
1. Der Erhalt einer zweckentfremdungsrechtlichen Genehmigung setzt voraus, dass die Identität der Verfügungsberechtigten betreffend den zweckentfremdeten Raum und des angebotenen Ersatzwohnraumes besteht. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Antrag auf Genehmigung der Zweckentfremdung zielt auf die Beseitigung eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt. Dementsprechend hat der darauf Klagende nicht nur die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung zu schaffen, sondern diese auch zu beweisen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ersatzwohnraum muss in zeitlichem Zusammenhang mit der Zweckentfremdung geschaffen werden. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zweckentfremdungsrecht, Abriss ohne Genehmigung, Ablehnung Genehmigung zur Zweckentfremdung rechtmäßig, Abriss, Zweckentfremdung, Genehmigung, Wohnraum, Baugenehmigung, zeitlicher Zusammenhang, Schutzzweck, Ersatzwohnraum
Fundstelle:
BeckRS 2020, 18816
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die nachträgliche Erteilung einer zweckentfremdungsrechtlichen Genehmigung für den Abriss eines Wohnhauses.
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Die Klägerin war bis 5. Oktober 2017 Eigentümerin des Flurstücks Nr. 303/4, Gemarkung … (* … Straße 7), auf welchem ein Wohnhaus mit einer Wohnfläche von 180,40 qm stand. Am 1. Juli 2016 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Genehmigung zur Zweckentfremdung von Wohnraum durch Abbruch des Anwesens, da anstelle dieses Gebäudes ein Neubau errichtet werden sollte (Bl. 15 f. der BA).
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Auf entsprechende Nachfrage der Beklagten teilte das Planungsreferat der Stadt München am 3. August 2016 mit, dass kein Bauantrag vorliege und der Antrag zurückgezogen worden sei (Bl. 107 der BA). Mit Schreiben vom 9. August 2016 wurde die Klägerin aufgefordert, den Zweckentfremdungsantrag zurückzuziehen. Dies wurde seitens der Klägerin am 17. August 2016 abgelehnt (Bl. 108-115 der BA). Am 13. Dezember 2016 wurde seitens der Klägerin ein Antrag auf Vorbescheid bei der Bauaufsichtsbehörde eingereicht (Bl. 121 der BA).
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Im Rahmen einer am 23. Februar 2017 durchgeführten Ortsbesichtigung durch die Beklagte wurde festgestellt, dass das zum Abbruch angemeldete Wohnhaus, für welchen eine zweckentfremdungsrechtliche Genehmigung beantragt worden war, bereits abgerissen wurde. Ein Bußgeldverfahren wurde am 24. Februar 2017 eingeleitet (Bl. 132 ff. der BA).
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Weitere Neubaupläne wurden mit Schreiben vom 27. April 2017 eingereicht. Am 2. Juni 2017 teilte das Planungsreferat mit, dass das Bauvorhaben nicht genehmigungsfähig sei (Bl. 169 der BA). Nach telefonischer Rückfrage der Beklagten bei der Lokalbaukommission am 13. Dezember 2017 wurde der Beklagten mitgeteilt, dass zu diesem Zeitpunkt kein Bauantrag vorlag (Bl. 176 der BA).
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Mit Schreiben vom 13. Dezember 2017 wurde die Klägerin gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG über den Sachverhalt aufgeklärt und angehört (Bl. 180 der BA). Es wurde empfohlen beim Planungsreferat einen entsprechenden Tekturantrag einzureichen oder den Zweckentfremdungsantrag bis zum 15. Januar 2018 zurückzuziehen, da der Antrag ansonsten abgelehnt werden müsse. Eine Reaktion der Klägerin ist hierauf nicht erfolgt.
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Mit Bescheid vom 7. Februar 2018 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erteilung der Genehmigung zur Zweckentfremdung von Wohnraum durch Abbruch ab (Bl. 189 der BA). Der antragsgegenständliche Wohnraum sei nach den genehmigten Bauplänen vom 17. November 1909 baurechtlich zu Wohnzwecken bestimmt und unterliege somit den Bestimmungen der Zweckentfremdungssatzung. Der Abbruch des Wohnraums bedürfe einer Zweckentfremdungsgenehmigung, die nur in besonderen Ausnahmefällen erteilt werden könne. Gemäß § 5 Abs. 3 ZeS könne eine Ausnahme (Genehmigung) nur dann erteilt werden, wenn dem Interesse an der Erhaltung des Wohnraumes durch Ausgleichsmaßnahmen, insbesondere durch Ersatzwohnraum oder durch die Entrichtung einer Ausgleichszahlung Rechnung getragen wird. Zwar habe die Klägerin Ersatzwohnraum angeboten, jedoch fehle ein verlässliches Angebot im Sinne von § 7 Abs. 3 ZeS. Derzeit liege kein Bauantrag vor.
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Mit Schriftsatz vom 13. März 2018, eingegangen am 14. März 2018, erhob der Bevollmächtigte der Klägerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München gegen den Bescheid der Beklagten vom 7. Februar 2018 und beantragte mit weiterem Schriftsatz vom 19. September 2018,
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den Bescheid vom 07.02.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zweckentfremdung wie beantragt zu genehmigen.
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Der Bescheid der Beklagten vom 7. Februar 2018 sei rechtswidrig. Die beantragte Genehmigung sei zu erteilen. Die Klägerin habe am 1. Juli 2016 den Antrag auf Genehmigung der Zweckentfremdung durch Abriss gestellt. Das Gebäude sei Anfang des vorherigen Jahrhunderts errichtet worden und sei leer gestanden. Grundriss und Zustand des Gebäudes seien nicht mehr zeitgemäß, eine Sanierung wirtschaftlich nicht mehr darstellbar gewesen. Die Genehmigung sei beantragt worden unter Hinweis auf die Schaffung von Ersatzwohnraum auf dem benachbarten Flurstück Nr. 303/9 der Gemarkung … Beide Grundstücke seien zwischenzeitlich veräußert worden. Das Grundstück mit der Flurnr. 303/9 sei am 2. Juni 2016 an die … … GmbH & Co. KG verkauft worden. Das Grundstück mit der Flurnr. 303/4, auf welchem der streitgegenständliche Abriss erfolgt sei, sei mit Urkunde vom 5. Oktober 2017 an die …bau Bayern Bau- und Verwaltungsgesellschaft mbH verlauft worden. Bis heute werde davon ausgegangen, dass auf dem Grundstück Nr. 303/9 Wohnraum als Ersatzwohnraum für das Abbruchgebäude auf FlurNr. 303/4 geschaffen werde. Zwischenzeitlich sei nach erforderlichen Änderungen ein Antrag bei der Lokalbaukommission eingereicht worden (Eingangsdatum 17.07.2018), wonach u.a. 29 Wohnungen und 36 Appartements auf dem Flurstück 303/9, Gemarkung … errichtet werden sollen. Damit stehe fest, dass die Errichtung des Ersatzwohnraumes erfolgen werde.
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Mit Schreiben vom 20. Mai 2020 führte der Klägerbevollmächtigte aus, dass für den weggefallenen Wohnraum auf dem Flurstück Nr. 303/4 nun Ersatzwohnraum auf dem Grundstück … Straße/ …straße 2 (u.a. Flurnr. 1222/5) errichtet werde. Die Baugenehmigung sei erteilt worden. Die Wohnungen befänden sich im Bau, seien aber noch nicht fertig. Herr Bernd N. sei Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Klägerin, sowie Geschäftsführer und Mitgesellschafter der 2 … GmbH & Co. KG, welche den Wohnraum als Ersatzwohnraum zur Verfügung stelle, so dass die Wohnungen (auch) innerhalb der Unternehmensgruppe errichtet werden würden.
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Mit Schriftsatz vom 22. August 2018 beantragte die Beklagte,
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Die Beklagte führte im Wesentlichen an, dass der Bescheid rechtmäßig ergangen sei, da weder im Zeitpunkt des Bescheiderlasses noch zum aktuellen Zeitpunkt ein verlässliches Angebot im Sinne von § 7 Abs. 3 ZeS vorgelegen habe. Das Bestätigungsschreiben der Lokalbaukommission vom 19. Juli 2018, wonach der Bauantrag eingegangen sei, reiche für ein verlässliches Angebot nicht aus. Das Bauvorhaben sei inhaltlich noch nicht geprüft worden. Selbst wenn die Klägerin den Nachweis eines verlässlichen Angebots im Hinblick auf Ersatzwohnraum zu einem späteren Zeitpunkt bringen sollte, so könne eine Genehmigung unter Berücksichtigung von § 7 ZeS gleichwohl nicht erteilt werden, da der Abriss des Gebäudes spätestens am 23. Februar 2017 ohne zweckentfremdungsrechtliche Genehmigung erfolgt sei, § 7 Abs. 2 Nr. 3 ZeS aber einen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Zweckentfremdung und der Bereitstellung von Ersatzwohnraum fordere, der nicht mehr hergestellt werden könne. Eine spätere Schaffung von Ersatzwohnraum könne zwar Auswirkungen auf das gegen die Kläger anhängige Bußgeldverfahren haben, führe jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheides. Darüber hinaus liege die erforderliche Identität der Verfügungsberechtigung betreffend den abgebrochenen Wohnraum und den angebotenen Ersatzwohnraum gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 ZeS nicht vor. Denn die Klägerin habe selbst vorgetragen, dass sie in dem Zeitpunkt, zu dem sie die Genehmigung zur Zweckentfremdung beantragt und Ersatzwohnraum auf dem Flurstück Nr. 303/9 angeboten hatte, nicht mehr Eigentümerin des Grundstücks Nr. 303/9 gewesen sei. Sie habe den Antrag am 1. Juli 2016 gestellt, nach eigenem Vortrag aber bereits am 2. Juni 2016 das Grundstück 303/9 verkauft.
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In der mündlichen Verhandlung am 28. Mai 2020 wurde die Sach- und Rechtslage erörtert. Die Beteiligten wiederholten ihre schriftsätzlich gestellten Anträge.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung, die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der mit Bescheid vom 7. Februar 2018 abgelehnten Zweckentfremdungsgenehmigung, § 113 Abs. 5 VwGO, Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZwEWG, § 5 Abs. 1, 2 und 3, § 6, 7 ZeS.
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1. Ein Anspruch der Klägerin gemäß §§ 5 Abs. 2, 6 ZeS auf eine Zweckentfremdungsgenehmigung besteht nicht.
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a. Zwar handelt es sich bei dem angebrochenen Wohnhaus unstreitig um Wohnraum im Sinne von § 3 ZeS, denn das abgebrochene Gebäude wurde ausweislich der Baugenehmigung vom 17. November 1909 als Wohnhaus bzw. Wohnraum genehmigt. Die objektive Eignung und subjektive Bestimmung zu Wohnzwecken im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 ZeS steht nicht in Frage. Die Beseitigung des Wohngebäudes, spätestens im Februar 2017 stellt eine Zweckentfremdung im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 5 ZeS, Art. 1 Satz 2 Nr. 5 ZwEWG dar. Die Genehmigungspflichtigkeit des Abbruchs des Wohngebäudes in zweckentfremdungsrechtlicher Hinsicht ist somit gegeben.
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b. Die Zweckentfremdung durch Abbruch ist im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts jedoch nicht genehmigungsfähig. Ein Anspruch auf Zwecktentfremdungsgenehmigung nach § 5 Abs. 2 ZeS, Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZwEWG besteht nicht. Es ist weder vorgetragen, noch für das Gericht ersichtlich, dass in Bezug auf den streitgegenständlichen Sachverhalt vorrangige öffentliche Interessen oder schutzwürdige private Belange das Interesse an der Erhaltung des betroffenen Wohnraums überwiegen.
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2. Eine zweckentfremdungsrechtliche Genehmigung auf Grundlage des Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZwEWG, § 5 Abs. 1, 3 ZeS i.V.m. § 7 ZeS scheidet ebenfalls aus, da dem Interesse an der Erhaltung des Wohnraums durch die Schaffung von Ersatzwohnraum nicht Rechnung getragen wird/wurde (§ 5 Abs. 3 ZeS). Der von der Klägerin bisher und zuletzt angebotene Ersatzwohnraum ist nicht geeignet, um ein beachtliches und verlässliches Angebot zur Bereitstellung von Ersatzwohnraum im Sinne des § 7 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 ZeS darzustellen, welches das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Wohnraums in der Regel entfallen lässt und eine zweckentfremdungsrechtliche Genehmigung ermöglicht, wenn zudem die Wohnraumbilanz ausgeglichen ist.
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a. Es liegt schon kein beachtliches Angebot im Sinne von § 7 Abs. 1 und Abs. 2 ZeS vor. Ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankommt, wird darauf hingewiesen, dass der zunächst angebotenen Ersatzwohnraum auf Flurnr. 303/9 (Wohnraum für anerkannte Flüchtlinge mit Bleibeperspektive, welcher sich aktuell offenbar auch in Ausführung befindet) regelmäßig eher keinen beachtlichen Ersatz im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 5 ZeS für familiengerechten Wohnraum darstellt, da derartige Wohneinrichtungen in der Regel eher einen Wohnheimcharakter mit Betreuungsleistungen aufweisen. Unabhängig davon lag und liegt im vorliegenden Fall kein beachtliches Angebot vor, da die im Hinblick auf § 7 Abs. 2 Nr. 2 ZeS erforderliche Identität der Verfügungsberechtigten betreffend den zweckentfremdeten Raum und den angebotenen Ersatzwohnraum nicht glaubhaft gemacht wurde. Gemäß den durch das Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Kriterien muss, weil sonst nicht der durch das Zweckentfremdungsverbot Belastete die Ausgleichsleistung erbringt, in der Verfügungsberechtigung (über den zweckentfremdeten Wohnraum und über den Ersatzraum) Übereinstimmung bestehen (BVerwG, U.v. 12.3.1982 - 8 C 23/80 - juris, Rn. 18). Insoweit lässt sich die erforderliche Übereinstimmung dahingehend verstehen, dass derjenige, der die Zweckentfremdung durchführt, den Ersatzwohnraum als Ausgleichsleistung zu erbringen hat (VG München, U.v. 14.10.2013 - M 8 K 12.3933 - BeckRS 2014, 49672). Der Ausgleich soll von dem Verfügungsberechtigten und nicht einem Dritten geleistet werden. Diese Identität der Verfügungsberechtigten ist vorliegend im Hinblick auf den durch die Klägerin angebotenen Ersatzwohnraum weder in der Vergangenheit noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts gegeben. Zunächst hatte die Klägerin den auf dem Grundstück FlNr. 303/9 geplanten Wohnraum als Ersatzwohnraum angeboten. Jedoch war die Klägerin zu dem Zeitpunkt, zu dem sie die Genehmigung zur Zweckentfremdung beantragt und Ersatzwohnraum auf dem Flurstück Nr. 303/9 angeboten hatte, nicht mehr Eigentümerin des Grundstücks Nr. 303/9. Nach eigenem Vortrag hat die Klägerin das Grundstück FlurNr. 303/9 bereits am 2. Juni 2016 verkauft. Der Antrag auf Zweckentfremdungsgenehmigung wurde jedoch erst am 1. Juli 2016 gestellt. Eine gleichwohl bestehende (jedenfalls wirtschaftliche) Verfügungsberechtigung im Hinblick auf das Grundstück Nr. 303/9 wurde im Übrigen weder vorgetragen noch ist dies für das Gericht ersichtlich. Auch im Hinblick auf den nunmehr mit Schriftsatz vom 20. Mai 2020 erstmals erwähnten und angebotene Ersatzwohnraum ist die Identität in der Verfügungsberechtigung nicht glaubhaft gemacht. Der Antrag auf Genehmigung der Zweckentfremdung zielt auf die Beseitigung eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt. Entsprechend hat die Klägerin nicht nur die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung zu schaffen sondern diese auch zu beweisen (VG München, U.v.14.12.2016 - M 9 K 15.4314 - juris, Rn. 22 ff.). Dieser Darlegungslast ist die Klägerin bisher nicht nachgekommen. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 20. Mai 2020 lediglich ein Schreiben vorgelegt, in welchem seitens der 2 O. straße GmbH & Co. KG bestätigt wird, dass Ersatzwohnraum auf dem Grundstück L. Straße/O. straße 2 u.a. auf dem Flurstück 1222/5 geschaffen werde und der Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Klägerin Geschäftsführer und Mitgesellschafter der 2 O. straße GmbH & Co. KG sei. Eine Identität der Verfügungsberechtigten liegt somit schon insofern nicht vor, als dass Zweckentfremdung und Ersatzwohnraumangebot nicht durch dieselbe Gesellschaft erfolgt bzw. erfolgt ist. Aber auch wenn man auf die dahinterstehenden Personen abstellt, so ist nicht glaubhaft gemacht, dass auch tatsächlich derjenige den Ersatzwohnraum erbringt, der die Zweckentfremdung durchgeführt hat. Denn wie die Beteiligungsverhältnisse innerhalb der 2 O. straße GmbH & Co. KG sind, wurde weder vorgetragen noch dargelegt. Dass der Geschäftsführer der Klägerin auch, neben zwei weiteren Personen, Geschäftsführer der 2 O. straße GmbH & Co. KG ist, reicht für die im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 2 ZeS erforderliche Verfügungsidentität nicht aus. Ein beachtliches Angebot liegt insofern nicht vor.
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b. Darüber hinaus liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 3 ZeS nicht vor. Gemäß dieser Vorschrift wird Ersatzwohnraum in zeitlichem Zusammenhang mit der Zweckentfremdung geschaffen (kein Ersatzwohnraum „aus dem Bestand“ oder „auf Vorrat“). Diese Anforderung ist Folge der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 12.3.1982 - 8 C 23/80 - juris). Die zur Begründung angeführte Überlegung, dass nicht ohne konkreten Zusammenhang durch Neubau von Wohnraum sozusagen auf Vorrat Ansprüche auf die Genehmigung von Zweckentfremdung anderen Wohnraums geschaffen werden sollen, ist nicht der einzige Grund für die geforderte zeitliche Verbindung von Abriss einerseits und Neubau andererseits. Die Notwendigkeit einer solche Verknüpfung ergibt sich aus dem Gesetzeszweck des Schutzes der Wohnraumversorgung, die beeinträchtigt werden kann, wenn bestehender Wohnraum mit Genehmigung zweckentfremdet werden darf, die Ersatzraumgestellung aber zeitlich in das Belieben des Genehmigungsempfängers gestellt wäre (Hessischer Verwaltungsgerichtshof, B.v. 24.1.2000 - 4 TG 4070/99 - juris, Rn. 29f.). Hieraus kann zwar nicht gefolgert werden, dass die Schaffung von Ersatzwohnraum im zeitlichen Zusammenhang mit der Zweckentfremdung an starre Fristen geknüpft ist (vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, B.v. 24.1.2000 - 4 TG 4070/99 - juris, Rn. 29f.; vgl. auch zum umgekehrten Fall der Schaffung von Ersatzwohnraum vor Zweckentfremdung und der in diesem Zusammenhang maßgeblichen (nicht von vornherein festgelegten) Frist BayVGH, U.v. 26.11.1998 - 24 B 97.2158 - juris, Rn. 48 f.). Auch ist das Merkmal „im zeitlichen Zusammenhang“ nicht im Sinne eines „zeitgleich“ zu verstehen. Jedoch muss nach Sinn und Zweck des Zweckentfremdungsrechts und unter Berücksichtigung des Schutzzwecks, die Funktionsfähigkeit des Wohnungsmarktes bzw. der Wohnraumversorgung zu gewährleisten, eine zeitliche Grenze im Hinblick auf die Schaffung von Ersatzwohnraum bzw. jedenfalls im Hinblick auf die Durchführung und Vollendung eines beachtlichen und verlässlichen Angebots existieren. Denn könnte die Genehmigungsfähigkeit unbegrenzt nach erfolgter Zweckentfremdung grenzenlos hergestellt werden, würde der Schutzzweck des Zweckentfremdungsrechts nicht erreicht. Es entstünden unkontrollierbare und auf unabsehbare Zeit bestehende, von dem Beibringungswillen des Genehmigungsempfängers abhängige Schieflagen, was die Wohnraumbilanz anbelangt. Zudem hätte es der Genehmigungsempfänger in der Hand, zunächst vollendete Tatsachen zu schaffen und die Vorteile aus einem Abriss zu ziehen. Gleichzeitig wäre die Bereitstellung von Ersatzwohnraum in sein Belieben gestellt und eine nicht ausgeglichene Wohnraumbilanz auf unabsehbare Zeit die Folge. Im vorliegenden Fall erfolgte die Zweckentfremdung spätestens im Februar 2017. Seither sind über drei Jahre vergangen, in denen die Wohnraumbilanz unausgeglichen war und ist. In diesem Fall ist der zeitliche Zusammenhang zwischen Zweckentfremdung und Schaffung von Ersatzwohnraum nach Auffassung der Kammer in jedem Fall überschritten. Nicht unberücksichtigt bleiben darf insofern, dass der Klägerin die zweckentfremdungsrechtliche Genehmigungspflichtigkeit des Abbruchs und die Pflicht zur Verfügungstellung von Ersatzwohnraum auch bewusst war. Denn der Antrag auf Zweckentfremdung wurde bereits vor dem tatsächlichen Abbruch gestellt. Die Zweckentfremdung erfolgte sodann ohne Genehmigung und ohne, dass auch nur im Geringsten absehbar war, dass beachtlicher und verlässlicher Ersatzwohnraum zur Verfügung stehen würde. Sie selbst hat den „Zeitlauf“ zwischen Zweckentfremdung und Schaffung von Ersatzwohnraum in Gang gesetzt. Das Risiko von Verzögerungen bei der Schaffung von Ersatzwohnraum bzw. um überhaupt ein beachtliches und verlässliches Ersatzwohnraumangebot zu machen liegt in der Sphäre der Klägerin, wenn, wie hier, der Genehmigungsbehörde keine Verzögerungen angelastet werden können. Die Zweckentfremdung ist somit im vorliegenden Einzelfall nicht nachträglich genehmigungsfähig. Dies gilt umso mehr, als dass unabhängig von der zeitlichen Komponente nach wie vor sowohl ein beachtliches Angebot (mangels Identität der Verfügungsberechtigten) als auch ein verlässliches Angebot (§ 7 Abs. 3 ZeS) seitens der Klägerin nicht vorliegt. Zwar hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 20. Mai 2020 vorgetragen, dass der angebotenen Ersatzwohnraum aktuell erstellt wird und hierzu eine Baugenehmigung vorliegt. Zur Prüfung der Finanzierbarkeit des Bauvorhabens wurden jedoch keine weiteren Unterlagen vorgelegt.
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3. Die Klage war mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.