Inhalt

VG München, Beschluss v. 02.06.2020 – M 19B DA 20.1166
Titel:

Rechtmäßigkeit einer Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung wegen des dringenden Tatverdachts der Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung gegenüber einem Polizeibeamten

Normenketten:
BDG § 27, § 46 Abs. 1 S. 2
StPO § 94
BBG § 60 Abs. 1 S. 3, § 61 Abs. 1 S. 3
Leitsätze:
1. Der streitgegenständliche Erlass einer Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung wegen des dringenden Verdachts der Zugehörigkeit zur sogenannten Reichsbürgerbewegung bzw. seiner Unterstützung von deren Gedankengut gegenüber dem Polizeibeamten ist rechtmäßig. (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein dringender Tatverdacht ergibt sich aus E-Mails und den jeweils angehängten oder nach Verfolgung der verschickten Links zugänglichen Daten, die Schrifttum mit reichsbürgertypischem und teilweise fremdenfeindlichem Gedankengut beinhalten. (Rn. 18 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen sind in Anbetracht der Bedeutung der Sache, der Verletzung der besonderen Vertrauens- und Garantenstellung in der Öffentlichkeit als Polizeibeamter und der damit zu erwartenden Disziplinarmaßnahme einer Zurückstufung oder Entfernung aus dem Beamtenverhältnis auch verhältnismäßig. (Rn. 27 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung, Polizeibeamter, Verdacht auf Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung, Verhältnismäßigkeit, Disziplinarverfahren, Entfernung aus dem Dienst, Internet, Webseite, Durchsuchungsanordnuung, Beschlagnahmeanordnung, Vertrauens- und Garantenstellung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 05.10.2020 – 16b DC 20.1871
Fundstelle:
BeckRS 2020, 18786

Tenor

I. Die Durchsuchung
- der im Allein- oder Mitgewahrsam des Antragsgegners befindlichen Wohnung … … in … … mit Nebenräumen
- der von ihm genutzten Fahrzeuge und
- der ihm zur Verfügung stehenden dienstlichen Spinde am Flughafen M. nach Fantasiedokumenten und Propagandamaterial der Reichsbürgerbewegung sowie nach sonstigen Unterlagen, die die Zugehörigkeit zu dieser Bewegung belegen können, außerdem nach elektronischen Kommunikations- und Speichermedien (Computer, Datenträger, Mobiltelefone, etc.) wird angeordnet. Dabei dürfen in den durchsuchten Objekten befindliche Behältnisse geöffnet werden.
Die Durchsuchungsanordnung bezieht sich auch auf von den vorgenannten Durchsuchungsobjekten räumlich getrennte Speichermedien, soweit auf sie von den durchsuchten Räumlichkeiten aus zugegriffen werden kann.
II. Die Beschlagnahme der bei den vorgenannten Durchsuchungen aufgefundenen Gegenstände, E-Mails, Dateien und Daten wird angeordnet, sofern sie nicht freiwillig herausgegeben werden.
III. Die Beschlagnahme der elektronischen Postfächer des Antragsgegners beim Provider ... Internet SE/ ... Mail & M2. GmbH wird angeordnet. Die Beschlagnahmeanordnung bezieht sich auf die elektronischen ...@......@... und umfasst die in diesen Postfächern gespeicherten Nachrichten inklusive Nachrichtenanhänge.
IV. Die Durchsicht der aufgefundenen Papiere, elektronischen Speichermedien und elektronischen Postfächer wird dem Disziplinarvorgesetzten übertragen.
V. Die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung unter Nr. I bis III gilt für 6 Monate ab dem Datum des vorliegenden Beschlusses.
VI. Der Antragsteller wird mit der Zustellung dieses Beschlusses an den Antragsgegner beauftragt. Die Zustellung hat spätestens einen Tag nach Durchführung der unter Nr. I bis III genannten Maßnahmen zu erfolgen.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt den Erlass einer Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung.
2
1. Der am 3. Februar 1979 geborene Antragsgegner steht als Polizeiobermeister (Besoldungsgruppe A8) im Dienst des Antragstellers. Er ist bei der Bundespolizeiinspektion Flughafen M. IV als Kontroll- und Streifenbeamter eingesetzt.
3
Der Antragsgegner ist ledig und hat zwei Kinder, die wochenweise im Wechsel bei ihm und der Mutter wohnen. Er ist zweifach disziplinarrechtlich vorbelastet.
4
2. Die Disziplinarbehörde wurde auf den Antragsgegner aufmerksam, weil in einem gegen einen Kollegen gerichteten Disziplinarverfahren, in dem bereits Durchsuchung und Beschlagnahme angeordnet und durchgeführt worden waren, bei der Auswertung des dienstlichen E-Mail-Postfachs E-Mail-Verkehr mit dem Antragsgegner festgestellt wurde.
5
Der Leiter der Bundespolizeiinspektion Flughafen M. IV leitete daraufhin mit Verfügung vom 28. Juni 2019 ein Disziplinarverfahren gegen den Antragsgegner ein und bestimmte PHK H. zum Ermittlungsführer. Um den Ermittlungserfolg nicht zu gefährden, erfolgte keine Aushändigung der Einleitungsverfügung an den Antragsgegner. Im Rahmen der laufenden Ermittlungen wurden die Protokolldateien seiner dienstlichen E-Mail-Konten und des dienstlich zur Verfügung gestellten freien Internetzugangs ausgewertet. Mit Verfügung vom 3. Dezember 2019 wurde das Disziplinarverfahren auf den Vorwurf einer nicht genehmigten bzw. nicht angezeigten Nebentätigkeit ausgedehnt. Auch von dieser Verfügung erhielt der Antragsgegner keine Kenntnis.
6
Am 16. März 2020 stellte die Bundespolizeidirektion München beim Verwaltungsgericht München den Antrag auf Anordnung
7
- der Durchsuchung des Grundstücks, der Wohn- und Nebenräume an der Anschrift … … in … … und der ausschließlich dem Antragsgegner zur Verfügung stehenden dienstlichen Spinde am Flughafen M. sowie der Beschlagnahme der dort aufgefundenen beweiserheblichen Gegenstände, Unterlagen und Daten sowie
8
- der Beschlagnahme der elektronischen Postfächer des Antragsgegners beim Provider ... Internet SE/ ... Mail & M2. GmbH.
9
Zur Begründung wurde ausgeführt, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wohne Frau I. Ho. ebenfalls in der Wohnung des Antragsgegners. Es lägen tatsächliche Anhaltspunkte vor, dass er mindestens im Zeitraum vom März 2013 bis Juli 2019 Kollegen der Bundespolizei und dritte Personen von seinem dienstlichen E-Mail-Postfach aus mit Literaturempfehlungen mit hetzerischen, rechtsextremen, rechtsesoterischen und reichsbürgertypischen Inhalten versorgt habe. Unter den Literaturempfehlungen befänden sich u.a. folgende Dokumente:

Datum Mail

Adressat

Inhalt bzw. Anhang

14.7.2013

Antragsgegner

Link 1-4: Webseiten zu Ablehnung von GEZ-Gebühren

18.12.2013

Antragsgegner

Word-Dokument zu Ablehnung von GEZ-Gebühren

30.5.2014

M. R.

Link 1: Webseite „rechtssachverstaendiger.de“

6.12.2014

U. S.

Webseite „13 Gründe keine Steuern zu zahlen“

10.7.2015

U. S.

PDF-Dokument „Das Deutschland Protokoll“

14.7.2015

V. B.

PDF-Dokument: 10-Punkte-Plan, wie man sich rechtlich sauber wehren kann

17.7.2015

M. H.

Zitat Hermann Göring

10.7.2016

A. F.

Link 3: Webseite „Matrixchange“

27.1.2017

Antragsgegner, A. F., …

„nemo-iudex-in-causa-sua.pdf“

10
Mit dem Versand, Erstellen und der sehr positiven Bewertung der Literatur habe der Antragsgegner nicht nur erhebliche Zweifel am rechtmäßigen Bestand der Bundesrepublik Deutschland und an der Gültigkeit des Grundgesetzes gezeigt, sondern darüber hinaus fortgesetzt zersetzend in die Bundespolizei hineingewirkt. Die Auswertung des dienstlich zur Verfügung gestellten Internetzugangs für den Zeitraum 1. bis 20. August 2019 habe zudem ergeben, dass er am 16. August 2019 die Webseite www.j..com besucht habe; dabei handele es sich um einen Internet-Blog, der vorwiegend die Berichterstattung anderer Medien behandle und als rechtspopulistisch bis rechtsextrem angesehen werde. Eine Ermittlungsanfrage beim Online-Bezahldienst „PayPal“ habe zudem die Erkenntnis geliefert, dass er am 17. April 2017 über die Webseite www.s.n.de eine Ausgabe der Vereinszeitschrift „Sezession“ bestellt habe. Der Verein für Staatspolitik e.V. als Herausgeber dieser Webseite trete für extremes rechtes und reichsbürgertypisches Gedankengut ein. Es bestehe der dringende Verdacht, dass der Antragsgegner zusätzlich zu den bisher ermittelten Aktivitäten Kollegen der Bundespolizei und dritte Personen von seinen privaten E-Mail-Postfächern aus mit Literaturempfehlungen mit rechtsextremen, rechtsexoterischen und reichsbürgertypischen Inhalten versorgt habe. Aufgrund der Vielzahl der bisherigen Erkenntnisse bestehe der Verdacht, dass ihm die Rolle eines Agitators zukomme. Er sei damit dringend verdächtig, der Reichsbürgerbewegung anzugehören und die Existenz der Bundesrepublik Deutschland, deren Organe und das geltende Rechtssystem abzulehnen. Dies wäre mit seiner Pflicht, sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten (§ 60 Abs. 1 Satz 3 Bundesbeamtengesetz - BBG) und mit seiner Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 61 Abs. 1 Satz 3 BBG) nicht zu vereinbaren. Sollte sich der Tatverdacht bestätigen, komme eine Zurückstufung oder die Entfernung aus dem Dienst in Betracht. Die zu erwartende Disziplinarmaßnahme stehe daher im Verhältnis zur angestrebten Durchsuchung und Beschlagnahme.
11
Auf Ersuchen des Gerichts übersandte die Bundespolizeidirektion München mit Schreiben vom 19. Mai 2020 weitere E-Mails des Antragsgegners aus der Zeit zwischen 13. März 2013 und 26. März 2017 mit Anhängen oder Links. Darunter findet sich eine E-Mail vom 24. November 2015, in der er drei Kollegen ein Antwortschreiben nebst Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Verfügung stellt, mit dem man sich gegen Forderungen der GEZ zur Wehr setzen könne.
12
Die Beteiligung des Antragsgegners im gerichtlichen Verfahren unterblieb, weil sie den Zweck der Anordnungen gefährdet hätte.
13
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakte und der Gerichtsakte verwiesen.
II.
14
Dem Antrag auf Erlass einer Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung wird entsprochen.
15
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Bundesdisziplinargesetz (BDG) kann das Gericht auf Antrag durch Beschluss Beschlagnahmen und Durchsuchungen anordnen. Zuständig für die Anordnung ist nach § 46 Abs. 1 Satz 2 BDG der oder die Vorsitzende der Disziplinarkammer ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter. Das entsprechende Ersuchen darf nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 i.V.m. § 25 Abs. 3 BDG nur von dem Dienstvorgesetzten, seinem allgemeinen Vertreter oder einem beauftragten Beschäftigen gestellt werden, der die Befähigung zum Richteramt hat. Die Anordnung darf nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BDG nur getroffen werden, wenn der Beamte des Dienstvergehens dringend verdächtig ist und die Maßnahme zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht. Die Bestimmungen der Strafprozessordnung (StPO) über Beschlagnahmen und Durchsuchungen gelten nach § 27 Abs. 1 Satz 3 BDG entsprechend.
16
Die Regelung des § 27 Abs. 1 BDG ist anwendbar (1.). Im vorliegenden Fall ist sowohl ein dringender Tatverdacht (2.) als auch die Verhältnismäßigkeit der begehrten Anordnung (3.) gegeben. Die angeordneten Maßnahmen sind nach der StPO zulässig (4.). Weiter ist die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung hinreichend bestimmt formuliert (5.). Von einer Zustellung des Antrags und einer Anhörung des Antragsgegners konnte abgesehen werden (6.).
17
1. § 27 Abs. 1 BDG ist hier anwendbar. Gegen den Antragsgegner wurde mit Verfügung vom 28. Juni 2019 ein Disziplinarverfahren eingeleitet und mit Verfügung vom 3. Dezember 2019 ausgedehnt. Die nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BDG vorgeschriebene Unterrichtung, Belehrung und Anhörung über die Einleitung und die Ausdehnung konnten vorerst unterbleiben, weil sie nicht ohne Gefährdung der Aufklärung des Sachverhalts möglich waren (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 1 a.E. BDG).
18
2. Ein dringender Tatverdacht der Zugehörigkeit des Antragsgegners zur sogenannten Reichsbürgerbewegung bzw. seiner Unterstützung von deren Gedankengut ist gegeben. Ein dringender Tatverdacht liegt vor, wenn eine große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Beamte das ihm zur Last gelegte Dienstvergehen begangen hat (BayVGH, B.v. 28.4.2014 - 16b DC 12.2380 - juris Rn. 6).
19
Die dem Antragsgegner vorgeworfene Nähe zur sogenannten Reichsbürgerbewegung ergibt sich aus den von ihm zwischen März 2013 und Juli 2019 von seinem dienstlichen Computer aus versandten E-Mails, dem Besuch der Webseite www.j..com von seinem dienstlichen Computer aus am 16. August 2019 und der mit „PayPal“ bezahlten Bestellung der Vereinszeitschrift „Sezession“ am 17. April 2017.
20
Die E-Mails und die jeweils angehängten oder nach Verfolgung der verschickten Links zugänglichen Dateien wurden dem Gericht auszugsweise vorgelegt. Die Dateien beinhalten Schrifttum mit reichsbürgertypischem und teilweise fremdenfeindlichem Gedankengut. Dort finden sich etwa der Hinweis auf noch geltende SHAEF-Gesetze (vgl. „Das Deutschland Protokoll“, Behördenakte = BA Bl. 82 ff.), die Auffassung, BRD stehe für „Besatzungsregime in Deutschland“ und im BRD System sei seit 1956 zu keiner Zeit ein legaler Gesetzgeber am Werk gewesen („re...de“, BA Bl. 111 ff.), oder die Ansicht, die Bundesrepublik sei kein eigenständiger Staat, sondern eine Verwaltungseinheit der Alliierten Mächte auf dem Gebiet des Staates Deutsches Reich mit einem Grundgesetz, das unter Vorspiegelung falscher Tatsachen als Grundlage der Verwaltungseinheit Bundesrepublik Deutschland ausgegeben worden sei („13 Gründe keine Steuern zu bezahlen“, BA Bl. 150 ff.). In den E-Mails bekundet der Antragsgegner mehrfach seine Befürwortung der versandten Dokumente oder Anhänge („Hier was komisches zum lesen… [E-Mail vom 10.7.2015 an U. Sch.]; „schau mal im Anhang was es noch so interessantes gibt, was man uns verschweigt…“ [E-Mail vom 6.10.2015 an locke 2801“]. In einer E-Mail vom 24. November 2015 übersendet er drei Kollegen den Entwurf eines Schreibens nebst Allgemeinen Geschäftsbedingungen, mit dem man sich unter Verwendung reichsbürgertypischer Formulierungen (z.B. Verlangen der Legitimation, „Mann aus der Familie …“) gegen Forderungen der GEZ zur Wehr setzen kann. Mit dem Versand der E-Mails an Angehörige der Bundespolizei und dritte Personen und der Befürwortung der beigefügten Schriften hat der Antragsgegner seine Identifikation mit dem dargestellten Gedankengut bekundet. Er hat seine abwegigen Auffassungen dabei auch gegenüber Kollegen kundgetan, denen ebenfalls die Pflicht zur Verfassungstreue obliegt.
21
Die Hinwendung zu rechten Thesen zeigt sich auch im Aufruf der Webseite „journalistenwatch“ am 16. August 2019; diese Webseite wird etwa von Wikipedia und der Zeit als rechtspopulistisch beschrieben (vgl. etwa https://www.z...de/politik/deutschland/2019-07/journalistenwatch-rechtsextremismus-hetze-plattform-gemeinnuetzigkeit). Gleiches gilt für die Bestellung der Vereinszeitschrift „Sezession“ am 17. April 2017. Das herausgebende Institut für Staatspolitik wird auf Wikipedia als „Denkfabrik der Neuen Rechten“ bezeichnet.
22
Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es sich bei der sogenannten Reichsbürgerbewegung um keine homogene, streng zusammengehörige oder klar abgrenzbare Gruppe handelt. Vielmehr umfasst die Bewegung mehrere, oft untereinander konkurrierende Gruppierungen in Deutschland, sodass nicht von einer geschlossenen „Reichsbürger-Ideologie“ oder von einer spezifischen Weltanschauung gesprochen werden kann. Allerdings ist allen Anhängern gemein, dass sie die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als legitimer und souveräner Staat bestreiten. Die Anhänger behaupten insbesondere, dass das Deutsche Reich fortbestehe. Die Leugnung der Existenz der Bundesrepublik Deutschland bedingt, dass die „Reichsbürger-Ideologie“ konsequent das Grundgesetz, die Gesetze und die Legitimität staatlicher Institutionen sowie ihrer Repräsentanten negiert. Sie zweifelt die Rechtsgültigkeit von Verwaltungshandeln, amtlichen Bescheiden und die Zuständigkeit der Verwaltungen an oder ignoriert sie gänzlich, beispielsweise mit der Weigerung, Bußgeldzahlungen zu leisten oder durch das Herstellen eigener Scheindokumente (vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2017 - 21 CS 17.1300 - juris Rn. 14; VG Regensburg, U.v. 26.11.2018 - RN 10B DK 17.1988 - S. 17 f., n.V.; VG Trier, U.v. 14.8.2018 - 3 K 2486/18.TR - juris Rn. 67 ff.).
23
3. Die beantragten Maßnahmen stehen nicht zu der Bedeutung der Sache und zu der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme außer Verhältnis. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist dabei in zweierlei Hinsicht zu beachten: Zum einen darf die Maßnahme, um die ersucht wird, nicht zur Bedeutung der Sache, zum anderen darf sie auch nicht zu der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme außer Verhältnis stehen (BayVGH, B.v. 28.4.2014 - 16b DC 12.2380 - juris Rn. 12).
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3.1. Die beantragten Maßnahmen sind verhältnismäßig.
25
Die Durchsuchung der im Allein- oder Mitgewahrsam befindlichen Wohnung des Antragsgegners mit Nebenräumen, der von ihm genutzten Fahrzeuge und seiner Dienststelle nach Schriften und elektronischen Kommunikations- und Speichermedien mit reichsbürgertypischen Inhalten und die Beschlagnahme dieser Schriften und Medien sind geeignet, die erforderlichen Beweismittel für die Bestätigung oder Entkräftung des gegen ihn erhobenen Vorwurfs der Nähe zu reichsbürgertypischem Gedankengut zu erlangen. Recherchen oder Meinungskundgaben in diesem Bereich werden mit hoher Wahrscheinlichkeit über schriftliche und elektronische Medien getätigt, so dass deren Beschlagnahme und Auswertung weitere Erkenntnisse verspricht. Da der Antragsgegner mit hoher Wahrscheinlichkeit auch aus dem privaten Bereich heraus agiert haben wird, ist die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung auch auf diesen Bereich zu erstrecken.
26
Zur Sicherstellung der Verhältnismäßigkeit war die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung zu befristen; die richterliche Prüfung kann die Einhaltung der rechtlichen Grundlagen nicht für unabsehbare Zeit gewährleisten.
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3.2. Die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung steht auch zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 3 BDG). Regelmäßig kommen entsprechende Zwangsmaßnahmen nur in Betracht, wenn die Zurückstufung oder die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erwarten ist (BayVGH, B.v. 28.4.2014 - 16b DC 12.2380 - juris Rn. 14 m.w.N.). Dies ist hier der Fall.
28
Vorliegend wiegt das dem Antragsgegner zur Last gelegte Dienstvergehen schwer.
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Sollte sich der Vorwurf erhärten, er sei Anhänger der sogenannten Reichsbürgerbewegung oder vertrete zumindest deren Gedankengut, käme allein deswegen die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis in Betracht. Die Grundlagen des Beamtenverhältnisses lassen es nicht zu, Personen mit der Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt zu betrauen, die die freiheitlich-demokratische Verfassungsordnung ablehnen (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2017 - 2 C 25/17 - juris Rn. 91; VG Regensburg, U.v. 26.11.2018 - RN 10 B DK 17.1988 - S. 17, n.v.; VG Trier, U.v. 14.8.2018 - 3 K 2486/18.TR - juris Rn. 53 ff.; OVG Sachsen-Anhalt, U.v. 15.3.2018 - 10 L 9/17 - juris Rn. 56 ff.; VG München, U.v. 8.2.2018 - M 19L DK 17.5914 - n.v.).
30
Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist zudem zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner als Polizeibeamter in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung genießt (vgl. nur BVerwG, B.v. 2.5.2017 - 2 B 21.16 - juris Rn. 10; U.v. 10.12.2015 - 2 C 50.13 - Ls. 1 und Rn. 35 ff.) und überdies disziplinarrechtlich vorbelastet ist.
31
4. Die angeordneten Maßnahmen sind von den Bestimmungen der Strafprozessordnung gedeckt.
32
Nach § 102 StPO kann die Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume, der Person und der ihr gehörenden Sachen angeordnet werden, wenn zu vermuten ist, dass sie zur Auffindung von Beweismitteln führen wird. Hinsichtlich der Durchsuchung der Wohnung ist unerheblich, ob der Antragsgegner Allein- oder Mitinhaber ist (Hegemann in BeckOK StPO, Stand 1.1.2020, § 104 Rn. 8). Nach § 102 StPO ist auch die Durchsuchung der von ihm genutzten Fahrzeuge und der ihm zur Verfügung gestellten dienstlichen Spinde im Flughafen M. zulässig.
33
Die Durchsuchungsanordnung bezieht sich auch auf von diesen Durchsuchungsobjekten räumlich getrennte Speichermedien, soweit auf sie von den durchsuchten Räumlichkeiten aus zugegriffen werden kann (§ 110 Abs. 3 Satz 1 StPO).
34
Die Zulässigkeit der Beschlagnahme nicht freiwillig herausgegebener Gegenstände ergibt sich aus § 94 Abs. 2 StPO.
35
Die Beschlagnahme der bei einem Provider befindlichen und sicherzustellenden E-Mails kann nach § 99 StPO analog angeordnet werden. Diese E-Mails sind mit den im Gewahrsam eines Post- oder Telekommunikationsdienstleisters befindlichen Briefsendungen und Telegrammen vergleichbar (BVerfG, B.v. 16.6.2009 - 2 BvR 902.06 - juris; BGH, B.v. 31.3.2009 - 1 StR 76.09 - juris; VG München, B.v. 23.1.2019 - M 13B DA 19.160 - juris Rn. 44). Die Herausgabepflicht ergibt sich zudem allgemein aus § 95 StPO. Auf der Grundlage des vorhandenen dienstlichen E-Mail-Verkehrs des Antragsgegners ist anzunehmen, dass auch sein privater E-Mail-Verkehr reichsbürgertypische Inhalte aufweisen und daher für die Untersuchung von Bedeutung sein wird.
36
Die Übertragung der Befugnis zur Durchsicht der elektronischen Postfächer auf den Disziplinarvorgesetzten erfolgt in entsprechender Anwendung von § 100 Abs. 3 Satz 2 StPO. Eine Übermittlung der E-Mails zur Durchsicht an das Gericht würde zu einer nicht hinnehmbaren Verzögerung führen. Die Durchsicht von bei der Durchsuchung aufgefundenen Papieren steht nach § 110 Abs. 1 StPO analog ohnehin dem Disziplinarvorgesetzten zu.
37
5. Die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung ist hinreichend bestimmt ausgestaltet. Da die Ermächtigung der Exekutive, im Wege der Durchsuchung in den grundrechtlich geschützten Bereich des Betroffenen einzugreifen, regelmäßig den Gerichten vorbehalten ist, trifft diese als Kontrollorgan zugleich die Pflicht, durch eine geeignete Formulierung des Durchsuchungsbeschlusses im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren sicherzustellen, dass der Eingriff in die Grundrechte messbar und kontrollierbar bleibt (BayVGH, B.v. 28.4.2014 - 16b DC 12.2380 - juris Rn. 22). Diesen Anforderungen genügen die tenorierten Maßnahmen.
38
6. Von einer Zustellung des Antrags und einer Anhörung des Antragsgegners vor Erlass des Beschlusses konnte abgesehen werden.
39
Zwar gebietet Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) grundsätzlich die vorherige Anhörung des Antragsgegners. Die Sicherung gefährdeter Interessen kann jedoch in besonderen Verfahrenslagen einen sofortigen Zugriff notwendig machen, der die vorherige Anhörung ausschließt (BVerfG, B.v. 16.6.1981 - 1 BvR 1094/80 - juris Rn. 52 ff.). In diesen Fällen ist der Betroffene auf eine nachträgliche Anhörung zu verweisen, was § 27 Abs. 1 Satz 3 BDG i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 1 StPO zulässt.
40
Aus den dargestellten Gründen war die handelnde Behörde mit der Zustellung des Beschlusses an den Antragsgegner zu beauftragen (§ 3 BDG, § 173 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO, § 168 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO).
41
Die Kostenentscheidung bleibt, weil es sich um eine unselbständige Nebenentscheidung handelt, dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.