Titel:
Wiederaufnahme eines Asylverfahrens hinsichtlich nationaler Abschiebungsverbote für Nigeria
Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1
VwVfG § 51 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, § 60a Abs. 1 S. 1
EMRK Art. 3
Leitsatz:
Bei den coronabedingten Gesundheitsgefahren in Nigeria handelt es sich um eine lediglich abstrakte Gefährdung, die kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 bzw. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG begründet. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nigeria, erfolgloser Antrag auf Wiederaufgreifen eines rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens, keine relevante Änderung von Sach- und Rechtslage, Abschiebungsverbote (verneint), Abschiebungsverbot, Asylantrag, Aufenthaltsbeendigung, Erkrankung, Asylverfahren, Änderung, Wiederaufnahme, Genitalverstümmelung, Corona
Fundstelle:
BeckRS 2020, 18411
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerinnen haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerinnen begehren mit ihrer Klage die Wiederaufnahme eines Asylverfahrens in Bezug auf die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten nach Nigeria bzw. in einen anderen aufnahmebereiten Staat.
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Die am ... 2011 in ... (Italien) geborene Klägerin zu 1 und die am ... 2016 in ... (Bundesrepublik Deutschland) geborene Klägerin zu 2 sind nigerianische Staatsangehörige mit Volkszugehörigkeit der Edo (Bini) und christlichem Glauben.
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Für die Klägerinnen wurden bereits Asylanträge in der Bundesrepublik Deutschland gestellt (Gz.: ... bezüglich der Klägerin zu 1 und ... bezüglich der Klägerin zu 2).
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Mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 14. Februar 2017 wurde der Asylantrag der Klägerin zu 1 abgelehnt. Auf die Gründe des diesbezüglichen Bescheids wird verwiesen. Mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 11. Juni 2018 wurde die gegen den vorbezeichneten Bescheid erhobene Klage abgewiesen. Auf die Gründe des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 11. Juni 2018 (Az.: Au 7 K 17.31177) wird verwiesen. Der zur Weiterverfolgung des Begehrens der Klägerin zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof erhobene Antrag auf Zulassung der Berufung (Az.: 10 ZB 18.31829) wurde mit Beschluss vom 16. Oktober 2018 abgelehnt. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird ebenfalls Bezug genommen.
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Mit Bescheid des Bundesamts vom 14. Februar 2017 wurde der Asylantrag der Klägerin zu 2 abgelehnt. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird verwiesen. Die hiergegen zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhobene Klage (Az.: Au 7 K 17.31179) wurde mit Urteil vom 11. Juni 2018 abgewiesen. Auf die Gründe der vorbezeichneten Entscheidung wird verwiesen. Der zur Weiterverfolgung des Begehrens der Klägerin zu 2 zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingelegte Antrag auf Zulassung der Berufung (Az.: 10 ZB 18.31830) wurde mit Beschluss vom 16. Oktober 2018 abgelehnt. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird Bezug genommen.
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Am 10. Oktober 2019 stellten die Klägerinnen Anträge auf Wiederaufgreifen auf Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Zur Begründung wurde auf die wirtschaftliche und soziale Lage in Nigeria verwiesen. Zudem sei die Gefährdungssituation für die Klägerinnen aufgrund der bei einer Rückkehr zu befürchtenden Genitalverstümmelung (FGM) erhöht.
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Mit Bescheid des Bundesamts vom 24. Februar 2020 (Gz.: *) wurden die Anträge auf Abänderung der Bescheide vom 14. Februar 2017 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG abgelehnt.
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Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Bundesamt aus, dass die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG nicht gegeben seien. Habe das Bundesamt im früheren Asylverfahren bereits unanfechtbar festgestellt, dass Abschiebungsverbote nicht bestünden, so sei im Rahmen einer erneuten Befassung im Wiederaufgreifensverfahren zunächst zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 51 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) vorlägen. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG lägen zugunsten der Klägerinnen nicht vor. Der Vortrag der Klägerinnen zu einer eventuellen Genitalverstümmelung sei schon Gegenstand der vorangegangenen Verfahren gewesen. Im Wiederaufgreifensantrag erfolge lediglich ein pauschaler Vortrag hinsichtlich der Lage in Nigeria, so dass auch keine Sachlagenänderung ersichtlich sei. In Bezug auf die im vorangegangenen Verfahren getroffene Entscheidung müsste ein Bescheid gleichen Inhalts ergehen. Einer erneuten Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung bedürfe es wegen der vollziehbaren Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung aus den vorangegangenen Asylverfahren nicht.
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Auf den weiteren Inhalt des Bescheids des Bundesamts vom 24. Februar 2020 wird ergänzend verwiesen.
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Für die Klägerinnen wurde mit Schriftsatz vom 6. März 2020, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg am 13. März 2020, Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und beantragt,
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Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 24. Februar 2020, Gz.:, zugestellt am 4. März 2020, wird aufgehoben.
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Die Beklagte wird verpflichtet, das Bestehen von Abschiebungshindernissen gemäß § 60 Abs. 5 bis 7 AufenthG festzustellen.
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Eine Begründung der Klage ist nicht erfolgt.
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Die Beklagte hat dem Gericht die einschlägige Verfahrensakte vorgelegt; ein Antrag wurde nicht gestellt.
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Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 16. April 2020 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
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Mit Schriftsatz vom 21. Juli 2020 haben die Klägerinnen auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Die Beklagte hat sich mit Generalerklärung vom 27. Juni 2017 mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Akten der Beklagten betreffend die Asylerstverfahren der Klägerinnen und die Verfahrensakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Aufgrund des beiderseits erklärten Verzichts auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte die Entscheidung im schriftlichen Verfahren ergehen (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Die Klägerinnen haben im maßgeblichen Zeitpunkt der schriftlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs 2 AsylG) keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Wege der Wiederaufnahme des behördlichen Verfahrens bzw. auf ermessensfehlerfreie Entscheidung diesbezüglich. Der diesen Anspruch versagende Bescheid des Bundesamts vom 24. Februar 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Zur Begründung wird zunächst unter Absehen von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe auf die im Wesentlichen zutreffenden Ausführungen des Bundesamts im angefochtenen Bescheid Bezug genommen, denen das Gericht folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen:
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Das Bundesamt ist im Ergebnis zurecht davon ausgegangen, dass die Klägerinnen die Wiederaufnahmevoraussetzungen des § 51 VwVfG nicht erfüllen. Nach dem hier allein in Betracht kommenden Abs. 1 Nr. 1 und 2 dieser Vorschrift hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsakts zu entscheiden, wenn (1) sich die dem Verwaltungsakt zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat oder (2) neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden. Beides ist hier nicht der Fall.
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Neue Beweismittel wurden im Wiederaufnahmeverfahren bereits nicht vorgelegt. Es liegt aber auch zugunsten der Klägerinnen keine Änderungen der Sach- und Rechtslage vor, die eine günstigere Entscheidung herbeiführen könnte.
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Eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG kann weder dem klägerischen Vortrag entnommen werden noch ist eine derartige Veränderung ersichtlich. Eine Änderung der Sachlage ist dann anzunehmen, wenn sich entweder die allgemeinen politischen Verhältnisse oder Lebensbedingungen im Heimatstaat oder aber die das persönliche Schicksal des Asylbewerbers bestimmenden Umstände so verändert haben, dass eine für den Asylbewerber günstigere Entscheidung möglich erscheint (vgl. Bergmann in Bergmann/Dienelt, AuslR, 12. Auflage 2018, § 71 Rn. 24).
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Soweit die Klägerinnen zur Begründung ihres Antrags auf Wiederaufgreifen des Verfahrens auf eine ihnen angeblich drohende Gefahr der Genitalverstümmelung (FGM) verweisen, bleibt anzumerken, dass dieser Vortrag bereits Gegenstand der rechtskräftig abgeschlossenen Asylerstverfahren war. Insoweit ist bereits keine Änderung der Sachlage aufgezeigt.
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Hierbei ist insbesondere auch nach dem Informationsbrief des Informationszentrums Asyl und Migration - Weibliche Genitalverstümmelung - Formen - Auswirkungen - Verbreitung - Asylverfahren vom April 2010 maßgeblich auf die jeweilige Volkszugehörigkeit abzustellen. Die Klägerinnen sind Volkszugehörige der Volksgruppe der Edo. Bei Volkszugehörigen der Edo (bzw. Bini oder Benin) findet weibliche Genitalverstümmelung regelmäßig nur zwischen dem 7. und 14. Tag nach der Geburt statt. Das Auswärtige Amt hat bereits im Jahr 2005 darüber hinaus Zweifel daran erhoben, ob bei Volkszugehörigen der Edo überhaupt noch weibliche Genitalverstümmelung (FGM) stattfindet (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 7. Juni 2005 an das Bundesamt, Az.: 508-516.80/43807). Bezüglich der Volksgruppe der Edo wird mittlerweile häufig festgestellt, dass weibliche Genitalbeschneidungen gar nicht mehr vollzogen werden. Bereits ausgehend von der Ethnie und vom Alter der Klägerinnen ist bereits die Gefahr einer weiblichen Genitalverstümmelung bei einer Rückkehr nach Nigeria ausgeschlossen. Im Übrigen ist der vorhandene Familienverbund in der Lage, ausreichenden Schutz vor einem evtl. sozialen Druck zur Durchführung einer FGM sicherzustellen. Schließlich ist darauf zu verweisen, dass die Familie der Klägerinnen bei einer Rückkehr nach Nigeria nicht gezwungen ist, an ihre vormaligen Aufenthaltsorte zurückzukehren. Das Gericht ist der Auffassung, dass die Familie der Klägerinnen durchaus in der Lage ist, innerhalb Nigerias eine anderweitige Relokationsmöglichkeit zu ergreifen.
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Auch eine Änderung in Bezug auf das Vorliegen von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht ersichtlich.
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Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die schlechte wirtschaftliche Situation in Nigeria - hier leben immer noch ca. 70% der Bevölkerung am Existenzminimum und sind von informellem Handel und Subsistenzwirtschaft abhängig (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria - Lagebericht - vom 16.1.2020, Stand. September 2019, Nr. I.2., S. 8) - ebenso wie die Situation hinsichtlich der verschiedenen gewalttätigen Auseinandersetzungen und Übergriffe, z.T. auch durch die Sicherheitskräfte, und die damit zusammenhängenden Gefahren (s.o. und Lagebericht AA a.a.O. Nr. II.2 und 3., S.15 f.) grundsätzlich nicht zu einer individuellen, gerade dem Kläger drohenden Gefahr führt, sondern unter die allgemeinen Gefahren zu subsumieren ist, denen die Bevölkerung oder relevante Bevölkerungsgruppe allgemein ausgesetzt ist und die gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG durch Anordnungen gemäß § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen sind.
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Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage eines Betroffenen erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen; anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen, wie zum Beispiel im Falle einer tödlichen Erkrankung in fortgeschrittenen Stadium, wenn im Zielstaat keine Unterstützung besteht (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - BVerwGE 146, 12-31, juris, Rn. 23 ff. m.w.N.). Im Hinblick auf die Bewertung eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK gelten dabei bei der Beurteilung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG die gleichen Voraussetzungen wie bei der Frage der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG wegen unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - a.a.O. - juris Rn. 22, 36).
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Auch eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben (§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) für einen Betroffenen aufgrund allgemein für die Bevölkerung bestehender Gefahren, die über diese allgemein bestehenden Gefahren hinausgeht ist, nur im Ausnahmefall im Sinne eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (BVerwG, U. v. 31.1.2013 - a.a.O., juris Rn. 38). Ein Ausländer kann im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser allgemein bestehenden Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für die Betroffenen die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Betroffenen daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (zum Ganzen BVerwG, U. v. 31.1.2013 a.a.O., juris Rn. 38).
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Für derartige besondere Gefahren aufgrund schlechter humanitärer oder wirtschaftlicher Verhältnisse ist hier nichts ersichtlich. Insbesondere kann im Falle der Kläger nicht davon ausgegangen werden, dass die schlechte wirtschaftliche Situation in Nigeria zu einem Abschiebungsverbot aufgrund schlechter humanitärer Verhältnisse führt, die im Ausnahmefall als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK qualifiziert werden könnten. Eine Änderung der Sach- und Rechtslage ist hier zugunsten der Klägerinnen bereits nicht ersichtlich. Bei einer unterstellten Rückkehr der ausreisepflichtigen Familie nach Nigeria gelten die rechtskräftigen Feststellungen aus den bereits durchgeführten Asylerstverfahren unverändert fort.
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Gleiches gilt letztlich in Bezug auf das Vorliegen von gesundheitsbedingten zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten. Nennenswerte gesundheitliche Einschränkungen sind bei den Klägerinnen nicht bekannt geworden. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der sich wohl auch in Afrika ausbreitenden Corona-Pandemie. Auch dieser Umstand ist nicht geeignet, zur Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu führen. Insoweit gilt es die Vorschrift des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG zu beachten. Danach sind Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, nur bei einer Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Eine derartige allgemeine Entscheidung hinsichtlich des Zielstaats Nigeria i.S.d. § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG liegt derzeit nicht vor. Eine persönliche Betroffenheit von der Krankheit selbst haben die Klägerinnen nicht aufgezeigt.
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Im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sind überdies in Nigeria lediglich 7801 Corona-Fälle bestätigt, wovon 5677 Personen genesen sind und es lediglich zu 805 Todesfällen gekommen ist (Quelle: COVID-19 pandemic data, Wikipedia, Stand: 22.7.2020). Demnach handelt es sich um eine lediglich abstrakte Gefährdung, der im Rahmen des § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu begegnen ist. Der von den Klägerinnen angeführte Umstand ist daher nicht geeignet, für diesen ein Abschiebungsverbot auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu begründen.
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Damit haben die Klägerinnen aber auch keinen Anspruch auf ein Wiederaufgreifen im weiteren Sinne gemäß § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48,49 VwVfG. Die Klägerinnen haben diesbezüglich zwar einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Im gerichtlichen Verfahren beachtliche Ermessensfehler (§ 114 VwGO) sind vorliegend weder ersichtlich, noch vorgetragen.
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Nach allem war die Klage daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen haben die Klägerinnen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner gemäß § 159 Satz 2 VwGO zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.