Titel:
Kein Nutzungsausfall bei schon vor dem Unfall fehlender Fahrtüchtigkeit des Unfallwagens
Normenketten:
BGB § 249, § 286, § 288
StVG § 7, § 18
VVG § 115
Leitsatz:
Eine Nutzungsausfallentschädigung wegen Beschädigung eines Fahrzeugs kommt nicht in Betracht, wenn dieses im Zeitpunkt des Verkehrsunfalles bereits nicht in einem verkehrssicheren Zustand war (hier: aufgrund nicht reparierter Vorschäden). Hierbei kommt es nicht auf die Frage technischer Fahrsicherheit, sondern darauf an, ob das Fahrzeug nach der StVZO im Verkehr noch hätte geführt werden dürfen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verkehrsunfall, Wiederbeschaffungswert, Fahrzeug, Wiederbeschaffungsaufwand, Nutzungsausfallentschädigung, Schadensersatzansprüche, Ersatzfahrzeug
Rechtsmittelinstanzen:
AG Schwabach, Berichtigungsbeschluss vom 18.03.2020 – 2 C 951/18
LG Nürnberg-Fürth, Hinweisbeschluss vom 22.07.2020 – 2 S 1503/20
LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 06.08.2020 – 2 S 1503/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 18712
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 940,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 850,00 € seit 23.07.2018 und aus weiteren 90 € seit 11.10.2018 sowie weitere 413,64 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.10.2018 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 67% und der Beklagte 33% zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird auf 3.640,85 € (3.385,00 € Hauptforderung + 255,85 € vorgerichtliche nicht den Streitwert betreffende Rechtsanwaltsgebühren) festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 07.05.2018.
2
Am 07.05.2018 zwischen 17:00 und 18:00 Uhr befuhr der Kläger mit dem BMW 320d mit dem amtlichen Kennzeichen auf dem Parkplatz der Raststätte Gr. an der BAB A 9 Richtung Süden. Vor ihm kam ein Sattelzuggespann mit dem amtlichen niederländischen Kennzeichen zum Stillstand. Auch der Kläger hielt sein Fahrzeug an. Unvermittelt setzte der Sattelzug zurück und erfasste den linken Frontbereich des klägerischen Fahrzeugs und schob dieses eine gewisse Strecke zurück. Die Haftung der Beklagten als Haftpflichtversicherung für das unfallverurssachende Sattelzuggespann dem Grunde nach für unfallkausale Schäden ist zwischen den Parteien unstreitig. Das klägerische Fahrzeug erlitt einen Frontschaden. Der Restwert des Fahrzeuges beträgt 1.620 €. Die Beklagte regulierte einen Wiederbeschaffungsaufwand von 1.030 €. Das Fahrzeug hatte drei Tage zuvor am 04.05.2018 einen Vorschaden erlitten in Gestalt eines Streifschadens an der rechten Fahrzeugseite. Das Fahrzeug war nach dem Unfall vom 07.05.2018 nicht mehr fahrfähig. Der Kläger konnte aus eigenen Mitteln und auch nicht aus den Mitteln seiner Ehefrau ein Ersatzfahrzeug beschaffen. Erst am 11.06.2018 gelang mittels Finanzierung von dritter privater Seite ein Ersatzfahrzeug zu erwerben, das am 12.06.2018 zugelassen wurde. Am 29.05.2018 machte der Prozessbevollmächtigte gegenüber der Beklagten einen Wiederbeschaffungsaufwand von 1.880 €, Sachverständigenkosten von 752,08 € und eine Unkostenpauschale von 30 € gegenüber der Beklagten geltend sowie eine nicht bezifferte Nutzungsausfallentschädigung und vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 334,75 € (vgl. Anlage K 3). Die Beklagte zahlte gern. Schreiben vom 12.07.2018 (Anlage K 2) 1.807,08 € an den Kläger. Mit Schreiben vom 17.07.2018 (Anlage K 5) mahnte der Kläger einen restlichen Wiederbeschaffungsaufwand von 850 € an und forderte eine Nutzungsausfallentschädigung von 2.405 € und Abmeldekosten Unfallfahrzeug/Ummeldekosten Ersatzfahrzeug pauschal 2.530 € und vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 492,54 €.
3
Der Kläger trägt vor, dass der Wiederbeschaffungswert des Unfallfahrzeuges 3.500 € betrage. Ihm stehe eine Nutzungsausfallentschädigung für 27 Tag zu je 65 € zu. Das Fahrzeug sei trotz des bestehenden Vorschadens verkehrssicher gewesen. Das Unfallfahrzeug hätte am 08.06.2018 außer Betrieb gesetzt werden müssen, wozu er 82 km hätte zurücklegen müssen. Die Abmeldegebühr habe 10 € betragen. Für das Anmelden des Ersatzfahrzeuges habe die gleiche Strecke zurückgelegt werden müssen. Das neue Kennzeichen habe 30 € gekostet und die Verwaltungsgebühren hätten mehr als 40 € betragen. Eine allgemeine Unkostenpauschale von 30 € sei angemessen.
4
Der Kläger beantragt daher zuletzt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 3.385,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.09.2019, Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.299,63 € vom 24.07.2018 bis 30.09.2019 sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 492,54 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.07.2018 zu zahlen.
6
Er führt aus, dass der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges nur 2.650 € betrage, was dem Restwert nach dem Vorschaden entspreche. Das klägerische Fahrzeug sei nach dem Vorschaden nicht mehr verkehrssicher gewesen; denn der Scheinwerfer vorne rechts sei lose und in der Einbaulage verschoben gewesen, die Reifenflanke vorne rechts beschädigt und die LM-Felge hinten rechts verformt. Die Wiederbeschaffung eines Ersatzfahrzeuges sei binnen sieben Kalendertagen möglich gewesen. Der Tagessatz sei aufgrund des Alters und der Laufleistung um zwei Gruppen herunterzustufen. Eine Pauschale für die Ab- und Anmeldung sei nicht zulässig. Es müssten die entstandenen Ausgaben konkret vorgetragen werden.
7
Das Gericht hat Beweis erhoben gern, den Beweisbeschlüssen vom 10.12.2018 (BI. 26ff d.A.) und 20.05.2019 (BI. 61 d.A.) durch Erholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens und Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen H. des Ergebnisses wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen 28.03.2019 (BI. 36 ff. d.A.) und das Ergänzungsgutachten vom 05.08.2019 (BI. 68 ff d.A:) Bezug genommen. Die Parteien haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gern. § 128 Abs. 2 ZPO erklärt.
Entscheidungsgründe
8
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
9
Dem Kläger steht ein weiterer Schadensersatzanspruch in Höhe von 940,00 € zu.
Wiederbeschaffungsaufwand
10
Dem Kläger steht ein weiterer Anspruch in Höhe von 850 € zu. Aufgrund der nachvollziehbaren ... und in sich schlüssigen Ausführungen im eingeholten Gutachten des Sachverständigen und in sich schlüssigen Ausführungen im erholten Gutachtens des Sachverständigen ... steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs des Klägers 3.500 € betragen hat. Es handelt sich bei dem Fahrzeug um ein im Unfallzeitpunkt 11 Jahre altes Fahrzeug, das überwiegend nur noch auf dem Privatmarkt gehandelt wird. Es wird daher der vom Sachverständigen ermittelte Betrag ohne einen weiteren Abzug der Entscheidung zugrunde gelegt. Nach Abzug des unstreitigen Restwertes von 1.62 € ergibt sich ein Wiederbeschaffungsaufwand von 1.880 €. Nach Abzug des regulierten Betrages von 1.030 € besteht eine Restforderung von 850 €.
Nutzungsausfallentschädigung
11
Der Beklagte kann für die Zeit zwischen Unfall und Beschaffung des Ersatzfahrzeuges keine Nutzungsausfallentschädigung verlangen, da das Fahrzeug im Zeitpunkt des streitgegenständlichen Verkehrsunfalles bereits nicht in einem verkehrssicheren Zustand war aufgrund der nicht reparierten Vorschäden. Abzustellen ist hierbei auf die Frage, ob das Fahrzeug nach der StVZO im Verkehr noch hätte geführt werden dürfen und nicht auf die Frage, ob es aus technischer Sicht sicher zu fahren war. Da insbesondere der Scheinwerfer vorne rechts lose und in der Einbaulage verschoben war, hätte das Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr nicht mehr geführt werden dürfen. Man kann nicht von einer eingeschränkten Nutzbarkeit tagsüber ausgehen, die dennoch zu einem Entschädigungsanspruch führen würde. Neben dem Beleuchtungsschaden bestanden zudem auch noch Schäden an der Reifenflanke und an der Felge. Wenn aber ein Fahrzeug nach der StVZO nicht verkehrssicher ist, hätte es so auch nicht genutzt werden dürfen, so dass die Voraussetzung für einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung entfällt. Ein Anspruch insoweit ist daher nicht gegeben.
Abmeldekosten Unfallfahrzeug/Ummeldekosten Ersatzfahrzeug
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Dem Kläger steht insoweit ein Anspruch in Höhe von 90 € zu. Die Verwaltungsgebühr für das Abmelden eines Fahrzeuges beträgt 10 € und für das Ummelden eines Fahrzeuges bei einem Halterwechsel 40 €. Kosten für neue Kfz-Schilder von 30 € sind üblich und angemessen. Unter Berücksichtigung des .Umstandes, dass der Kläger zudem noch zu der ca. 30 km entfernten Zulassungsstelle fahren musste, erscheint ein Betrag von insgesamt 90 € angemessen aber auch ausreichend.
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Das Amtsgericht Schwabach erachtet in ständiger Rechtsprechung eine Auslagenpauschale von 25 € für angemessen und ausreichend. Diese ist von dem Beklagten bezahlt worden, weshalb kein weiterer Anspruch insoweit mehr besteht.
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Verzugszinsen bezüglich des weiteren Anspruchs in Höhe von 850 € Wiederbeschaffungsaufwand besteht seit 23.07.2018; denn mit Schreiben vom 17.07.2018 hat der Klägervertreter diesen Betrag angemahnt. Die einseitige Fristsetzung im Anforderungsschreien vom 29.05.2018 führt nicht zum Verzug. Zudem ist der Versicherung eine angemessene Prüfungsfrist zuzubilligen. Vor dem 12.07.2018 konnte kein Verzug eintreten. Hinsichtlich des weiteren Anspruchs von 90 € können nur Zinsen ab Rechtshängigkeit zugesprochen werden. Vorher ist kein Verzug eingetreten.
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Vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren stehen dem Kläger aus dem Gesamtschadensersatzanspruch in Höhe von 2.747,08 € zu. Das sind 334,75 €.
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Soweit die Klage keinen Erfolg hat, ist sie abzuweisen. .
Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11,711 ZPO