Inhalt

VG München, Urteil v. 28.07.2020 – M 18 K 18.2430
Titel:

Erstattung von Elternentgelten in Höhe der Zweitkinderermäßigung

Normenketten:
GG Art. 3 Abs. 1
BV Art. 118 Abs. 1
VwGO § 88
Leitsatz:
Die Förderpraxis einer Gemeinde, im Rahmen der Gewährung von Zuschüssen für die Betreuung von Kindern in Kindertageseinrichtungen.die Zweitkindermäßigung mit dem Wegzug der Eltern und Kinder aus ihrem Zuständigkeitsbereich einzustellen, ist sachdienlich und insbesondere auch dem Förderzweck entsprechend. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Münchner Förderformel (MFF), Kostenerstattung, Zweitkindermäßigung, Selbstbindung der Verwaltung, Kindertageseinrichtung, Elternentgelt, Vertrauensschutz
Fundstelle:
BeckRS 2020, 18785

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Kläger begehren von der Beklagten die Erstattung von Elternentgelten in Höhe der sogenannten Zweitkindermäßigung nach der „Richtlinie zur Förderung kinderreicher Familien und zur einkommensbezogenen Staffelung der Elternentgelte“.
2
Die Kläger sind Eltern von vier Kindern. Seit dem Kindergartenjahr 2015/2016 besuchten mindestens zwei der Kinder gleichzeitig die Kindertageseinrichtung W. im Zuständigkeitsbereich der Beklagten.
3
Die Kindertageseinrichtung W. nimmt seit Januar 2016 an dem Förderkonzept der Beklagten im Rahmen der „Münchner Förderformel“ (Im Folgenden: MFF) teil.
4
Die Voraussetzungen für die Förderung des Einrichtungsträgers nach der „Münchner Förderformel“ sind in der „Zuschussrichtlinie“ geregelt, während die „Richtlinie zur Förderung kinderreicher Familien und zur einkommensbezogenen Staffelung der Elternentgelte“ (im Folgenden: Förderrichtlinie Kind) das Verfahren festlegt, mit dem die Förderung der Kindertageseinrichtungsbeiträge durch die Eltern und den Träger beantragt werden können.
5
In der Präambel der Förderrichtlinie Kind (Fassung vom 11. Februar 2016) wird unter anderem ausgeführt, dass durch die Förderung insbesondere bei den Familien eine Entlastung stattfände, die wegen der überdurchschnittlich hohen Lebenshaltungskosten und Wohnkosten in München besonders belastet würden. Ziffer 1.1 führt aus, dass Förderung nach dieser Richtlinie Personensorgeberechtigte erhalten würden, die mit ihren Kindern gemeinsam in Haushaltsgemeinschaft leben und deren Kinder Kindertageseinrichtungen von freigemeinnützigen und sonstigen Trägern besuchen, die nach der MFF gefördert würden. Zum Förderverfahren wird unter Ziffer 2.2. ausgeführt, dass die Förderung auf Antrag der Einrichtungsträger gewährt werde; dieser werde auf Grundlage der Angaben der Sorgeberechtigten gestellt. Der Antrag sei für jeden Bewilligungszeitraum und jedes Münchner Kind erneut zu stellen. Unter Ziffer 2.5 wird die Zweitkindermäßigung im Rahmen der Ermäßigung des Elternentgeltes geregelt. Gemäß Ziffer 2.5.1 besteht die Möglichkeit einer Ermäßigung des Elternentgelts, sofern zwei Kinder, die innerhalb einer Familiengemeinschaft leben, im gleichen Kindertageseinrichtungsjahr eine (im Näheren ausgeführte) Kindertageseinrichtung besuchen. Das weitere Verfahren zur Zweitkindermäßigung wird unter Ziffer 2.5.2 geregelt.
6
Die Kläger bezahlten der Kindertageseinrichtung W. im Kindergartenjahr 2015/2016 ein aufgrund der Zweitkindermäßigung nach der MFF reduziertes Entgelt.
7
Zum 1. August 2016 zogen die Kläger aus dem Zuständigkeitsbereich der Beklagten, die Kinder besuchten weiter die Kindertageseinrichtung W.
8
Mit Schreiben vom 3. Juli 2017 teilte die Kindertageseinrichtung W. den Klägern mit, dass der Antrag vom 24. Juli 2017 auf Zweitkindermäßigung für die Zeiträume 2016/2017 und 2017/2018 eingegangen sei. Die Ermäßigung könne aber nur weitergegeben werden, wenn sichergestellt sei, dass die Beklagte anhand der Differenzförderung im Zuge der Endabrechnung die gewährten Ermäßigungsbeträge innerhalb eines Abrechnungsjahres an die Kindertagesbetreuungseinrichtung erstatte. Bei mehreren Telefonaten sei die Kindertageseinrichtung durch die Beklagte darauf hingewiesen worden, dass sämtliche Beitragsermäßigungen laut Richtlinien der MFF nur für Kinder mit dem gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich der Beklagten den Einrichtungen refinanziert würden. Entsprechend der gängigen Förderpraxis der Beklagten habe die Einrichtung nach dem Umzug der Kläger die Zweitkindermäßigung zum 1. August 2016 eingestellt und müssten die Anträge auf Zweitkindermäßigung für 2016/17 und 2017/18 abgelehnt werden.
9
Die Beklagte fasste die Förderrichtlinie Kind zum 4. Juli 2017 neu und ergänzte unter Ziffer 1.1 insbesondere, dass Förderung nach dieser Richtlinie Personensorgeberechtigte erhalten, die mit ihren Kindern gemeinsam in Haushaltsgemeinschaft leben, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in München haben (Hervorhebung durch Gericht) und deren Kinder Kindertageseinrichtungen besuchen, die nach der MFF gefördert werden. Gemäß Ziffer 4 der neugefassten Richtlinie trat diese zum 1. September 2017 in Kraft.
10
Die Kläger wandten sich mit Schreiben vom 9. Juli 2017 an die Beklagte und beantragten, die Zweitkindermäßigung im Rahmen der MFF ab 1. August 2016 „bis zum heutigen Tag“ rückwirkend über die Kindertageseinrichtung W. erstattet zu bekommen. Die Kindertageseinrichtung habe ohne eine schriftliche Begründung, geschweige denn einem rechtsmittelfähigen Bescheid die Förderung zum 1. August 2016 eingestellt. Es könne nicht sein, dass sie als kinderreiche Familie in das Umland der Beklagten zögen, um eine bezahlbare Wohnung zu finden, und dann aus dem MFF-Raster zu fallen. Zudem werde in der Satzung nicht darauf hingewiesen, dass die Förderung für Kinder aus dem Umkreis der Beklagten entfalle.
11
Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 25. Juli 2017, dass die Teilnahme an der MFF freiwillig sei. Teilnehmende Träger würden einen finanziellen Ausgleich für die Gewährung der Zweitkindermäßigung nach Maßgabe des Beschlusses der Beklagten erhalten. Dieser Beschluss sehe vor, dem Träger den durch die Zweitkindermäßigung entgangenen Differenzbetrag zum Regelelternentgelt finanziell auszugleichen, soweit für das Kind seitens der Beklagten der kommunale Anteil der gesetzlichen Förderung ausgezahlt werde. Dies sei ausschließlich für Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in München der Fall. Nach dem Umzug der Kläger bekomme die Einrichtung keinen finanziellen Ausgleich mehr für eine Elternentgeltermäßigung für ein Kind der Kläger. Aufgrund der privatrechtlich geltenden Vertragsfreiheit stehe es dem Träger jedoch grundsätzlich frei, Ermäßigungen für Geschwisterkinder für Kinder aus anderen Gemeinden unabhängig von der MFF zu gewähren.
12
Nachdem die Kläger mit Schreiben vom 4. August 2017 um einen rechtsmittelfähigen Bescheid durch die Beklagte baten, lehnte die Beklagte mit streitgegenständlichen Bescheid vom 24 August 2017 den Antrag auf Erstattung von Elternentgelten für den Zeitraum ab 1. August 2016 ab. Zur Begründung wird ausgeführt, dass kein Anspruch auf Ermäßigung der Elternentgelte nach Ziffer 1.2 ff.; 2.1 ff. sowie 2.5 der Förderrichtlinien Kind in der Fassung vom 11. Februar 2016 bestehe. Gefördert würden lediglich Träger von Kindertageseinrichtungen, die an der MFF teilnehmen würden. Die Kläger seien keine Träger einer Kindertageseinrichtung, sondern lediglich Nutzerinnen bzw. Nutzer einer Kindertageseinrichtung. Des Weiteren wurde unter Verweis auf Ziffern 1.2 ff.; 2.1 ff. sowie 2.5 der Förderrichtlinie Kind darauf hingewiesen, dass auch die Voraussetzungen für eine Förderung des Trägers der Kindertageseinrichtung nicht vorlägen, da es sich bei den Kindern der Kläger nicht um „Münchner Kinder“ handeln würde.
13
Mit Schreiben vom 11. September 2017 bestellte sich der Bevollmächtigte und legt gegen den Bescheid vom 4. August 2017 Widerspruch ein.
14
Der Bevollmächtigte begründete den Widerspruch mit Schreiben vom 3. November 2017 insbesondere damit, dass der Zugang zu der freiwilligen Leistung der Beklagten nach der MFF an bestimmte formale Voraussetzungen, Rahmenbedingungen sowie Vorgaben in Bezug auf die Regelung der Elternentgelte gebunden sei. In den Förderrichtlinien oder Satzungen der Beklagten sei jedoch kein Tatbestandsmerkmal als Voraussetzung ersichtlich, welches auf den Wohnsitz der Eltern oder des Kindes abstelle. Vielmehr müsse lediglich die Einrichtung im Zuständigkeitsbereich der Beklagten liegen. Dies sei vorliegend der Fall.
15
Auch aus den Schreiben der Beklagten könne sich nichts Anderes ergeben. Die Beklagte könne die Voraussetzungen nicht willkürlich und nachträglich in einem Schreiben ohne Normcharakter aufstellen. Entgegen der Auffassung der Beklagten befänden sich auch unter den im Bescheid genannten Ziffern der Richtlinie keine Tatbestandsvoraussetzungen, die die Förderung an den Wohnort knüpfen würden. Vielmehr heiße es in der Präambel der Förderrichtlinie Kind, dass die Beklagte über die MFF alle Familien fördere, deren Kinder Kindertageseinrichtungen freigemeinnütziger und sonstiger Träger besuchten. Weitere Bedingungen an den Wohnort der Eltern würden dort nicht gestellt. Lediglich in Ziffer 2.1 der Richtlinie sei vom „Münchner Kind“ die Rede, ohne dass für diesen Begriff eine Begriffsbestimmung erfolgt wäre. Da die Kinder der Kläger allerdings in der Stadt München geboren worden sein, handelt es sich auch bei den Kindern der Kläger um „Münchner Kinder“.
16
Auch nach den Regelungen im BayKiBiG hätte die Beklagte die Kläger eher bei ihrer Entscheidung unterstützen müssen, wegen des Familienzuwachses nicht aus dem Bereich der Beklagten zu ziehen. Es habe jedoch keine Information dahingehend gegeben, dass die Förderung durch den Umzug entfallen solle. Der Rechtsschein der Regelungen spreche eindeutig für eine weitere Förderung. Der Entzug der Förderung verstoße daher auch gegen die Grundsätze, die die bayerische Landesregierung in dem BayKiBiG sowie die Beklagte in ihrer Präambel zu den Förderleistungen aufgestellt habe. Die Beklagte sei im Begriff, mit willkürlich aufgestellten und grob systemwidrigen Tatbestandsvoraussetzungen die Förderung der Familie der Kläger zu verhindern.
17
In formaler Hinsicht würden die Kläger die Förderungsbedingungen erfüllen, da die Anträge rechtzeitig und vollständig gestellt worden seien. Die Förderung sei, wie in dem ablehnenden Bescheid vom 24 August 2017 richtig dargestellt, gegenüber dem Träger weiter zu gewähren. Auch die Neufassung der Richtlinien durch die Beklagte sei für die Beurteilung der Rechtslage unbeachtlich, da diese keine rückwirkende Wirkung entfalten könne. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass der Antrag der Kläger vom Anfang 2016 bereits einmal bewilligt worden sei, da Vergünstigungen über die Förderformel vom 1. Januar 2016 bis 31. Juli 2017 an die Kläger über den Träger stattgefunden hätten. Insofern sei bereits die Formulierung in dem Bescheid vom 24. August 2017 rechtswidrig, da der bereits bewilligte Antrag nicht abgelehnt, sondern allenfalls hätte aufgehoben und für die Zukunft abgelehnt hätte werden könne.
18
Die Regierung von Oberbayern wies den Widerspruch mit Bescheid vom 18. April 2018 als unzulässig zurück. Den Klägern fehle gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog die Widerspruchsbefugnis, da kein Rechtsanspruch auf die Förderung durch die Beklagte bestehe. Selbst wenn die Widerspruchsbefugnis bejaht würde, wäre der Widerspruch jedenfalls unbegründet. Bei Leistungen der Beklagten nach der MFF handle es sich um freiwillige Leistungen gemäß Art. 7 Abs. 2 Satz 1 GO. Nach ständiger Rechtsprechung sei der staatlichen Bewilligungsbehörde in solchen Fällen weitgehende Gestaltungsfreiheit zuzuerkennen. Eine willkürliche Ermessensausübung der Beklagten sei nicht zu erkennen.
19
Der Bevollmächtigte der Kläger erhob mit Schreiben vom 17. Mai 2018 Klage zum Verwaltungsgericht München und beantragte,
den Widerspruchsbescheid vom 18. April 2018 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, den Klägern das Elternentgelt im Rahmen der Münchner Förderformel für den Zeitraum ab dem 1. August 2016 zu erstatten.
20
Mit Schreiben vom 6. Juli 2018 führte der Bevollmächtigte zur Zulässigkeit der Klage aus, dass die Kläger aktivlegitimiert seien, da die Förderformel die notwendige Außenwirkung entfaltet, da sie sich an den geförderten Personenkreis - die betroffenen Familien - richte. Es handle sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit für die keine Sonderzuweisung ersichtlich sei. Die Klage richtet sich gegen den richtigen Gegner, die Beklagte, nach dem Rechtsträgerprinzip, § 78 Abs. 1 VwGO. Auch das nach § 68 ff. VwGO erforderliche Vorverfahren sei durchgeführt worden; die Klagefrist eingehalten. Ergänzend zur Widerspruchsbegründung führte der Bevollmächtigte insbesondere aus, dass die Beklagte bei einer selbst auferlegten Satzung nicht willkürlich von dieser abweichen könne. Die Widerspruchsbegründung verletze die Kläger in ihren Rechten, weil sie die Grenzen des Gleichheitssatzes falsch anwende, indem für bewilligende Leistungen der Gleichheitssatz nur eingeschränkt oder gar nicht angewendet werden solle.
21
Die Beklagte legt mit Schreiben vom 29 Oktober 2018 die Akten vor und verwies auf die Ausführungen im Ablehnungsbescheid vom 24 August 2017 sowie im Widerspruchsbescheid vom 18. April 2018.
22
Durch Beschluss der Kammer vom 5. November 2019 wurde der Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 VwGO zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
23
Die Beklagte verzichtete mit Schreiben vom 3. Juni 2020, die Kläger mit Schreiben vom 4. Juni 2020 auf mündliche Verhandlung.
24
Die Beklagte beantragt mit Schreiben vom 29. Juni 2020,
die Klage abzuweisen.
25
Des Weiteren wurde der Abschlagszahlungsbescheid zur Differenzförderung von 14. April 2016 an die Kindertageseinrichtung W. sowie der Endabrechnungsbescheid vom 24. Juli 2018 übersandt und ergänzend ausgeführt, dass die Beklagte gegenüber der Klagepartei zu keinem Zeitpunkt die Zweitkindermäßigung bewilligt habe. Eine entsprechende Aufhebung eines solchen Bescheides bedürfe es daher nicht. Das Förderverhältnis bestehe bezogen auf die Zweitkindermäßigung ausschließlich zwischen der Beklagten und dem Träger der Kindertageseinrichtung. Dieser gegenüber werde zunächst eine Abschlagszahlung und im Rahmen der Endabrechnung die endgültige Differenzförderung festgesetzt. Aufgrund der allgemeinen Förderleistungen zur MFF sei der Träger verpflichtet, die Vorgaben zur Elternentgeltermäßigung einzuhalten. Die tatsächliche Durchführung obliege ihm in geeigneter Weise im Verhältnis zu den Personensorgeberechtigten. Ein direktes Förderverhältnis zwischen der Beklagten und den Personensorgeberechtigten bestehe im Rahmen der Zweitkindermäßigung nicht. Das Vorgehen entspreche der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten zum streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum. Es entspreche auch der ständigen Handhabung der Beklagten, dass eine Differenzförderung der Träger nur für Kinder erfolge, die ihren Wohnort in München hätten, bzw. die Förderung in dem Monat bereits nicht mehr gewährt werde, in welchem das Kind aus dem Stadtgebiet Münchens wegziehe. Ein etwaiges Vertrauen in eine anderweitige Handhabung sei seitens der Beklagten nicht gesetzt worden. Der Begriff des „Münchner Kindes“ sei in der städtischen Benutzungsatzung definiert und die Beklagte handhabe diese Begrifflichkeit in dem benannten Fördermodell ebenso.
26
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

27
Das Gericht konnte im schriftlichen Verfahren entscheiden, da die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben, § 101 Abs. 2 VwGO.
28
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erstattung der Elternentgelte in Höhe der Zweitkindermäßigung. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Rechte der Kläger nicht, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Klage war daher abzuweisen.
29
Die Klage ist - zumindest nach sachdienliche Auslegung des Klageantrags nach § 88 VwGO - zwar zulässig, jedoch unbegründet.
30
Der durch den Bevollmächtigten gestellte Klageantrag ist in mehrfacher Hinsicht unbestimmt und war daher nach § 88 VwGO auszulegen.
31
Das Gericht muss das Klagebegehren - das wirkliche Rechtsschutzziel - von Amts wegen ermitteln. Das Klagebegehren ergibt sich aus dem gesamten Vortrag des Klägers, insbesondere aus der Klagebegründung sowie aus etwa beigefügten Bescheiden. An vom Kläger etwa gestellte Anträge ist das Gericht nicht gebunden. Allerdings muss sich der anwaltlich Vertretene eher an seinen Anträgen festhalten lassen. Es ist Sache des Klägers, sein Begehren zu konkretisieren, nicht aber Sache des Gerichts, gutachtlich dasjenige herauszufiltern, mit dem eine Klage am ehesten Erfolg haben könnte (Eyermann, VwGO, 15. Auflage, § 88 Rn. 6, 8 ff.).
32
Vorliegend erscheint bereits unklar, ob die Kläger eine Kostenerstattung an sich selbst oder an die Kindertageseinrichtung W. erreichen möchten.
33
Gemäß dem Wortlaut des Klageantrags soll die Beklagte den Klägern das Elternentgelt im Rahmen der MFF erstatten. Hingegen wird in der Widerspruchsbegründung - auf die in der Klagebegründung umfassend Bezug genommen wird - ausgeführt, dass „die Förderung (…), wie in dem ablehnenden Bescheid vom 24. August 2017 richtig dargestellt, gegenüber dem Träger weiter zu gewähren“ ist. Sofern eine Leistung an die Einrichtung beantragt würde, wäre eine solche Klage mangels Prozessführungsbefugnis bereits unzulässig. Denn im Verwaltungsprozessrecht gibt es (soweit nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt, vgl. § 42 Abs. 2 VwGO) keine Prozessstandschaft; die Kläger können keinen (möglichen) Anspruch eines Dritten für diesen geltend machen. Das Gericht geht daher (zugunsten der Kläger) davon aus, dass eine Kostenerstattung an sie selbst von der Beklagten begehrt wird.
34
Ebenso bleibt unklar, über welchen Zeitraum der Kostenerstattungsanspruch ab 1. August 2016 geltend gemacht wird. Weder im Klageantrag noch in der Klagebegründung finden sich hierzu Angaben. Nachdem die Schreiben der Kläger an die Beklagte im Betreff ausschließlich die Zweitkindermäßigung für das Kindertageseinrichtungsjahr 2016/17 benennen, geht das Gericht davon aus, dass mit der Klage ausschließlich der Anspruch für den Zeitraum vom 1. August 2016 bis 31. August 2017 geltend gemacht werden soll (vgl. zum Zeitraum eines Kindertageseinrichtungsjahr Ziffer 2.3.4 Satz 2 der Förderrichtlinie Kind).
35
Schließlich wird mit dem Klageantrag ausschließlich die Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 18. April 2018 beantragt. Sofern sich die Klage tatsächlich nur gegen den Widerspruchsbescheid richten sollte, wäre Klagegegner der Freistaat Bayern, da die Regierung von Oberbayern als Behörde des Freistaats Bayern den Widerspruchsbescheid erlassen hat, § 78 VwGO. Der Widerspruchsbescheid kann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage jedoch nur dann sein, wenn und soweit er erstmalig oder gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbstständige Beschwer enthält, § 79 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 VwGO. Dies ist vorliegend nicht gegeben, sodass das Gericht auch insoweit den Klageantrag sachdienlich zugunsten der Kläger dahingehend auslegt, dass die Klage sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 24. August 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2018 richtet, § 79 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
36
Bei der Klage auf Erstattung der Elternentgelte in Höhe der Zweitkindermäßigung handelt es sich um eine allgemeine Leistungsklage.
37
Die allgemeine Leistungsklage steht im Verwaltungsprozess zur Durchsetzung eines jeden Anspruchs auf eine Leistung zur Verfügung, soweit nicht die Rechtsschutzformvoraussetzungen der - vorrangigen - Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage (§ 42 VwGO) einschlägig sind. Der Inhalt des Begehrens kann mithin jedes Tun, Dulden oder Unterlassen sein, das keine Verwaltungsaktqualität (vgl. Art. 35 BayVwVfG) besitzt. Wegen der Negativabgrenzung zum Verwaltungsakt bleiben für die allgemeine Leistungsklage vor allem Realakte. Das versteht sich für die Klage gegen Private von selbst (deren Begehren regelmäßig auf Zahlung gerichtet sind), gilt aber genauso für Klagen gegen Hoheitsträger. Von ihnen kann mit der allgemeinen Leistungsklage nur schlicht-hoheitliches Verwaltungshandeln ohne Regelungsqualität verlangt werden (Wysk/Wysk, 3. Auflage 2020, VwGO § 42 Rn. 60 ff.).
38
Die vorliegend mit der Klage begehrte Erstattung von Elternentgelten in Höhe der Zweitkinderermäßigung an die Kläger stellt sich als Realakt auf Zahlung dar und nicht primär als Regelung in Form eines Verwaltungsaktes.
39
Zwar hat die Beklagte die Zahlung auf Antrag der Kläger durch Erlass eines Verwaltungsaktes abgelehnt, dies hat jedoch nicht zwingend zur Folge, dass auch die Bewilligung einer Kostenerstattung zwingend über einen Verwaltungsakt zu erfolgen hat. Die Münchner Förderformel (MFF) sieht eine Bewilligung der Zweitkindermäßigung in einem Bescheid gegenüber den Eltern nicht vor. Lediglich gegenüber den Einrichtungen werden allgemeine Förderbescheide erlassen, die auch die Förderung kinderreicher Familien zum Inhalt haben. Dementsprechend handelt es sich bei dem geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch um eine sonstige Realleistung. Da auch kein Schadensersatzanspruch geltend gemacht wird - der im Übrigen einen Verschuldensnachweis voraussetzen würde - besteht auch keine zwingende Zuständigkeit der Zivilgerichtsbarkeit (vgl. Art. 34 GG).
40
Für den Fall, dass die Bewilligung der Kostenerstattung als Verwaltungsakt zu definieren wäre (vgl. zur Geltendmachung eines Sekundäranspruchs nach § 36a Abs. 3 SGB VIII: VG München, U.v. 13.6.2018 - M 18 K 17.5260 - juris Rn. 23, a. A. OVG Sachsen, U.v. 14.3.17 - 4 A 280/16 - juris Rn. 29), wäre von einer Verpflichtungsklage auszugehen. Da die für diese zusätzlich erforderlichen Zulässigkeitsanforderungen gemäß § 68 ff. VwGO ebenfalls vorliegen, kann eine abschließende Entscheidung über die Klageart unterbleiben.
41
Die Klage ist unbegründet, da den Klägern kein Anspruch auf Erstattung von Elternentgelten entsprechend der MFF in Höhe der Zweitkindermäßigung zusteht.
42
Die Beklagte gewährt freiwillig im Rahmen ihres Subventionsrechts entsprechend ihrer „Münchner Förderformel“ (MFF) weitere Zuschüsse für die Betreuung von Kindern in Kindertageseinrichtungen. Diese zusätzliche Förderung erfolgt im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel im Ermessensweg (vgl. Ziffer 1.1 der Förderrichtlinie Kind; Präambel und Nr. IV der Zuschussrichtlinie MFF). Da es sich um eine freiwillige Leistung handelt, ist der Beklagten bei der Ausgestaltung der Förderrichtlinien ein weiter Ermessensspielraum zuzubilligen (vgl. VG München, U.v. 2.11.2016 - M 10 K 15.23 - juris Rn. 36; bestätigt durch BayVGH B.v. 26.7.2016 - 4 ZB 16.948 -juris).
43
Sind die Fördervoraussetzungen - wie hier - zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellen jedoch Richtlinien wie die Förderrichtlinien keine Rechtsnormen, sondern lediglich verwaltungsinterne, das Ermessen der für die Verteilung der staatlichen Leistungen zuständigen Stellen steuernde Weisungen und damit Verwaltungsvorschriften dar. Sie vermögen eine anspruchsbegründende Außenwirkung nur vermittels des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) und des im Rechtsstaatsprinzip verankerten Gebots des Vertrauensschutzes (Art. 20 und 28 GG) zu begründen (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2018 - 10 C 1/17 - juris Rn. 15, VG München, U.v. 21.10.2019 - M 31 K 19.898 - juris Rn. 19 m.w.N.).
44
Prüfungsmaßstab ist daher - entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten - nicht primär der Wortlaut der Richtlinie, sondern die tatsächliche Förderpraxis der Beklagten.
45
Mit der Neufassung der Förderrichtlinie Kind zum 1. September 2017 fixierte die Beklagte unter Ziffer 1.1. schriftlich, dass eine Förderung ausschließlich die Personensorgeberechtigten erhalten sollen, die mit ihren Kindern gemeinsam in Haushaltsgemeinschaft leben und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in München haben. Wie die Beklagte mehrfach bereits im Verwaltungsverfahren sowohl gegenüber der Kindertageseinrichtung W. als auch den Klägern betonte, hat sie auch zuvor zu keinem Zeitpunkt Förderleistungen im Rahmen der Zweitkindermäßigung für Kinder erbracht, deren Wohnsitz nicht im Zuständigkeitsbereich der Beklagten war. Die Neuformulierung zum 1. September 2017 stellt daher lediglich eine Klarstellung und keine Änderung der bisherigen Förderpraxis dar. Die Beklagte hat daher - entgegen den Ausführungen des Bevollmächtigten - ihre Förderpraxis gerade nicht willkürlich geändert, sondern vielmehr ausschließlich die Verwaltungsvorschrift sachgerecht entsprechend der tatsächlichen Verwaltungspraxis konkretisiert.
46
Die Einstellung der Zweitkindermäßigung gegenüber den Klägern mit deren Wegzug aus dem Zuständigkeitsbereich der Beklagten zum 1. August 2016 entsprach somit der ständigen Förderpraxis der Beklagten.
47
Unabhängig davon, dass dem Gericht hinsichtlich der Überprüfung von freiwilligen Förderleistungen und dem damit einhergehenden weiten Ermessensspielraum der Beklagten nur eine eingeschränkte gerichtliche Kontrolle zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 17.11.2010 - 4 ZB 10.1689 - juris Rn. 19; VG München, U.v. 21.10.2019 - M 31 K 19.898 - juris Rn. 19 m.w.N.) erscheint die von der Beklagten gewählte Förderpraxis insoweit auch sachdienlich und insbesondere auch dem Förderzweck entsprechend.
48
Die Beklagte hat bei ihrer freiwilligen Förderpraxis bei der Ausfüllung und Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG auch die Strukturentscheidungen des Jugendhilferechts zu beachten (VGH BW, U.v. 23.2.2016 - 12 S 638/15 - juris Rn. 54).
49
Die Münchner Förderformel verfolgt entsprechend der Präambeln der Förderrichtlinien das Ziel, Bildung im Zuständigkeitsbereich der Beklagten gerecht, zukunftssicher, großstadtorientiert und weltoffen zu gestalten. Sinn und Zweck auch der Zweitkindermäßigung ist es, kinderreiche Familien, die gerade wegen der überdurchschnittlich hohen Lebenshaltungskosten und Wohnkosten in München besonders belastet sind, zu entlasten.
50
Eine weitere Förderung der Kläger nach deren Wegzug würde daher gerade den Sinn und Zweck der Förderrichtlinien widersprechen. Vielmehr dürfte eine Förderung von Familien, die nicht im Zuständigkeitsbereich der Beklagten leben, Zweifel an der rechtmäßigen Verwendung von kommunalen Mitteln begründen. Im Rahmen der Jugendhilfe - zu der die vorliegende Förderleistung im weiteren Umfang zu rechnen ist - bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit regelmäßig nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII). Dementsprechend besteht für die Kläger keine (jugendhilferechtliche) Zuständigkeit der Beklagten mehr. Die Kläger konnten daher auch nicht davon ausgehen, weiterhin Förderungen von der Beklagten erlangen zu können, obwohl sie den Zuständigkeitsbereich dieser verlassen haben. Aus der Gesamtschau der MFF ergibt sich eindeutig, dass ausschließlich Familien gefördert werden sollen, die im Zuständigkeitsbereich der Beklagten leben. Ohne dass es maßgeblich darauf ankommt (vergleiche oben), zeigt auch die Formulierung unter Ziffer 2.2 der Förderrichtlinie Kind mit der Benennung des „Münchner Kindes“ deutlich, dass eine Förderung nur im Rahmen des Zuständigkeitsbereichs der Beklagten erfolgen soll. Die Auslegung des Bevollmächtigten, dass es sich bei der Formulierung „Münchner Kindern“ um in München geborene Kinder unabhängig von ihrem Wohnort handle, erscheint nicht sachgerecht.
51
Die Kläger können sich auch nicht auf einen Anspruch auf eine Zweitkindermäßigung aus einem - wie auch immer gearteten - Vertrauensschutz berufen. Es gibt keinen Vertrauensschutz darauf, dass eine einmal (im vorliegenden Fall nur mittelbar über die insoweit reduzierte Beitragserhebung der Kindertageseinrichtung) gewährte Leistung nach Wegfall der Tatbestandsvoraussetzungen weiterhin gewährt wird.
52
Es obliegt im Übrigen auch nicht der Beklagten, auf den Wegfall von freiwilligen Förderleistungen durch sie im Fall eines Wegzuges hinzuweisen. Vielmehr ist es Angelegenheit der Kläger, sich über gegebenenfalls vor Ort für sie relevante Förderleistungen und deren Voraussetzungen zu informieren. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass den Klägern auch bewusst sein musste und wohl auch durch die Vertragsbedingungen der Kindertageseinrichtung W. ein hinreichender Hinweis darauf erfolgte, dass Entgeltermäßigungen nach der MFF ausschließlich erfolgen, soweit eine entsprechende Erstattung durch die Beklagte gegenüber der Kindertageseinrichtung erfolgt.
53
Die Argumentation des Bevollmächtigten in Bezug auf das BayKiBiG erschließt sich dem Gericht nicht. Die Zweitkinderförderung nach der MFF ist eine zusätzlich zu der Förderung nach dem BayKiBiG gewährte freiwillige Förderung von Familien im Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Im Übrigen besteht auch nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayKiBiG der kindbezogene Förderanspruch nur für Kinder die ihren gewöhnlichen Aufenthalt innerhalb der Gemeinde haben.
54
Auch bedurfte es entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten keines Widerrufs einer zunächst bewilligten Förderung für August 2016, da gegenüber den Klägern auch für den Zeitraum bis 31. Juli 2016 kein Förderbescheid durch die Beklagte erlassen wurde, sondern vielmehr ausschließlich Förderbescheide gegenüber der Kindertageseinrichtung ergingen. Im Übrigen handelte es sich auch bei dem Förderbescheid gegenüber der Kindertageseinrichtung vom 14. April 2016 explizit um einen vorläufigen Bescheid unter dem Vorbehalt einer späteren endgültigen Entscheidung auf Grundlage der vom Zuwendungsempfänger im Verwendungsnachweis und in den vorzulegenden Unterlagen gemachten Angaben im Rahmen der Endabrechnung.
55
Nachdem die Kläger aus der Förderpraxis der Beklagten im Rahmen der MFF keinen Anspruch auf eine Zweitkindermäßigung ab 1. August 2016 ableiten können, kann sich auch - unabhängig von der Frage eines überhaupt möglichen unmittelbaren Anspruchs auf Auszahlung der Förderung an die Kläger entgegen der eindeutigen Förderpraxis der Beklagten - kein Anspruch auf Zahlung an die Kläger ergeben. Die Klage war daher hinsichtlich des geltend gemachten Zahlungsanspruchs abzuweisen.
56
Dementsprechend ist auch der Bescheid der Beklagten vom 24. August 2017 in Form des Widerspruchsbescheids vom 18. April 2018 mit dem die Beklagte die Zahlung verweigerte, rechtmäßig, so dass auch der Antrag auf Aufhebung dieses Bescheides abzuweisen war.
57
Die Klage war somit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO insgesamt abzuweisen.
58
Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 188 Satz 2 VwGO.
59
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708, 711 ZPO.