Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 25.05.2020 – Au 4 K 19.31535
Titel:

Unzulässiger Asylfolgeantrag eines türkischen Kurden

Normenketten:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 71 Abs. 1
VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2
Leitsätze:
1. Bei der Geltendmachung einer Änderung der das persönliche Schicksal des Asylantragstellers bestimmenden Umstände genügt schon die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung  für die Annahme des Wiederaufgreifensgrundes des 3 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG. Allerdings muss das entsprechende Vorbringen glaubhaft und substantiiert sein (BVerfG BeckRS 2019, 32778). (Rn. 24) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. Für ausländische öffentliche Urkunden gilt nach § 172 S. 1 VwGO i.V.m. §§ 437, 438 Abs. 1 ZPO die Echtheitsvermutung nicht. Das Gericht kann über die Echtheit der Urkunden nach Ermessen befinden. (Rn. 28) (red. LS Clemens Kurzidem)
3. Da es in der Türkei möglich ist, ohne größeren Aufwand an gefälschte Dokumente zu kommen, muss davon ausgegangen werden, das die von einem Asylfolgeantragsteller vorgelegten Urkunden die von ihm behauptete Sachlageänderung nicht verifizieren können. (Rn. 28) (red. LS Clemens Kurzidem)
4. Neue Beweismittel i.S.v. § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG sind solche, durch die bereits früher vorgetragene, "alte" Tatsachen nachträglich bewiesen werden sollen (VGH München BeckRS 2008, 27376). (Rn. 30) (red. LS Clemens Kurzidem)
Schlagworte:
Asylrecht Türkei, Folgeantrag, Änderung der Sachlage (Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Facebook-Posts) nebst Vorlage entsprechender Unterlagen, Vorbringen unglaubhaft, türkischer Kurde, Asylfolgeantrag, Sachlageänderung, neue Beweismittel, Facebook-Posts, PKK, Terrorismusverdacht, türkisches Strafverfahren, ausländische öffentliche Urkunden, gefälschte Dokumente, Strafbefehl, Asylerstverfahren, Wiederaufnahmegründe
Fundstelle:
BeckRS 2020, 18142

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylfolgeantrags als unzulässig; hilfsweise begehrt er die Feststellung von Abschiebungsverboten.
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Nach den Feststellungen der Beklagten ist der Kläger türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Seinen am 11. Dezember 2018 gestellten Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom 21. Dezember 2018 ab. Eine hierauf vom Kläger zum Verwaltungsgericht Augsburg erhobene Klage (Au 6 K 19.30015) wurde mit Urteil vom 3. Mai 2019 abgewiesen. Das Urteil wurde rechtskräftig.
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Am 1. Oktober 2019 stellte der Kläger einen Asylfolgeantrag. Dieser wurde im Wesentlichen damit begründet, dass nunmehr gegen ihn in der Türkei ein Ermittlungsverfahren wegen eines Posts auf Facebook eingeleitet worden sei; er werde beschuldigt, für eine Terrororganisation zu propagieren. Seine Familie sei in der Türkei bereits aufgesucht worden. Der Kläger legte mit dem Folgeantrag Unterlagen, insbesondere eine Strafanzeige, vor, die die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens belegen sollten.
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Mit Bescheid vom 7. November 2019 lehnte die Beklagte den Antrag als unzulässig ab (1.). Ferner wurde der Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 21. Dezember 2018 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG abgelehnt (2.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Asylfolgeantrag sei gem. § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 51 VwVfG nicht vorlägen. An den Angaben des Klägers bestünden angesichts der erheblichen Steigerung des Vortrags bezüglich regimefeindlicher Aktivitäten, welche erst nach Ablehnung des Asylerstantrags geltend gemacht worden seien, ernsthafte Zweifel. Hinsichtlich der vom Kläger vorgelegten Dokumente sei auf den boomenden Handel mit gefälschten Dokumenten zu verweisen. Nicht erklärbar sei, wie der Kläger in der strafrechtlichen Ermittlungsphase an die Unterlagen habe gelangen können, und zwar auch nicht über einen Rechtsanwalt, da der Tatvorwurf im Zusammenhang mit Terrorismus stehe. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Kläger lediglich die aktuelle politische Lage dazu nutze, um sich im Folgeverfahren ein Verfolgungsschicksal zurechtzulegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des Bescheids vom 7. November 2019 Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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Der Kläger ließ am 15. November 2019 Klage zum Verwaltungsgericht erheben. Zuletzt wurde für ihn beantragt,
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den Bescheid des Bundesamts vom 7.11.2019 aufzuheben;
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hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 7.11.2019 zu verpflichten festzustellen, dass beim Kläger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
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Hinsichtlich der bei Klageerhebung ebenfalls geltend gemachten Ansprüche auf Flüchtlings- und subsidiären Schutz wurde die Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.
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Zur Begründung der Klage wurde mit Schriftsätzen vom 15. November 2019 und vom 3. April 2020 im Wesentlichen vorgetragen: Der Kläger habe neue Urkunden vorgelegt. Gegen ihn laufe in der Türkei ein Ermittlungsverfahren wegen Propaganda für eine Terrororganisation (PKK). Der Kläger habe die entsprechende Anzeige an die Oberstaatsanwaltschaft * in * dem Bundesamt vorgelegt. Er habe einen Rechtsanwalt in * beauftragt, für ihn Akteneinsicht zu nehmen. Aus der Akte ergebe sich, dass die Oberstaatsanwaltschaft gegen den Kläger am 25. September 2019 Ermittlungen aufgenommen habe. Die Polizei sei angewiesen worden, den Kläger als Beschuldigten wegen Terrorpropaganda zu vernehmen. Es sei unter anderem festgestellt worden, dass der Kläger einen Facebook-Account habe, dass er über den Flughafen * ins Ausland geflohen sein und dass er sich dort weiterhin aufhalte. Es habe nicht geklärt werden können, ob der Kläger Verbindungen zur Terrororganisation PKK/KCK habe. Der Kläger habe nicht als Beschuldigter vernommen werden können. Im Januar 2020 sei das Verfahren an die zuständige Staatsanwaltschaft abgegeben worden.
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Des Weiteren sei gegen den Kläger am 9. Januar 2020 ein Strafbefehl des Amtsgerichts * wegen Zuwiderhandlungen gegen Verbote nach dem Vereinsgesetz ergangen. Bei einer polizeilichen Internetrecherche sei beim Facebook-Account des Klägers festgestellt worden, dass dieser öffentlich einsehbar Symbole der kurdischen Vereinigung PKK gepostet habe. Der Strafbefehl sei aufgrund eines Einspruchs des Klägers nicht rechtskräftig.
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Anhand der neuen Entwicklungen sei der Kläger in das Visier der türkischen Ermittlungsbehörden geraten. Bei einer Rückkehr müsse er mit Verhaftung, Vernehmung, Folter und/oder unmenschlicher Behandlung und Haftstrafe wegen Unterstützung einer bzw. Propaganda für eine terroristische/n Organisation rechnen. Sympathisanten der PKK seien in der Türkei landesweit Nachstellungen ausgesetzt. Auf Grund seiner Biografie, den Posts auf Facebook, der Verurteilung in Deutschland und dem Strafverfahren in der Türkei werde man dem Kläger eine gewisse Nähe zur PKK vorwerfen.
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Des Weiteren ließ der Kläger zur Situation in der Türkei, insbesondere nach dem gescheiterten Putsch im Juli 2016, und insbesondere in Bezug auf das Vorgehen der Regierung gegen Sympathisanten, Mitglieder und Mandatsträger der prokurdischen Partei HDP vortragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 3. April 2020 Bezug genommen.
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Die Beklagte beteiligte sich abgesehen von der Übermittlung ihrer Akten nicht am gerichtlichen Verfahren.
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Mit Beschluss vom 5. März 2020 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Am 20. Mai 2020 fand die mündliche Verhandlung statt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Asylfolgeantrag des Klägers ist zu Recht als unzulässig abgelehnt worden. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten. Der Bescheid vom 7. November 2019 ist daher insgesamt rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO).
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Das Gericht folgt, insbesondere nach den in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Erkenntnissen, zunächst in vollem Umfang der Begründung des Bescheids und nimmt hierauf Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ferner ist folgendes auszuführen:
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1. Der Asylfolgeantrag des Klägers ist gem. § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässig, weil ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. Die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 51 VwVfG liegen nicht vor.
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1.1 Dies gilt zunächst in Bezug auf die vom Kläger geltend gemachte Änderung der Sachlage (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG). Der Kläger führt insoweit die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen ihn in der Türkei bzw. einen gegen ihn ergangenen Strafbefehl in Deutschland an. Beiden vom Kläger vorgetragenen Entwicklungen liegen vorgebliche Facebook-Posts des Klägers zu Grunde, aus denen sich eine Unterstützung der PKK durch den Kläger bzw. ein Verstoß gegen ein Verbreitungs- bzw. Verwendungsverbot nach dem Vereinsgesetz ergebe.
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Zwar werden damit Sachverhalte geltend gemacht, die sich nach der unanfechtbaren Ablehnung des Asylerstantrags ergeben haben sollen. Die Rechtskraft des klageabweisenden Urteils vom 3. Mai 2019 (Au 6 K 19.30015) trat Anfang Juni 2019 ein. Die vom Kläger geltend gemachten Entwicklungen beginnen im September 2019 (Aufnahme der Ermittlungen durch die Oberstaatsanwaltschaft * am 25.9.2019, vgl. Schriftsatz vom 3.4.2020, S. 2), bzw. liegen zeitlich noch später (Strafbefehl vom 9.1.2020).
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Gleichwohl ergibt dieser Vortrag des Klägers (auch unter Berücksichtigung der von ihm vorgelegten Unterlagen) nicht, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG in Bezug auf eine nachträgliche Änderung der Sachlage vorliegen.
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Zwar genügt bei Geltendmachung einer Änderung der das persönliche Schicksal des Asylantragstellers bestimmenden Umstände schon die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung aufgrund der geltend gemachten Wiederaufgreifensgründe. Allerdings muss das entsprechende Vorbringen glaubhaft und substantiiert sein (vgl. BVerfG, B.v. 4.12.2019 - 2 BvR 1600/19 - juris Rn. 19 f.; B.v. 24.6.1993 - 2 BvR 541/93 - juris Rn. 14). Hieran fehlt es vorliegend zur Überzeugung des Gerichts, insbesondere unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der mündlichen Verhandlung.
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Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, bereits in der Türkei auf Facebook politische Inhalte gepostet zu haben und deswegen auch von der Polizei bedroht worden zu sein. Mithin hat der Kläger nunmehr Sachverhalte geschildert, die sich noch vor seinem Verlassen der Türkei und damit vor Stellung seines Asylerstantrags ereignet haben sollen. Auch sonst hat der Kläger Aktivitäten angeführt, die zeitlich vor Abschluss des Asylerstverfahrens, namentlich vor der mündlichen Verhandlung im Erstverfahren am 30. April 2019, lagen. In Deutschland will der Kläger im Januar 2019 wieder angefangen haben, auf Facebook zu posten. Der Facebook-Post, der Anstoß für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen ihn in der Türkei gewesen sein soll (vgl. deutsche Übersetzung, Bl. 41 Bundesamtsakte), stammt nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung von spätestens Anfang 2019. Auch die vom Kläger vorgelegten Unterlagen betreffend das Ermittlungsverfahren gegen ihn in Deutschland nennen einen Facebook-Post des Klägers, der zeitlich vor Abschluss des Asylerstverfahrens liegt (24.12.2018; Aktenvermerk der Kriminalpolizei vom 28.11.2019 [Anlage K3], S. 3).
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Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger diese politischen Aktivitäten (Facebook-Posts) im Asylerstverfahren, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt hat, nicht angegeben hat. Die Angabe des Klägers, sich der Relevanz solcher Aktivitäten für sein Asylverfahren nicht bewusst gewesen zu sein, wertet das Gericht als nicht glaubhaft, sondern als bloße Schutzbehauptung. Der Kläger will bereits in der Türkei Probleme mit der Polizei wegen seiner Facebook-Postings bekommen haben; insofern waren diese Probleme zumindest mitursächlich für sein Verlassen der Türkei und für seine Asylantragstellung in Deutschland. Auch ist es widersprüchlich, wenn sich der Kläger als durch seine Facebook-Posts politisch aktive Person darstellt, diese Aktivitäten dann aber für so vernachlässigenswert einstuft, dass er sie selbst für seinen Asylantrag zunächst nicht für relevant hält. Dies ist umso unerklärlicher, als es, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, ihm wichtig gewesen sei, politische Äußerungen auf Facebook zu tätigen. Auch nach dem Eindruck, den das Gericht in der mündlichen Verhandlung sonst vom Kläger erhalten hat, ist dieser - insbesondere mit Blick auf seine intellektuellen Fähigkeiten - ohne weiteres in der Lage, die für seinen Asylantrag relevanten Ereignisse und Tätigkeiten von sich aus vorzutragen.
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Insofern liegt kein - wie erforderlich - glaubhafter Vortrag betreffend eine nachträgliche Änderung der Sachlage vor; vielmehr ist das den Folgeantrag stützende Vorbringen des Klägers betreffend eine auf Facebook-Postings beruhende Gefahr als unglaubhaft, weil in wesentlichen Punkten im Vergleich zum Asylerstverfahren gesteigert zu werten. Insofern teilt das Gericht die Beurteilung im streitgegenständlichen Bescheid (S. 6), dass sich der Kläger nunmehr nachträglich ein Verfolgungsschicksal zurechtlegt, nachdem er gewahr geworden ist, dass sein Vorbringen im Asylerstverfahren für einen erfolgreichen Asylantrag nicht ausreichend war.
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Glaubhaft wird das Vorbringen des Klägers auch nicht durch die bzw. unter Berücksichtigung der von ihm vorgelegten Unterlagen, welche aus dem gegen ihn in der Türkei angestrengten Ermittlungsverfahren herrühren sollen. Für ausländische öffentliche Urkunden gilt die Echtheitsvermutung (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 437, 438 Abs. 1 ZPO) nicht. Das Gericht kann über die Echtheit der Urkunde nach Ermessen befinden (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 438 Abs. 1 ZPO). Das Gericht folgt insoweit gem. § 77 Abs. 2 AsylG zunächst der schlüssigen Begründung bezüglich der vom Kläger vorgelegten Dokumente im streitgegenständlichen Bescheid (S. 5 f.); zur Überzeugung des Gerichts lassen sich diese Ausführungen auch auf die vom Kläger im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Dokumente übertragen. Zum anderen muss, wie ausgeführt, das Vorbringen des Klägers zur Begründung seines Folgeantrags als unglaubhaft gewertet werden, weil er Facebook-Aktivitäten, die nunmehr zu einem Ermittlungsverfahren in der Türkei geführt haben sollen, nicht zum Gegenstand seines Asylerstantrags gemacht hat und insoweit sein nunmehriger Vortrag als erheblich gesteigert gewertet werden muss. Das Gericht vermag daher den begleitend zum Klägervortrag vorgelegten Dokumenten, die sich im Ausgangspunkt ebenfalls auf Facebook-Posts des Klägers beziehen, keine maßgebliche Aussagekraft beizumessen. Da es nach den schlüssigen Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid möglich ist, ohne größeren Aufwand an gefälschte Dokumente zu kommen, muss davon ausgegangen werden, dass auch die vom Kläger vorgelegten Unterlagen die von ihm behauptete Sachlagenänderung nicht verifizieren können.
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Soweit sich der Kläger auf das gegen ihn in der Bundesrepublik laufende Strafverfahren beruft, welches in einem Strafbefehl des Amtsgerichts * vom 9. Januar 2020 resultiert hat, vermag dies ebenso ein glaubhaftes Vorbringen des Klägers nicht zu begründen. Der Strafbefehl ist nach dem Vortrag des Klägers wegen eines Einspruchs noch nicht rechtskräftig geworden; der Kläger verteidigt sich dort also gegen Tatvorwürfe, denen ebenfalls Facebook-Posts zu Grunde liegen. Zudem stammt ein Facebook-Beitrag, auf dem der Strafbefehl beruht, vom 24. Dezember 2018 (Nr. 1 des Strafbefehls), also von einem Zeitpunkt, als das Asylerstverfahren noch nicht abgeschlossen und auch die entsprechende verwaltungsgerichtliche Klage gegen den Ablehnungsbescheid vom 21. Dezember 2018 noch nicht erhoben war. Auch insofern stellt sich also das Vorbringen des Klägers, wegen Facebook-Aktivitäten drohten ihm in der Türkei verfolgungsrelevante Handlungen bzw. ein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 AsylG, als nicht glaubhaft dar, weil diese Aktivitäten erst anlässlich des Folgeantrags vom Kläger vorgetragen wurden.
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1.2 Die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gem. § 71 AsylG sind auch nicht wegen Vorlage neuer Beweismittel gem. § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG gegeben. Neue Beweismittel sind solche, durch die bereits früher vorgetragene („alte“) Tatsachen nachträglich bewiesen werden sollen (vgl. BayVGH, B.v. 10.1.2008 - 11 ZB 06.1427 - juris Rn. 32; BVerwG, U.v. 26.6.1984 - 9 C 875/81 - juris Rn. 14). Nach dem Vortrag des Klägers wurden jedoch die Ermittlungen in der Türkei gegen ihn am 25. September 2019, also nach Abschluss des Asylerstverfahrens, aufgenommen; gleiches gilt für das gegen ihn in Deutschland laufende strafrechtliche Verfahren Seine Beweismittel betreffen demnach keine früher vorgetragenen Tatsachen, insbesondere kein Ermittlungsverfahren, das im Zeitpunkt des Asylerstverfahrens bereits lief, aber dem Kläger jetzt erst bekannt geworden ist. Vielmehr dienen die von ihm vorgelegten Unterlagen allein der Untermauerung seiner Behauptung einer nachträglichen Sachlagenänderung i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG.
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Im Übrigen ist auch in dem Fall, dass ein Asylfolgeantrag auf das Vorliegen neuer Beweismittel i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG gestützt wird, ein glaubhafter und substantiierter Vortrag notwendig (vgl. BVerfG, B.v. 12.11.1991 - 2 BvR 1216/91 - juris Rn. 11; Marx, Ausländer- und Asylrecht, 3. Aufl. 2016, § 11 Rn. 124). An einem solchen Vortrag mangelt es, wie ausgeführt, vorliegend. Zudem kann das Gericht, wie ebenfalls ausgeführt, den vom Kläger vorgelegten Unterlagen, soweit sie aus der Türkei stammen sollen, keinen maßgeblichen Erkenntniswert beimessen, so dass auch nicht dargetan ist, dass diese Unterlagen i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG eine dem Kläger günstigere Entscheidung herbeigeführt haben könnte.
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Sollte die vom Kläger vorgelegten Unterlagen so zu verstehen sein, dass damit nachträglich politische Aktivitäten (Facebook-Posts) des Klägers belegt werden sollen, stünde einem weiteren Asylverfahren § 51 Abs. 2 VwVfG entgegen. Der Kläger hätte solche Aktivitäten ohne weiteres während des Asylerstverfahrens geltend machen können; sein Vorbringen, sich der Relevanz nicht bewusst gewesen zu sein, ist, wie ausgeführt, als Schutzbehauptung zu werten.
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2. Dem Kläger steht auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG nicht zu.
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Insoweit nimmt das Gericht nochmals auf die zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheids (S. 7) gem. § 77 Abs. 2 AsylG Bezug und macht sie sich zu eigen. Darüber hinaus gilt folgendes: Mit dem rechtskräftigen Urteil betreffend den Asylerstantrag des Klägers vom 3. Mai 2019 wurden Ansprüche des Klägers auf Feststellung von Abschiebungsverboten abgelehnt. Dieses Urteil ist für den Kläger und die Beklagte bindend (§ 121 Nr. 1 VwGO). Eine erneute Verpflichtungsklage ohne Änderung der Sach- oder Rechtslage ist unzulässig (Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 121 Rn. 10, Rn. 33). Von einer relevanten Änderung der Sachlage ist aber mit Blick auf den nicht glaubhaften Klägervortrag nicht auszugehen; ebenso wenig liegen, wie ausgeführt, sonst die Voraussetzungen des § 51 VwVfG vor (dazu Rennert, a.a.O., Rn. 34). Weitere Gründe, die gegen das Festhalten an der Rechtskraft sprechen (vgl. Rennert, a.a.O.), sind ebenfalls nicht ersichtlich. Im Übrigen sind Abschiebungsverbote auch in der Sache nach wie vor nicht gegeben. Soweit dieses Begehren nunmehr auf die Einleitung von Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen Facebook-Posts gestützt wird, steht die fehlende Glaubhaftigkeit des Klägervortrags auch insoweit entgegen.
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3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.