Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 23.07.2020 – Au 9 K 20.30569
Titel:

Erfolglose Klage bei Asylfolgeantrag auf Zuerkennung eines Abschiebungsverbotes (Nigeria)

Normenketten:
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 31 Abs. 3, § 71
VwVfG § 48, § 49, § 51
EMRK Art. 3
Leitsatz:
Die schlechte wirtschaftliche Situation in Nigeria, wo immer noch ca. 70% der Bevölkerung am Existenzminimum leben und von informellem Handel und Subsistenzwirtschaft abhängig sind, wie die Situation hinsichtlich der verschiedenen gewalttätigen Auseinandersetzungen und Übergriffe, führt grundsätzlich nicht zu einer individuellen, gerade dem Kläger drohenden Gefahr, sondern ist unter allgemeine Gefahren zu subsumieren, denen die Bevölkerung oder relevante Bevölkerungsgruppe allgemein ausgesetzt ist. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
N., erfolgloser Antrag auf Wiederaufgreifen eines rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens, keine relevante Änderung von Sach- und Rechtslage, Abschiebungsverbote (verneint), Asylverfahren, Nigeria, Folgeverfahren, Wiederaufgreifen, Abschiebungsverbote, Abschiebungshindernis, wirtschaftliche Verhältnisse, gesundheitliche Einschränkungen
Fundstelle:
BeckRS 2020, 18415

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Kläger wenden sich gegen die Ablehnung ihres Asylfolgeantrags und die Ablehnung des Antrags auf Abänderung der im Erstverfahren ergangenen Bescheide bezüglich der Feststellung von Abschiebungsverboten.
2
Der nach eigenen Angaben am ... 1980 in ... geborene Kläger zu 1, die am ... 1982 geborene Klägerin zu 2, der am ... 2010 in Li, geborene Kläger zu 3, der am ... 2011 in Italien geborene Kläger zu 4 und die am ... 2017 in Deutschland geborene Klägerin zu 5 sind nigerianische Staatsangehörige mit Volkszugehörigkeit der Edo und christlichen Glaubens. Die Kläger reisten - mit Ausnahme der in Deutschland geborenen Klägerin zu 5 - am 25. November 2015 in das Bundesgebiet ein und stellten am 24. Juni 2016 einen Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 31. März 2017 abgelehnt wurde. Die hiergegen erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 14. Dezember 2018 (Az. Au 7 K 17.32104) abgelehnt, der Antrag auf Zulassung der Berufung blieb erfolglos (Az. 7 ZB 19.30559). Der Asylantrag der Klägerin zu 5 wurde mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 17. Januar 2018 abgelehnt, die hiergegen erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 14. Dezember 2018 (Az. Au 7 K 18.30314) abgewiesen, der Antrag auf Zulassung der Berufung blieb ebenfalls erfolglos (Az. 7 ZB 19.30559).
3
Am 11. April 2019 stellten die Kläger einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und auf Feststellung von Abschiebungsverboten. Zur Begründung nahmen sie auf ein Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 22. März 2019 Bezug. In diesem Schreiben wird ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG vorlägen, da die wirtschaftliche und soziale Lage in N. äußerst problematisch und prekär sei. Tausende Menschen fielen gewalttätigen Konflikten und Übergriffen zum Opfer. Es gebe systematische Probleme innerhalb der Polizei und der Justiz. In N. habe sich die humanitäre Krise drastisch verschlimmert. Die geschilderten desaströsen humanitären Bedingungen würden auch ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK begründen. Unabhängig davon würde bezüglich der Tochter, Klägerin zu 5, eine Gefährdungssituation vorliegen, da sie spätestens vor der Heirat mit einer Genitalverstümmelung rechnen müsse. Ein Ausweichen in andere Landesteile könne die Situation nicht gravierend verbessern.
4
Mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 14. April 2020 wurden die Asylfolgeantrag der Kläger als unzulässig abgelehnt; der Antrag auf Abänderung der Bescheide vom 31. März 2017 (Az.: ...) und vom 17. Januar 2018 (Az. ...) bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG wurde ebenfalls abgelehnt.
5
Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Asylfolgeantrag unzulässig sei, da die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorlägen. Die Kläger hätten keine neuen Gründe angegeben, die nach dem Abschluss ihres Erstverfahrens entstanden seien. Der Bevollmächtigte der Kläger habe sich auf Sachverhalte bezogen, die bereits im Zeitpunkt der Erstentscheidung bekannt gewesen sein. Eine Änderung der Sachlage basierend auf der allgemeinen Situation in N. unter Berücksichtigung der vorgebrachten individuellen Umstände sei nicht erkennbar. Die Gefahr einer Genitalverstümmelung bezüglich der Klägerin zu 5 sei bereits im Erstverfahren sowohl vom Bundesamt als auch von den Gerichten ausführlich rechtlich gewürdigt worden. Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG seien ebenfalls nicht gegeben. Es seien seitens der Kläger keine neuen Umstände vorgetragen worden, die zu einem vom Erstverfahrensbescheid abweichenden Ergebnis führen würden.
6
Am 4. Mai 2020 haben die Kläger gegen den vorbezeichneten Bescheid Klage erhoben und sinngemäß beantragt,
7
1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. April 2020 (Gz. ...) wird aufgehoben.
8
2. Die Beklagte wird verpflichtet, das Bestehen von Abschiebungshindernissen gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen.
9
Zur Begründung bezogen sich die Kläger auf die bereits beim Bundesamt vorgetragenen Gründe. Weiterhin wurde ausgeführt, dass es den Klägern mangels eines familiären Netzwerkes nicht möglich sei, in einen anderen Landesteil N.s auszuweichen. Ein derartiger Umzug wäre mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen, denen die Kläger als fünfköpfige Familie nicht gewachsen seien.
10
Das Bundesamt übermittelte die elektronische Behördenakte, äußerte sich aber nicht zur Sache.
11
Mit Beschluss vom 29. Mai 2020 wurde der Rechtsstreit der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.
12
Mit Schreiben vom 22. Juli 2020 verzichtete die Klagepartei auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung. Das Bundesamt hat mit Erklärung vom 27. Juni 2017 ihre generelle Zustimmung hierzu erteilt.
13
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichts- und beigezogene Behördenakte, auch des Erstverfahrens, verwiesen.

Entscheidungsgründe

14
Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Parteien hierzu ihr Einverständnis erteilt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
15
Die Klage bleibt ohne Erfolg. Sie zwar zulässig, aber unbegründet.
16
Der Bescheid des Bundesamtes vom 14. April 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oderAbs. 7 Satz 1 AufenthG (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO; § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
17
1. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist für das Gericht die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs.1 AsylG). Gegen die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ist die Anfechtungsklage die allein statthafte Klageart. Die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71 AsylG ist nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes zum 6. August 2016 (BGBl. 2016 I 1939) die Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG, die mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist (BVerwG, U.v. 14.12.2016 - 1 C 4.16 - juris Rn. 15 ff.).
18
Für das Rechtsschutzziel der Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG ist in der Hauptsache weiterhin eine hilfsweise zu erhebende Verpflichtungsklage statthaft (BVerwG, U.v. 14.12.2016, a.a.O. Rn. 20). Denn es handelt sich insoweit um einen eigenen Streitgegenstand, der von der Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 71 AsylG nicht umfasst wird. Nach der Regelung des § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG hat das Bundesamt in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge (§ 29 Abs. 1 Nr. 5, § 71 AsylG i.V.m. § 13 Abs. 2 AsylG) festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
19
2. Der von den Klägern am 11. April 2019 gestellte Folgeantrag (§ 71 AsylG), war als unzulässig (§ 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG) abzulehnen, weil sich die Sach- und Rechtslage nicht geändert hat und die Kläger keine asylrelevanten Gründe vorgebracht haben, die sie ohne grobes Verschulden nicht schon im Erstverfahren hätten vorbringen können. Ein weiteres Asylverfahren ist somit nicht durchzuführen (§ 71 Abs. 1 AsylG, § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG).
20
Zur Begründung wird zunächst unter Absehen von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe auf die im Wesentlichen zutreffenden Ausführungen des Bundesamts im angefochtenen Bescheid Bezug genommen, denen das Gericht folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen:
21
Das Bundesamt ist im Ergebnis zurecht davon ausgegangen, dass die Kläger die Wiederaufnahmevoraussetzungen des § 51 VwVfG nicht erfüllen. Nach dem hier allein in Betracht kommenden Abs. 1 Nr. 1 und 2 dieser Vorschrift hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsakts zu entscheiden, wenn (1) sich die dem Verwaltungsakt zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat oder (2) neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden. Beides ist hier nicht der Fall.
22
Neue Beweismittel wurden im Wiederaufnahmeverfahren bereits nicht vorgelegt. Es liegt aber auch zugunsten der Kläger keine Änderungen der Sach- und Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG vor, die eine günstigere Entscheidung herbeiführen könnte.
23
Eine Änderung der Sachlage ist dann anzunehmen, wenn sich entweder die allgemeinen politischen Verhältnisse oder Lebensbedingungen im Heimatstaat oder aber die das persönliche Schicksal des Asylbewerbers bestimmenden Umstände so verändert haben, dass eine für den Asylbewerber günstigere Entscheidung möglich erscheint (vgl. Bergmann in Bergmann/Dienelt, AuslR, 12. Auflage 2018, § 71 Rn. 24).
24
Soweit die Kläger zur Begründung ihres Antrags auf Wiederaufgreifen des Verfahrens auf eine der Klägerin zu 5 angeblich drohende Gefahr der Genitalverstümmelung (FGM) verweisen, bleibt anzumerken, dass dieser Vortrag bereits Gegenstand der rechtskräftig abgeschlossenen Asylerstverfahren war. Insoweit ist bereits keine Änderung der Sachlage aufgezeigt.
25
Hierbei ist insbesondere auch nach dem Informationsbrief des Informationszentrums Asyl und Migration - Weibliche Genitalverstümmelung - Formen - Auswirkungen - Verbreitung - Asylverfahren vom April 2010 maßgeblich auf die jeweilige Volkszugehörigkeit abzustellen. Die Klägerinnen sind Volkszugehörige der Volksgruppe der Edo. Bei Volkszugehörigen der Edo (bzw. Bini oder Benin) findet weibliche Genitalverstümmelung regelmäßig nur zwischen dem 7. und 14. Tag nach der Geburt statt. Das Auswärtige Amt hat bereits im Jahr 2005 darüber hinaus Zweifel daran erhoben, ob bei Volkszugehörigen der Edo überhaupt noch weibliche Genitalverstümmelung (FGM) stattfindet (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 7. Juni 2005 an das Bundesamt, Az.: 508-516.80/43807). Bezüglich der Volksgruppe der Edo wird mittlerweile häufig festgestellt, dass weibliche Genitalbeschneidungen gar nicht mehr vollzogen werden. Bereits ausgehend von der Ethnie und vom Alter der Klägerinnen ist bereits die Gefahr einer weiblichen Genitalverstümmelung bei einer Rückkehr nach N. ausgeschlossen. Die Situation der Kläger wurde im Asylerstverfahren sowohl vom Bundesamt als auch vom Verwaltungsgericht Augsburg (Az. Au 7 K 18.30314), bestätigt durch den Verwaltungsgerichtshof, ausführlich gewürdigt. Die Ausführungen zu den Umständen im Fall einer Hochzeit bewegen sich bei der erst 3jährigen Klägerin zu 5 im Rahmen völliger Spekulation.
26
3. Auch eine Änderung in Bezug auf das Vorliegen von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht ersichtlich.
27
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die schlechte wirtschaftliche Situation in N. - hier leben immer noch ca. 70% der Bevölkerung am Existenzminimum und sind von informellem Handel und Subsistenzwirtschaft abhängig (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik N. - Lagebericht - vom 16.1.2020, Stand. September 2019, Nr. I.2., S. 8) - ebenso wie die Situation hinsichtlich der verschiedenen gewalttätigen Auseinandersetzungen und Übergriffe, z.T. auch durch die Sicherheitskräfte, und die damit zusammenhängenden Gefahren (s.o. und Lagebericht AA a.a.O. Nr. II.2 und 3., S.15 f.) grundsätzlich nicht zu einer individuellen, gerade dem Kläger drohenden Gefahr führt, sondern unter die allgemeinen Gefahren zu subsumieren ist, denen die Bevölkerung oder relevante Bevölkerungsgruppe allgemein ausgesetzt ist und die gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG durch Anordnungen gemäß § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen sind.
28
Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage eines Betroffenen erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen; anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen, wie zum Beispiel im Falle einer tödlichen Erkrankung in fortgeschrittenen Stadium, wenn im Zielstaat keine Unterstützung besteht (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - BVerwGE 146, 12-31, juris, Rn. 23 ff. m.w.N.). Im Hinblick auf die Bewertung eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK gelten dabei bei der Beurteilung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG die gleichen Voraussetzungen wie bei der Frage der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG wegen unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - a.a.O. - juris Rn. 22, 36).
29
Auch eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben (§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) für einen Betroffenen aufgrund allgemein für die Bevölkerung bestehender Gefahren, die über diese allgemein bestehenden Gefahren hinausgeht ist, nur im Ausnahmefall im Sinne eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (BVerwG, U. v. 31.1.2013 - a.a.O., juris Rn. 38). Ein Ausländer kann im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser allgemein bestehenden Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für die Betroffenen die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Betroffenen daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (zum Ganzen BVerwG, U. v. 31.1.2013 a.a.O., juris Rn. 38).
30
Für derartige besondere Gefahren aufgrund schlechter humanitärer oder wirtschaftlicher Verhältnisse ist hier nichts ersichtlich. Insbesondere kann im Falle der Kläger nicht davon ausgegangen werden, dass die schlechte wirtschaftliche Situation in N. zu einem Abschiebungsverbot aufgrund schlechter humanitärer Verhältnisse führt, die im Ausnahmefall als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK qualifiziert werden könnten. Eine Änderung der Sach- und Rechtslage ist hier zugunsten der Klägerinnen bereits nicht ersichtlich. Bei einer unterstellten Rückkehr der ausreisepflichtigen Familie nach N. gelten die rechtskräftigen Feststellungen aus den bereits durchgeführten Asylerstverfahren unverändert fort.
31
Gleiches gilt letztlich in Bezug auf das Vorliegen von gesundheitsbedingten zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten. Nennenswerte gesundheitliche Einschränkungen sind bei den Klägern nicht bekannt geworden. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der sich wohl auch in Afrika ausbreitenden Corona-Pandemie. Auch dieser Umstand ist nicht geeignet, zur Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu führen. Insoweit gilt es die Vorschrift des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG zu beachten. Danach sind Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, nur bei einer Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Eine derartige allgemeine Entscheidung hinsichtlich des Zielstaats N. i.S.d. § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG liegt derzeit nicht vor. Eine persönliche Betroffenheit von der Krankheit selbst haben die Kläger nicht aufgezeigt.
32
Im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sind überdies in N. lediglich 3 Corona-Fälle bestätigt, wovon 1 Person  genesen ist und es lediglich zu 805 Todesfällen gekommen ist (Quelle: COVID-19 pandemic data, Wikipedia, Stand: 22.7.2020). Demnach handelt es sich um eine lediglich abstrakte Gefährdung, der im Rahmen des § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu begegnen ist. Der von den Klägern angeführte Umstand ist daher nicht geeignet, für diese ein Abschiebungsverbot auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu begründen.
33
Damit haben die Kläger aber auch keinen Anspruch auf ein Wiederaufgreifen im weiteren Sinne gemäß § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48,49 VwVfG. Sie haben diesbezüglich zwar einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Im gerichtlichen Verfahren beachtliche Ermessensfehler (§ 114 VwGO) sind vorliegend weder ersichtlich, noch vorgetragen.
34
Nach allem war die Klage daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen haben die Kläger die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner gemäß § 159 Satz 2 VwGO zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
35
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.